Volker: Ich habe das Buch jetzt noch einmal gelesen und kann Dir zustimmen: Das Hauptthema kommt am Anfang schon recht deutlich vor. Aber mir ist auch bei der nochmaligen Lektüre aufgefallen, dass sie das Hauptthema durch Nebenthemen flankiert. Auch die wirtschaftliche Ungerechtigkeit und Probleme des Kapitalismus kommen zur Sprache. Auch die wirtschaftlichen Ursachen der Flüchtlingsbewegung werden benannt. Und neben Passagen, die man sehr ausländerkritisch bis ausländerfeindlich lesen könnte, gibt es auch immer wieder Passagen, die ein gewisses Verständnis für deren Migrationen erkennen lassen.
Und was mir bei der zweiten Lektüre auch noch einmal deutlicher aufgefallen ist: Die Erzählerin Mina Wolf ist sehr selbstkritisch im Hinblick auf die Unfähigkeit der Gesellschaft in ihrer eigenen Straße, mit so einem Problem wie der 'Sängerin' umzugehen. Und die Gewalt zwischen den Gruppen in der eigenen Straße eskaliert vor allem dadurch, dass den 'Freunden' der Sängerin die Reifen an den Autos zerstochen werden.
Darin liegt auch ein Element der kritischen Selbsterkenntnis. Wir sind auch nicht besser oder 'weiter' als die Menschen seinerzeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. Und zwar nicht nur, weil uns Probleme durch die Migranten importiert werden. Sondern auch, weil wir selbst sehr unfähig sind, sie sinnvoll zu lösen. Im Grunde genommen ja genau das, was die Krähe immer wieder sagt: Ihr lernt immer das Falsche.