schönstes Leseerlebnis 2004

  • Hallo !


    Nachdem ich ja dieses Jahr zum ersten Mal eine Leseliste geführt habe - dank Anregeungen aus dem Forum :zwinker: - möchte ich euch meine drei schönsten Leseerlebnisse des letzten Jahres vorstellen:


    "Zum Leuchtturm" von Virginia Woolf - besonders beeindruckten mich während des wunderbaren Gemeinsamen Lesens die Naturbeschreibungen und wie immer der wunderbare Erzählstil. Auch heute noch muss ich oft an einzelne Passagen des Buches denken.


    "Tess of the d'Urbervilles" von Thomas Hardy - besonders schön durch die subtile Gesellschaftskritik und die realistische Schilderung der sozialen Verhälntisse; sehr gelungen war für mich auch der Aufbau des Romans bis zum fulminanten Ende.


    "Die Forsyte-Saga" von John Galsworthy - besonders überraschte mich der Roman, den wir ja auch wieder gemeinsam gelesen haben, durch die unerwartet einfühlsamen Schilderungen der Charaktere und den trotz der Handlungsarmut spannenden Aufbau. Sehr schön fand ich, dass jedes Detail in sich stimmig ist und ich war ganz überrascht, wie sehr mir die Forsytes ans Herz gewachsen waren.


    Was hattet ihr für Leseerlebnisse, was waren eure Highlights des Jahres 2004 ?


    Neugierige Grüße von Steffi

  • Hallo Steffi


    eine schöne Frage :smile:
    mit der ich mich den ganzen Tag gedanklich beschäftigte.
    Hier meine Lesehöhepunkte:


    Platz 1:
    Virginia Woolf: Zum Leuchtturm
    ich bin völlig unwissend über Virginia Woolf in dieses Leseabenteuer gegangen und war gefesselt vom Stil der Autorin.


    Platz 2:
    Theodor Fontane: Der Stechlin
    die Geschichte berührte mich. Fontanes' Alterswerk in seiner Schlichtheit an der Oberfläche und doch soviel Weisheit darin, ist für mich ein Meisterwerk.


    Platz 3:
    Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen: Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
    es war ein langer Weg bis zum Ende des Buches, aber es hat mich mit den Barockdichtern bekannt gemacht, es bleibt mir unvergesslich.


    Platz 4 teilen sich
    Thomas Mann: Königliche Hoheit und
    Balzac: Ursule Mirouet


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Aus dem "klassischen" Bereich:


    Feuchtwanger: Erfolg Dafür habe ich lange gebraucht, obwohl es eigentlich einfach zu lesen ist, aber es hat mir ganz viel an Einsichten über die 20er Jahre und unser auch heute noch Sonderwege gehendes Bayern gebracht. Außerdem hat der Autor, über den ich auch die Romo gelesen habe, für mich viele symphatische Züge und auch viel Bedenkenswertes gesagt.


    Aischylos: Die Orestie Ein gewaltiges Werk: Bei seiner Lektüre (und einiger anderer alter Griechen) denke ich mir, welche Umwege wir gehen mussten, um Ähnliches auch nicht gültiger und schöner formulieren zu können.


    Anna Seghers: Das siebte Kreuz haben wir hier ja auch in einer Leserunde gelesen. Ein sprödes Buch, das dennoch zeigt, wie leidensfähig Menschen sind und das Mut für Widerstand jeglicher Art macht.


    Hg
    finsbury

  • Bei mir waren auf jeden Fall Höhepunkte:
    Thomas Bernhard: Die Ursache: Eine Andeutung
    Elias Canetti: Die Blendung
    Thomas Mann: Der Zauberberg

    "Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg nennen ist zögern" (F. Kafka)

  • Hallo Steffi


    Da ich oft ins Theater gehe lese ich mehr Dramen als Prosastücke aber EIN Roman hat mir dieses Jahr besonders gut gefallen. Und zwar


    Theodor Fontane: Der Stechlin
    Federleichte, humorvolle Plauderei doch mit Tiefgang. Meisterhaft.


    Die anderen beiden Bücher waren.


    Dylan Thomas: Unter dem Milchwald
    Ein Stück ohne jede Handlung dessen poetische Sprache mich sehr beeindruckt hat.


    Henrik Ibsen: Gespenster
    Ibsen zeigt in verdichtetster Form die Endphase einer Familie, die in ihrer Scheinheiligkeit von den Gespenstern der Vergangenheit eingeholt wird und unter dem zusammenbrechenden Gebäude ihrer Lebenslügen zugrunde geht.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo,


    von den Büchern, die ich 2004 erstmals gelesen habe , fand ich zwei besonders überragend:



    Heinrich Mann "Der Untertan"


    Siegfried Lenz "Deutschstunde"


    ich habe noch einige gute Sachen gelesen, aber mir fällt kein dritter Roman mehr ein, der sich so stark wie diese beiden herausgehoben hat.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo,


    mein Highlight 2004 war Anna Karenina. Das Buch ist wunderbar geschrieben.


    Zu meiner größten Enttäuschung entpuppte sich der Zauberberg. ...sorry Rezk. :winken:


    Gruß


    Bettina

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    <br />Cicero

  • Wups, da bin ich jemandem zu nahe getreten. Tut mir leid, aber ich fand das Buch sprachlich nicht schön. :sonne:


    Wir haben aber auch Gemeinsamkeiten! Das fiel mir beim Lesen Ihrer Internetseite auf.
    :winken:

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    <br />Cicero

  • Zitat von "Bettina Andrea"

    Tut mir leid, aber ich fand das Buch sprachlich nicht schön. :sonne:


    Magst du den Stil des Thomas Mann generell nicht? Meiner Meinung nach gibt es im "Zauberberg" eine Reihe glänzender Passagen etwa den Schneesturm oder auch das Gramophon-Kapitel.


    Ich hätte eher mit dem Einwand gerechnet, dass das Buch zu sehr mit Geistesgeschichte vollgepackt ist, was mir persönlich aber sehr gut gefällt.


    Zitat von "Bettina Andrea"


    Wir haben aber auch Gemeinsamkeiten! Das fiel mir beim Lesen Ihrer Internetseite auf.


    :winken:


    CK

  • Hallo,


    ich mag den Stil von TM nicht. Irgendwie mag ich die Person auch nicht. Ich bin eine glühende Verehrerin von Kafka und Hesse.
    Gegen Geistesgeschichte habe ich nix - im Gegenteil. Das mag ich sehr.
    :zwinker:
    Grüße


    Bettina

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    <br />Cicero

  • Das habe ich jetzt in letzter Zeit schon des öfteren vernommen, dass einerseits Leute, welche Kafka mögen, von Hesse weniger angetan sind und andererseits überhaupt sehr viele auch in meinem Bekanntenkreis geäussert haben. sie schätzten Hesse nicht sehr. Ich selber mag eigentlich auch beide, wenngleich ich mit Kafka anfangs Mühe hatte. In den nächsten Tagen werde ich "Narziss und Goldmund" lesen und bin sehr gespannt, ob auch ich zu einem Hesse-Ablehner werde, "Unterm Rad" oder der "Steppenwolf" haben mir beispielsweise gefallen.
    Gibt es auch Leute die Hesse mögen, und Kafka nicht? :zwinker:


    Imrahil

    &quot;Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Zitat von "Imrahil"


    vernommen, dass einerseits Leute, welche Kafka mögen, von Hesse weniger angetan sind


    Wenn man sich vor Augen führt, wie unterschiedlich die beiden Autoren sind, nimmt das doch nicht wunder: Während Hesse seinen Lesern klare weltanschauliche Alternativen im Schwarz-Weiß-Manier anbietet, gerne noch mit pseudomystischer Sauce wie in Siddharta übergossen, beschreibt Kafka kühl eine beklemmende Welt und verweigert jede Deutungsvariante. Auch stilistisch könnten sie ja unterschiedlicher nicht sein.


    Als junger Mensch habe ich Hesse sehr gerne (und auch sehr viel von ihm) gelesen. Aber mit zunehmenden literarischen Horizont, fand ich ihn dann immer schlechter. Ein Jugendschriftsteller halt :breitgrins:


    CK

  • ich mag hesse nicht besonders, bis auf das glasperlenspiel, das ist von der idee meiner meinung nach einer der interessantesten und vielseitigsten entwürfe, kafka ist mein lieblingsautor, von dem ich ohne ausnahme jedes werk mag (bis auf "der verschollene", hab ich noch nicht gelesen), hesse will glaube ich eher lebenshilfe geben und bietet unter dieser erzählerischen ebene, so finde ich, deutlich weniger als kafka (man betrachte zb nur seine symbolik, auch atmosphärisch ist kafka an dichte kaum zu überbieten).


    Während es zu kafka unzählige deutungsmöglichkeiten gibt (siehe die sekundärliteratur) bietet sich bei hesse meist nur eine, wirklich überzeugende an.
    Ist aber nur meine meinung


    mfg, rezk

    &quot;Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg nennen ist zögern&quot; (F. Kafka)

  • Zitat von "rezk"

    Während es zu kafka unzählige deutungsmöglichkeiten gibt (siehe die sekundärliteratur) bietet sich bei hesse meist nur eine, wirklich überzeugende an.


    Hallo rezk,


    wenn ich die mir bekannte Sekundärliteratur ansehe, denke ich, dass es zum "Steppenwolf" ähnlich viele Deutungsmöglichkeiten gibt, wie zu Kafkas "Prozeß". Allerdings, da hast Du Recht, es gibt zum "Steppenwolf" auch eine überzeugende Deutungsmöglichkeit, während mich zum "Prozeß" bis jetzt noch keine überzeugt hat.


    Gruß von Hubert


    PS: Davon abgesehen glaube ich nicht, dass die Zahl der Deutungsmöglichkeiten etwas über die Qualität von Literatur aussagt.

  • Zitat von "Hubert"


    PS: Davon abgesehen glaube ich nicht, dass die Zahl der Deutungsmöglichkeiten etwas über die Qualität von Literatur aussagt.


    Da hast du sicher recht.
    Ich glaube, dass kafka einen höheren künstlerischen wert hat las hesse, da er vielschichtiger ist, eine meiner meinung nach klarere sprache hat und ähnlich einer parabel zeitlos ist.
    Wie Dieter E. Zimmer über das Schloss sagt: "Wenn alle großen bücher sonderfälle sind, wie benjamin sagt, die eine gattung begründen oder auflösen, ist "das schloss" mehr als ein großes buch: so sehr ein sonderfall, daß es selbst eine gattung nicht auflöst und nicht begründet, eine gattung für sich"


    mfg, rezk

    &quot;Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg nennen ist zögern&quot; (F. Kafka)

  • Zitat von "xenophanes"


    Kafka UND Hesse gleichzeitig :entsetzt:
    Sehr eigenwilliger Geschmack das :zwinker:
    Kafka ist auch einer meiner Favoriten, Hesse ist am anderen Ende der Skala angesiedelt.
    CK


    Hallo zusammen,


    m.M.n hat xenophanes Recht, wenn er meint, dass Kafka und Hesse sehr unterschiedliche Autoren sind. Das heißt aber nicht, dass man die nicht beide gerne lesen kann. Auch Salz und Zucker sind sehr unterschiedlich, aber für eine abwechslungsreiche Ernährung .....


    Liebe Bettina, laß Dich durch solche Kommentare nicht in deinem Geschmack beirren, m.M.n. hast Du, wenn Du Kafka und Hesse magst, einen sehr guten Geschmack.


    Einen sehr einseitigen Geschmack könnte man allerdings vermuten, wenn man nur Kafka mag.


    Gruß von Hubert


    PS: Etwas seltsam mutet es an, wenn man einen Geschmack, der vom eigenen abweicht, gleich als "sehr eigenwillig" abqualifiziert.

  • Zitat von "rezk"

    Ich glaube, dass kafka einen höheren künstlerischen wert hat las hesse, da er vielschichtiger ist, eine meiner meinung nach klarere sprache hat und ähnlich einer parabel zeitlos ist.
    Wie Dieter E. Zimmer über das Schloss sagt: "Wenn alle großen bücher sonderfälle sind, wie benjamin sagt, die eine gattung begründen oder auflösen, ist "das schloss" mehr als ein großes buch: so sehr ein sonderfall, daß es selbst eine gattung nicht auflöst und nicht begründet, eine gattung für sich"
    mfg, rezk


    Hallo rezk,


    m.M.n. sind Hesses Romane vielchichtiger als die von Kafka und wenn Vielschichtigkeit, als Kriterium für künstlerischen Wert zählt, liegt Hesse eindeutig vorn.


    Kafka hat eine sehr klare Sprache, da hast Du recht.


    Nicht jede Parabel ist zeitlos.


    Benjamin hat nicht recht, wenn er meint, dass alle großen Bücher Sonderfälle sind, aber selbst wenn es so wäre, hätte Zimmer nicht recht, da "Das Schloss" kein Sonderfall ist, sondern zumindest mit allen anderen Werken Kafkas vergleichbar und Bücher die man heute als kafkaesk bezeichnet, gab es auch schon vor Kafka.


    Gruß von Hubert