Was lest ihr gerade?

  • Ganz abgesehen davon, daß ich noch 1 weiteres Buch VERNE’s in petto habe; wo er, ähnlich wie in der ‹Propellerinsel›, einen glänzenden Grundeinfall dadurch verplemperte, daß er ein banales, ja läppisches Fabuliergeranke korbmachern drum=herum flocht : also das könnte ich so viel besser=bedeutender machen! – man vergebe mir die kleine Prahlerei : mehrere Andere könnten’s ebenfalls, ich weiß; es ist grade in diesen Fällen ganz peinlich leicht, und eigentlich ein rechter Einwand gegen VERNE – den Titel nenne ich diesmal selbstredend nicht; ich war wirklich bereits entsagungsvoll genug.


    (Arno Schmidt, gemeint ist „Schule der Robinsons“ und „Schule der Atheisten“)

  • Erich Maria Remarque "Der schwarze Obelisk". Habe ich schon als Teenager mal gelesen, kann mich aber kaum an etwas erinnern. Egal! Es liest sich einfach großartig. Remarques Spitzen gegen Gesellschaft, Politik, Religion etc. sind einfach lesenswert.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hermann Kesten "Die fremden Götter". Ein heutzutage wohl eher unbekannter Autor. Das Buch hat aber Potential. Beginnt trotz schwierigem Thema mit einigem hintergründigen Humor.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Herman Melville, Mardi und eine Reise dorthin. Die sehr schöne zweibändige Ausgabe der leider längst verblichenen Achilla Presse.

    Ich hatte diesen seltsamen Roman vor ca. 10 Jahren versucht, auf Englisch. Das ging gar nicht. Melville auf Englisch für mich zu kompliziert.

    Danach die Übersetzung gekauft, und auch irgendwie steckengeblieben. Vielleicht waren, wie öfters, andere Romane dazwischengekommen.

    Diesmal geht es. Da demnächst die Wiederlektüre von "Moby-Dick" ansteht, halte ich "Mardi" für unverzichtbar.

    Mag sein, als Weg zum Weißen Wal, ich weiß es nicht. Jedenfalls ähnlich rätselhaft.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Das geht langsam voran. Ich brauch Abwechslung. Also, auch schon vorletztes Jahr gekauft:

    Joris-Karl Huysmans, Lourdes

    https://lilienfeld-verlag.de/b…is-karl-huysmans-lourdes/


    Eventuell ja als Vorlektüre zu Zolas Städte-Trilogie, erster Band.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich habe mal wieder ein Buch aus dem Ebook-Vorrat: "Zur See" von Dörte Hansen.
    Gefällt mir sehr gut, obwohl die Handlung bisher sehr episodisch ist; aber ich habe kein Problem damit, auch wenn es die ganze Zeit so bleibt. Ist mehr eine Milieubeschreibung, aber sehr ausdrucksvoll.

  • Zola mag Lourdes auch nicht besonders. Das Buch hat seine Längen, aber seine Charakterschilderungen finde ich nach wie vor phantastisch. Von der Städtetrilogie fand ich nur "Rom" ziemlich langweilig und auch inhaltlich fragwürdig (die Utopie eines idealen Kirchenstaats, die Zola da entwirft).

  • Die Städte-Trilogie von Zola sagt mir gar nichts. Geht es da nur um "heilige Städte"? Dann fällt sie eh aus meinem Interessenfeld.

    Ich beginne gerade mit Gabriele Tergitts erstem und erfolgreichstem Roman: Käsebier erobert den Kurfürstendamm.

    Ein Roman um Aufstieg und Fall im Medien- und Künstlermilieu im Berlin der Endzwanziger.

  • Die Städte-Trilogie von Zola sagt mir gar nichts. Geht es da nur um "heilige Städte"? Dann fällt sie eh aus meinem Interessenfeld.

    Lourdes - Rom - Paris. Zola exploriert darin, nachdem, was ich nebenher zum seinem kleinen Buch "Meine Reise nach Rom" gelesen habe, die mögliche Position der katholischen Religion im ausgehenden 19. Jahrhundert. Aber ich glaube sowieso nicht, dass man Zola gelesen haben muss. Jedenfalls hatte ich nach zwei Romanen aus dem Rougon-Macquart-Zyklus genug.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Danke, sandhofer, ein sehr interessanter Blick auf Zolas Rom-Wahrnehmung. In diesem Reisebuch vermutlich für mich interessanter als in dem Städtezyklus.

    Ich habe auch einige Bände aus dem R.-M.-Zyklus gelesen und schätze Zola sehr als gnadenlosen Entlarver, aber gerade deshalb lese ich ihn nicht gerne, weil dieser Blick auf die Dauer sehr anstrengend ist. Besonders intensiv finde ich "Die Erde" und "Germinal", da musste ich mich oft nach der Lektüre erstmal wieder sammeln.

  • Hermann Kesten "Die fremden Götter". Ein heutzutage wohl eher unbekannter Autor. Das Buch hat aber Potential. Beginnt trotz schwierigem Thema mit einigem hintergründigen Humor.

    Danke fürs Erwähnen! Autor und Verlag waren mir bisher nicht bekannt. Der Nimbus Verlag schaut interessant aus, die Bücher auf den ersten Blick sehr schön. Werde ich mir mal abspeichern.

    https://www.nimbusbooks.ch/sit…hau_doppelseite_96dpi.pdf

  • Danke fürs Erwähnen! Autor und Verlag waren mir bisher nicht bekannt. Der Nimbus Verlag schaut interessant aus, die Bücher auf den ersten Blick sehr schön. Werde ich mir mal abspeichern.

    https://www.nimbusbooks.ch/sit…hau_doppelseite_96dpi.pdf

    Oh ja. Hab auch gerade geblättert. Wäre fast schwach geworden. Aber die Biographien-und-sonstige-Sachliteratur-Regale platzen. Gerade bei den größeren Formaten.

    Wie schön ...

    https://www.nimbusbooks.ch/buc…rungen-rainer-maria-rilke

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Die Halbleinen Bände der "unbegrenzt haltbar" Reihe sind wunderschön gemacht. Sowohl der Einband als auch der Text selbst.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Nach einer Reihe von anstrengenden Romanen (und Huysmans' Lourdes war auch anstrengender als erwartet) versuche ich es mit Kürzerem.

    Konstantin Paustowski, Meistererzählungen.

    Das Taschenbuch

    https://d-nb.info/910152985

    war mir irgendwann mal zugeflogen, und weil es nicht so gut erhalten ist, wird es nach Lektüre wohl im Öffentlichen Bücherschrank landen.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • (Aus-!)Gelesen: Dietmar Daths „Kalkülroman“ Gentzen.


    Das ist ein ordentliches Stück Arbeit, welches Mühe, Ausdauer und Toleranz beansprucht, von der ersten bis zur letzten Seite, knapp unter der 600er Marke.


    Dietmar Dath hat eine Vorliebe – Schwäche will ich das nicht nennen – für Mathematik, insbesondere für den Zweig formaler Logik, da ist es naheliegend, einen der bedeutenden Logiker zum Angelpunkt einer längeren Erzählung zu machen. Der Titelgeber Gentzen selbst tritt allerdings nur in sporadischen Anekdoten auf, als Orientierungspunkt, der das Denken und Handeln einiger Protagonisten beeinflusst, in ihrer Eigenschaft als Informatiker. Überhaupt gibt es hier keine stetig ablaufende Fabel, dafür in zeitlichen Sprüngen vorwärts und rückwärts erzählte Fragmente, die sich mit einem anderen zentralen Handlungsstrang, der Suche nach einem „Verschwundenen“, um den Gegenstand des Buchs herum gruppieren: das Versäumen möglicher Lösungen für die ganz großen Probleme, gipfelnd in einer bizarren Zukunftsvision, in der eine anscheinend aus einem Laborexperiment hervorgegangene und durch Schmetterlinge übertragene tödliche Krankheit, die „falschen Farben“, die Menschheit bedroht.


    Knapp 600 Seiten, auf 140 Kapitel verteilt, einige etwa 10 Seiten lang, andere eine Viertelseite, eines nur aus einer Zeichnung bestehend, ohne konzise Fabel, stellenweise hochtheoretisch, zwischendurch nicht nur formallogisch, sondern auch hochpolitisch, ohne dass sich am Ende eine Lösung abzeichnete oder auch nur ein Spannungsbogen schlösse: ich sagte es schon, das ist kein Pillow-Book. Wenn Moritz Baßler in seinem Buch über den „Populären Realismus“ zu dessen charakteristischen Eigenschaften die „Bewohnbarkeit“ der Erzählung zählt, dann ist „Gentzen“ etwa so bewohnbar wie eine Tischlerwerkstatt.


    Trotzdem: es gibt wenige Bücher aus der jüngeren Zeit, die ich mit mehr Gewinn gelesen habe. Mit der Auflösung üblicher (nicht etwa „traditioneller“) Erzählstrukturen komme ich zurecht, Daths orthodoxen Kommunismus muss ich nicht teilen, das Buch funktioniert auch ohne ihn. Die virtuose Collagetechnik kreuz und quer über die Zeitachse ist hat schon ihren Reiz, ebenso die Annäherung an das Zentralthema von einer ungewohnten Seite, der mathematisch-logischen Durchdringung, her. Und noch etwas steht außer Frage: die immense sprachliche Qualität. Damit meine ich weniger die – manchmal etwas mühsam lesbaren – fotorealistischen Dialoge, in denen dem Leser die Stammeleien, die unvollständigen und verqueren Sätze der Umgangssprache, nicht erspart bleiben. Ich meine solch altmodische Dinge wie Bilder, Metaphern, Satzbildungen, denen man die Sorgfalt und die Originalität des Verfassers ansieht.


    Wenn es ein Fazit sein soll: special interest, dort aber lohnend.