Dass sich unser Gespräch über den „Munin“-Roman Monika Marons auf die verschiedenen Gegenwartsthemen ausgeweitet hat, wird sicher auch verständlich angesichts des Umstands, dass zeitgleich die Debatte um Tellkamps Dresdner emotionalen Ausbruch und die von Vera Lengsfeld gestartete „Gemeinsame Erklärung 2018“ die Gemüter zu erregen begannen.
Nicht überall, mancherorts in unserem Land ahnt man gar nicht, was da so Aufregendes sein soll, mitunter nur im Internet, das sowieso manchem nach wie vor gar nicht zugänglich ist. Auch das wäre völlig verständlich, in manchen Gegenden und manchen Kreisen gibt es gar keine Debatten um das, was Monika Maron so bewegt.
Wir haben uns, glaube ich, wie auch Volker mehrfach hervorhob, trotz unterschiedlicher Ansichten in Einzelfragen darum bemüht, die Positionen des anderen zu verstehen und die Diskussionspartner nicht in eine bestimmte Ecke zu manövrieren, wie es gegenwärtig häufig geschieht. Mir ist bewusst, dass man sich in bestimmten, von anderen weitgehend abgeschlossenen Diskussionszusammenhängen bewegen kann („Filterblasen“), die Gesellschaft ist tatsächlich in verschiedener Hinsicht gespalten wie kaum zuvor. Die Debatten um 1968 beispielsweise berühren mich als ehemaligen Ostbürger nur wenig, weil sich für uns mit diesem Jahre vor allem der „Prager Frühling“ verband, weniger die emanzipatorischen Ansätze, Befreiungsversuche, die elitäre Abgeschlossenheit bestimmter Zirkel und ihr gewaltsames Gehabe gegenüber friedlichen Bürgern im Westen, die einfach ihrer Arbeit nachgingen und als „faschistisch“ denunziert wurden.
Wenn ich auch immer wieder in der jetzigen Zeit an die Ereignisse von 1989 erinnert wurde (mit Einsichtnahme in Stasi-Akten usw.), ich sage offen:
ich weiß es nicht, wie es bei uns im Land jetzt weitergehen soll und ob die von Angela Merkel geprägte (hätte ich jemals gedacht, dass eine Ostfrau so mir nichts dir nichts mehrere in der Politik gestandene, ausgebuffte Mannsbilder wegputzt und in die Wüste schicken würde!) „Normalität“ so weiter gehen wird.
Ich verstehe jeden, der sich angesichts dieser Wirklichkeit auch gern einmal – zumindest zeitweise - in die Privatsphäre, in die Lektüre guter Bücher und wirkliche Ornithologie zurückziehen will, um die Grenzen seiner Einflussnahme auf die Parteiendemokratie wissend.
Monika Maron hat also am 11. April, vor bald einem Monat, der „Berliner Zeitung“ ein Interview gewidmet. Sie setzte das Gespräch mit der ihr vertrauten Journalistin Cornelia Geißler fort.
https://www.berliner-zeitung.d…6104?view=fragmentPreview
Die „Berliner Zeitung“ gab es schon zu DDR-Zeiten. Nach 1990 musste sie sich, in Konkurrenz zum „Berliner Tagesspiegel" und zur „Morgenpost“ sowie zur anfangs so unkonventionellen „taz“ in der Hauptstadt behaupten und auch das Westberliner Publikum ansprechen. Immerhin können auch in der Gegenwart auf einer Seite Beiträge erscheinen, in denen einerseits warnend auf die Folgen der unkontrollierten Einwanderung hingewiesen, andererseits, völlig entgegengesetzt, hinter jedem Busch ein Rechtsradikaler vermutet wird.
Es kam also zu einer Begegnung der Journalistin Geißler mit Monika Maron. Durch die Fensterscheiben äugten zwei Krähen herein, die gibt es also wirklich. Das Bild von der „Kassandra“ in unserem Eingangsbeitrag findet sich auch wieder.
Es geht zu Anfang um „Abschiebung“ von Menschen, die hier nicht bleiben können. Die Ereignisse von Ellwangen der letzten Tage zeigten das Dilemma des Rechtsstaats.
In dem Interview ist von diesem Mißtrauen die Rede, das die Diskussionen so unergiebig werden läßt.
Ich will ausdrücklich sagen, daß die Diskussionen mit JHNewman hier im Forum gerade eben keinerlei Mißtrauen aufkommen ließen, weil er die Karten offen auf den Tisch legt. Und das wird gewiß so weiter gehen.
Monika Maron findet Höcke und den inzwischen abservierten Poggenburg von der AFD furchtbar.
Dann kommt man auf die Haltung zum Islam zu sprechen, ein Thema, das Monika Maron seit geraumer Zeit umtreibt.
Hier schaue ich vor allem auf die Partei Die Linke: Auf der einen Seite ist man bestrebt, alles auf die soziale Frage und die Ungerechtigkeiten im kapitalistischen System zurückzuführen (Katja Kipping z. B.). Die Folgen einer radikalisierten Ideologie des militanten Islamismus und ihre Wirkungen auf unsere Bevölkerung werden demgegenüber m. E. völlig vernachlässigt. Nicht alles, was von dieser Region des Nahen Ostens ausgeht, ist mehr auf den europäischen Kolonialismus zurückzuführen oder nur mittelbar.
Sodann gibt Monika Maron wieder, was auch ich hier mehrfach festgehalten habe: man verspürte nach 1990 eine Re-Christianisierung an Orten, wo das Christentum schon aufgehört hatte, einen nennenswerten Einfluss zu nehmen. In der Debatte um Söders Kreuzes-Verordnung geht es in maßgeblichen Presseorganen vorwiegend darum, wie die maßgeblichen Vertreter der großen christlichen Konfessionen, ob Bedford-Strohm oder Bischof Marx, dazu stehen.
Nie interessiert in diesen Presseorganen, dass sich Millionen von Deutschen eben nicht dem so genannten „christlichen Abendland“ zugehörig fühlen.
Einig werden wir uns hier allerdings wahrscheinlich alle auf den „Verfassungspatriotismus“ im Sinne von Habermas: mit dem „Grundgesetz“ haben wir wirklich eine feine Sache zu spüren bekommen, von einigen - aus verschiedener Sicht - nach annähernd 70 Jahren - verbesserungswürdigen Passagen abgesehen.