Adalbert Stifter

  • Hallo JMaria,


    danke für den Hinweis. Werde sie auch auf meine fakultative Anschaffungsliste setzen. Allerdings werde ich kaum in den nächsten Monaten zu Stifter kommen.


    Ist dieses Jahr nicht merkwürdig jubiläumsreich im Literaturbereich?
    Schiller, Thomas Mann, Andersen, von Keyserling, Stifter ...


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo,


    der Vitalis-Verlag bringt anläßlich des Jubiläums die Werke Stifters neu heraus. Ich habe die Bücher schon in der Buchhandlung gesehen, sie haben Fadenheftung, Leinenrücken und keinerlei Kommentar- oder Anmerkungsteil. Gedruckt werden sie in Tschechien.

  • Moin, Moin!


    Wurde eigentlich schon Arnold Stadler Hommage erwähnt? <a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3832179097/leipzigerbuch-21">Mein Stifter</a>. Rezensiert u.a. <a href="http://www.titel-forum.de/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=3479">im Titel Forum</a>. Zu Stifter selbst brachte der Deutschlandfunk einen <a href="">Beitrag</a> zur Ausgabe der <a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3423133694/">Sämtlichen Erzählungen</a>.

  • Hallo zusammen,


    unsere Leserunde zum "Nachsommer" hat mich dazu gebracht, mich weiter mit Stifter zu beschäftigen.
    Die Biographie von Wolfgang Matz (wurde oben schon erwähnt) zeigt das, was ich mir schon bei der Lektüre des Nachsommers dachte: Stifter war eine seltsame Mischung aus Ehrgeiz, Liebesbedürftigkeit und Haltlosigkeit.
    Nachdem er eine leistungsmäßig hervorragende Schulzeit in Kremsmünster verbrachte, wo er von einem Mönchslehrer sehr verständnis- und liebevoll gefördert wurde, scheiterte er später sowohl in seinen beruflichen Ambitionen wie auch in seinem privaten Lebensglück. Seine Liebesgeschichte mit Fanny Greipl ist für mich kaum nachvollziehbar: Er baut sich ständig selber Fallen auf dem Weg ins durchaus erreichbare Liebesglück und heiratet schließlich eine ungeliebte
    Geliebte. Genauso geht es mit beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten: Er lässt Bewerbungsfristen verstreichen, nimmt Einladungen nicht wahr usw.


    Psychologisch klar dagegen ist mir, dass sich so einer ein Idealmodell von Leben wie im Nachsommer errichten muss: Alles ist dort so, dass sich keine wirkliche Reibung bietet: Dort ist der Held von Anfang an behütet und vor allem geliebt und geht so auch weiter durchs Leben: Diese Geborgenheit ist es wohl, nach der sich Stifter sein Leben lang gesehnt hat.


    Nun lese ich auch die Novellen "Bunte Steine" und muss nur wieder feststellen: Solche intensiven Landschaftsschilderungen wie zum Beispiel des Steinkars in "Granit" sind mir selten bekannt geworden. Man möchte sofort hinreisen, um diese Landschaften zu sehen.


    Übrigens sind in den Erzählungen einige - wie ich glaube - "Österreichzismen", die es auch schon im Nachsommer gab, die ich aber erst jetzt richtig zu verstehen meine.


    An euch, liebe Lesefreunde aus den Alpenländern, daher eine Frage:


    Heißt "Kasten" auch "Schrank" und "Geräte", können das auch Kleinmöbel
    sein wie Garderoben, Tischchen oder Spiegel?



    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Tach,


    bin bei Bernhard auch kürzlich drüber gestolpert:


    "wenn ich von seinem Bett, seinem Schreibtisch und seinem Bücherkasten absehe" (Der Atem, dtv, S.88)

  • Hallo xenophanes und stoerte,


    danke für eure Aufklärung. Allerdings habe ich mich missverständlich in meiner Frag ausgedrückt.


    Zitat von "xenophanes"


    [quote="finsbury"]Heißt "Kasten" auch "Schrank" und "Geräte", können das auch Kleinmöbel
    sein wie Garderoben, Tischchen oder Spiegel?


    Würde sagen, dass "Kasten" ziemlich synonym mit "Schrank" ist. Für Geräte und Kleinmöbel verwendet man das Wort sicher nicht.


    CK


    Ich meinte (ein Komma zu wenig! :redface: ), ob in Österreich eventuell auch Kleinmöbel als "Geräte" bezeichnet werden, weil dieses Wort im Nachsommer und auch - wenn auch nicht so oft - in den Erzählungen als Bezeichnung für Zimmerausstattungen vorkommt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass damit nur Geräte im engeren Sinne wie z.B. Spinnräder, Hobelbänke, Kaminbesteck u.Ä. gemeint ist.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo!


    Zitat von "finsbury"


    Ich meinte (ein Komma zu wenig! :redface: ), ob in Österreich eventuell auch Kleinmöbel als "Geräte" bezeichnet werden, weil dieses Wort im Nachsommer und auch - wenn auch nicht so oft - in den Erzählungen als Bezeichnung für Zimmerausstattungen vorkommt.


    Das wäre mir jetzt nicht aus Austriazismus bekannt. Wird wohl wie "Gerätschaften" gebraucht.


    CK

  • Hallo zusammen,


    danke zunächst an @ xenophanes für deine Antwort.
    Ein schönes neues österreichisches Wort habe ich gestern in der Geschichte "Katzensilber" kennen gelernt: Schloßen für Hagelkörner.


    Übrigens muss ich nun, da ich die "Bunten Steine" fast durchhabe, feststellen, dass Stifter ein Autor mit einer hohen Stilsicherheit und auch Motivbeständigkeit ist.
    In Ausbau zu meinen Vermutungen bei der Nachsommerlektüre glaube ich, dass er die schlichte Sprache mit den vielen Wiederholungen und der sehr gleichförmigen Syntax (z.B. extrem häufige Kopfstellung des Subjektes) sehr bewusst einsetzt. Wenn man sich daran gewöhnt hat, ist es auch sehr passend, denn seine Thematik ist ja immer wieder die einzig mögliche Schlichtheit und Regelmäßigkeit des menschlichen Lebens im Angesicht der grandiosen und unbeherrschbaren Natur.
    Er wird sicher nicht mein Lieblingsschriftsteller werden, dafür ist meine emotionale Distanz zu groß, aber er fasziniert mich eben durch diese Schlichtheit und dieses geradezu verzweifelte Anschreiben gegen das Chaos.
    In Deutschland gehört er ja nicht gerade zu den Verkaufsschlagern. Wie sieht es bei euch in Österreich aus? Sind in den großen Buchhandlungen seine Werke vorrätig? Wird er regelmäßig an den Schulen gelesen?
    Verfilmt wird er ja: Es kam doch erst letztes Jahr eine Verfilmuing von "Bergkristall" heraus, wenn ich mich recht erinnere.
    Fragen über Fragen zur Stifter-Rezeption in Österreich. Freue mich über Antworten!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,


    seit vorgestern habe ich die Stifter-Biografie von Wolfgang Matz durch, die ganz wie die Werke des behandelten Autors ziemliche Längen aufwies.


    Dennoch hat mich gerade das letzte Drittel sehr interessiert: Stifter war wirklich ein armer Kerl, der mit dem, was er sich vom Leben erträumte und mit der - durchaus von ihm selbst verschuldeten - eher bescheidenen Realität nicht zurecht kam.


    Er verlor seine große Liebe durch ständige Unentschlossenheit, heiratete seine Geliebte, die ihm geistig keine echte Partnerin sein konnte und wollte. Er vernachlässigte die ihm anvertrauten jungen Verwandten und sehnte sich doch Zeit seines Lebens nach eigenem Nachwuchs. Immer wollte er nach Italien und das Meer sehen, fand aber, selbst als er genug Geld und Muße hatte, Ausreden, so dass er schließlich nicht weiter als kurz mal nach Oberitalein und für einen Tag an die Adria kam.
    Es gibt ja diese Menschen, die Angst vor der Erfüllung ihrer Glücksvorstellungen haben und deshalb unbewusst alles tun, damit sich ihre Träume nicht erfülllen und sie von der Realität nicht enttäuscht sein können.


    Erstaunlich, dass sich ein solch gearteter Mensch dennoch so wunderschöne Erzählungen und Charaktere hat einfallen lassen.


    HG


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,


    ich habe "Brigitta" gelesen. Wer kennt es? Was für ein schöner Roman. Die Kapiteleinteilungen mit Überschrift fand ich sehr passend und zugleich geheimisvoll: Steppenwanderung, Steppenhaus, Steppenvergangenheit, Steppengegenwart. Die schönen, oft melancholischen Naturbeschreibungen. Diese wiedergefundene Liebe. Das hat was! Bin noch ganz verzaubert.


    Brigitta, Zitat


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo JMaria!


    Sicher kenne ich Brigitta! (Obwohl ich den Text noch keinen Roman nennen würde. Das sind bei Stifter noch ein paar Seiten mehr ... :zwinker: Eine Erzählung. Eine Novelle? Hmm ... wo ist der Falke? ... Ich sehe schon, ich muss diesen Text wieder einmal einschieben ... ) Es ist die meiner Meinung nach eine der schönsten Erzählungen Stifters. Auch wenn die Position des Ich-Erzählers mich immer ein wenig irritiert hat. Ich meine: Warum keine Erzählung in der dritten Person?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Hallo Sandhofer,
    du hast recht, ein Roman ist es noch nicht. Eine Erzählung müßte doch die richtige Sparte sein. Aber ich bin eh kein Experte in diesen Dingen.


    Achja, der Ich-Erzähler hat mich auch irritiert. Ich hatte so das Gefühl als ob der Dichter selbst dies erlebt hat. Keine Ahnung ob Stifter in Ungarn war. Eine Biographie ist nun wirklich fällig.


    Zitat von "Sandhofer"

    Es ist die meiner Meinung nach eine der schönsten Erzählungen Stifters


    Die Erzählung berührt mein Herz, deswegen stimme ich dir gerne zu.


    Was ich bisher auch nicht wußte, dass Adalbert Stifter malte. Auf dem dtv-Taschenbuch ist ein Bild von ihm abgebildet. Wirkt irgendwie melancholisch. Aber sein Malstil paßt wohl zu seinem Schreibstil.
    Obwohl ich ja noch nicht viel von Adalbert Stifter kenne. Das wird sich ändern.


    Welche Erzählung oder Roman gehört deiner Meinung noch zu den schönsten von A.S.?


    In "Brigitta" gibt es ein Happy-End, in "Bergkristall" auch. Benutzt der Schriftsteller gerne dieses Element? Ich bin bei Klassiker zwar nicht auf ein Happy-End fixiert, doch es war so herzerwärmend. *seufz*


    Viele Grüße
    Maria
    PS: Seid ihr mit "Nachsommer" schon durch? Schade, dass die Leserunde mir damals zeitlich nicht reinpaßte.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria und alle,


    Zitat von "JMaria"

    In "Brigitta" gibt es ein Happy-End, in "Bergkristall" auch. Benutzt der Schriftsteller gerne dieses Element? Ich bin bei Klassiker zwar nicht auf ein Happy-End fixiert, doch es war so herzerwärmend. *seufz*


    Viele Grüße
    Maria
    PS: Seid ihr mit "Nachsommer" schon durch? Schade, dass die Leserunde mir damals zeitlich nicht reinpaßte.


    Der Nachsommer war ein nachhaltiges Leserlebnis, sehr zu empfehlen.


    Wenn du eine Biografie lesen willst, kann ich dir die oben erwähnte von Wolfgang Matz wirklich empfehlen. Sie zeigt die Zerrissenheit dieses Dichters.
    Deshalb hat er auch ganz schaurig trostlose Enden geschrieben, z.B. in "Der Hagestolz", in der am Ende ein alter Mann verbittert und vereinsamt auf ein verfehltes Leben zurückschaut. (drei ver-! :zwinker: )
    Und zum Teil hat sich wohl auch Stifter so gefühlt. Es ist nicht klar auszumachen, ob er sich aus Schmerzen oder aus dem Gefühl des Scheiterns heraus sein Leben nahm.


    Dieser Dichter lässt mich jedenfalls auch nicht mehr los. Nachdem ich am Anfang seinen Stil und seine Ausführungen etwas pedantisch fand, ergreifen mich jetzt seine Texte, vor dem Hintergrund seines Lebens, umso mehr.
    Und ich habe auch einen Blick bekommen für den ruhigen Fluss seiner Sprache.


    "Witiko" und "Die Mappe meines Urgroßvaters" habe ich mir deshalb neu angeschafft und werde eins der beiden Werke in meinen Ostösterreich-Urlaub mitnehmen.


    HG


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Hallo finsbury
    die Biographie werde ich mir auch kaufen. Es ist mir ein Bedürfnis mehr über diesen Schriftsteller zu erfahren.


    "Witiko" habe ich begonnen zu lesen. Es fesselt mich. Ungewöhnlich zu lesen sind die Angaben der Reiseroute. Der Witiko reist in den Morgen und manchmal geht er in Richtung Mitternacht und sein Gastgeber in Richtung Morgen. D.h. wohl, dass sie sozusagen in gegensätzliche Richtung gehen.


    Morgen = Sonnenaufgang = Osten = Richtung Böhmen (?)


    Jedenfalls finde ich es sehr poetisch ausgedrückt.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "JMaria"

    "Witiko" habe ich begonnen zu lesen. Es fesselt mich.


    Ich bin auf weiteres Feedback gespannt! Den Witiko habe ich selber ja erst im dritten oder vierten Anlauf geschafft.


    Zitat von "JMaria"

    Ungewöhnlich zu lesen sind die Angaben der Reiseroute. Der Witiko reist in den Morgen und manchmal geht er in Richtung Mitternacht und sein Gastgeber in Richtung Morgen. D.h. wohl, dass sie sozusagen in gegensätzliche Richtung gehen.


    Stifter verwendet hier wohl bewusst veraltete Ausdrücke. "Mitternacht" ist aber nicht ganz die gegensätzliche Richtung zum "Morgen". "Morgen" ist, wie Du, JMaria, schon gesagt hast, = Osten. "Mitternacht" ist dann der Norden.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hall zusammen,


    über den "Witiko" habe ich in der Matz-Biografie gelesen, dass dieser von allen Werken Stifters beim Publikum auf das stärkste Unverständnis stieß: Viele sollen ihn für unlesbar gehalten haben.
    Bin als auch gespannt auf deine Lektüre-Erfahrungen, Maria.


    Was ist es denn wohl, was das Buch so schwierig zu lesen macht?


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Hallo finsbury,
    Hallo zusammen


    ich habe nun ca. die Hälfte des Buches (Witiko). Ich denke, das Geheimnis liegt in der Ausdauer sich durch die Geschichte Böhmen und Mähren zu lesen, die vielen Wladislaws und die ausführlichen Versammlungsgesprächen. Doch nach der Schwemme an historischen Romanen, die es derzeit auf dem deutschen Markt gibt, ist es ein wahrer Genuss, diesen gut recherchierten, ausführlichen historischen Roman zu lesen. Witiko ist kein Protagonist, der sich im Laufe der Zeit entwickelt. Er ist immer gleich besonnen und auf hohen, vernünftigen, vorsichtigen Niveau. Immer überlegt, sehr feinsinnig. Die Sprache ist überaus schön.


    Es ist kein Roman zum schnellen dahin lesen. Man muß ihn in Ruhe genießen und sich Zeit lassen und sich darauf einlassen.


    Ich bin immer noch begeistert und wenn Witiko durchs Land reitet, ist es fast als ob man dabei ist.


    Heute kam mit der Post die Adalbert Stifter Biographie von Wolfgang Matz an. Darauf freue ich mich auch schon.
    Achja, und in einem Remittendentisch fand ich "Nachsommer".


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)