Was lest ihr gerade?

  • Wieder vom SWB: Joseph Conrad, Sieg.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Noch nicht ganz angefangen, aber morgen oder übermorgen: Hesperus von Jean Paul. Auch das wird der zweite komplette Durchgang sein, mit etwa 15 Jahren Abstand. Ich bin also vorgewarnt und werde, spätestens nach der letzten Vorrede, eine Personentafel erstellen.

    Ich bin ja immer noch mit "Die unsichtbare Loge" und Seumes Spaziergang beschäftigt. Besser gesagt: wieder. In den letzten 3 Monaten bin ich kaum zum Lesen gekommen. Hauptschuldiger ist ein neuer, vierbeiniger Mitbewohner, der anfangs sehr anstrengend und fordernd war, was mich einige Mühen und Nerven gekostet hat. Die Bücher sind zwischenzeitlich wieder in die Regale gewandert (auch zum Schutz). Vorgestern dann, beim morgendlichen Lüften, steuerte eine Hornissenkönigin auf der Suche nach einem Bauplatz eines meiner Bücherregale an und hinterließ am Rücken des Schutzumschlags des ersten Bandes der Gesamtausgabe Jean Pauls einen häßlichen Fleck. Jetzt liegt es wieder griffbereit neben mir auf der Couch (momentan: Schulmeisterlein Maria Wutz). War das ein Zeichen? ;-)

    Ich beneide ja jeden, der diesen Roman [Doderer: Die Dämonen] zum ersten Mal lesen darf.

    Steht bei mir auch weit oben auf der Liste der zu lesenden Bücher und ist ob der vielen positiven Eindrücke hier hoffentlich bald dran. Ich halte noch Ausschau nach einem günstigen Angebot der Jubiläumskassette.

  • Vargas Llosa ist beendet. Ich war fasziniert von den Mythen der alten Ureinwohnerstämme, die nach wie vor verwendet werden um Menschen zu instrumentalisieren. Ich habe auch sofort Fernweh bekommen:)


    Heute möchte ich Tania Blixen - Babettes Gastmahl starten. Ich glaube Zefira hat schon mal darüber berichtet hier. Es ist ja nur ein Büchlein, aber ich freue mich.


    Nach der archaischen Bergwelt Perus benötige ich etwas Flachland im Norden Europas:)

  • Lass dir das "Oat(es) Meal" schmecken. Ich hab vor Jahren mal "The falls" von ihr gelesen, hat mir ganz gut gefallen auch zwei oder drei andere, von denen ich nicht mehr viel weiß. Sie produziert ja fast fabriksmäßig.


    Mein liebstes Buch von Llosa ist immer noch die Geschichte von Gauguin und seiner Großmutter - Das Paradies ist anderswo. Dieses Buch hat einen speziellen Platz in meiner Erinnerung.

  • Mittendrin im Hesperus, und jetzt, mit gemessenem Abstand zum ersten Durchgang, fallen vermehrt Zusammenhänge auf, die damals noch untergingen in dem ungewohnten Feuerwerk eines Jean-Paul-Romans. Zum Beispiel die engen Parallelen zum Torso der "Unsichtbaren Loge": Viktor/Sebastian ist ein verbesserter Gustav, Klotilde eine ins schier Überdimensionale gesteigerte Beata, ihr Vater LeBaut trägt Züge des Röper, Flamin die des Guido, und Fenk tauscht mit Knef nur die Stellung der Buchstaben. Der künstliche Archipel der Unsichtbaren Loge könnte die Molukkeninsel beherbergen, auf der die Hundpostbriefe eingehen, und die Gefangennahme Viktors kann zwanglos mit der des Gustav verglichen werden.


    Im ersten Lesedurchgang war die terra incognita des Jean Paul einfach noch zu verwirrend, um solche Schneisen des Verstehens zu sehen. Wer immer sich einmal diese Romane Seite für Seite erkämpft hat, bitte lest es noch ein zweites Mal, es gehen überall die Lichter auf!

  • Lass dir das "Oat(es) Meal" schmecken. Ich hab vor Jahren mal "The falls" von ihr gelesen, hat mir ganz gut gefallen auch zwei oder drei andere, von denen ich nicht mehr viel weiß. Sie produziert ja fast fabriksmäßig.


    Mein liebstes Buch von Llosa ist immer noch die Geschichte von Gauguin und seiner Großmutter - Das Paradies ist anderswo. Dieses Buch hat einen speziellen Platz in meiner Erinnerung.

    Danke für den Hinweis auf das Buch von Llosa.

    Das Oates fabrikmäßig produziert, hatte mich bisher auch abgehalten, etwas von ihr zu lesen.

    Oates hat eine ganze Reihe von Gothic Novels, auch extra in der Literaturszene so ausgewiesen, geschrieben, unter anderem "Die Schwestern von Bloodsmoor", die ich neulich gelesen habe und auch der frühere Roman "Bellefleur" gehört dazu. Sie beherrscht die Fantasy-Elemente recht gut und verleiht ihren Geschichten damit einen düsteren Glanz.

    Das Schöne an "Cardiff am Meer" ist ja, das das eigentlich realistisch geschriebene Stories sind, die halt unheimlich aufgeladen sind.


    Gruß, Lauterbach

  • Babettes Gastmahl war wirklich nur ein "Abendessen". Ich mochte aber den Schreibstil von Tania Blixen. Ich habe noch nichts von ihr gelesen, kannte nur die Verfilmung von "Out of Africa". Wie eine Köchin die protestantisch engstirnige, weltfremde Gesellschaft in einem norwegischen Küstenstädchen aufwirbelt und in Frage stellt durch ein einziges Diner.


    Ich begebe mich nun mit dem neuen Buch in die Sowjetunion, an den Tag als der Oberste Sowjet Konstantin Tschernenko starb. In eine Komunalka. Große Veränderungen stehen bevor.


    Katerina Poljadan - Zukunftsmusik

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  • Zukunftsmusik war wirklich eine positive Überraschung.

    Ich war begeistert, hab das Buch als Bereicherung empfunden.

    Ich hab bei den Nachbarn ein paar Gedanken dazu aufgeschrieben, fall es jemand lesen will, hier bitte


    Ich widme mich nun Geetanjali Shree - Tomb of Sand


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    Ich bin schon gespannt.

  • b.a.t. Ich mochte "Babettes Gastmahl" auch sehr gerne, noch lieber mag ich aber Blixens Phantastische Geschichten, es gibt eine ganze Reihe davon. Sie schafft es, die haarsträubendsten Wendungen ganz selbstverständlich daherkommen zu lassen.


    Edit: Euer Austausch über Llosa hat mich daran erinnert, dass ich ein riesendickes Buch von ihm noch hier stehen habe, "Der Krieg am Ende der Welt". Soll keine leichte Lektüre sein. Ich wollte es eigentlich noch in diesem Jahr lesen, bin aber gerade noch mit "Mrs Dalloway" von Virginia Woolf beschäftigt.

  • Zefira danke für den Tipp, das war sicher nicht das letzte Büchlein, dass ich von Tania Blixen gelesen habe. Mir gefällt ihr Stil auch. Im Moment bin ich aber ziemlich eingedeckt.


    Mrs Dalloway hab ich vor laaanger Zeit gelesen, soweit ich mich erinnere, gefiel es mir sehr gut. Wie immer bei Virginia Woolf sehr in die Tiefe der Psyche eindringend, komplex und einfach ein Vergnügen alles auseinander zu dividieren.

  • Mit viel Vergnügen habe ich Peter Ustinovs "Der alte Mann und Mr.Smith" zu Ende gelesen. Gott und Teufel auf Erden zu Besuch, um den Stand der Schöpfung live zu erleben: in Washington und dann um die ganze Erde verfolgt vom FBI. Geschliffene Dialoge auch noch in der Übersetzung und ein großes Vergnügen vorallem für diejenigen, die das Zeitkolorit der Endachtziger, Anfangneunziger voll mitbekommen haben.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Vom SWB:

    Márquez: Die Liebe in den Zeiten der Cholera.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Gerade lese ich "Effingers" von Gabriele Tergit und bin sehr angetan. Die vor kurzem wiederentdeckte Journalistin und Schriftstellerin Elise Hirschfeld, verh.Reifenberg, (1894 bis 1982) veröffentlichte unter dem Pseudonym Gabriele Tergit diesen Roman in den Fünfziger Jahren und fand nur wenig Beachtung, obwohl das Werk von der Presse gelobt wurde.
    Das lag wohl auch am Stoff: Tergit schrieb einen Zeitroman über eine jüdische Familie von den Siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Effingers und Oppners sind eine Bank- und Fabrikantenfamilie und spiegeln das Leben des assimilierten Judentums im Berlin jener Zeit wieder. Vielleicht hatten die Menschen in den Fünfzigern, als die Aufarbeitung des Holocaust gerade erst begann, wenig Lust, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Und so ist ihnen ein großartiger Roman entgangen.
    Tergit lässt ihr Personal reden und denken, ohne je in den Erzählerkommentar zu verfallen. Dadurch wird der Leser mit einem vielfältigen Chor von Stimmen aus dem jüdischen Handels- und Bildungsmilieu konfrontiert, die sich mit den Ereignissen der Zeit, dem Lebensgefühl der Belle Epoque, des Jugendstils und im Weiteren ( so weit bin ich noch nicht) wohl auch mit den darauffolgenden Ereignissen auseinandersetzen. DIe Effingers, die in die Familie der Oppners, der Bankiers, einheiraten, sind zwei Brüder, die im Berlin der 1880er eine Schraubenfabrik gründen und später eine Autofabrik betreiben. Durch die Sichtweise des jüngeren Bruders Paul, eines echten Selfmademans, erfährt man auch einiges über die technischen Entwicklungen jener Zeit und die Zukunftseuphorie, die durch die zahlreichen Entwicklungen und Erfindungen zum Tragen kam. Gleichzeitig aber bedrängt das autoritäre Regime der neu gekürten Preußenkaiser, der Militarismus und wieder aufkommende Antisemitismus die freiheitlichen Bestrebungen des Bürgertums. Nun befinde ich mich gerade in den 10er Jahren des 20. Jahrhunderts und inmitten einer müden Jugend, die keine Lust mehr zum kaufmännischen Treiben ihrer Väter hat, aber gleichzeitig auch keinen eigenen Sinn findet.

    Ein toller dicker Roman von mehr als 800 Seiten, der sich sehr lohnt.


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    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Nur ein kurzes Lebens/Lesezeichen: Das erste Halbjahr 2022 ist komplett anders verlaufen als gedacht. Ich lese seit Monaten nur Fachliteratur der verschiedensten Art, das sagenwirmal Lustlesen, das ich mir vorgenommen hatte, blieb bislang praktisch komplett auf der Strecke. Seufz. Und dass ich Band 3 der "Suche nach der verlorenen Zeit" in absehbarer Zeit anfange (den wollte ich schon längst gelesen haben …), sehe ich auch nicht wirklich vor mir. Naja.

  • Ich quäle mich noch immer durch die 743 Seiten Tomb of Sand. Einerseits ja schon mit viel Wortwitz geschrieben, andererseits auch sehr ausufernd. Aber bald bin ich fertig (hoffe ich). Im Urlaub hab ich mich mehr mit Templerrittern beschäftigt als mit meiner Lektüre.

  • ETA Hoffmann: Die Elixiere des Teufels. (SWB, klar.)

    Ich mag den Roman, der von Unwahrscheinlichkeiten strotzt (aber was muss an Schauerromanen denn wahrscheinlich sein), und dessen Verwandtschaftsverhältnisse ich so wenig durchschaue, wie die in Prinzessin Brambilla.

    Hab zig Jahre nichts von Hoffmann gelesen.

    Schön, dass ich nochmal dazu komme.

    Die Beziehung zu Lewis, Der Mönch, ist mir bekannt. Aber hat er sich auch von "Gefährliche Liebschaften" inspirieren lassen? Ich meine die Szene mit Euphemie ...

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ror Wolf, Die unterschiedlichen Folgen der Phantasie. Tagebuch 1966–1996. Heute abgeholt und gleich mal reingelesen. Bin begeistert (auch wenn ich mich etwas über den Kommentar wundere, der scheint's auf S. 21 mit Fußnote 49 vergessen hat, dass er praktisch den identischen Text schon einmal in der Fußnote 26 auf S. 14 gebracht hat. Naja.)

  • Ror Wolf, Die unterschiedlichen Folgen der Phantasie. Tagebuch 1966–1996. Heute abgeholt und gleich mal reingelesen. Bin begeistert (auch wenn ich mich etwas über den Kommentar wundere, der scheint's auf S. 21 mit Fußnote 49 vergessen hat, dass er praktisch den identischen Text schon einmal in der Fußnote 26 auf S. 14 gebracht hat. Naja.)

    Besser einmal zu viel als zu wenig. Ich wundere mich öfters, wie die Herausgeber einen Text und seine Kommentierungsnotwendigkeit bewerten. Oft findet man ganz einfache Dinge erklärt und dann tauchen plötzlich Zusammenhänge auf, die man nicht ohne sehr spezielles Hintergrundwissen einordnen kann, aber das bleibt unkommentiert.

    Ich lese im Moment den kommentarfreien Roman "Es geht uns gut" von Arno Geiger, wieder mal gut abgehangen (bereits 2007 angeschafft), ein sehr interessanter Familien- und Zeitroman, spielt in Wien zwischen 1938 und 2001 und erzählt in Kapiteln, die jeweils einen Tag als symptomatisch für ein ganzes Jahrzehnt beinhalten, die Geschichte einer gut situierten Familie und ihrer Beziehungen.

    So ganz warm bin ich noch nicht mit dem Erzählstil sowie dem Personal,und einige Anspielungen verstehe ich tatsächlich nicht, vielleicht wäre da Ösi-Spezialwissen nötig.

    Aber lohnenswert ist die Lektüre auf jeden Fall.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich hab jetzt 60 Seiten gelesen, das scheint Methode zu haben, doppelte Erklärungen gibt es einige. Das könnte aber auch einfach dem Zeitdruck geschuldet sein, das Buch sollte ja pünktlich zum 90. Geburtstag rauskommen, da wurde vielleicht dies und das mit der etwas heißen Nadel gestrickt. Aber egal, das mindert den Lektürespaß überhaupt nicht. Und überhaupt ist das ein sehr schönes Buch, solide gebunden, gut gedruckt, Schutzumschlag, schönes, etwas größeres Format, sehr gut lesbar.