Was lest ihr gerade?

  • Den Millionen Seiten auf dem SUB hab ich Donnerstag zugefügt:

    Michail Bulgakow, Meister und Margarita. dtv, mit Anmerkungen und Nachwort, Übersetzung Alexander Nitzberg. Übrigens 600 Seiten ganz schönes Taschenbuch für schlappe Euro 12,90. Nachdem ich schon seit den 70ern immer wieder lese, wie gut der Roman sei ...

    Gruß

    Leibgeber

    Ist er. Vielleicht gibt es hier ein paar Fans langer Romane, die ihn nicht kennen. Uneingeschränkte Leseempfehlung.


    Vom SWB nehme ich jetzt

    Dostojewskij, Böse Geister. Die Übersetzung von Swetlana Geier.

    Auf dem SWB liegt der ganze Dostojewskij, den ich bisher nur in der alten Übersetzung von E.K. Rahsin (oder anderen) kannte.

    Böse Geister alias Die Dämonen heuer wohl so zum vierten bis fünften Mal.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich muss den 'Meister' unbedingt mal wieder lesen. Als ich ihn zum ersten Mal las, fand ich ihn nicht so gut, wie alle immer sagten. Mir gefiel seinerzeit die 'Weiße Garde' deutlich besser. Später habe ich es dann nochmal mit einer Hörspielfassung versucht, bin da aber nicht so weit gekommen..


    Die Dämonen von Dostojewskij haben mich da weitaus mehr beeindruckt. Vor allem bei diesem Kapitel mit der Beichte läuft es mir kalt den Rücken herunter... Erzähl doch mal, ob Du beim Lesen einen Unterschied der Übersetzungen bemerkst. Ich habe die Übersetzung von Marianne Kegel und beim Lesen nichts auszusetzen gehabt. Ich bewundere Svetlana Geier, fand es aber immer irgendwie übertrieben, meine Übersetzungen auszutauschen...

  • Habe gerade “Harry Potter and the Deathly Hallows” (vor Jahren gelesen) als Hörbuch zu Ende gehört. Die Tage vorher den Vorgängerband gehört - die verrückte Welt hat sich in meiner Hörlektüre widergespiegelt...:confused:

  • Leibgeber und JHNewman, "Die Dämonen" habe ich auch schon zweimal gelesen und auch in der Übersetzung von Marianne Kegel, an der ich ebenfalls nichts zu bemängeln fand. Aber selbstverständlich kann ich das nicht mit dem russischen Originaltext vergleichen. Der Sprachstil Kegels ist flüssig und erscheint mir adäquat, deshalb habe ich genau wie du, JHNewman, niemals das Bedürfnis gehabt, die neue Übersetzung anzuschaffen. Es ist ein großartiger Roman, der wie alle Dostojevskij-Romane in eine ganz eigene Welt mit ethischen Erörterungen, die man in dieser Art selten in anderen Romanen antrifft.

    "Der Meister und Margerita" ist damit nicht vergleichbar, weil er den satirischen Unterton hat und damit in einer ganz anderen Liga spielt. Aber beide Romane haben ihren hohen Rang in ihrer je eigenen Art sehr verdient. "Die weiße Garde" liegt noch auf meinem SUB, vielleicht wandert sie jetzt ein wenig höher.

  • Welche Hefte sind denn das? Meinst du vielleicht die "Panorama"-Reihe? Bei der normalen GEO-Epoche-Reihe sind ja Dutzende Hefte zur deutschen Geschichte erschienen, da kann ich mich an so eine Abfolge nicht erinnern. Aber ich lese diese Hefte auch sehr gerne und habe davon schon sehr profitiert. Im Moment bin ich eher auf dem naturwissenschaftlichen Trip, aber Geschichte gehört neben Büchern über Literatur auch zu meinen Lieblingsthemen.

  • Meine 30jährige Tochter ist für ein paar Wochen hier, ehe sie wieder nach Riga reist. Sie ist großer Tolkien-Fan und liest den "Herrn der Ringe" gerade zum zweiten Mal, und um ihr eine Freude zu machen, habe ich mit ihr alle drei Teile der "Herr der Ringe"-Verfilmung angesehen. Das hat mich dazu gebracht, endlich meine Tolkien-Biografie von Humphrey Carpenter zu lesen.

    "Tollers" war schon ein sehr eigener Mensch; ich frage mich, wie er die ganze Zeit mit seiner Frau zurechtkam bzw. sie mit ihm. Immerhin hat er sehr, sehr jung geheiratet und zwar eine Frau, die ihm an Bildung weit unterlegen war und seine intellektuellen Interessen nicht teilte, oder vielmehr, er ließ sie außen vor. Beim Lesen seiner Biografie hatte ich den Eindruck, dass er Männergesellschaft bei weitem vorzog.

  • Ich habe gestern den Roman "Das ist bei uns nicht möglich" von Sinclair Lewis beendet.

    Das Buch ist 1935 in den USA erschienen und beschreibt den kometenhaften Aufstieg eines populistischen Politikers names Berzelius Windrip zum Präsidenten und Diktator der USA.


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    Anfänglich habe ich mich mit dem streckenweise geschwätzigen Stil etwas schwer getan. Dann aber faszinierten mich die politischen Vorgänge immer mehr. Die Ironie und der Sarkasmus des Autors kommen in der Übersetzung nur teilweise zur Entfaltung. Windrip hat ein Buch verfasst, aus dem zu Beginn jedes Kapitels zitiert wird. Sein plumper und aufgeblasener Populismus könnten an vielen Punkten die direkten Vorlagen für Donald Trump gewesen sein, das ließ mir beim Lesen mitunter kalte Schauer über den Rücken laufen.


    Die Übersetzung von Hans Meisel, die der Aufbau Verlag jetzt neu aufgelegt hat, ist aus dem Jahr 1936. Leider merkt man ihr das Alter deutlich an. Eine Neuübersetzung wäre dringend angeraten. Trotzdem ist das Buch wegen der aktuellen Bezüge auch heute noch sehr lesenswert.

  • Sinclair Lewis habe ich auch gerade in Auge gefasst, und zwar seinen Spießbürger-Roman "Babbitt", der mir im Rahmen meiner Tolkien-Recherche über den Weg gelaufen ist. Babbitt soll quasi der Namensgeber der Hobbits gewesen sein ... Ich hoffe, das Buch ist noch im Haus; ich habe es vor zwölf Jahren aus dem Bücherschrank meines Vaters abgestaubt, dann aber gar nicht gelesen, schäm. (Ich hatte auf den ersten Seiten den gleichen Eindruck wie JHNewman: zu geschwätzig.)

  • Ich habe 2017 beide Romane gelesen und kann mich nicht daran erinnern, dass ich den Eindruck einer Geschwätzigkeit hatte ?(


    Die Sprache in der von mir gelesenen Übersetzung äusserst flüssig [...], vielleicht aber eine Spur zu glatt - was Babbit betraf,


    zumindest nach der Wahl geht es auch in It Can’t Happen Here [Das ist bei uns nicht möglich] im wahrsten Sinne des Wortes Schlag auf Schlag.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Finde Sinclair Lewis auch immer noch lesenswert und in Teilen immer wieder überraschend aktuell. "Babbitt" liegt bei mir auch noch in einer alten Taschenausgabe der 50er Jahre aus dem Bücherschrank meines Vaters herum, außerdem "Sam Dodsworth"; "Benzinstation" und das gruselige "Das ist bei uns nicht möglich" habe ich mit Gewinn, aber vor vielen Jahrzehnten, gelesen.


    Im Moment bin ich allerdings im 17. Jahrhundert unterwegs, mit Daniel Kehlmanns "Tyll". Und der führt, zumindest auf den ersten hundert Seiten, drastisch vor Augen, wie eine vorwissenschaftliche, dem Aberglauben anheim gegebene Welt, egal ob auf Seiten des Volksglaubens oder in den verblendeten Augen der mörderischen Inquisition das Leben gefesselt und verdüstert wird. Stark geschrieben und starkes Thema!

  • Bei Daniel Kehlmann kam bei mir der Eindruck auf, daß es sich bei ihm um einen hochgehypten Autor handelte. Ein Bekannter beklagte sich, daß sein Roman „Die Vermessung der Welt“ sich lediglich dazu eigne, Schülern die indirekte Rede zu demonstrieren, das Buch ansonsten aber nichts tauge.


    Ich habe das Buch („Die Vermessung der Welt“) nicht gelesen, aber bei den (hymnischen) Rezensionen kam bei mir derselbe Verdacht auf.


    Nun frage ich mich, ob „Tyll“ in dieselbe Kategorie fällt, oder es sich wirklich um einen Roman handelt, der in einer anderen (nämlich höheren) Liga spielt?

  • Ich habe das Buch („Die Vermessung der Welt“) nicht gelesen, aber bei den (hymnischen) Rezensionen kam bei mir derselbe Verdacht auf.

    Das Buch wurde mit dem Kopf geschrieben. Und wohl auch mit dem Hinterkopf. Nämlich dem ständigen Gedanken da drin an all die vielen Juroren all der vielen Literaturpreise. Juroren mögen solche Mätzchen...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Bei Daniel Kehlmann kam bei mir der Eindruck auf, daß es sich bei ihm um einen hochgehypten Autor handelte. Ein Bekannter beklagte sich, daß sein Roman „Die Vermessung der Welt“ sich lediglich dazu eigne, Schülern die indirekte Rede zu demonstrieren, das Buch ansonsten aber nichts tauge.

    Nun frage ich mich, ob „Tyll“ in dieselbe Kategorie fällt, oder es sich wirklich um einen Roman handelt, der in einer anderen (nämlich höheren) Liga spielt?

    Daniel Kehlmann ist zweifellos ein hochgehypter Autor, beliebt bei Kritik und Publikum und vor allem auch einer der wenigen deutschen Gegenwartsautoren, die im Ausland erfolgreich sind (was wiederum ein Beleg für seine Zugänglichkeit ist...)


    Das alles spricht nicht unbedingt für ihn, aber auch nicht völlig gegen ihn. Die Vermessung der Welt erfüllte einige Kriterien, die das Buch sehr erfolgreich machten: es war ein griffiges Thema, mit Gauß und Humboldt gab es zwei einigermaßen bekannte Protagonisten, das Buch war leicht zu lesen und bot durch die Exotik der Humboldt-Passagen auch genug Gelegenheit einfach faktisch zu erzählen ohne zuviel komplex zu reflektieren. Ich würde sagen: Der Roman war gut gemachte Unterhaltung mit überschaubaren Ansprüchen. Nichts, was man kennen muss, aber auch keine reine Zeitverschwendung.


    Danach ging es jedoch mit dem Autor eher bergab, und aus meiner Sicht war der Roman 'F' wirklich eine ziemliche Beleidigung der Leser. Deshalb wollte ich "Tyll" nicht lesen - zumal Kehlmann mit der Epoche des Dreißigjährigen Krieges eine gewählt hatte, mit der ich mich im Studium viel beschäftigt habe. Ich habe also tapfer widerstanden und erst nach hartnäckigen Empfehlungen vertrauenswürdiger Menschen und Erscheinen des Taschenbuches die Lektüre gewagt, immer mit der Befürchtung, das Buch nach 50 Seiten wegzulegen. Und ich wurde positiv überrascht. Der Roman ist deutlich besser als seine Vorgänger, sprachlich farbiger, gut erzählt und auch von der Erzälstruktur her nicht so eindimensional.

  • Der Stil von "Die Vermessung der Welt" mit der konsequenten, aber völlig unpassenden und nervtötenden Verwendung des Konjunktivs ging mir sehr auf den Geist, aber das Thema und die Idee, Gauß und Humboldt mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen und Begabungen gegenüberzustellen fand ich spannend und über dem Niveau eines Unterhaltungsromans.

  • Mein Sohn musste im vorigen Jahr als Lehrer für Deutsch Daniel Kehlmann im Unterricht der Gymnasialstufe durchnehmen und erzählte mir davon, wobei mir manche der Literaturanalysen ziemlich gruselig daher kamen. Der Literaturunterricht zu meiner Zeit im Realsozialismus war schon grauslich genug, konnte mir allerdings die Liebe zur Poesie und Prosa nicht austreiben.


    Aber entscheidend dürfte ja wohl sein, ob sich die Schüler darein finden konnten und mitmachten, was offenbar sogar der Fall war ! Dieser Autor konnte sie durchaus inspirieren.


    Nun verhehle ich nicht, in manchem so wie der "Polyhistor" :-) an die "Vermessung der Welt" herangegangen zu sein. Das wäre aber ein bißchen traurig - "Herr Lehrer, ich weiß etwas, was da nicht stimmen kann" und zugleich zu wissen, dass man es selbst nie besser hinbekommen würde, weil die Fußnoten sämtliche Phantasie austreiben.


    Wenn aber ein solcher Kenner der Reiseliteratur wie Wolfgang Griep sich kritisch mit Daniel Kehlmann auseinandersetzt, kann es auch eher locker und gekonnt daher kommen (wie schnell ist die Zeit seit 2007 vergangen, die Jahre verfliegen, *seufz*)


    https://www.zeit.de/online/2007/16/L-Kehlmann

  • Kennt Ihr sicher auch: Die ganze Bude voller Bücher, aber man hat nichts zum Lesen... Ging mir vor drei Tagen wieder so. Fünf Bücher in die Hand genommen, aber nichts davon war richtig. Mein häufiger erprobtes Hausmittel ist dann: Nabokov. Hilft eigentlich immer. Zunächst einiges aus den Vorlesungen über westeuropäische Literatur, herrlich unkonventionell. Jetzt den frühen Roman "König, Dame, Bube", der im Berlin der 20er Jahre spielt. Wunderbar.

  • Kennt Ihr sicher auch: Die ganze Bude voller Bücher, aber man hat nichts zum Lesen...

    Ja, passiert mir auch ab und zu. Aber da das Ganze ja noch Spaß machen soll, einfach nicht unter Druck setzen lassen. Je größer der Vorrat, desto eher findet man wieder was zum Lesen.

    Ich genieße gerade ein DDR-Kinderbuch - Gert Prokop "Detektiv Pinky".

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)