Adalbert Stifter

  • Hallo Maria und alle,


    danke für die Rückmeldung! Das klingt ja wirklich verlockend! Dann nehme ich mir wohl Witiko und nicht "Die Mappe meines Urgroßvaters" als nächsten Stifter vor. Im Herbst vielleicht ... Eigentlcih wollte ich einen Sitfter mit in meinen Österreich-URlaub nehmen, aber es ist wohl eine andere historische Landschaft, die dort beleuchtet wird. Versteht man den historischen Hintergrund aus dem Buch heraus oder braucht man Begleitbücher?
    Bin auch gespannt auf deine Rektionen zur Stifter - Bio: Wie gesagt, mir ist er erst durch diesen Hintergrund so richtig interesant geworden.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Zitat von "finsbury"

    Versteht man den historischen Hintergrund aus dem Buch heraus oder braucht man Begleitbücher?
    Bin auch gespannt auf deine Rektionen zur Stifter - Bio: Wie gesagt, mir ist er erst durch diesen Hintergrund so richtig interesant geworden.


    HG
    finsbury


    Hallo finsbury
    hallo zusammen,


    mir haben die Infos, die ich im Netz fand, fürs Erste gereicht.
    z.B.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Witiko_(Stifter)


    Hier ein Zitat aus einem Artikel aus der "Zeit":
    Man kann das langweilig finden, und das ist ja immer das vorherrschende Urteil über den Witiko gewesen. Aber für den geduldigen Leser entsteht durch die Reduktion der erzählerischen Mittel ein Leerraum, der sich mit Spannung füllt. Die Spannung entlädt sich in den dramatischen und emotionalen Szenen, an denen dieser ungewöhnliche Roman so reich ist. Sie wirken so stark, weil sie sich in äußerster Langsamkeit aufbauen, weil sie ihre Leuchtkraft auf einem fast monochromen Hintergrund entfalten.


    und hier der gesamte Artikel:
    http://www.zeit.de/2005/43/Stifter_Greiner


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Dank gantenbeinin gibt es jetzt auch einen Ordner Stifter als Maler.


    Vielleicht könnte dies die Stifter-Diskussion wieder beleben?


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo!
    Nun ist die Diskussion hier ja schon bisserl her, aber ich habe, just bevor ich dieses Forum für mich entdeckte, ein kleines Lesevorhaben beendet, sozusagen eine Lesetrilogie: Stifters "Nachsommer", dann Thomas Bernhards "Alte Meister" und Stadlers "Mein Stifter". Da Vieles hier schon gesagt wurde, kann ich mich auf ein paar Bemerkungen zu meiner Leserfahrung beschränken.
    Zuerst der "Nachsommer" und ich muß leider wiedereinmal sagen: ich habs nicht geschafft. Nach 200 Seiten verließ ich den Asperhof, mit dem Gefühl, daß dies nicht meine Welt ist, aber auch, daß dies eventuell nicht die richtige Zeit für mich ist, diesen Roman zu lesen. Es war auch weniger der sparsamkarge Plot, der mich abstieß, sondern eher diese Sehnsucht nach einer heilen Welt.
    Nachdenklich entschloß ich mich nicht mit "Alte Meister", sondern mit "Mein Stifter" von Arnold Stadler fortzufahren. In diesem Werk verteidigt Stadler Stifter gegen die kompromißlose Fundamentalkritik seitens Regers, der Hauptfigur in Bernhards "Alte Meister". Er zeigt wie wichtig der "Nachsommer" für seine Entwicklung war. Dann geht er mit Bernhard ins Gericht: er hätte es in seinem Spätwerk nicht mehr geschafft, eine eigene Welt zu entwerfen (wie das Stifter im "Nachsommer" sehr wohl getan hätte), sein Roman, vor allem sein "Alte Meister" sei eine einzige Schimpferei als Reflex auf die bestehende Welt.Außerdem sieht es Stadler als Vermessenheit an, daß seine Hauptfigur Reger Stifters "Nachsommer" überprüfen wolle.
    Nun wurde ich noch nachdenklicher, ist doch Thomas Bernhard einer meiner Helden, Stadlers Kritik nicht ganz von der Hand zu weisen und hatte ich doch auch Thomas Bernhard recht lange Zeit nicht mehr gelesen. Nach der Lektüre stelte ich erleichtert fest: nein, für mich ist "Alte Meister" sehr wohl ein Kunstwerk, ja, diese Negativität der Hauptfigur, dieses ewige Herziehen über Stifter, Bruckner, Heidegger kann einem zuweilen auf die Nerven gehen, wenns einem eben grad nicht amüsiert.
    Mein Fazit: auf meine sprichwörtlich einsame Insel nehme ich nicht den "Nachsommer", nicht Bernhard und auch nicht Stadler mit, sondern "Sämtliche Erzählungen nach den Erstdrucken" von Adalbert Stifter.

    Liebe Grüße, Lena

  • Hallo Lena,


    interessanter Beitrag. Ich kenne alle drei Werke. Im Gegensatz zu Dir habe ich Stifter in einer Phase gelesen, in der mir diese heile Welt sehr gut gefallen hat. Ich fand es zu keiner Zeit langweilig, Stifter spricht in mir mein "Sammler-Herz" an. Bernhards "Alte Meister" halte ich für eines der besten Werke Bernhards. Stadler liebt ja auch beide Schriftsteller, jeden auf seine Weise.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Danke für das Kompliment Thomas.
    Ja, ich finde es immens wichtig, in welcher Lebensphase & welchem Gemütszustand man ein Buch liest. Ich bin mir sicher, daß sich auch mir der "Nachsommer" eines Tages erschließen wird. Momentan sind für mich die Erzählungen in den Erstdrücken nicht zu schlagen: grad das Holprige, Unfertige und Frische dieser Erzählungen reizt mich sehr.
    Was Bernhard betrifft, so sind mir - nicht sehr originell - die 5 Bände Kindheits- und Jugenderinnerungen, sowie "Wittgensteins Neffe" am liebsten.
    Liebe Grüße, Lena

  • ich kann von stifter unbedingt noch die mappe meines urgrossvaters empfehlen...ich musste mich im zuge eines seminars hart durch den nachsommer und witiko kämpfen, und dann kam die mappe und hat mich stifter von einer anderen seite kenenlernen lassen und ist für mich der absolute geheimtipp..gegen ende sind mir heimlich die tränen geflossen


    wind-up bird


  • ich kann von stifter unbedingt noch die mappe meines urgrossvaters empfehlen...ich musste mich im zuge eines seminars hart durch den nachsommer und witiko kämpfen, und dann kam die mappe und hat mich stifter von einer anderen seite kenenlernen lassen und ist für mich der absolute geheimtipp..gegen ende sind mir heimlich die tränen geflossen


    wind-up bird


    Hallo,


    welche der vier Fassungen hast du denn gelesen? Bzw. in welchem Buch war deine Fassung abgedruckt (dann kann ich die Fassung selber recherchieren).


    Gruß, Thomas

  • Hallo,


    wer sich für Stifter interessiert, sollte unbedingt auch folgende Bücher von Wolfgang Matz zum Thema Stifter lesen:


    -Adalbert Stifter oder Diese fürchterliche Wendung der Dinge


    -Gewalt des Gewordenen. Zum Werk Adalbert Stifters


    die Leserin

  • Danke für den Tipp.
    Ich lese den hier öfters erwähnten "Witiko", und es ist einer der schönsten Romane, den ich kenne. Ich hatte bisher von Stifter einen eher schlechteren Eindruck. Aber Witiko ist so sittlich und brav, dass es mir richtige Freude macht, diesen Roman in einer natürlichen naiven und sogar einfältigen Sprache zu lesen. Die Ausgabe bei dtv hat ein sehr interessantes Nachwort. Darin wird auch die Sprache Stifters kurz behandelt.
    Lieben Gruß.


  • Danke für den Tipp.
    Ich lese den hier öfters erwähnten "Witiko", und es ist einer der schönsten Romane, den ich kenne.


    Nun, für einen der schönsten Romane halte ich ihn nicht, da würde ich eher Stifters Nachsommer einordnen. Aber Witiko ist ein äußerst faszinierender Roman mit einem ungewöhnlichen Sujet und dem dazu passenden Stil. Auch meine Empfehlung.


    Gruß, Thomas

  • @klassikerfreund


    tut mir leid für die ganz späte antwort (hatte im letzten halben jahr kein buch mehr in der hand wegen der arbeit), ich weiss nicht genau, welche fassung es war, aber es war eine reclamausgabe, die ich gelesen habe mit erläuterungen im anhang


    ich wundere mich immer, warum von stifter grösstenteils die schwere kost gelesen wird, wenn die mappe einfach eines der schönsten seiner werke ist (rein subjektiv natürlich)


  • @klassikerfreund


    tut mir leid für die ganz späte antwort (hatte im letzten halben jahr kein buch mehr in der hand wegen der arbeit), ich weiss nicht genau, welche fassung es war, aber es war eine reclamausgabe, die ich gelesen habe mit erläuterungen im anhang


    ich wundere mich immer, warum von stifter grösstenteils die schwere kost gelesen wird, wenn die mappe einfach eines der schönsten seiner werke ist (rein subjektiv natürlich)


    Die Mappe werde ich auch noch lesen, habe in diesem Monat gerade "Bunte Steine" gelesen.


    Gruß, Thomas

  • Ich danke für die Empfehlung, wind-up bird, ich werde die Mappe auch lesen.


    Heute bin ich mit "Hochwald" fertig geworden. Angelockt wurde ich von dem Buch, weil ich gelesen hatte, dass es sich hier um eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges handle, und weil ich Stifter im "Witiko" als einen sehr geschichstreuen Autoren erlebt habe.


    Allerdings wird geschichtlich nicht viel erwähnt. Viel eher noch wuchert der "Hochwald" von den herrlichen Naturbeschreibungen. Ich habe noch keine besseren kennengelernt als die hier im "Hochwald". Es ist manchmal unfassbar, wie Stifter die Natur erlebt hat. Wie Stifter die Natur versteht und lieb hat. Was ist es anderen Leuten, wenn ein Baum rauscht oder ein Berg in der Sonne glüht? Aber für Stifter ist ein Leben darin, das er miterleben kann. Er erkennt in einem verwitternden Stein, einem Tier, einem Berg, in einem Baum der in der Sonne steht eine ganz eigene Geschichte, sie leben, leiden, trotzen, genießen, sterben, und wer begreift das? aber Stifter bringt uns all das so intensiv nahe, dass es einem fast weh tut, die Wälder nicht so zu erleben wie er. Aber es macht mich sehr traurig, dass die Natur so lebt, und dennoch bleibt der Mensch unempfunden von ihr. Es ist genau das Triste an dieser Gleichgültigkeit, wie bei Hermann Hesse, im Schluss vom "Unterm Rad" zum Beispiel, wenn über der Beerdigung des niedergedrückten Selbstmörders der Himmel heiter und fröhlich ausgespannt ist. Und dass die Natur so gar nicht mit dem Menschen mitfühlt, kommt auch bei Stifter hundertmal vor. Und trotzdem ist Stifter so begeistert von ihr, woher kommt das?


    Etwas zuwider waren mir die zu idealen Gestalten, sie sind alle so einzigartig hübsch, so blondlockig, immer so besonnen und klug, so anständig, manchmal auf süße Weise unschuldig und kindlich, - so, dass ich beim Lesen öfters den Kopf schütteln musste vor diesem naiven märchenhaften Ideal. Aber wer bin ich, dass ...?




    Hrm, nun frage ich mich vieles. Was halte ich von Stifter?
    Ich habe nun sechs Werke gelesen: "Der Hagestolz", "Bergkristall", Brigitta", dann einen Bericht über eine Sonnenfinsternis, ferner "Witiko" und nun den "Hochwald".


    Wenn mich jemand fragt, was ich denn so gerne lese, fällt mir Stifter immer zuerst ein. Sonderbar! Und mit vielen Menschen habe ich schon über Stifter geredet, wenn sie ihn nicht kannten oder doch nur ein wenig. Dieser unglaubliche Kontrast zwischen seinem Werk und seinem Leben ist doch wirklich immer bemerkenswert!


    Und liebe ich ihn? Ich glaube, finsbury sagte hier, es gebe eine zu große emotionale Distanz zum Autor... das ist bei mir auch der Fall.




    Wie hatte es Stifter eigentlich mit der Religion? Der christliche Gottesdienst scheint ein immerwiederkehrendes Motiv zu sein. Aber wie lässt sich Glaube und Suizid vereinen? Er muss wirklich ein Zerrissener gewesen sein.



    Hrm!


    Gruß
    Knabe


  • ich wundere mich immer, warum von stifter grösstenteils die schwere kost gelesen wird, wenn die mappe einfach eines der schönsten seiner werke ist (rein subjektiv natürlich)


    Danke für den Tipp! Ich möchte diesen Herbst auch endlich mal wieder Stifter lesen. Ich habe die Mappe in der früheren Fassung der "Studien" und die letzte Fassung. Lohnt es sich zuerst die ältere Version zu lesen?

  • Sehr lesenswert ist sicherlich noch "Die Narrenburg" Stifters. Diese existiert m. W. in zwei Fassungen, wobei ich die erste gelesen haben (erschienen 1996 im Residenz Verlag). Zu Beginn hatte Stifter beabsichtigt ein genealogisches Scharnast-Projekt (Scharnast ist der Name der närrischen Familie) zu verfassen. Gerade die erste Fassung der Mappe soll daher angeblich noch eng verzahnt sein mit der Narrenburg. Doch dann haben sich die Erzählungen (in der Überarbeitung für die "Studien", dort ist die Zweitfassung der Narrenburg enthalten) in verschiedene Richtungen entwickelt. Die Mappe kenne ich aber noch nicht, vielleicht findet sich ja mal eine Leserunde dazu.

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Was mich eigentlich immer wieder tief erschüttert ist die Diskrepanz zwischen Stifters Werk, das für mich immer wieder einen "Besuch" wert ist, und seinem Selbstmord.
    Ich habe alle, jedenfalls für mich vefügbare Literatur durchforstet, aber es ist wohl doch ein Selbstmord (ich wollte das eine Zeit lang nicht so recht wahr haben), ein sehr seltsamer dann, wenn man das in diesem Zusammenhang überhaupt so schreiben kann.


    Voller Rätsel ist dieser große Schriftsteller, ich glaube Thomas Mann sagte einmal (sinngemäß) in seinen "späteren Jahren" - "dieser Autor, sein Werk, ist psycholgisch noch viel zu wenig untersucht".


    Stifter möchte ich in meiner Bibliothek nicht missen.


    Grüße


    Peter

  • Hallo!



    Was mich eigentlich immer wieder tief erschüttert ist die Diskrepanz zwischen Stifters Werk, das für mich immer wieder einen "Besuch" wert ist, und seinem Selbstmord.
    Ich habe alle, jedenfalls für mich vefügbare Literatur durchforstet, aber es ist wohl doch ein Selbstmord (ich wollte das eine Zeit lang nicht so recht wahr haben), ein sehr seltsamer dann, wenn man das in diesem Zusammenhang überhaupt so schreiben kann.


    Worin besteht die Diskrepanz zwischen einem Werk und dem Selbstmord des Autors? Welcher Art müsste das Schreiben Stifters sein, um diese Kluft verschwinden zu lassen? Das Rosenhäuschen im Nachsommer schwarz anmalen und ein paar Totenköpfe auf's Gesimse? Oder - anders gefragt: Wie muss ein Werk beschaffen sein, um den Selbstmord des Schriftstellers als folgerichtig bezeichnen zu können? Kann das von Hemingway, Pavese, Klaus Mann, Tucholsky, Innerhofer, Kleist, Chatterton (ad infinitum) behauptet werden? Müsste man - bei Aufrechterhaltung eines solchen Zusammenhanges - nicht Th. Bernhard wiederbeleben, um ihm einen ihm gemäßen Tod zu ermöglichen? Denn: Wenn Selbstmord für den einen inadäquat erscheint, müsste dies - misanthropische Grundstimmung des Schreibens angenommen - nicht auch vom Weiterleben behauptet werden können?


    Das Feststellen einer solchen "Diskrepanz" erinnert an das erstaunte Geflüster der Nachbarschaft, nachdem sich Herr Maier an den Dachbalken geknpüft hat (oder mit dem Rasiermesser den Garaus gemacht hat). Welches da meist lautet, dass man sich "gerade von Herrn Maier derlei nicht erwartet habe". Er war immer so fröhlich, hatte eine Rosenzucht und kleine Novellen übers Landleben verfasst, die er nach allerlei Gesteinsarten benannte. Und pragmatisierter Schulinspektor war er außerdem.


    Grüße


    s.