Was lest ihr gerade?

  • Auch hier wieder vielen Dank für diese historischen Bezüge, Karamzin. Ich lese den Roman wesentlich unreflektierter, habe Heinrich Manns Romanfolge auch noch nicht zu mir genommen. Obwohl ich damals in den Endsiebzigern in Westdeutschland einen der ersten Leistungskurse Deutsch und Literatur-Grundkurs mit einer wirklich guten Lehrerin durchlaufen habe, denke ich manchmal, dass wir mit mit der DDR auch einige wirklich engagierte und kenntnisreiche Lehrer verloren haben.

  • Zefira die Purpurlinie von Fleischhauer habe ich damals mit dem Autor in einer Leserunde gelesen. Für mich das beste Buch des Autors.


    Ich lese nach wie vor die Dämonen. Ein Drittel habe ich bereits gelesen und ich bin sehr angetan von dem Buch. Ich hätte nicht gedacht dass Dostojewski einerseits so leicht zu lesen ist und andererseits so humorvoll schreiben kann.

  • Ich habe ungefähr ein Drittel von "Rom" gelesen, dem mittleren Band von Zolas Städtetrilogie. "Lourdes" und "Paris" kenne ich bereits. Verglichen mit diesen beiden ist "Rom" bisher recht langweilig. Zeitweise habe ich das Gefühl, einen Reiseführer zu lesen. Aber ich bleibe dran, auch wenn ich öfter mal eine Seite querlese.

  • Ich bin gerade fertig geworden mit dem zweiten "modernen" Buch auf meiner diesjährigen Leseliste, "Ein Nashorn für den Papst" von Lawrence Norfolk.

    Vor etwa 17 Jahren hatte ich "Lemprieres Wörterbuch" gelesen und fand es, wenn auch epigonal, wunderbar. Epigonal, weil es sich, meiner Ansicht nach, so sehr an die dickleibige britische Literatur des 18./19. Jahrhunderts anlehnt. Liegt auf dem SWB, aber, wann ...


    Zur Zeit: Jens Malte Fischer: Gustav Mahler. Der fremde Vertraute. Und:

    Thomas Bernhard: Erzählungen - Kurzprosa (Werke, Suhrkamp, Band 14). Die Rechnung lag noch drin, hatte ich vor 10 Jahren gekauft, als ich einen Leseexcess mit Bernhard hatte. Über so etwa ein Jahr fast die gesamte Prosa durchgemacht. Dieses war liegengeblieben. Alles andere: auf den SWB, aber, wann ...

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Lemprierers Wörterbuch ... habe ich seinerzeit gelesen, als es in Deutschland erschien. 1993 etwa? Es wurde damals ziemlich stark beworben. Ich erinnere mich an die Lektüre und an die intensive Atmosphäre des Buches, aber ich weiß auch, dass ich die Handlung als sehr wirr empfunden habe und mich am Ende nur fragte, was dieses Buch eigentlich sollte... Da ging es mir wir Dir, finsbury Daher habe ich auch kein weiteres Buch von Lawrence Norfolk gelesen.

  • Ich habe noch zwei weitere Bücher von Christa Wolf gelesen ("Was bleibt" und "Kassandra") - ihre Stimme tut mir im Moment ausgesprochen gut, diese ruhige Klugheit ist etwas, das ich im gegenwärtigen Diskurs vermisse.


    Gerade lese ich den neuen Roman von Robert Seethaler über Gustav Mahler. Bisher enttäuschend. Wenn's nicht so kurz wäre, würde ich wohl abbrechen.

  • Enttäuschend in welcher Hinsicht, JHNewman ?

    Meine Tochter ist absoluter Mahler-Fan und interessiert sich vielleicht dafür, wenn es kein allzu großer Quatsch ist.

    Leider ist es Quatsch. Oder sagen wir besser: es ist einfach hilflose Prosa angesichts eines musikalischen Genies. Über Musik zu schreiben ist extrem schwer, und im Roman wird genau das auch gesagt. Weil es aber über die Musik nicht geht, erfahren wir stattdessen einiges über die Gebrechen des alten Mahler und werden Zeugen unsäglich banaler Dialoge zwischen Alma und Gustav.


    Man kann das ganze natürlich auch als eine nette kleine Miniatur über einen alternden und sterbenden Künstler lesen. Aber letzlich weckt es nur die Sehnsucht, das Buch zuzuklappen und Mahler zu hören. Dann ist die Zeit besser investiert.


    Ich hatte mich auf das Buch gefreut, denn ich mochte sowohl den Trafikanten wie auch 'Ein ganzes Leben' sehr gern. Und ich liebe Mahlers Musik. Aber in diesem Roman ist die Diskrepanz zwischen dem Thema und der literarischen Verarbeitung einfach viel zu groß.

  • Emile Zola hat in vielen seiner Bücher explizite Kirchenkritik geübt, aber dass die ganze umfangreiche Städtetrilogie einen katholischen Priester als Hauptperson hat, der als klare Sympathiefigur gedacht ist, lässt mich vermuten, dass er jedenfalls gläubiger Katholik war.

    "Rom" hat - wie zuvor übrigens auch schon "Paris" - Passagen, die einen das Gruseln lehren können. Wenn ich da zb lesen muss, wie Pierre Froment vor einer Weltkarte steht und die (eingefärbten) Gebiete, in denen sich die katholische Kirche etabliert hat, voll Sorge betrachtet. So viele Länder, in denen der Papst nichts zu sagen hat! Milliarden Menschen, riesige Gebiete, die für die Kirche erobert werden müssen! Es heißt hier mehrfach ausdrücklich, dass irgendwann die Kirche die Weltpolitik bestimmen müsse. Eine erneuerte Kirche zwar, wie Pierre sie sich vorstellt, aber es würde sich auf jeden Fall um die Weltherrschaft einer Gruppe alter Männer in Röcken handeln. Und das in einem Buch, das vor etwa 120 Jahren erschienen ist! Ich fasse es nicht! Ich habe versucht herauszufinden, wie Zolas persönliches Verhältnis zum Papsttum eigentlich war, aber außer dass er - wie schon erwähnt - freimütige Kirchenkritik geäußert hat (wie sein Pierre Froment das ja auch tut), findet sich nichts. Es gibt einen Sammelband mit seinen Notizen für den Rougon-Macquart-Zyklus, aber nichts zum Städtezyklus.

  • Diesen Städtezyklus kenne ich gar nicht, und was du darüber berichtest, lässt einen wirklich verwundern. Eigentlich kann ich mir Zola, nach den Romanen, die ich von ihm gelesen habe, kaum als wirklich kirchengläubig vorstellen.

  • Emile Zola hat in vielen seiner Bücher explizite Kirchenkritik geübt, aber dass die ganze umfangreiche Städtetrilogie einen katholischen Priester als Hauptperson hat, der als klare Sympathiefigur gedacht ist, lässt mich vermuten, dass er jedenfalls gläubiger Katholik war.

    Hast Du schon die ganze Trilogie gelesen?

    Eigentlich kann ich mir Zola, nach den Romanen, die ich von ihm gelesen habe, kaum als wirklich kirchengläubig vorstellen.

    Ist er auch nicht. Aber dazu muss man die Trilogie kennen.

    Es gibt einen Sammelband mit seinen Notizen für den Rougon-Macquart-Zyklus, aber nichts zum Städtezyklus.

    Zumindest zu seinem Aufenthalt in Rom, den Zola zu Recherche-Zwecken ausführte, gibt es einen Bericht. Ich habe ihn vor ein paar Jahren mal vorgestellt: Émile Zola: Meine Reise nach Rom.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zola hat mich in "Paris" schon mal mächtig befremdet mit der Vorstellung einer Superwaffe, die Frankreich zur Verfügung gestellt werden solle, um endgültig alle Kriege überflüssig zu machen. Nach dieser ungeheuerlichen Hybris wundert mich nichts mehr. In seinem Buch "Das neue Rom" stellt Pierre Froment folgende Überlegung an: Wie seltsam war das neue Gedeihen des Papsttums auf dem von der Französischen Revolution bestellten Acker! Vielleicht verhalf es ihm zur Herrschaft, den es seit Jahrhunderten erstrebt. Denn jetzt steht es dem Volk allein gegenüber; die Könige sind geschlagen, und da das Volk nun frei entscheiden kann, warum dann nicht für das Papsttum?

    Zola oder vielmehr Pierre Froment stellt sich einen "christlichen Sozialismus" vor und bemerkt: Offenbar hatte die katholische Kirche grundsätzlich nichts gegen eine Demokratie. Sie brauchte nur zur Überlieferung des Evangeliums zurückzukehren und wieder die Kirche der Niedrigen und Armen zu werden ... Ihrem Wesen nach ist sie demokratisch ...


    Ich könnte mir vielleicht eine demokratische Kirche der Niedrigen und Armen vorstellen, aber weder unter einem Papst noch mit dem Anspruch der Weltherrschaft. Keine Ahnung, wie Zola sich hier derart utopisch vergaloppieren konnte. "Lourdes" hat mir von der Städtetrilogie noch am besten gefallen; die beiden anderen Bände sind weder literarisch noch psychologisch besonders geglückte Würfe ...


    sandhofer : Entschuldige, ich sehe jetzt erst Deine Antwort, nachdem ich den Beitrag bereits gepostet hatte.
    Ja, ich kenne "Lourdes" schon lange und war bei der Lektüre beeindruckt von der Vielfalt der Charaktere, der feinen Psychologisierung und vor allem der Darstellung der Marie, die - von einem offensichtlich psychischen Leiden genesen - unbedingt an ein Wunder glaubt. Ich habe das Buch gelesen, als ich selbst vor Jahren in Lourdes war.

    "Paris" habe ich viel später gelesen und auch hier vorgestellt. Es hat ein sehr befremdliches Ende - ich habe das in der Buchvorstellung angedeutet -, aber vieles darin gefiel mir auch, zum Beispiel Zolas Emanzipationsgedanken, die er Marie in den Mund legt.

    Ich schrieb oben schon, dass meiner Meinung nach Zola ein gläubiger Katholik war; das geht aus der Städtetrilogie klar hervor - warum schreibt er sonst drei dicke Bände über derartige Themen? Was mich wundert, ist seine Vorstellung einer Erneuerung des Papsttums, die ich schlicht für völlig daneben halte. Entweder ist die Kirche demokratisch, dann aber ohne Papst und Kardinäle. Oder der Papst wird ein schlichter Priester ohne Herrschaftsanspruch, dann aber ist das Amt bedeutungslos. Zola kommt mir vor wie jemand, der den Kuchen gleichzeitig essen und behalten will. Vielleicht mache ich hier auch unzulässigerweise die Gedanken Froments zu denjenigen Zolas - aber m.M.n. ist die ganze Städtetrilogie und nachfolgend auch der Evangelienzyklus darauf angelegt, Zolas Ideen sozialer Reformen zu transportieren.


  • Leider ist es Quatsch. Oder sagen wir besser: es ist einfach hilflose Prosa angesichts eines musikalischen Genies.

    Ich hab gerade die Rezension in der SZ gelesen, da reichen mir die wenigen Zitate, um den Roman zweifelsfrei als Kitsch einzuordnen ;-). Wovon die Rezension in ihrem Bemühen, doch noch etwas Gutes an dem Roman zu finden, auch nicht frei ist.

  • Schön, dass es hier noch andere Mahler-Fans gibt. Ich habe vor so 3-4 Jahren begonnen, ihn zu entdecken. Die von mir oben erwähnte Biographie von Jens Malte Fischer kann ich, nach 350 Seiten, durchaus empfehlen.

    Und liebäugele, schon seit Monaten, mit seiner Karl-Kraus-Biographie. Werde wohl schwach werden.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich habe heute mit "Metropol" von Eugen Ruge begonnen. Ich weiß noch nicht, ob mir das gefällt. Es ist in einem sehr nüchternen Stil geschrieben. Es geht um seine Großeltern, die während der Prozesse 1936 in Moskau waren, für den sowjetischen Geheimdienst arbeiteten und mit einem der Verurteilten bekannt waren, was damals hochgefährlich sein konnte. Sein "In Zeiten des abnehmenden Lichts" hat mir damals sehr gefallen.


    Gruß, Lauterbach

  • Ich habe heute mit "Metropol" von Eugen Ruge begonnen. Ich weiß noch nicht, ob mir das gefällt. Es ist in einem sehr nüchternen Stil geschrieben. Es geht um seine Großeltern, die während der Prozesse 1936 in Moskau waren, für den sowjetischen Geheimdienst arbeiteten und mit einem der Verurteilten bekannt waren, was damals hochgefährlich sein konnte. Sein "In Zeiten des abnehmenden Lichts" hat mir damals sehr gefallen.


    Gruß, Lauterbach

    Ich habe Metropol vor einigen Monaten gelesen (auch erst in diesem Jahr) und fand es ausgezeichnet, sogar deutlich besser als die Zeiten des abnehmenden Lichts.