Bücher im Kontext von Krankheiten/Katastrophen/Epidemien

  • Aktuell grassiert ja überall das Coronavirus. Hamsterkäufe werden gemacht, das Toilettenpapier, Desinfektionsmittel und Nudeln werden in den Geschäften knapp. Es soll vereinzelt in Supermärkten schon zu Handgemengen um die letzte Packung Toilettenpapier gekommen sein. Die Politik ergreift im Kampf gegen das Virus teils drastische Maßnahmen, Aktienkurse fallen, die Verunsicherung in Bevölkerung und Wirtschaft ist groß. Hätte man dieses Szenario vielleicht vor ein Jahr vorausgesagt, hätte der ein oder andere es nicht für realistisch sondern für die Fantasie eines Autors gehalten. Wo wir auch schon beim Thema wären. Bestimmt hat doch der ein oder andere Autor sich literarisch in irgendeinen Form damit auseinandergesetzt. Welche Werke (egal ob Klassik oder Gegenwartsliteratur) kennt ihr, die in irgendeiner Art und Weise irgendwie in den Kontext Epidemien/Krankheit/außergewöhnliche Ereignisse/Katastrophen und daraus resultierende Entwicklungen für die Gesellschaft passen?

  • DerFuchs

    Hat den Titel des Themas von „Bücher im Kontext von Krankheiten“ zu „Bücher im Kontext von Krankheiten/Katastrophen/Epidemien“ geändert.
  • „Eine Messe für die Stadt Arras“ von Andrzej Szczypiorski. Gibt es nur noch antiquarisch.
    Ich will versuchen, den Inhalt wiederzugeben (kann mich nicht mehr so gut an den Inhalt erinnern und mag jetzt nicht googeln).


    Mittelalter: Die Pest bricht aus, und der zuständige Herzog stellt den Ort unter Quarantäne. Die Seuche wird so zwar nach einiger Zeit unter Kontrolle gebracht, allerdings ist de Bevölkerung traumatisiert und es kommt zu kriminellen/sehr unethischen Verhaltensweisen.


    Die Bevölkerung, die sich nach eigenem Dafürhalten immer fromm und gottgefällig verhalten hat, begreift nicht, warum bzw. wofür sie von Gott derart bestraft worden ist.

    Der Bischof spürt, dass die Bevölkerung ihm nicht nur zu entgleiten droht, sondern beginnt, sich gegen ihn zu wenden.


    Um seine Macht zu retten, macht er die Juden zu Sündenböcken und hat mit dieser Methode Erfolg, denn der Frust richtet sich nun gegen diese.


    Das ist der grobe Handlungsstrang, an den ich mich erinnern kann. Das Buch hatten wir in der Oberstufe gelesen, und es hatte so ziemlich allen gut gefallen.


    Weiter fällt mir „Nemesis“ von Philip Roth ein: eine Polioepidimie im New York um die Zeit des 2. Weltkriegs.


    Für Mitte April ist ein Roman namens „The end of October“ angekündigt, Autor ist Lawrence Wright. Auch dort wird es um eine Pandemie gehen, die in Asien ausbricht und von dort ausgehen die Weltbevölkerung dezimiert.

  • Ich habe vor ein paar Tagen irgendwo gelesen, dass von Camus' Roman "Die Pest" bereits jetzt Mitte März mehr Exemplare verkauft worden sind als sonst in einem ganzen Jahr.

    Ich habe es neulich wieder mal hervorgesucht und angelesen, bin aber über die ersten zwei Seiten nicht hinausgekommen, weil mich der lockere Chauvinismus des Autors zu sehr geärgert hat.

    Ebenfalls im Zusammenhang mit Corona erwähnt sehe ich oft "Die Stadt der Blinden" von Saramago, "Die Maske des Roten Todes" von Poe und natürlich das Decamerone.

    Dystopien über den Umgang mit Katastrophen gibt es zuhauf, ich fand mal "Die Dürre" von J.G.Ballard gut - passt auch zu den zwei letzten Sommern -, aber wenn ich heute hineinschaue, kommt es mir ziemlich fade und selbstverliebt vor.

  • Vielen Dank für die ersten Antworten. Dann setze ich die Liste mal fort. Von Carl Amery fällt mir der Roman "Der Untergang der Stadt Passau" ein. Etwas eigenwillig ist die bayrische Sprache in der Teile des Romans verfasst sind. Nach einer Seuche scheinen nur noch winzige Gruppen der Menschheit zu existieren. Die Stadt Passau hat noch Elektrizität, verfällt aber immer mehr. Es werden Ressourcen benötigt, der Versuch sich diese anzueignen misslingt aber gründlich und am Ende wird Passau von den verbleiben Mächten erobert.

  • Kennt jemand die Geschichtensammlung "Der illustrierte Mann" von Ray Bradbury? Ich habe sie als Teenager gelesen und erinnere mich an eine Erzählung über Kolonisten auf dem Mars. Auf der Erde war eine hochansteckende Krankheit namens "Blut-Brand" aufgetreten, die Patienten bluteten aus allen Schleimhäuten bis zum Tod, nach i.D. einem Jahr. Da es kein Gegenmittel gab, wurden die befallenen Menschen einfach per Rakete auf dem Mars abgesetzt, wo sie sich irgendwie einrichten konnten.

    So weit ich mich erinnere, waren die Lebensbedingungen auf dem Mars im großen und ganzen erdähnlich, aber es gab natürlich keine Zivilisation (übrigens auch keine indigenen Marsbewohner).

    Die Geschichte ist nicht besonders bemerkenswert, ich kann inzwischen mit Bradburys lyrischem Stil nicht mehr viel anfangen, aber sie fällt mir jedes Mal ein, wenn von Ebola die Rede ist (was zu der Zeit, als die Geschichte entstand, m.W. noch nicht bekannt war).

    Edit, noch ein Kuriosum: "Grauzone" von Jeff Long.
    Zu Beginn des Romans taucht eine uralte Monstranz auf, die ein Liebhaber solcher alter Stücke, ein steinreicher und -alter Grieche, auf einr Privatinsel lebend, für seine Sammlung kauft. Als er sie bei einer Hausparty mit handverlesenen Gästen öffnet, setzt er damit unwissentlich ein immer noch aktives Virus aus fernster Vergangenheit frei. Die Leute sterben wie die Fliegen, zuerst auf der Insel, dann in der Umgebung und immer weiter, das Virus ist hochansteckend.

    Weltweit arbeiten Wissenschaftler unter Hochdruck. Eine kleine Gruppe Anthropologen verfolgt den Ansatz: Wenn dieses Virus schon mal frei in der Welt herumschwirrte, muss es irgendeine Art von Antikörperbildung gegeben haben, sonst wäre die Menschheit ausgestorben.

    Leider kann ich mich nicht genau erinnern, wie es weiterging; nur noch, dass jene Gruppe Anthropologen (mit privat aufgebrachten Mitteln) versuchte, Genmaterial aus Reliquien zu klonen, um Antikörper zu finden. Ein Fingernagel des heiligen Johannes wird ebenso geklont wie die Vorhaut von Christus.
    Das Buch beginnt mit einer sehr bewegenden Szene, die mir lange Zeit im Gedächtnis geblieben ist, wird aber im weiteren Verlauf immer trashiger. Man muss mit Jeff Longs sehr spezieller Phantasie irgendwie klar kommen, dann ist es recht unterhaltend.

  • Vor einigen Wochen gelesen: "Der zweite Schlaf" von Robert Harris. Der Roman beschreibt ein England in ferner Zukunft, das auf eine apokalyptische Katastrophe zurückblickt. Die Ursache dieser Katastrophe kennt niemand, aber es entwickelt sich eine Spekulation, dass auch ein Virus dafür verantwortlich gewesen sein könnte.


    Ansonsten natürlich auch: Tod in Venedig. :-)

  • Vor einigen Monaten hab hab ich "Der Wal und das Ende der Welt" von John Ironmonger gelesen. Darin wird unter anderem beschrieben wie ein Pandemie allmählich um sich greift, wie der Finanzmarkt darauf reagiert und welche Auswirkungen sie gesellschaftlich wie wirschaftlich hat. Gleichzeitig dreht sich die Geschichte aber auch um ein Dorf und deren Bewohner in dieser Pandemiezeit, hat auch etwas "märchenhaftes".


    JHNewman

    "Der zweite Schlaf" hab ich auch schon gelesen, fand es aber leider eher enttäuschend.


    Zefira

    "Die Pest" und "Die Stadt der Blinden" fand ich beide zu der Zeit zu der ich sie gelesen habe schon sehr gut und spannend, ist beides aber schon ziemlich lang her. Beide Bücher sind mir aber noch recht intensiv in Erinnerung, was nach so langer Zeit ja auch schon für die Bücher spricht.

    Muß aber ehrlich zugeben, daß ich grad im Moment sowas nicht lesen möchte....

    "Lesen stärkt die Seele" (Voltaire)

  • Zitat

    Muß aber ehrlich zugeben, daß ich grad im Moment sowas nicht lesen möchte....

    Ich werde einfach die erzwungene Zurückgezogenheit nutzen, ganz normal meine Leseliste abzudienen, auf der ohnehin ein paar dicke Wälzer liegen. Heute beginne ich mit Dickens.

  • "Die Verlobten" von Manzoni wurde noch nicht genannt ... In Italien Schullektüre, soweit ich weiß.

    Es ist Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber ich weiß noch, dass ich es sehr spannend fand.

    Das soll in Italien jetzt der Renner sein. Ist wirklich ein tolles Buch, wenn es auch bei mir mindestens 25 Jahre her ist, dass ich den Roman gelesen habe.

  • Daniel Defoe, ›Die Pest in London‹ – so steht's auf meiner Ausgabe (Berlin, Aufbau 1956, mit schönen ausfaltbaren Karten), aber der Originaltitel ist natürlich viel opulenter: ›A / Journal of the Plague Year: / Being / Observations or Memorials, / Of the most Remarkble Occurences, / As well / Publick as Private, / Which happend in / London / During the last / Great Visitation / In 1665.‹


    Defoe Pseudo-Bericht erschien 1772. Defoe wurde 1660 geboren und war also erst fünf. Sein Roman basiert aber wohl auf intensive und systematische Forschung, liest sich jedenfalls sehr authentisch.


    Augenzeuge war dagegen Samuel Pepys, dessen Tagebücher von 1665 ja in einer wundervollen Ausgabe auf deutsch vorliegen (aber bis 1665 bin ich da noch nicht vorgedrungen).