• Tja, braucht die Welt das wirklich? Unter dem FAZ-Artikel ist ein Leserkommentar veröffentlicht - Tenor: Fontane hat uns heute nichts mehr zu sagen. Allerdings werden dann deutsche Autoren des 19. Jahrhunderts genannt, die man nicht weniger als Fälle für die Germanistik einstufen sollte. Ich kann mir nicht helfen, aber die deutsche Romanliteratur des 19. Jahrhunderts hat vergleichsweise wenige Highlights produziert - im Gegensatz zur fränzösischen, englischen, russischen, amerikanischen ...


    Das Urteil dieses Kommentars kann ich nicht nachvollziehen. Wenn es dem Leser nicht gelingt, hinter den vordergründig historischen Themen in Fontanes Romanen das große und allgemein Menschliche zu sehen, dann ist ihm wohl nicht zu helfen. In der Tat halte ich Fontane für einen der ganz Großen. Leider habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass er im Ausland wenig bekannt ist, allenfalls mit der Effi, die ich nicht für seinen besten Roman halte.


    Bei den Franzosen will ich nicht urteilen, bei denen kenne ich mich wenig aus. Mit den Russen will ich nicht hadern, das sind Turgenjew, Tolstoj, Gogol und Dostojewski zweifellos Leuchttürme. Und gewiss hat die deutschsprachige Literatur viele ihrer größten Meister erst nach der Jahrhundertwende hervorgebracht. Aber die Engländer? Bei denen kenne ich mich nun leidlich gut aus, aber ich bitte Dich: Nenne mir EINEN englischen Autor oder eine Autorin des 19. Jahrhunderts, die an Fontane heranreichte. Du wirst keine finden. Da ist viel Gutes und Unterhaltsames dabei, aber einen Fontane hatten sie nicht. Und einen Raabe (den uns die Nazis kaputtgemacht haben), Stifter, Storm und Keller wohl auch nicht.

  • Mon Dieu! Was ist mit Flaubert, Hugo, Stendhal, Huysmans, Maupassant ...?


    Flaubert, Hugo und Stendhal haben in ihrem Leben jeweils genau einen nennenswerten Roman geschrieben (Hugo galt zu Lebzeiten als Lyriker!). Huysmans offenbar gar keinen, und Maupassant ist Novellist kein Romancier.


    In der Tat halte ich Fontane für einen der ganz Großen. Leider habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass er im Ausland wenig bekannt ist, allenfalls mit der Effi, die ich nicht für seinen besten Roman halte.


    Sie ist halt so leicht verständlich, didaktisch-feministisch... :wegrenn: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Flaubert, Hugo und Stendhal haben in ihrem Leben jeweils genau einen nennenswerten Roman geschrieben (Hugo galt zu Lebzeiten als Lyriker!). Huysmans offenbar gar keinen, und Maupassant ist Novellist kein Romancier.


    Welcher Roman von Hugo ist denn der nennenswerte?


    Maupassant ist für mich beides: Novellist und Romancier. :zwinker:


    Gruß, Gina

  • Les misérables. (Notre Dame de Paris ist romantischer Kitsch. :zwinker: )


    Dass Du nicht "Notre Dame de Paris" meinst, war mir schon klar. :breitgrins:


    Mit "Les misérables" bin ich natürlich einig. Ich denke aber noch an "Der letzte Tag eines Verurteilten" - zwar ein schmaler Roman, aber meiner Meinung nach nicht weniger nennenswert.


    Gruß, Gina

  • Habe im dritten Anlauf es endlich geschafft, die kompltte Wanderung durch die Mark Brandenburg durchzulesen. Natürlich haben die Wanderungen einige Längen und enthalten Nebensächlichkeiten. Der Reiz enftaltet sich aber in den sehr schön beschriebenen Landschaftsbeschreibungen, geschichtlichen Anektoden oder Personenbeschreibungen. Ich habe es sehr genossen und kann jetzt diese Gegend, die ich als Münchner bisher nicht so gut kannte nun besser verstehen.

    Gerade über die einfachsten Dinge ist es oft am schwierigsten zu schreiben.

  • Zum Fontanejahr 2019 (200. Geburtstag am 30. Dezember) läutet die Literarische Welt das Jahr mit einer großen Besprechung aller Biografien ein.


    Literarische Welt zu Fontane


    Fast alle Bücher taugen nichts, aber es gibt eine Neuerscheinung,.die herausragt:


    "Fontane: Ein Jahrhundert in Bewegung" von Iwan-Michelangelo D'Aprile


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    Beim Verlag gibt es eine 65seitige Leseprobe:

    Leseprobe

  • D'Aprile war zuvor vor allem auch in der Aufklärungsforschung tätig. Ich habe mir vorgenommen, diese Biographie zu lesen.


    Zuvor war es die von einer Germanistin verfasste Biographie:


    Regina Dieterle: Theodor Fontane. Biografie. Carl Hanser Verlag, München 2018. 832 S.


    Wenn ich sie hier durchaus empfehle, dann in dem Bewusstsein, dass jeder etwas anderes bei Fontane suchen mag. Man ist es schon gewohnt, dass die Verlage bei runden Jubiläen so richtig aufdrehen. Während das Lutherjahr 2017 durch die schon 2012 erschienene Biographie von Heinz Schilling bestens bedient worden war, ließ mich das Marx-Jahr 2018 weitgehend kalt, weil die Beschäftigung mit diesem Mann schon Jahrzehnte zuvor lange und intensiv betrieben worden war und jetzt nur für mich Nuancen wahrzunehmen waren.


    Für das Fontane-Jahr nehme ich mir vor, zum ersten Mal seit 1995 wieder "Vor dem Sturm" zu lesen, da freue ich mich schon darauf. Zu "Stine" und "L'Adultera" gab es in diesem Forum vor Jahren Leserunden, aber das werde ich wohl jetzt allein betreiben, weil es bei diesem umfangreichen Roman nicht gelingen dürfte, irgendwie synchrones Lesen mit anderen hineinzubekommen, was bei einem relativ kurzen Werk wie der "Stine" möglich war, und ich eher gewohnt bin, allein zu lesen.

  • Zuvor war es die von einer Germanistin verfasste Biographie:


    Regina Dieterle: Theodor Fontane. Biografie. Carl Hanser Verlag, München 2018. 832 S.


    Wenn ich sie hier durchaus empfehle, dann in dem Bewusstsein, dass jeder etwas anderes bei Fontane suchen mag.

    Hier bietet der Hanser Verlag ebenfalls eine Leseprobe an und ich finde auch, dass sich das Buch sehr vielversprechend liest. In drei Tagen erscheint noch eine Biografie bei C.H. Beck.

  • Für mich ist Fontane auch immer einer der großen "Briefeschreiber" der deutschen Literatur.

    Für Thomas Mann war der Briefeschreiber Fontane immer wieder ein Vorbild, das er niemals müde wurde zu loben.

    Ich denke hier besonders an sein Essay - Der alte Fontane. Daraus zitiert:


    Zitat

    Man betrachte seine Bildnisse: das jugendliche im ersten Bande der Briefe an seine Freunde etwa neben der späteren Profilaufnahme, die den Nachlassband schmückt. Man vergleiche das blasse, kränklich schwärmerische und ein Bischen fade Antlitz von dazumal mit dem prachvollen, fest und gütig und fröhlich dreischauenden Greisenhaupt, um dessen zahnlosen, weiß überbuschten Mund ein Lächeln rationalistischer Heiterkeit liegt, wie man es auf gewissen Altherren-Porträts des achtzehnten Jahrhunderts findet, – und man wird nicht zweifeln, wann dieser Mann und Geist auf seiner Höhe war, wann er in seiner persönlichen Vollkommenheit stand.“

    „Scheint es nicht, daß er alt, sehr alt werden mußte, um ganz er selbst zu werden?

    Ich kann hier Thomas Mann nur zustimmen.

  • Der Tagesspiegel bringt heute einen schönen Artikel zum Fontane-Jahr, in dem an die Veränderungen im 19 Jh. erinnert wird und erstaunliche Parallelen zur heutigen Zeit aufzeigt. Auch hier wird die Biografie von D'Aprile als spannendste herausgehoben.

    Ein sehr schöner Bericht.


    Ich habe die Wanderungen noch nicht gelesen, sie liegen aber hier rum. Vielleicht sollte ich mal rein schmökern.


    Das mit dem Stress, der Zeit und der Eisenbahn ist sehr interessant. Vorher war es egal ob man pünktlich war. Hatte eh keiner eine Uhr, und dann änderte sich das. Und alle waren plötzlich im Stress.


    Ist wie mit der Hausarbeit. Früher musste man alles selber machen. Heute gibt es für alles Geräte, aber wir haben trotzdem immer weniger Zeit.

  • Man darf sich nicht vorstellen, dass Theodor Fontane die Mark Brandenburg tatsächlich zu Fuß durchstreifte, wie das Rousseau, Goethe oder Karl Philipp Moritz in anderen Territorien taten. Im Frühjahr 1981 hatte ich tatsächlich die Gelegenheit, als Fußgänger die märkischen Landschaften auf den Spuren Fontanes zu durchlaufen. Die Landkarten waren ungenau. Mitunter lagerten am Wegesrand Gruppen sowjetischer Soldaten und Offiziere, die dort ihre Übungen abhielten. Zumeist konnte ich mich erst dann mit den einfachen Soldaten auf Russisch unterhalten, wenn ich zuvor den Dienstältesten angesprochen hatte.


    Fontanes "Wanderungen" sind vor allem Streifzüge durch die Geschichte der Schlösser und Gutshöfe sowie Berichte über die Geschlechter, die sie bewohnten, keine Landschaftsschilderungen

  • Zu DDR-Zeiten wurde auch eine Fernsehserie über die Wanderungen gedreht. Vereinzelt ist sie noch auf DVD zu bekommen, und nach meinem Empfinden wird darin die Atmosphäre der Schilderungen, besonders in den Anektoten, gut nachempfunden.

  • Wie so oft ist die Diskussion unter dem Artikel interessanter als der Artikel selbst (der wiederholt, was ich schon Dutzende Male gehört und gelesen habe ...)

    Ich habe eine Zeitlang Madame Bovary mindestens alle zwei Jahre einmal gelesen, sie war geradezu der Prüfstein meiner eigenen Leseentwicklung, und es war für mich faszinierend, dass sie jedes Mal anders gewirkt hat. Es gibt unzählige verschiedene Möglichkeiten, dieses Buch zu lesen und Position zu den Figuren zu beziehen. Der Autor ist da ziemlich einseitig, finde ich.