Cervantes: Don Quijote

  • Eine sehr komische Variation des Motivs findet sich in Emile Zolas Roman "Ein feines Haus". Der ziemlich trottelige und von chronischer Migräne geplagte Ehemann ertappt seine Frau buchstäblich mit dem Lover im Bett; alle sind sich einig, dass er "sich schlagen" müsse. Er mag nicht, aber man lässt ihm keine Wahl. Er wird in eine Kutsche verfrachtet und zur Rekrutierung der "Sekundanten" kreuz und quer durch Paris gekarrt. Am Ende ist er heilfroh, dass ihm doch noch erlaubt wird, seiner Frau den Fehltritt zu verzeihen.

  • Ja, Zefira, du hast Recht; Ich musste, während ich schrieb, auch an Fontane denken. Aber meiner Erinnerung nach wird diese gekränkte Ehre Briests auch kritisch gesehen, während bei Cervantes und auch bei Clárin zwar das Drumherum, aber nicht der Anspruch auf das hohe Ausmaß an gekränkter Ehre kritisiert werden.
    Bei Balzac und auch Zola und anderen Franzosen kommt das Motiv des Ehebruchs - wie in allen Literaturen - natürlich auch häufig vor, wird aber auch oft ironisch, wie oben, oder kritisch gebrochen.

    Volker, den "Radetzky-Marsch" las ich vor Urzeiten auch einmal, aber ich kann mich nur noch an die Stimmung des Zerfalls, nicht mehr an die Einzelheiten erinnern.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ja, siehste, ich habe den Roman gerade erst gelesen und hatte Mühe, die Stelle zu finden, wo diese deprimierende Geschichte, die ueber 50 Seiten geht, beginnt. Es geht um das Duell des Regimentsarztes Demant, dessen Frau der "Romanheld" Trotta nach der geltenden Etikette in einer bestimmten Situation begleiten "musste", worueber ein anderer eine haessliche Bemerkung machte, weshalb sich dann der Regimentsarzt Demant mit ihm duellieren "musste". BEIDE blieben auf der Walstatt..... Ich muss das jetzt direkt nochmal alles lesen, denn die interessanten Einzelheiten und den "Bau" des Ganzen habe ich auch schon vergessen. Schrecklich. Freue mich jetzt auf den grossen Lesegenuss trotz des bedueckenden Inhalts.

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  • Dieser Duellierzwang der alten Zeit ist etwas, was ich jetzt mal extrem abwertend als "Männerding" bezeichnen möchte.

    Etwa auf gleicher Stufe mit dem Stierkampf. So ein archaisches Überbleibsel aus der Steinzeit, irgendwo verankert in der untersten Etage des Stammhirns ...

  • Ich denke, ganz generell verstehen wir 'Heutige' diese Form der Auseinandersetzung nicht mehr. Sie ist uns einfach komplett fremd. Jedoch entnehme ich gerade den alten Romanen, über die wir hier immer wieder sprechen, dass es dabei eben um deutlich mehr ging als um ein reines Männerding und um steinzeitliches Kräftemessen. Es hat etwas mit dem Ehrbegriff zu tun. Es gehört in eine Gesellschaft, die sehr viel ausdiffferenzierter war als unsere Gesellschaft heute. In der bestimmten Gesellschaftsschichten klare Erkennungszeichen (Kleidung, Bildung, Verhalten, Etikette) zugeordnet wurden und die Angehörigen dieser Schichten diesen Regularien unterworfen waren, ganz unabhängig von ihrer persönlichen Einstellung. In bestimmten Konstellationen konnte eine angegriffene Ehre nur durch ein Duell wiederhergestellt werden, auch wenn beide Duellanten das höchst albern fanden. Interessant ist ja auch, dass nur Standespersonen überhaupt satifaktionsfähig und -pflichtig waren. In den unteren Schichten hat man sich im Wirtshaus geprügelt, wenn einem einer doof kam, dann war das erledigt. Auf die Idee eines Duells wäre niemand je gekommen.


    Der einzige Bereich, in dem heute noch etwas davon nachschwingt, ist die internationale Diplomatie. Auch da gelten noch Regeln des Protokolls, der Ehrerbietung und der überpersönlichen Etikette. Wobei wir ja dank Donald Trump derzeit sehen, dass auch diese Bastion fällt.

  • Ja, ich habe mal in einem alten Roman gelesen - kann mich leider nicht mehr erinnern, wo - wie einer der Beteiligten eine höllische Angst vor dem Duell hatte. Oder er fand es albern, jedenfalls wollte er sich auf keinen Fall drauf einlassen. Da hat er einfach den Weg genommen, sich selbst für "nicht satisfaktionsfähig" zu erklären. Das enthob ihn zwar des Zwangs, sich zu duellieren, bedeutete aber gleichzeitig die selbst gewählte gesellschaftliche Deklassierung. Er zählte von einem Tag auf den andern nicht mehr mit, musste sogar den Wohnort verlassen. Aber leider erinnere ich mich nicht mehr an die genauen Umstände.


    ps. Es könnte bei Cronin gewesen sein. Das wäre dann allerdings schon 19. Jhdt, aber das ist ja auch die Zeit Zolas.

  • Ich finde das vor allem deshalb so faszinierend, weil es ein Beispiel dafür ist, wie gewisse überpersönliche Konzepte das Leben des Einzelnen massiv beeinflussten. Die Nation, die Ehre,die Pflicht, die Religion - das waren Größen, die das Leben der Menschen bestimmten auch unabhängig von ihrer persönlichen Meinung. Wir sind heute dermaßen auf Individualismus und subjektive Zustimmung gepolt, dass wir das gar nicht mehr nachvollziehen können. Wir überprüfen jedes dieser Konzepte darauf, ob es für uns Geltung hat und inwieweit wir uns ihm unterordnen wollen oder nicht. Oder fallen Euch andere Beispiele ein?

  • Na ja. Da muss ich spontan eines benennen: die hässliche Zeit, die hinter uns liegt. Meine Schwiegermutter hat mir ein Buch mit Zeitzeugnissen von Soldaten des WK II gebracht. Darin finden sich abgedruckte Briefe von Soldaten an die Lieben daheim. Karl Richter schreibt im Februar 1943 an seine Frau einen bewegenden Liebesbrief: "Sehnsucht zieht mich zu dir hin, mein Schatz ..." IM August bekommt die Ehefrau die Nachricht, dass ihr Mann gefallen sei, mit den Schlussworten: "Möge Ihnen die Gewissheit, dass Ihr Gatte sein Leben für Führer, Volk und Vaterland gab, ein Trost sein in dem schweren Leid ... Heil Hitler."

    Ich habe meine 92jährige Schwiegermutter, die im Verwandten- und Freundeskreis viele Gefallene zu beklagen hatte, gefragt, ob das damals ein Trost war, und bekam ein vehementes "Nee!" zur Antwort. Das ist klar. Was ich mich frage: hat überhaupt irgendjemand glauben können, dass das ein Trost sei? Das ist ein Abspulen von Formeln. Die Zeiten, als Soldaten noch leidenschaftlich kämpften und fielen, dürften geendet haben, als der König nicht mehr vor dem Heer stand, so wie weiland König Teja am Vesuv ...

  • Zefira, ich komme nochmal zurueck auf die Ehrenhaendel und Deine Geschichte, von dem, der sich fuer nicht satisfaktionfaehig erklaert hat. Das wird im Radetzkymarsch auch durchgespielt. Bei dem Regimentsarzt Dr. Demant, , seinem Wesen nach ein Zivilist, kippt die "Stimmung" in Richtung ueberleben-wollen, nachdem er gespuert hat, dass Trotta ihn aufrichtig "liebt" und mit ihm leidet:

    "...es schien ihm sehr wohl moeglich, allen Bedrohlichkeiten zu entgehen. Verschwinden! dachte er. Ehrlos werden, degradiert, drei Jahre als Gemeiner dienen oder ins Ausland fliehen! Nicht erschossen werden! Schon war ihm der Leutnant Trotta, Enkel des Helden von Solferino, ein Mensch aus einer anderen Welt, vollkommen fremd und er sagte laut und mit hoehnischer Lust: Diese Dummheit! Diese Ehre, die in der bloeden Troddel da am Saebel haengt. Man kann eine Frau nicht nach Hause begleiten! Siehst Du nicht, wie dumm das ist........" Dann aber wenig spaeter: "... Ich bin ein Dummkopf, mein lieber Freund! sagte der Doktor. Ich haette mich von Eva längst trennen muessen. Ich habe keine Kraft, diesem bloeden Duell zu entrinnen. Ich werde aus Bloedheit ein Held sein, nach Ehrenkodex und Dienstregelment. Ein Held! er lachte......." Das ist alles ganz grossartig geschrieben. Ein Roman im Roman. Sozusagen der Kern, weil diese Sache, in die Trotta verwickelt ist, auch der Grund fuer seine "Transferierung" an die Ostgrenze des Habsburger Reichs ist. Ueber mehr als fuenfzig Seiten. Ich bin froh, dass ich das nochmal gelsen habe. Man liest es anders, wenn man den Ausgang kennt.

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  • Oh, ich glaube, das muss ich auch mal lesen.

    Hab es ja hier liegen, in einem Schuber zusammen mit ein paar anderen Sachen von Roth ...

    Der Stapel Bücher, die ich unbedingt ganz bald lesen will, wird immer höher.
    (Dazu kann ich aber zum Glück auch sagen: Nachdem ich von vier Krimis, die ich innerhalb einer Woche bei der Onleihe runtergeladen habe, drei bereits nach dem Lesen der ersten zehn Seiten zurückgegeben habe - ja, es gibt eine vorzeitige Rückgabe bei der Onleihe -, gibts jetzt erstmal definitiv KEINE KRIMIS MEHR!) <X:saint:

  • Da der Thread noch nicht geschlossen wurde, schreib ich mal weiter darin zu unserem D.Q.. Nach langer Pause habe ich die Lektüre wieder aufgenommen und komme nun zum 46. Kapitel. Die Genialität der Grundidee, dass ein Mensch der Neuzeit sich geistig ins Mittelalter zurück beamt und dadurch komische Verwicklungen auslöst, die Menschen, die ihm begegnen, aber auch zu tiefen Einsichten bringt und insgesamt das gesamte Wertesystem in Frage stellt, wird mir immer wieder bewusst.

    Was mich nervt, was aber auch mit meinen Lesegewohnheiten zu tun hat, ist diese ständige Aneinanderreihung eingeschobener Erzählungen, die sehr oft Stoffe wiederholen - insbesondere den des Paares, das voneinander getrennt wurde und dann nach vielen Abenteuern wieder zusammenfindet - macht mir aber die Lektüre immer wieder schwierig, weil ich nicht gerne kurze Erzählungen lese.
    Die letzten Kapitel jedoch fand ich interessanter, weil es um diesen Christensklaven ging, in dessen Schicksal Cervantes wohl viele seiner eigenen Erfahrungen als Sklave in Algier verarbeitet hat.
    Aber nun sind wir auf dem bisherigen Höhepunkt. In dem Gasthof, der uns schon von dem früheren Abenteuer mit dem Mohren bekannt ist, treffen vier Paare aufeinander, die dem oben beschriebenen Stoff entsprechen, bei dem Christensklaven und Zoraida nur ohne Trennung. Anscheinend war das ein besonders beliebter Erzählstoff der Zeit.
    Schön ist dann wieder die burleske Szene im 45. Kapitel, als der zuvor bestohlene (in der Terminologie DQs rechtmäßig besiegte) Barbier seine Bartschale und seinen Eselssattel zurückfordern will und daran scheitert, dass alle Anwesenden sich hinter DQs Irrsinn stellen und ihn unterstützen. Da muss ich mit meinem heutigen Gerechtigkeitsempfinden doch schlucken, bei aller Sympathie für DQ.

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  • Das ist schoen, finsbury , dass Du nochmal auf den DQ zuruekgekommen bist. Er verdient es. Auch was Du schreibst, gefaellt mir. Ich habe mit Mueh und Not inzwischen den Knigge zu Ende gelesen. Die Schrift ist so winzig und meine Augen sind nicht mehr so gut. Vielleicht brauche ich auch nur ne neue Brille(?). Am 16. Oktobr habe ich einen Termin. Ich melde mich dann mal wieder. Vielleicht schreibe ich auch vor unserem Urlaub (18.-27.09.auf Juist, wie immer) noch was ueber den Knigge......Mal sehen.

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  • Tja, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber ich gebe nicht auf.

    Nun habe ich den ersten Teil beendet, wobei mir die letzten Kapitel wieder sehr zuwider waren, weil DQs Theorien und die gut gemeinten, aber sinnlosen Bekehrungsversuche seiner Freunde und hilfsbereiter Fremder mal wieder für endlose Gespräche und Monologe sorgten.

    Der zweite Teil fängt aber netter an. Zunächst mal die milde und altersweise Auseinandersetzung Cervantes mit seinem Plagiator, vor der man nur den Hut ziehen kann. Dann zunächst der Barbier und Pfarrer, die DQs Geisteszustand nach längerer Rekonvaleszenzzeit zu Hause testen wollen, der Barbier mit einer wirklich plump aufgetragenen Parallelgeschichte, über die sich DQ nur lustig machen kann. Von seinem Rittertum aber lässt er nicht. Dann kommen zwei klasse Kapitel, wo ein durchreisender Baccalaureus DQ und SP von dem Roman ihres Lebens berichtet, was zu erheiternden Nachfragen und Kommentaren führt und für SP zu einer kleinen Zwangspause, in der er sich zurechtlegt, was mit Esel und den 100 Golddukaten geschehen ist. Aber er ist eben eine ehrliche Haut und gibt zu, die Dukaten für sich und seine Familie verwendet zu haben. Als Leser und Mitleider aller seiner Qualen kann man ihn dazu nur beglückwünschen. Daher hält ja auch seine Senora Panza ihre scharfe Zunge im Zaum, auch wenn Sancho noch keine Insel im Schlepptau hat.

    Der zweite Teil gefällt mir bisher durch die witzige Verkreuzung der neuen Romanhandlung mit der Kommentierung der druckgelegten alten durch deren Hauptpersonen sowie dadurch, dass SP deutlich höhere Gesprächsanteile hat, und den liest man ja wirklich gerne. Dieser Bezug auf einen früheren Teil eines schon veröffentlichten Werks in dessen Fortsetzung gibt es später ja häufiger - ich meine mich zum Beispiel an den Tristram Shandy in diesem Zusammenhang zu erinnern - aber ich könnte mir vorstellen, dass Cervantes vielleicht einer der ersten ist, der sowas gemacht hat.

    Nun geht wohl bald die nächste Ausfahrt los. Halte gerade vor Kapitel 5.


    Übrigens habe ich auch gerade diese biografische Einleitung in die Werkausgabe von Anton M. Rothbauer gelesen, der meine Ausgabe übersetzt hat. Danach hat Cervantes ja wirklich ein sehr unruhiges Leben geführt, voller Missverständnisse und falscher Anschuldigungen. Es ist immer wieder großartig, wenn große Autoren so einem armseligen Alltagsleben ein so unvergessliches Werk abringen.

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  • finsbury, toll, dass Du dran geblieben bist. Bei mir war es ja sogar so, dass ich den zweiten Teil brauchte, um den Rang des ersten zu "glauben". Bei Thomas Mann in der Meerfahrt habe ich dann gelesen, dass er den zweiten Teil zwariintellektuell ambitionierter fand, darin aber die Frische des ersten vermisste.Erst beim zweiten und dritten Mal lesen "ging der erste Teil zu mir". Wie auch einige von Euch haben mich vor allem die eingeschobenen Nove!!en genervt, die ich mir beim dritten Mal geschenkt habe. Ja, die Passagen, die sich im zweiten Teil mit dem veröffentlichen ersten und seiner Rezeption befassen fand ich auch ganz grossartiuund es ist wohl so, dass Cervantes der erste war, der so was gemacht HT. Das hat auch TH.MMann geschrieben, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Der SP ist wirklich eine herrliche Figur und es ist wunderbar, zu erleben, wie er immer mehr an Leben und Komplexität gewinnt. Kafka hat das ja sehr schön und witzig auf den Punkt gebracht.

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  • Tja, im Wettbewerbs-Thread habe ich eben gebeichtet, zu welchen entsetzlichen Methoden ich greifen muss, um den DQ zu bewältigen: Jeden Tag mindestens zehn Seiten. Dadurch bin ich jetzt immerhin bis zum 19. Kapitel des zweiten Teils gelangt und habe die erschröcklichen Abenteuer mit dem Spiegelritter, der sich als der Baccalaureus entpuppt, aber auch ganz schön viel Symbolik und Metaphorik mit sich rumträgt, und das Löwenabenteuer miterlebt. Ein großes Thema des zweiten Teils ist wohl die Mischung von scharfem Verstand und analytischem Blick DQs mit seiner praktischen Narrheit. Mir fällt es ehrlich gesagt auch schwer, diese Mischung nachzuvollziehen.

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  • Nachtrag: Die Metaphorik des Spiegelritters ist geradezu surreal: DQs Abenteuer, Dame und Gebaren werden gespiegelt, und damit es auch der Dümmste versteht, trägt der Ritter eine Rüstung, die mit lauter Spiegeln verziert ist. Ich war ganz enttäuscht über die triviale Auflösung, dass der Baccalaureus auf diese Weise versucht, DQ mit seinen eigenen Werten zu schlagen, wenn auch das eine Spiegelung ist. Dass aber der durchschnittliche Verstand sich immer der überzeugten und genialischen Narrheit beugen muss, zeigt der Waffengang, der den Baccalaureus unerwarteterweise unterliegen lässt und ihn vom Menschenfreund zum aufgebrachten Gegner unseres RItters werden lässt. Ich bin sicher, dass es zu einer weiteren Begegnung kommt.

    Und was den Löwen angeht: Auch das instinktiv reagierende Raubtier erkennt die reine Seele hinter DQs Narrheit und sieht daher von einem Angriff ab.

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  • Inzwischen bin ich tatsächlich im letzten Viertel angelangt. Das Naive des ersten Teils fehlt hier völlig: Don Quichote und Sancho Pansa haben ihre Unschuld verloren, sie wissen um und arbeiten beide mit ihrer Verrücktheit bzw. Einfalt des je Anderen. Auch der Stil und die Handlung wirken bemühter, manieristischer.

    Dennoch finde ich diesen Teil nicht schlechter: Durch die vielfältige Brechung von Einbildung und Wirklichkeit, durch die bewussten Vorspiegelungen und Fallen, die von außen an die beiden herangetragen werden - insbesondere von dem Herzogspaar - werden die Charaktere der beiden Helden immer wieder herausgefordert, sich zu beweisen: Im Guten wie im Schlechten. Dadurch erreicht der Roman für mich eine größere geistige Tiefe.

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  • Nun ist Sancho Panza tatsächlich Statthalter geworden, wenn auch nur aufgrund eines Jokes des äußerst gemeinen Herzogspaares. Und anstatt sich unmöglich zu benehmen und nur für Lacher zu sorgen, fällt Sancho ausgesprochen durchdachte Urteile und beträgt sich fast staatsmännisch. Der arme Don Quichote dagegen wird nun direkt von der Herzogin angegriffen; Es bleibt nicht mehr bei den Fallen, in denen man die beiden der Lächerlichkeit preisgeben will, sondern DQ wird mit Katzen beworfen und dann sogar zusamt der Duena von der Herzogin überfallen, weil diese sich nicht an die Regeln gehalten hat, sondern DQ ernsthaft um Hilfe angehen will. Im Vergleich mit diesem oberflächlichen und menschenverachtenden Herzogspaar fallen DQs und auch Sanchos menschliche Qualitäten umso mehr auf-

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