Cervantes: Don Quijote

  • Ihr werdet sehen, dass er auch isst. Einmal will ihn Sancheo Pansa an seiner Ehre packen, damit er Kraeuter isst, er haette aber lieber Huehnchen..... (Das kommt noch, Kapitel weiss ich nicht mehr).

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  • Es geht noch einmal länger ums Essen, ich glaube im neunten Kapitel. Da schlägt Sancho vor, für den Ritter ein paar Trockenpflaumen in seinen Sack zu tun, da sich ein Ritter ja von solchen Sachen nähre, und für sich selbst ordentlich Essen: Brot und Hähnchen.

    Aber Don Quijote stellt gleich richtig, dass für den Ritter kein Zwang bestehe, nichts anderes zu essen als Trockenobst und Kräuter. Er darf also auch ordentlich essen. :)

  • Don Quijote isst nicht nur, sondern wird das Gegessene auch wieder los, und Cervantes schildert dies auf eine derart unnachahmliche Weise, dass ich schon als Zehnjähriger bei meinem ersten Lesen des Romans davon fasziniert war.:D

    Sich aus dem Sattel heraus im Reiten herunter beugen, die Hosen zu fassen kriegen und sie nach unten zu ziehen, das gelingt dem Ritter. Wer zeigt mir in der Weltliteratur noch so eine derartige Szene mit Pferd und Reiter?


    (habe mich hier mal kurz dazwischen geschoben, kann aber leider nicht kontinuierlich an der Leserunde teilnehmen)

  • Danke, Gontscharow und Zefira, wieder was gelernt: Cliffhanger, nie vorher gehoert. Cervantes ist aber wie mir durch Euch klar geworden ist, ein Meister der Cliffhangerei. Besonders schoen ist auch der nach Kapitel 34. (wie gesagt, ich bin vorgeprescht, weil ich sicher bin dass Ihr mich doch noch ueberholt). Ich schreibe jetzt hier etwas, was vielleicht noch vor Euch liegt, weil ich Euch "warnen" will, damit niemand vielleicht die Lust verliert: In den Roman sind etliche Liebessgeschichten eingefuegt, darunter die "Novelle vom toerichten Vorwitz" die mich beim ersten Lesen im vorigen Winter besonders genervt hat und die ich jetzt bis auf den Schluss (wegen des Cliffhangers!) ueberprungen habe. Thomas Mann schreibt dazu in der Meerfahrt: "Den Don Quijote angehend, so ist das wahrhaftig ein sonderbares Erzeugnis, naiv, von grossartiger Unwillkuerlichkeit und souveraen in seinem Widerspruch. Ich komme nicht aus dem Kopfschuetteln heraus ueber die eingestreuten Novellen, abenteuerlich sentimental, wie sie sind, und ganz im Stil und Geschmack, die der Dichter gerade verspotten will, so dass die Leserschaft nach Herzenslust in dem Buche das wieder fand, was ihr abgewoehnt werden sollte, - eine vergnuegliche Entziehungskur. Auch weiss man ja, dass Cervantes nach dem "Don Quijote" selbst wieder Retiitterromane reinsten Wassers geschrieben hat. Er faellt aus der Rolle mit diesen Schaefergeschichten, als wollte er zeigen, dass er das, was die Zeit kann, auch noch kann...." Wenn man bei der Stange bleibt, hat man immer wieder viel Spass und Grund sich zu wundern ueber den Autor ond seine Gestalten.

    Karamzin, immer wieder mal was einstreuen, auch wenn Du nicht mitliest. Immer ne Bereicherung.

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  • Cliffhanger - Der Begriff stammt m.W. sogar aus einem Klassiker: Dem Roman "A Pair of Blue Eyes" von Thomas Hardy. Und auch der Stummfilm kannte Fortsetzungsgeschichten, wo der Held am Ende der letzten Folge irgendwie und -wo in einer ganz schlimmen Bredouille steckte (z.B. eben am Rand einer grossen Grube hing, wo unten Löwen auf ihn warteten). Am Anfang der nächsten Folge war er dann wunderbarerweise wieder ausserhalb der Grube. ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Sehr viel schneller geht es wahrscheinlich bei mir auch nicht. Diese behäbige Art des Erzählens macht mich manchmal ziemlich ungeduldig. Ich muss mich da selbst erziehen, langsam fortzuschreiten und nichts zu überschlagen. Deshalb lese ich lieber noch etwas anderes parallel.


    Zwei Kapitel täglich schaffe ich aber bestimmt. Bin jetzt in Kapitel 16.


    Über Marcelas Verteidigungsrede habe ich mich gefreut. Ich mag zum Beispiel die Musik des Frühbarock sehr, vor allem Monteverdi, und da findet man gefühlt in jedem zweiten Lied eine Anklage gegen irgendeine furchtbar grausame Dame, die sich nicht scheut, den entflammten Liebhaber zurückzuweisen, bis ihm nichts anderes übrig bleibt, als sich die Kehle durchzuschneiden. Schön, dass das auch mal etwas zurechtgerückt wird. 8)

  • Zu Kapitel 17: Das "Wippen" war ein beliebtes Spiel in Spanien, auch bei den Mädchen, die dazu eine Puppe nahmen, den "pelele". Goya hat dieses Motiv mehrmals gemalt bzw. gezeichnet, ein Beispiel:


    [Blockierte Grafik: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/da/Goya.pelele.prado.jpg/300px-Goya.pelele.prado.jpg]



    ps. Noch etwas: In Kapitel 18 erklärt Don Quijote, dass "nachdem das Unglück lange gedauert hat, das Glück jetzt nahe ist", im Ton einer logischen Sentenz.
    Das erinnert mich an die Stellungnahme eines spanischen Architekten, die ich in Zeiten der Wirtschaftskrise (ab 2007 irgendwann) in einer Zeitung gelesen habe:
    "Zwei Jahre geht es nun schon bergab. Aber dafür dauert es jetzt zwei Jahre weniger, bis es wieder bergauf geht."
    Dieser Ausspruch hat mich so tief beeindruckt, dass ich ihn eine Zeitlang als Signatur hatte.

  • Über Marcelas Verteidigungsrede habe ich mich gefreut.

    Ich mich auch ! Endlich ertönt in diesem Konzert männlicher Zwangsvorstellungen und Wahnideen auch mal die Stimme der Vernunft! Die schöne Marcela, die ob ihrer Schönheit vergöttert, wegen ihrer Unnahbarkeit aber verteufelt wird, tritt aus ihrer Rolle als Objekt und Projektionsfläche männlicher Phantasien heraus, indem sie selbst das Wort ergreift und vor der Trauergemeinde eines ihrer „Opfer“ ein Plädoyer hält für freie Willensentscheidung und Unabhängigkeit hält. Eine wunderbare Lektüre am Weltfrauentag! Ich frage mich, wo Cervantes diese Geschichte her hat bzw. ob sie vollständig auf seinem Mist gewachsen ist. Meine Kommentatorin schweigt sich leider über die Marcela-Episode aus. Übrigens – ihre Zuhörer sind nur sehr kurzfristig und auch mehr von ihrem Aussehen beeindruckt und wollen ihr"nachsetzen". Don Quijote scheint als einziger ihre Rede verstanden zu haben : (…) mit der Hand am Schwertknauf sprach er in lauten klaren Worten: „ Keine Menschenseele,... wage es, der schönen Marcela zu folgen (...) Deutlich und gebührend hat sie uns bewiesen, dass sie wenig oder keine Schuld am Tod des Grisostomo trägt und wie fern es ihr liegt, dem Verlangen eines Liebenden nachzugeben. Anstatt ihr nachzulaufen, nachzusteigen, ist es nur gerecht, wenn sie geachtet und geehrt wird..." ( D.Qu., Kap.14) Sieh an, Don Quijote hat auch seine lichten Momente! In dieser Szene scheinen die andern die Irren und er selbst der einzig Vernünftige zu sein.

  • Ja, die Marcela und DQ sind gut! Und der Bogen zum Weltfrauentag passt. Schoen, dass Du offenbar jetzt auch Gefallen am DQ gefunden hast, Gontscharow! Dass der Goya so ein schoens Bild vom Wippen ( mit einer Puppe) gemacht hat, wusste ich nicht. Danke! Was ich auch erst Dank Wikipedia weiss, ist, dass der Illustartor Grandville und Daumier zeitweilig in derselben Firma als Kollegen und Konkurrenten gearbeitet haben. Daumier hat ja auch grossartige Gemaelde von DQ und SP gemacht. Mal sehen ob es mir gelingt, eine Kopie oder einen Link hierherzubeamen, aber vermutlich hiesse das ja mal wieder Eulen nach Athen zu tragen.... https://www.wikiart.org/en/hon…ote-and-sancho-pansa-1870 (Hat den Kopf jemand mit Saeure zerstoert? Weiss da jemand von Euch was?)

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  • Sieh an, Don Quijote hat auch seine lichten Momente!



    ...was ihn jedoch nicht davor feit, wenig später von seinem Wahn eingeholt zu werden: Entgegen Marcelas ausdrücklichen Wunsch sucht er in dem Wald, in den sie entschwunden ist, nach der Schäferin, um ihr „in allem zu dienen“.:D Zum Glück findet er sie nicht...

    Eine Kleinigkeit noch: Ihr sprecht immer von „Wippen“. In der Übersetzung von Susanne Lange heißt es „Prellen“. Da mir dieser Begriff in dem Zusammenhang neu war, hab ich im Duden nachgeschaut und u.a. folgende Bedeutung für „Prellen“ gefunden : ...an den früher üblichen Brauch, Menschen zur Strafe (….) auf einem straff gespannten Tuch in die Höhe zu schleudern, schloss sich das »Prellen« von Füchsen als Belustigung von Jagdgesellschaften an … Was Sancho im Hof des Wirthauses widerfährt scheint nicht ganz schmerzfrei und kein Spiel zu sein, Sancho schreit und stöhnt. Insofern ist „Prellen“ vielleicht die treffendere Übersetzung.

  • @ Volker: Danke für den Bildlink! Es kann durchaus sein, dass Daumier das Gesicht absichtlich nicht ausgeführt hat. Vielleicht sollte das Bild eine Vorstudie zu einem dtailreicheren Gemälde sein oder einen skizzenhaften Zug behalten. Sancho ist ja auch nicht wirklich zu sehen, obwohl er das laut Bildtitel sollte ...

    Ich bin in Kapitel 22, komme aber wegen übler Erkrankung kaum noch vorwärts. Die meiste Zeit liege ich auf dem Rücken und lese Taschenbuchschwarten ohne Anspruch.

    Jetzt weiß ich aber endlich, warum D.Q. in vielen Darstellungen diese merkwürdige Schüssel auf dem Kopf hat. Das Sträflingskapitel offenbart D.Q.s ganze Hybris. Glaubt er im Ernst, dass die befreiten Sträflinge geschlossen zur Rechenschaftslegung nach Toboso ziehen? Wie üblich wird er verhauen.

  • Was ist das denn jetzt? Ich wollte nur einen Satz von Zefira zitieren und jetzt bringt der ihren Beitrag zweimal nach meinem Konterfei.

    Der Gedanke, dass Daumier dem DQ absichtlich kein Gesicht gegeben hat, kann gut stimmen. Ich denke, dass das skizzenhaft "gezeichnete" Gemaelde fertig ist. Daumier hatte einen solch zeichnerischen Stil. Er war ja ein grosser Zeichner. Schade, dass finsbury nicht mehr mitmachen kann und dass Du krank geworden bist. Gute Besserung! ABER mach es wie Thomas Mann, der fuer die Ueberfahrt in die Staaten abichtlich keine "leichte Reiselektuere" mitgenommen hat, lies nur DQ weiter und leg die Taschenbuchschwarten beiseite. Es wird immer schoener. Ich bin ja nun doch frueher fertig geworden und habe jetzt mit dem zweiten Teil angefangen. Wie gesagt, die eine Liebesgeschichte hatte ich uebersprungen und dann habe ich mir sorgar erlaubt, die Geschichte des "freigelassenen Sklaven" und der "Maurin" zu ueberspringen. DAS SOLLTET IHR JEDOCH NICHT TUN, WENN IHR DAS BUCH ERSTMALS LEST, WEIL ES STARK AUTOBIOGRAFISCH GEPRAEGT ist (das hab ich vermutlich im Nachwort von Fritz Martini gelesen). Apropos Fritz Martini, den geistigen Kern seines Nachworts hat er von Thomas Mann aus der Meerfahrt. Gontscharow hat ja die Uebersetzung von Susanne (?) Lange und damit andere Erlaeuterungen und ein anderes Vor- oder Nachwort. Im DQ ist eine schoene Stelle ueber die Unzulaenglichkeit der Uebersetzungen (WO?). Cervantes laesst nur einen Zeigenossen gelten. Ihm stellt Thomas Mann Ludwig Tieck zur Seite.

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    Einmal editiert, zuletzt von Volker ()

  • Ich bin halbwegs wieder gesund und habe gerade Kapitel 24 gelesen.

    Also, das toppt ja alles bisher Dagewesene ...

    Erst besteht Cardenio darauf, seine Geschichte OHNE Unterbrechungen erzählen zu dürfen, was natürlich sofort an Sanchos Ziegengeschichte erinnert. Don Quijote verspricht, still zu sein.

    Aber als die Rede auf die Ritterbücher kommt, muss er natürlich sofort loslegen, nicht anders als ein Huhn, das gackern muss, wenn es ein Ei gelegt hat ...

    Und wie reagiert Cardenio? Er konstatiert - nach geraumer Bedenkzeit -, dass "der Schurke Elísabat mit der Königin Madásima buhlerischen Umgang pflog." Worauf ebenso natürlich sofort wieder die Fäuste fliegen.

    Ich hätt mich auf dem Boden rollen können ...

    @ Volker: Ich habe deshalb zu Taschenbuchschwarten gegriffen, weil ich die problemlos im Liegen lesen kann. Der Don Quijote ist mir zum Lesen im Bett wirklich zu schwer.

    Martin Suter und Jan Seghers habe ich gelesen, und hätte es schlechter treffen können. Aber jetzt bin ich wieder in der Mancha. UNd werde nichts überspringen!


    Edit, eine Frage an die Kenner der deutschen Sprache: das Wort "pflog" als frühere Form von "pflegte" ist mir ein Begriff, aber ist nicht im Don Q. früher schon mal die Form "pflag" aufgetaucht? Oder irre ich mich da?

    Bedeutet pflag was anderes als pflog?


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  • Mit dem pflag irrst Du Dich - glaube ich - nicht. Das tauchte, meine ich, mal auf. Kam bei den Minnesaengern nicht auch mal pflag vor, mir ist so? Eines meiner Lieblingskapitel ist das 25.: "Dass ein fahrender Ritter mit Grund verrrueckt wird, darin ist nichts Freiwilliges. dafuer gibt´s keinen Dank; die rechte Probe ist, ohne Anlass wahnsinnig zu sein....." Uebrigens, um die Schuessel, die Dir so gefallen hat, geht es spaeter noch mehrmals. Am schoensten ist es in Kapitel 45. Uebersprungen habe ich nur die (italienische) Liebesgeschichte, weil die m.E. wirklich nervt und dann die Geschichte, in der die "Maurin" befreit wird, weil ich die noch einigermassen im Gedaechtnis hatte und ich ungeduldig war und an die "schoenen Stellen " kommen wollte. Hab nochmal ein wenig zuruekgeblaettert. Sehr schoen ist ja auch die Namensgebung (und ihre Ursache): Ritter von der trtaurigen Gestalt durch SP im 19. Kapitel.

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  • "Pflag" kannte ich bisher nur aus dem Lohengrin, wo Telramund singt (über den kleinen Herzog von Brabant): "Mit Treue pflag ich seiner großen Jugend."

    Hab's mal gegoogelt und festgestellt, dass es eine Nebenform von "pflog" ist und wohl noch weniger gebräuchlich als letzteres.


    Ich bin grade mit Kapitel 27 fertig und sehe, dass es mit Cardenio und Luscinda ging wie erwartet.


    Herrlich Don Q.s Rückzug in die Eremitage.
    "Und er zog sich in aller Eile die Hosen aus, so daß er im bloßen Hemde dastand, machte dann im Nu etliche Luftsprünge (...) und enthüllte dabei solche Dinge, daß Sancho, um sie nicht noch einmal zu sehen, den Rosinante am Zügel umlenkte und sich für hinreichend zufriedengestellt erachtete."

    :D:D

    Erstaunlich übrgens Don Q.s Gelenkigkeit für einen Mann an die fünfzig ...

  • Ich habe die "Novelle vom törichten Vorwitz" gelesen und fand nicht viel dran. Wenn der ganze Don Quijote so geschrieben wäre, hätte ich ihn längst weggelegt.

    Endloses Gerede um Nichtigkeiten, dabei ein Theater um die "weibliche Tugend", das mich an gewisse lebensfremde Opernlibretti erinnert. Don Quijotes Kampf mit den Weinschläuchen zwischendurch war eine Erholung.

  • Genauso sehe ich das auch, deshalb habe ich es (diesmal, also bei meinem zweiten Mal lesen) uebersprungen. Interessant ist aber, wie er im zweiten Teil diese und andere Sachen "vom Lese-publikum" kritisieren laesst. Da heisst es dann zutreffend, dass diese Geschichte nicht das geringste mit dem "eigentlichen" Werk zutun hat. Es war wohl einfach Mode so. Weiter oben hatte ich ja geschrieben, wie Thomas Mann auch seine Probleme mit diesen Einschueben hatte. Aehnlich nervend ist die Geschichte von der Befreiung eines Spaniers und der anschliessenden (von der Entfuehrten gewuenschten) Entfuehrung einer "Maurin", die zum Christentum konvertieren will. Das solltet Ihr jedoch nicht ueberspringen, weil einiges autobiografisch ist. Ihr koennt ja die nervigen Stellen "ueberlesen".

    Was ist denn mit Gontscharow und Topas?

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