Was lest ihr gerade?

  • Exil unter Palmen ist abgeschlossen. sandhofer du wolltest wissen, ob es sich auszahlt, für mich unbedingt.

    Es ist schwer den Geschmack anderer einzuschätzen, aber es ist ja kein literarisches sondern ein literaturwissenschaftliches Werk.

    Die Autorin hat viel übe die in Sanary und Umgebung lebenden Exil-Autoren recherchiert und was mir gefallen hat, sie hat die Kommunikation untereinander, also Briefe und Dokumente als auch die Werke, die dort entstanden sind beschrieben.

    Entsprechend Deiner Empfehlung habe ich das Buch nun auch gelesen. Und ja, die Lektüre lohnt sich wirklich. Mein Problem war nur das erste Kapitel. Mit den ganzen Malern kann ich wenig anfangen, und es interessiert mich auch wenig. Aber der Rest war wirklich hoch interessant. Ein wirklich wichtiger Einblick in die Entwicklung der Exilliteratur.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • BigBen freut mich, dass dir die Lektüre gefallen hat. Ich habe ja einen absoluten Faible für die Malerei und Bildhauerei, somit hat mich das weniger gestört.


    Mit den Effingers bin ich nun endlich fertig. Ich teile die große Begeisterung darüber nur partiell. Es ist eine Familiensaga für mich mit zu wenig persönlicher Entwicklung der Charaktere, die sind nur so schematisch dargestellt. Es ist ein ambitioniertes Projekt, nicht schlecht aber auch nicht herausragend. Mit den Buddenbrooks, mit denen es ja oft verglichen oder gleichgestellt wird, würde ich es nicht vergleichen. Thomas Mann hatte ganz andere stilistische und sprachliche Mittel als Gabriele Tergit.


    Für eine Halloween Leserunde bei den Nachbarn habe ich mir einen wirklichen Klassiker ausgesucht.


    Mary Shelley - Frankenstein or The Modern Prometheus - uncencsored edition of 1818

  • Bei mir aktuell "Die Nacht unterm Schnee" von Ralf Rothmann. In den drei Büchern " Im Frühling sterben", "Der Gott jenes Sommers" und "Die Nacht unterm Schnee" thematisiert er die Zeit seiner Eltern kurz vor Kriegsende und in der Nachkriegszeit.


    Gruß, Lauterbach

  • Mary Shelleys Frankenstein hab ich beendet, es war nicht so unheimlich, ich hatte eher oft Mitleid mit dem "fiend" (aka Monster). Die Begeisterung hielt sich in Grenzen für das Buch.


    Mich hat interessiert wie ihr Mann Schauerromane interpretiert hat und von Percy Bysshe Shelley - Zastrozzi gelesen.

    War für mich interessanter. Eine Art Romeo und Julia und Macbeth in einem.

    Auffällig war, die Schauerromane begannen beide in Deutschland - Frankensteins Monster wurde in Heidelberg geschaffen, und Zastrozzi beginnt in Rosenheim und Passau.


    Die Shelleys dürften eine aufregende Reise in Bayern gehabt haben :)


    Um nicht genug von Shellys zu haben, eine weitere allerdings anders geschriebene


    Shelly Kupferberg - Isidor. Ein jüdisches Leben - war ein Buch, eine Recherche zum Leben ihres Urgroßonkels, der vom kleinen jüdischen Schtetl in Galizien nach Wien kam, dort Karriere machte, sehr einflussreich und reich wurde, bis die Nazis das Kommando übernahmen. Eine lesenswerte Lebensgeschichte.


    Nebenher hab ich Gedichte von Maya Angelou gelesen.


    und nun bin ich wieder mal in Argentinien angelangt


    Roberto Arlt - Die sieben Irren

  • Auffällig war, die Schauerromane begannen beide in Deutschland - Frankensteins Monster wurde in Heidelberg geschaffen, und Zastrozzi beginnt in Rosenheim und Passau.


    Die Shelleys dürften eine aufregende Reise in Bayern gehabt haben :)

    Deutschland war in dieser Zeit ein beliebter Ausgangspunkt für Spukgeschichten. Die klassiche "gothic novel" spielt in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, auch wenn sie von einem Nichtdeutschen geschrieben wurde. Ich habe darüber kürzlich mal nachgelesen im Zusammenhang mit einem schottischen Schauerroman, den ich schon wieder vergessen habe ...

  • Habe mit dem letzten Band der "Ahnen" von Gustav Freytag begonnen. "Aus einer kleinen Stadt" beginnt 1805 in einer kleinen schlesischen Stadt.
    Hoffentlich kann ich dieses Langzeitprojekt noch in diesem Jahr abschließen.

    Außerdem etwas Bizarres aus der roten Reihe von Wagenbach:
    "Unwahrscheinliche Flausen bekehrter Sodomiten" von Raymond Queneau, dem französischen Schriftsteller, der zwischen Surrealismus, anarchischem Humor und erotischen Geschichten oszilliert. Letzteres aber nicht in diesem Bändchen, das Gedichte, Kurzprosa und Romanauszüge vereint.

  • Habe gestern "Dschinns" von Fatma Aydemir zu Ende gelesen, ein gutes Buch. Ich konnte es kaum weglegen. Mit "Dschinns" bekommt man Einblick in die türkische Migrantenseele, erzählt aus fünf Perspektiven. Der Vater, der lange in Deutschland gearbeitet hat, kauft sich vom Ersparten eine Wohnung in Istanbul, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Leider verstirbt er in der Wohnung nachdem sie renoviert wurde, an einem Herzinfarkt. Die Familie reist aus Deutschland an und jeder der Fünf, Mutter und vier Kinder, erzählen ihre Sicht der Familie.

    Sehr spannend und fesselnd.


    Gruß, Lauterbach

  • Zenos Gewissen von Italo Svevo. Knapp die Hälfte ist absolviert, der Held Zeno Cosini beginnt gerade, seine Ehefrau zu hintergehen.


    Es wird ja gerne gesagt, Svevo habe denselben Stoff dreimal in Romanfassung gebracht. Das ist wahrscheinlich nicht ganz falsch, die Helden sind untereinander auch nicht unähnlich. Die Unterschiede treten dafür in der zweiten Reihe deutlicher hervor.


    Senilità ist bei aller ironischen Distanz im Kern ein recht ernstes Buch, in auktorialer Erzählung geht es um die seelische Verfassung des Helden selbst. Zenos Gewissen stellt dieses Verhältnis auf den Kopf: die Ausbreitung des Seelenlebens des Ich-Erzählers thematisiert zwischen den Zeilen etwas außerhalb liegendes, nämlich Freuds Psychoanalyse, und es ist in seinem launigen Tonfall an vielen Stellen ausgesprochen komisch.


    Svevo soll sich ja eminent für die im Aufkommen begriffene Psychoanalyse interessiert und Freuds Schriften mit großer Akribie studiert haben. Als therapeutische Methode hielt er von ihr angeblich nichts, umso mehr interessierte sie ihn als literarische Form. Tatsächlich kann man die länglichen Kapitel, in denen Zeno Cosini seine Lebensgeschichte ausbreitet, wie Protokolle einer analytischen Sitzung (oder sagt man: Liegung?) lesen.


    Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich auch die Frage, ob die Übersetzung des Originaltitels La Coscienza di Zeno mit "Zenos Gewissen" den vollen Doppelsinn wirklich ausschöpft. La coscienza bedeutet durchaus "Gewissen", allerdings auch - und in erster Linie - "Bewusstsein". Freud lässt da vielleicht mehr grüßen, als es die Übersetzung erfassen kann.


    Und noch etwas ist auffallend: die Akribie, mit der Svevo Prozesse des Siechtums bis zum Tode schildern kann. In der Senilità trifft es die Schwester des Helden, im Zeno den Vater. Aber wir wollen die Analyse einmal ruhen lassen.

  • Und jetzt geb ich, ausnahmsweise, mal eine Leseempfehlung. Nö, nicht für Doderer, der ist ja berühmt :)

    Der sehr dustere Roman von Ethel Richardson hat mich wirklich fasziniert.

    Nebenbei ein Roman über das Leipziger Musikleben der 1890er, was ich, Liebhaber Klassischer Musik, schön fand. Über Eifersüchteleien zwischen musikalischen Fraktionen, das harte Leben von Klavierlehrern, das Studentenleben, etcetera. In der Hauptsache aber die konsequent durchkomponierte Geschichte einer toxischen Beziehung, wie das neudeutsch wohl genannt wird. Psychologisch schlüssig, gut geschrieben.

    Über die Verfasserin weiß ich bisher nur, was die englischsprachige Wikipedia hergibt. Für mich die eine Entdeckung des Jahres, in dem ich überwiegend wiedergelesen hab.

    (Die andere ist Volter Kilpi.)

    Hab ich also, für Richardson und Doderer parallel, auf dem Kobo, ein halbes Jahr gebraucht. Für ÖPNV- und Bürolektüre nicht schlecht.

    Mach ich weiter so.

    Doderer, Die Wasserfälle von Slunj, und Richardson, The Fortunes of Richard Mahony.

    Liebe Grüße.

    Leibegeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Vielen Dank, Diaz Grey, für die Anmerkungen zu Svevos Roman. Er steht schon seit vielen Jahren in meinem Regal, aber bisher hatte ich wenig Anregung, ihn zu lesen, Vielleicht wird das jetzt etwas anders oder zumindest nächstes Jahr.

    Habe ich dieses Jahr wiedergelesen. Die schön gebundene Ausgabe von 2001, preiswert erworben. Fand ihn noch besser, als ich es vom ersten Male, vor wohl so 15 Jahren, in Erinnerung gehabt hatte. Da war es übrigens der zweisprachige Taschenbuchbrummer von 2001 gewesen, hatten die für wohl so 7 Euro verscherbelt. Schliemann-Syndrom damals, lerne nebenbei italienisch ;)

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Die Ausgabe von Zweitausendeins habe ich auch.

    Musste erstmal das Schliemann-Syndrom googeln. Aus deinen Ausführungen, Leibgeber, ist mir aber nicht ersichtlich, inwiefern es dich erwischt hat.

    Wenn ich es richtig verstanden habe, bedeutet es, dass man als Dilettant versucht, eine These zur Geschichte mit unwissenschaftlichen Methoden zu beweisen, so wie Schliemann die gefundene Totenmaske und den Schmuck in Troya Agamemnon und Helena zuwies.

  • Die Ausgabe von Zweitausendeins habe ich auch.

    Musste erstmal das Schliemann-Syndrom googeln. Aus deinen Ausführungen, Leibgeber, ist mir aber nicht ersichtlich, inwiefern es dich erwischt hat.

    Wenn ich es richtig verstanden habe, bedeutet es, dass man als Dilettant versucht, eine These zur Geschichte mit unwissenschaftlichen Methoden zu beweisen, so wie Schliemann die gefundene Totenmaske und den Schmuck in Troya Agamemnon und Helena zuwies.

    Nicht ganz :-) Sorry, das war unverständlich:

    ich hatte mal gelesen, dass Schliemann Sprachen einfach lernen konnte, indem er die Texte nebeneinander legte. Zweisprachig also. Eventuell war das noch während meiner Zeit am Gymnasium. Es scheint de facto etwas anders gewesen zu sein, aber der Gedanke gefällt mir. Das ist mein Schliemann-Syndrom. Ich bewundere Sprachkenntnisse, hab selbst schon Schwierigkeiten, meine Englischkenntnisse mit Lektüre am Laufen zu halten. Zweisprachige Ausgaben funktionieren bei mir gar nicht, da les ich immer nur die Übersetzung.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Zweisprachige Ausgaben funktionieren bei mir gar nicht, da les ich immer nur die Übersetzung.

    Für etwas habe ich ja den/die Übersetzer:in mitbezahlt. ;) Im Ernst: Bei Lyrik lese ich meist das Original und "spicke" nur von Zeit zu Zeit (und ärgere mich dann meist ob der schlechten Übersetzung), bei Prosa tendiere ich zur deutschen Übersetzung, "spicke" aber von Zeit zu Zeit im Original, wenn ich die allzu seltsam finde und ärgere mich dann wieder über die Übersetzung. Weshalb ich zweisprachige Ausgaben nur selten lese. ^^

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich habe wieder ein paar Bücher gelesen.

    Roberto Arlt - Die sieben Irren

    Annie Ernaux - Die Scham


    Roberto Arlt hat mich sehr begeistert. Das Buch ist zwischen Surrealismus, Existenzialismus und neuer Sachlichkeit. Es lässt sich nicht wirklich einordnen. 1929 in Buenos Aires veröffentlicht schildert es über den Revolutionsversuch zweier Leute mit ihren fünf Helfern. Marxistische Tendenzen sind erkennbar und werden ebenso wie faschistische Tendenzen ad absurdum geführt. Lenin und Mussolini waren in Europa bereits erfolgreich. Von welcher Seite die Revolution kommt ist egal, das Ziel ist die Diktatur. Ein sehr lesenswertes Buch!


    Annie Ernaux war so - na ja ...


    Derzeit lese ich zwei Bücher parallel, mache ich eher selten.


    Jon Meacham - And there was light. Abraham Lincoln and the American struggle

    Das ist eine neu erschienene Biographie eines Geschichtsprofessors.


    und als literarischen Ausgleich


    Joao Ricardo Pedro - Wohin uns der Wind weht - hier gehts um eine portugiesische Familiengeschichte zum Ende des Salazar-Regimes.

  • Aber erstmal, rein ins auch dickleibige Lesevergnügen:

    Volter Kilpi, Im Saal von Alastalo.

    Ich bin sehr froh, das gelesen zu haben !

    :tipp:

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich bin sehr froh, das gelesen zu haben !

    :tipp:

    Ich habe mir die beiden Leseempfehlungen gleich nach Deinem Beitrag notiert. "Entdeckungen des Jahres" will schon was heißen. Danke jedenfalls, ich beobachte die Veröffentlichungen im mare-Verlag ja grundsätzlich, aber eine solche Leseempfehlung ist doch immer was anderes, als bloß ein schönes Buch zu kaufen. Zudem, ganz billig ist es ja nicht gerade...


    Ich habe gerade meinen Aufenthalt im Sanatorium Berghof beendet (besser: Er-ledigt!), da käme mir ein Ausflug zu den Flachländern ganz gelegen.

    Mein Buch des Jahres ist nur für mich eine Entdeckung, bisher aber klar das beste Buch: Der Zauberberg. Ich habe es mit stetig wachsender Begeisterung gelesen und hätte es "bei Denen" da oben durchaus noch eine Weile ausgehalten.

    Ein paar Eindrücke werde ich hier an gegebener Stelle noch äußern, so einfach mit ein, zwei Sätzen möchte ich da nicht drüber hinweggehen.