Was lest ihr gerade?

  • Vielen Dank euch beiden fürs Mitdenken!

    In dem Grimes-Roman ist kein Urheber für die Übertragung des Gedichts angegeben. Ich kann nur vermuten, dass das Gedicht von der gleichen Person übersetzt wurde wie das ganze übrige Buch.

    Das könnte natürlich bedeuten, dass eine möglichst gehübschte Form angestrebt wurde. Denn der Verlag musste wohl davon ausgehen, dass die große Mehrheit der deutschen Leser das Gedicht nicht kennt und auch nicht nachlesen wird. Ich glaube, ich muss meine eigene Interpretation noch mal auf den Prüfstand stellen.

  • Heute morgen beendet:


    Margriet de Moor, Von Vögeln und Menschen

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    Margriet de Moor schätze ich als Erzählerin seit vielen Jahren. Sie ist eine Meisterin, Möglichkeiten und Potentiale menschlicher Existenz auszuloten. Welche Möglichkeiten und Abgründe lauern hinter dem, was unsere Biographien zu sein scheinen? Ist 'Normalität' wirklich alles?


    Im neuen Roman tut sie das anhand der Geschichte dreier Frauen: Eine gesteht einen Mord, den sie nicht begangen hat, und kommt dafür ins Gefängnis. Eine andere lebt ein Leben lang unbescholten, obwohl sie eine Mörderin ist. Und die dritte Frau wird ihr Leben lang vom Hass zerfressen, bis sie schließlich in einer überraschenden Tat eine alte Schuld sühnt.


    Toller Roman, stilistisch wundervoll erzählt, voll inhaltlicher Tiefe und schöner Szenen.

  • Ich habe vor vielen Jahren "Erst grau dann weiß dann blau" gelesen und erinnere mich, dass es mir nicht gefiel. Übrigens damals im Rahmen einer Leserunde im Forum des Literaturcafés, das damals noch existierte. Muss mindestens 20 Jahre her sein.

    Vielleicht sollte ich der Dame noch eine Chance geben ...

  • Ich habe von de Moor bisher nur "Sturmflut" gelesen, den Roman fand ich aber ganz toll, sehr dicht erzählt und eine Personenkonstellation, die einige Ähnlichkeiten mit der von dir oben dargestellten hat, @Newman.

    Ja, finsbury, diese Konstellation findet sich in den Roman von Margriet de Moor immer wieder. Sie ist eine Meisterin darin, potenzielle Biographien auszuloten oder, anders gesagt, nach dem Leben hinter dem gelebten Leben zu suchen. In der Sturmflut tritt ja die Schwester der Ertrunkenen in deren Leben ein - übernimmt quasi ihre Biographie. Und in 'Erst grau, dann weiß, dann blau' geht es ja auch um eine Frau, die ein Jahr lang verschwindet und damit in ein Leben eintritt, das neben ihrem 'eigentlichen' Leben liegt. Im neuen Buch geht es wieder um solch hintergründige Biographien, die mehr enthalten, als man zunächst denkt. Das ist ein spannendes Thema.

  • Liebe Maria,


    ich war die letzten Tage auf der Leipziger Buchmesse und hatte dort die Gelegenheit, Arno Geiger in einigen Gesprächen zuzuhören. Ihm wurde auch die Frage nach dem letzten Kapitel gestellt. Er erklärte, dass für ihn die Figuren während der Arbeit am Buch zu leben begonnen haben, obwohl sie fiktiv sind. Seine Stärke ist ja seine Empathie, wie man am Buch leicht erkennt. Daher war es ihm wichtig, den Figuren auch ein Leben nach dem Buch zuzugestehen. Denn wir Heutigen wissen ja, dass mit 1944 die Geschichte nicht endete, sie ist für uns nicht offen. Ein offenes Romanende kam für ihn daher nicht infrage.


    Er wurde auch nach den Schrägstrichen gefragt und konnte auch die für mich gut erklären.


    Zum einen ging es ihm darum, den Text zu gliedern. Als junger Mann hat er sehr viel Arno Schmidt gelesen und kennt daher dessen typographische Experimente mit allerlei Elementen. Geiger kam es darauf an, den normalen Fluß eines Romantextes mit 'sie sagt, er sagt...' aufzubrechen. Als Mittel der Gliederung standen ihm nur Punkte und Absätze zur Verfügung. Der Schrägstrich bietet ihm nun die Möglichkeit, mehr als ein Punkt zu sein, aber weniger als ein Absatz. Zudem rhythmisiert er den Text und gliedert den Lesefluss. Das hat mir eingeleuchtet.

  • Hallo JHNewman,


    da wäre ich gern dabei gewesen. Die Erklärungen finde ich schlüssig und passt zu dem Eindruck, den man vom Autor bekommt.

    Danke, fürs mitteilen !


    Dein letzter Lesestoff ist auch interessant beschrieben. Ich kenne noch nichts von Margriet de Moor.



    ich las den letzten Erzählband den Roberto Bolano schrieb. Mir liegen seine Romane und seine Erzählungen. In diesem letzten Band "Der unerträgliche Gaucho" geht es wie üblich um die Gesellschaft, um Literatur, aber auch um eine neue Komponente, eine sehr persönliche, über Krankheit.


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    Gruß,

    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Ich habe im Schnelldurchlauf einen kleinen Roman von John Knittel gelesen, "Jean Michel", er spielt in Algerien.

    Im Mittelpunkt steht eine Familie von "colons", was ich als Kolonisten gelesen habe. Das Buch beginnt mit sehr schönen Schilderungen des Umfelds, des Familienhauses und der Anpflanzungen (Mandeln, Orangen, Weinberge) ... ich sah mich in tiefe Vergangenheit zurückversetzt. Dass die Ehefrau des "colon" Thiery eine russische Exilantin der Oktoberrevolution ist, habe ich ebenso geflissentlich überlesen wie andere Hinweise auf die Zeit, in der der Roman spielt. Als von Rommels Afrikafeldzug die Rede war, wurde ich stutzig und suchte bei Wikipedia, ob es womöglich vor dem bekannten "Wüstenfuchs" noch einen anderen Rommel gegeben haben könnte. Dann tauchten im zweiten Viertel deutsche Soldaten auf, es war von Hitler die Rede und dass die Deutschen ein "furchtbares Volk" seien. Da fiel der Groschen bei mir. Wir befinden uns in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre.

    Nun ja. Das Buch enthält wunderbare Schilderungen der Häuslichkeit, der Arbeiten auf dem kleinen Landgut, des alltäglichen Familienlebens, aber das entscheidende Drama des Romans ist erstaunlich platt und fade ausgeführt, obwohl es jede Menge Spannung aufbieten könnte, es gibt immerhin einen Mord - aber ich war froh, das Buch durch zu haben. Es darf gleich wieder in den Offenen Bücherschrank zurückwandern, aus dem ich es gezogen habe. Merkwürdig, dass ich von John Knittel nach "Via Mala" nie mehr ein wirklich gutes Buch in der Hand hatte. "Via Mala" hat mir in den Siebzigern eine Freundin geschenkt; es war ihr Lieblingsbuch, und obwohl ich nicht derart begeistert war wie sie, fand ich es jedenfalls gut.

  • Armer Grigol, ein Platz wurde dir zugewiesen. Als Neuer in diesem Forum muss ich wissen, was lese ich gerade, du weißer Georg, bitte entschuldige. "Chaos im Kopf": Liebe Frau Maron, vielen Dank, dass Sie uns dieses Buch geschrieben haben und auch für die persönlichen Worte am 19.3. Ohne den damals viel zietierten 95. Psalm und den früheren Zwist wieder zu beleben; den Abzug auf sich gerichtet gesehen zu haben - die Angst sitzt tief. Und nachvolllziehbar tief sind die Gefühle, wie Ihr Glaube.

    Dieser seidene Faden, dieser leise Weckruf, altes loszulassen, bevor es über Bord geht. Jeden Tag ungewiss, sich neu erfinden. Dieses ist ein Stückweit auch Chaos in meinem Kopf. Hab Dank!

  • Vielen Dank, Sandhofer und Newman, ihr alten Hasen, dass ihr den Knoten entworren habt! Das ist auch ein Beitrag! Und, ach ja, noch etwas liegt auf meinem Nachttisch, als Besinnungsliteratur: Andreas Gryphius "Die geliebte Dornrose". Als Studierender wußte ich schon um die Urkraft volkstümlicher Mundarten. Hier mal etwas aus Großmutters Zeiten, aus dem Schlesischen im Geist des Barockzeitalters. Ein Volksleben schilderndes Scherzspiel. Zugegeben, auch ich tue mich schwer mit dem Aussprechen. Aber stilles Lesen ist eben etwas anderes. mfg.

  • Von Nigel Nicolson: Virginia Woolf, eine Kurzbiographie, die viel Spaß gemacht hat, sie zu lesen. Man bekommt einen Eindruck von Virginia Woolfs Leben und Wirken.

    Das Buch geht nicht sonderlich ins Detail, dafür ist es zu kurz.

    Jetzt anschließend werde ich etwas von Katherine Mansfield lesen.


    Gruß, Lauterbach

  • Nachdem ich jetzt seit rund drei Jahren fast ausschließlich Karl May, Arno Schmidt und Hans Wollschläger gelesen habe, wird es endlich mal Zeit für einen Klassiker, den ich noch nicht kenne: Lesage, Gil Blas.


    (Ich hab erst ein paar Kapitel gelesen, aber es geht mir da so, wie mit vielen hochgelobten Klassikern: so rechte Lesefreude will nicht aufkommen, dazu wird mir das zu simpel runtererzählt ("und dann ... und dann .. und dann") und es ist zu vorhersehbar, wie sich das entwickelt: Gil Blas wird reingelegt, reingelegt, reingelegt und dann noch mal reingelegt. Verbunden mit der Moral: Schaut her, so geht es zu in der Welt. Das mag ja vor 300 Jahren alles ganz neu, aktuell und sensationell gewesen sein: aber heute? Na, 100 Seiten geb ich dem Roman noch, wenn sich das nicht ändert, brech ich die Lektüre ab.)

  • Letztens habe ich „Lady Susan“ von Jane Austen gelesen. Ein sehr guter Briefroman, typisch Austen. Momentan lese ich „Es geht uns gut“ von Arno Geiger und nebenbei schon seit längerem „The Historian“ von Elizabeth Kostova (spannend aber sehr langatmig).

  • Immer wieder einmal ein paar Seiten in stillen Mußestunden:


    Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim


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    Großartiges Buch, und ein kleiner Einblick in eine jüdisch mystische Glaubensform, über die mir bisher wenig bekannt war. Einige dieser Weisheitstexte erinnern mich an das Tao Te King.


    Hier noch ein lesenswerter Artikel zum Chassidismus auf Literaturkritik.de:


    http://literaturkritik.de/id/20319


    edit sandhofer: Ich habe Autor und Titel hinzugefügt. Damit auch die, die über Feed oder Lesehilfen ins Forum kommen, wissen um welches Buch es geht. Nix für Ungut!

  • Ich lese zur Zeit 4 Bücher parallel:


    - "Fjodor M. Dostojewskij" (C. Hamel)

    - "Kennst du Fjodor Dostojewski?" (R. Opitz)

    - "Dostojewskis Gelächter - Die Entdeckung eines Großhumoristen" (E. Henscheid)

    - "Auferstehung" (L. Tolstoi)


    Die ersten 3 habe ich bisher zur Hälfte gelesen.

  • Nachdem ich von Eric Vuillards kurzem, aber großen Roman über Hitlers 'Anschluss' Österreichs sehr angetan war, habe ich noch einmal nach einem anderen kleinen-großen Roman eines Franzosen gegriffen, an den mich Vuillard erinnerte: Yannick Haenels Roman 'Das Schweigen des Jan Karski'. Diese Re-Lektüre hat mich darin bestärkt, dass es eines der ganz wichtigen Bücher über den Holocaust ist. Weil es neben der menschlichen Tragik und den unglaublichen Verbrechen (die knapp aber sehr eindrücklich geschildert werden) auch den unglaublichen Skandal der Untätigkeit der Welt angesichts dieses Mordens thematisiert.


    Es gab eine bewußte Entscheidung vor allem der Briten und der Amerikaner, nichts gegen den Holocaust zu unternehmen. So ein Buch kann natürlich kein Deutscher schreiben. Es wäre zynisch. Aber Haenel bedient sich der Stimme des polnischen Widerstandskämpfers und Emissärs, um diese dunkle Seite der Geschichte zu beleuchten.


    Schwere Kost, aber sehr zum empfehlen:

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