Über Klassiker, Kanons, Leselisten etc.

  • Also: Im Hinblick auf die Auswahl scheint man hier vorgegangen zu sein wie beim Echo. Was sich in hohen Stückzahlen verkaufte, kam auf die Liste. Qualität war kein wirkliches Kriterium. Und dass bei den Klassikern eben die bekannten Werke dominieren, liegt wahrscheinlich daran, dass diese sich so sehr durchgesetzt haben, dass sie heute noch verkäuflich sind.


    Den Schwarm fand ich auch ganz unlesbar. Ich hatte seinerzeit eine Leseprobe gelesen und den Eindruck, dass da keine Metapher stimmte, kein Satz grade war, die Dialoge hölzern. Und das bei der Dicke des Buches... Natürlich kann man manche Sachen einfach auf Handlung hin lesen. Mache ich ja auch gelegentlich. Sogar Bücher von Dan Brown habe ich gelesen. Aber die kämen bei mir nie auf eine Liste der 'besten Bücher'. ...

    ;-)

  • Die Liste ist kompletter Unfug; hier geht es einzig darum, via Amazon-Partnerlink Provisionen abzugreifen.

    Bei nochmaligen durchsehen der Titel muss ich dir in Bezug auf das 20 und 21 Jahrhundert vollkommen recht geben.


    In den anderen Epochen kenne ich mich zu wenig aus um zu sagen ob wer großer noch fehlt.

  • Natürlich kann man manche Sachen einfach auf Handlung hin lesen. Mache ich ja auch gelegentlich.

    Den Satz finde ich wirklich gut. Wenn ich ehrlich bin lese ich die meisten Bücher nur in Bezug auf Handlung. Das ist auch der Grund warum ich mit einigen Sachen einfach nicht klar komme: da passiert nix.


    Und andere schwärmen dann von der Atmosphäre. Und ich denke mir: aber da passiert ja nix.


    Vielleicht sollte ich Bücher mal dahin gehend lesen. Ist sicher spannend.

  • Ich mag keine Bücher lesen, in denen nichts oder kaum etwas passiert. Es muss etwas Dramatisches drin vorkommen, sonst langweile ich mich. Aber was "dramatisch" ist, das ist ja ein dehnbarer Begriff. Davon abgesehen ist mir allerdings das Wie in einem Buch wichtiger als das Was. Ich lese viele Bücher zum zweiten Mal, auch Krimis. Mir macht es nichts aus, vorher zu wissen, wie ein Buch ausgeht, wer der Mörder ist oder was auch immer ... Mich interessiert, wie bestimmte Effekte zustande kommen, was die Spannung ausmacht, was die Atmosphäre ausmacht. Ich würde niemals ein Buch lesen unter der Prämisse "da lege ich keine literarischen Kriterien an", weil es "bloß" Spannungsliteratur ist.

  • Ich mag keine Bücher lesen, in denen nichts oder kaum etwas passiert. Es muss etwas Dramatisches drin vorkommen, sonst langweile ich mich. Aber was "dramatisch" ist, das ist ja ein dehnbarer Begriff.

    Nicht unbedingt, Stifters Nachsommer mag für viele todlangweilig sein, ich mag dieses Buch trotzdem, jetzt frage mich aber nicht, was ich daran so faszinierend finde.

    Vielleicht berichtet dieser Roman aus einer Welt, als die Uhren noch etwas langsamer gingen und die Menschen noch nicht Sklaven einer fieberhaften und umtriebigen Welt waren, oder was da auch immer.


    Aber jeder wie er meint und jeder ist gerechtfertigt, in der ureigenen Welt seiner geliebten Bücherstapel.

  • Mit Verlaub, aber ich finde diese elendigen Leselisten als einen großen Quatsch, ähnlich den so genannten Bestsellerlisten, zumal ich der Meinung bin, das viele Bücher eher uns finden, als wir die Bücher. Klingt Paradox, aber nach einem langen "Leseleben" bin ich davon überzeugt, das es so ist, oft, machmal, und irgendwie.

  • Ja, das ist eine sehr seltsame Erfahrung, die ich auch immer wieder mache. Mit den Listen kenne ich mich nicht aus, koennte mich auch eher nicht dafuer erwaermen, aber ich hatte mir mal vor vielen Jahren ein von der "Zeit" herausgegebenes Buch gekauft, das heisst .......der 100 Buecher (spaeter gabs dann noch eines fuer Sachbuecher). Damals war ich noch weniger als heute das, was man eine Leser nennt. Ich hab danach dann u.a. mit viel Spass an der Freud den Tristram Shandy gelesen und noch ein paar andere Buecher und fand das damals FUER MICH recht hilfreich. Den Don Quijote habe ich bis voriges Jahr schmoren lassen.

    if all you have is a hammer, all you see looks like a nail.

  • Zitat von Vult

    Vielleicht berichtet dieser Roman aus einer Welt, als die Uhren noch etwas langsamer gingen und die Menschen noch nicht Sklaven einer fieberhaften und umtriebigen Welt waren, oder was da auch immer.

    Das geht mir genauso, ich liebe zum Beispiel sehr die tempoarmen Romane von Thomas Hardy, in denen ellenlang etwa die Schafschur geschildert wird oder die Art, wie ein Mensch geht.
    Es muss nicht viel passieren, um mich bei der Stange zu halten. Eins zu eins runtererzählte Action langweilt mich. Aber ich brauche so etwas wie innere Dramatik; etwas, das mich mitreißt.

  • ich finde die Diskussionen rund um einen Kanon sehr interessant. Für mich sind solche Listen immer hilfreich um mal wo anzufangen.


    Aber ich verstehe auch voll und ganz wenn das jemand als Unfug oder Quatsch bezeichnet.


    Einen Kanon zu finden mit dem alle einverstanden sind wird es nie geben. Und wenn man sich zum Ziel setzt nur 100 Bücher zu nehmen dann sowieso nicht.

  • Ich fand aber, wie ich schon an anderer Stelle erwähnte, den Facebook- "Buch-Challenge mit 10 wichtigen Büchern" interessant. Ich habe die Gelegenheit genutzt, darüber nachzudenken, welche Bücher mich im Lauf meines Lebens über mehrere Jahre, vielleicht Jahrzehnte, begleitet haben, mein Denken mitgeformt haben, mich nachhaltig beeinflusst haben oder wie auch immer. Eine solche Liste ist sehr persönlich und hat mit dem Kanon nach dem Motto "muss jeder gelesen haben" nichts zu tun.

    Ich habe für jedes meiner drei Lebensdrittel drei Bücher genannt und dann noch zwei darüber hinaus - deshalb hatte ich elf statt zehn. Allein das Nachdenken über die Auswahl hat mir große Freude gemacht.

  • So eine Liste kann vielleicht recht nützlich zu sein, um sich auf einen Blick kurz darüber zu orientieren, was in der Gegenwart für wichtig gehalten wird. Dann sucht man nach Ländern und Sprachen ab, aus denen schließlich übersetzt werden musste. Hier wird klar, dass, je näher man zur Gegenwart kommt, die Literatur aus englisch- und französischsprachigen Ländern, natürlich hierzulande neben der dominierenden deutschsprachigen Literatur, überwiegt, aber wie sieht es beispielsweise mit der Literatur unserer östlichen Nachbarländer aus, der tschechischen (Hasek, Kohout), der polnischen (Mickiewicz), ist die russische und sowjetische ausreichend repräsentiert?


    Die Verfasser von Bestsellerlisten verorten sich so eher als Westeuropäer (bzw. transantlantisch Interessierte), mit gelegentlichen Ausflügen in andere Kontinente. Wie sieht es mit den Genres aus, je näher man der Gegenwart kommt, herrschen Romane und Erzählungen vor, die Bedeutung der Dramatik nimmt ab, die der Lyrik lässt sich auf diese Weise kaum noch erfassen - da werden eben keine verkaufsträchtigen Titel mehr verzeichnet.

    Da mich bisher Gegenwartsliteratur kaum interessiert hat (das ist ein "Klassikerforum", ;)und zur Gegenwartsliteratur gibt es sicher noch andere Foren) ich lange nach einem Buch suchen musste, in dem ich meine Bedürfnisse, die mich bedrängenden Themen wiederfand - d. h. die Neugierde auf Neues ist bei mir im Alter (wahrscheinlich: leider, müsste man sagen) überdurchschnittlich schwach ausgeprägt - gelangte ich gerade in jüngster Zeit zu der beunruhigenden Beobachtung, dass hier manipuliert wird: In der "Spiegel"-Bestsellerliste, Sparte Belletristik, taucht monatelang Monika Marons "Munin oder Chaos im Kopf" nicht auf, und das kann doch nicht nur an den Verkaufszahlen liegen. Über dieses Buch wird gefühlter maßen viel mehr diskutiert als über dort aufgeführte andere.

    Das heisst: je näher man der Gegenwart kommt, desto differenzierter sind die Erwartungshaltungen. Den "Nachsommer", von dem oben die Rede war, habe ich schon zu DDR-Zeiten siebenmal gelesen, um der realsozialistischen Gegenwart zu entfliehen und in eine mit ungewöhnlicher Sprachgewalt gemalte Welt einzutauchen, in der sich die Menschen noch überkorrekt zueinander verhielten und in den Alpen auf die Berge kraxelten, die ich, so dachte ich, sowieso nicht mehr zu sehen bekommen würde. Schon Arno Schmidt vermisste damals ein Eingehen Stifters auf Gegenwartsprobleme - Antworten auf diese suchte man indes in anderer Literatur (Maxie Wander, Christa Wolf, Brigitte Reimann). Einige Leserinnen hier im Thread suchen Entspannung, Unterhaltung und lebhafte Handlungen - mir alles verständlich, das wird immer subjektiv und unterschiedlich entsprechend den verschiedenen Lesebedürfnissen bleiben, die Verfallsdaten nahen aber auch immer schneller - man wird immer wieder zu diesem Schluss kommen.

  • ich finde die Diskussionen rund um einen Kanon sehr interessant. Für mich sind solche Listen immer hilfreich um mal wo anzufangen.


    Aber ich verstehe auch voll und ganz wenn das jemand als Unfug oder Quatsch bezeichnet.


    Einen Kanon zu finden mit dem alle einverstanden sind wird es nie geben. Und wenn man sich zum Ziel setzt nur 100 Bücher zu nehmen dann sowieso nicht.


    Als Mindestanforderung an eine solche Liste hätte ich, dass klar ist, welche Kriterien bei der Auswahl eine Rolle gespielt haben. Und da hapert es bei dieser Liste. Wenn da Goethe und Dan Brown drauf stehen, dann fällt es mir schwer, sie beide unter der Kategorie 'beste Bücher' zu fassen. :-)


  • JHNewman da hast du natürlich recht. Das sollte dabei stehen.


    Karamzin wie die Spiegel Bestsellerlisten zusammen gestellt werden kann ich dir gar nicht sagen. Ich wär mal davon ausgegangen dass es die nach oben schaffen die am meisten verkauft wurden.


    Den Nachsommer hab ich damals weg gelegt. Ich konnte mich auf die Atmosphäre nicht einlassen. Brauchte action beim Lesen. Und da ist das Buch das falsche.

  • So eine Liste kann vielleicht recht nützlich zu sein, um sich auf einen Blick kurz darüber zu orientieren, was in der Gegenwart für wichtig gehalten wird. Dann sucht man nach Ländern und Sprachen ab, aus denen schließlich übersetzt werden musste. Hier wird klar, dass, je näher man zur Gegenwart kommt, die Literatur aus englisch- und französischsprachigen Ländern, natürlich hierzulande neben der dominierenden deutschsprachigen Literatur, überwiegt, aber wie sieht es beispielsweise mit der Literatur unserer östlichen Nachbarländer aus, der tschechischen (Hasek, Kohout), der polnischen (Mickiewicz), ist die russische und sowjetische ausreichend repräsentiert?


    Die Verfasser von Bestsellerlisten verorten sich so eher als Westeuropäer (bzw. transantlantisch Interessierte), mit gelegentlichen Ausflügen in andere Kontinente.

    Literatur aus dem anglo-amerikanischen Bereich ist bei uns stark präsent. Das hat zum einen mit der Macht der Kulturindustrie zu tun, die von dort her kommt und über verschiedene Kanäle Themen und Autoren entsprechend vermarkten kann. Zum anderen hängt das aber auch mit der eher leichtgängigen Schreibweise zusammen, die die Autoren aus dem englischsprachigen Raum bei uns einfach auch gut verkäuflich macht. Obwohl auch im Bereich der eingängigen Literatur die Deutschen mittlerweile aufgeholt haben. Zudem muss man sagen, dass wir Deutsche da noch auf recht hohem Niveau jammern. In England und den USA ist der Markt dermaßen auf sich selbst bezogen, dass es gar nicht so leicht ist, über das Medium der Literatur den Blick in andere Kulturen und Länder zu weiten. Übersetzungen sind auf dem dortigen Buchmarkt viel rarer als bei uns. Der deutsche Buchmarkt ist - gerade was Literatur aus dem östlichen Europa angeht - noch ganz gut aufgestellt.


    Zitat

    Da mich bisher Gegenwartsliteratur kaum interessiert hat (das ist ein "Klassikerforum", ;)und zur Gegenwartsliteratur gibt es sicher noch andere Foren) ich lange nach einem Buch suchen musste, in dem ich meine Bedürfnisse, die mich bedrängenden Themen wiederfand - d. h. die Neugierde auf Neues ist bei mir im Alter (wahrscheinlich: leider, müsste man sagen) überdurchschnittlich schwach ausgeprägt - gelangte ich gerade in jüngster Zeit zu der beunruhigenden Beobachtung, dass hier manipuliert wird: In der "Spiegel"-Bestsellerliste, Sparte Belletristik, taucht monatelang Monika Marons "Munin oder Chaos im Kopf" nicht auf, und das kann doch nicht nur an den Verkaufszahlen liegen. Über dieses Buch wird gefühlter maßen viel mehr diskutiert als über dort aufgeführte andere.


    Von aktiver Manipulation würde ich nicht sprechen. Das bedeutete ja, dass hier ein Buch, das sich häufig verkauft hat, bewusst von der Liste genommen würde. Und wenn ich mir die Titel ansehe, die da auf der Liste stehen, glaube ich durchaus, dass sie sich besser verkauft haben als Monika Maron, die doch eher ins anspruchsvolle Segment fällt und in Deutschland nie eine Bestsellerautorin war. Gleichwohl teile ich Dein Unbehagen, denn eine strukturelle Manipulation gibt es sicher. Es ist für mich auch nicht wirklich ersichtlich, wie diese Liste zusammengestellt wird. Es werden wohl Zahlen von bestimmten Händlern abgefragt und dann addiert. Aber was mich schon immer stutzig gemacht hat: manche Titel stehen mit dem Tag des Erscheinens schon auf einer dieser Bestseller-Listen. Und das, obwohl sie innerhalb von ein bis zwei Tagen gar nicht so viele Exemplare verkauft haben können wie andere Titeln, die schon ein paar Wochen auf dem Markt sind. Mir scheint, dass die Bestseller auf diesen Listen zum nicht geringen Teil künstlich erzeugt werden. Man puscht einen Titel durch Werbemaßnahmen und Anreiz-Aktionen für den Handel und sorgt somit dafür, dass der Titel eine herausgehobene Wahrnehmung erhält, die automatisch dafür sorgt, dass die Buchhändler eine große Anzahl ordern und das Buch damit auf der Bestseller-Liste landet, bevor die Kunden es überhaupt gekauft haben. Diese Listen zeigen also Trends an, aber verlässlich sind sie sicher nicht.


    Ich finde es ganz erfreulich, dass der Börsenverein des Buchhandels jetzt neben der Mainstream-Liste auch eine Bestsellerliste der unabhängigen Verlage herausgibt:


    https://www.boersenblatt.net/bestseller/independent

  • Bestseller muss wohl nicht unbedingt mit Verkaufszahlen zu tun haben. Soweit ich weiß, kann man den Platz auf dem Bestseller-Tisch bei Thalia kaufen.


    Man kann über die verlinkte Liste denken, was man will. Aber der Ersteller war auf alle Fälle sehr fleißig. 8)

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • JHNewman vielleicht fließen auch Vorbestellungen mit rein. Dann kann es am Erscheinungsdatum schon verkaufte Exemplare geben.


    Aber ich gebe euch recht: wirklich ersichtlich ist nicht wie die Titel da drauf kommen.

    Ich bin im Moment nicht ganz sicher, aber ich meine, dass auch Verkäufe über Großhändler wie Libri oder KNO da reinfließen. Und wenn viele Buchhandlungen dort bestellen bzw. vorbestellen, dann schnellen natürlich am Erscheinungstag die Zahlen in die Höhe. Was noch nicht heißt, dass viele Kunden das Buch gekauft haben, sondern dass es erstmal in den Buchhandlungen liegt.


    @Ben: Ja, bei Thalia und anderen großen Kettenläden kann man Regalmeter oder Sonderpräsentationen sozusagen 'kaufen'. Der Platz im Bestsellerregal ist dann allerdings davon abhängig, dass man tatsächlich auf der Spiegel-Liste steht.

  • Wenn ein Buch bereits als "Bestseller" rangiert, obwohl es erst seit ein paar Tagen im Verkauf ist, werden wahrscheinlich die Vorbestellungen mitgezählt. Und da tendenziell die Neigung wächst, seinen Kram online zu bestellen, statt sich in den Buchladen zu bemühen, gibt es bei bekannten Autoren wahrscheinlich eine Menge Vorbestellungen.