schönstes Leseerlebnis 2004

  • Zitat von "Imrahil"

    Gibt es auch Leute die Hesse mögen, und Kafka nicht? :zwinker: Imrahil


    Hallo imrahil,


    die gibt es sicher, obwohl ich persönlich beide mag, aber zu unterschiedlichen Lebenszeiten in unterschiedlicher Weise. Während ich als Jugendlicher von Kafkas Romanen (Prozeß, Schloß, Amerika) begeistert war konnte ich mit Hesse nicht viel anfangen. Wahrscheinlich habe ich beide damals nicht richtig verstanden. Heute mit etwas mehr Lebenserfahrung bin ich von Hesses Romanen, die man m.M.n. als Jugendlicher überhaupt nicht verstehen kann, begeistert, Kafkas Romane finde ich mit jedem Lesen langweiliger, allerdings Kafkas Erzählungen (Die Verwandlung, Bericht für eine Akademie u.ä.) begeistern mich noch immer.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "xenophanes"

    Kafka hat teilweise die Literatur neu erfunden, während sich Hesse fast immer auf ausgetretenen literarischen Pfaden bewegt.CK


    "Die Literatur neu erfunden" :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Kannst Du diese Floskel mal erläutern.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Hubert"

    [ Während ich als Jugendlicher von Kafkas Romanen (Prozeß, Schloß, Amerika) begeistert war konnte ich mit Hesse nicht viel anfangen. Wahrscheinlich habe ich beide damals nicht richtig verstanden. Heute mit etwas mehr Lebenserfahrung bin ich von Hesses Romanen, die man m.M.n. als Jugendlicher überhaupt nicht verstehen kann, begeistert ...



    Hallo zusammen,


    mir gehts eher wie Hubert.
    zu Kafka kann ich nichts sagen, aber ich frage mich, wann Hesse von dem "Jugendliteratur-Image" oder wie es auch immer genannt wird, weg kommt. Auch ich habe als Jugendliche nichts mit Hesse anfangen und habe eher spät Sidhartha und Steppenwolf entdeckt ohne in Rebellion-Revolution was auch immer auszubrechen. Es mag ja sein, dass Hesse irgendwann in den 70iger eine Bewegung auslöste, aber muß er in dieser Schublade bleiben?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Noch zur Sprache: Es mag vielleicht sein, dass Kafkas Sprache klarer sei, aber ich finde Hesses Stil ungemein elegant. Einfach sehr angenehm zu lesen, jetzt einmal losgelöst vom Inhalt.


    Und schön ist auch zu sehen, dass es anscheinend unterschiedliche Erfahrungen gibt: Während Hubert in seiner Jugen zunächst von Kafka überaus angetan war und nun mehr Hesse schätzt, ist es bei Xenophanes genau umgekehrt. Ich selber bin noch von keinem der beiden -also Hesse und Kafka - richtig fasziniert, aber ebensowenig enttäuscht, ich muss und möchte vor allem noch einiges dieser beiden Herren lesen.


    Wann kam eigentlich der Begriff "kafkaesk" in der Literaturwissenschaft in Gebrauch, heute ist er ja eine feste Grösse?


    Imrahil

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Zitat von "rezk"

    ich mag hesse nicht besonders, bis auf das glasperlenspiel, das ist von der idee meiner meinung nach einer der interessantesten und vielseitigsten entwürfe, kafka ist mein lieblingsautor, von dem ich ohne ausnahme jedes werk mag (bis auf "der verschollene", hab ich noch nicht gelesen),


    Hallo zusammen!


    Mir geht´s mit Kafka ähnlich wie Hubert und JMaria.


    Der Prozess, als Erstlektüre eines Werkes von Kafka hat mir noch sehr gut gefallen, das Schloss finde ich mit zunehmender Dauer immer langweiliger. Im Grunde genommen keine echte Handlung, dementsprechend langweilig und monoton. Dazu wirr und zeitweise vollkommen willkürlich auftretende Ereignisse.
    Die Grundthematik ist bei Kafka ohnehin immer die gleiche, ein paar Erzählungen und der Prozess reichen, den Rest kann man sich sparen.

  • Zum eigentlichen Thema dieses Beitrags:


    1. Dostojewskij - Schuld und Sühne


    Im Nachhinein bin ich sehr froh, nicht zuerst den "Idioten" von Dostjoewskij gelesen zu haben, das erste Buch seit langer, langer Zeit, dass ich unbeendet (aufgehört auf Seite 300) ins Regal zurückgestellt habe.


    2. Thomas Mann - Buddenbrooks


    Ein wundervolles Buch, wenn auch in meiner persönlichen Rangliste der Werke Thomas Manns noch hinter "Felix Krull" und dem "Zauberberg" angeordnet. Sehr kurzweilig zu lesen, wunderbar beschriebene Charaktere, äußerst amüsant.


    3. Friedrich Nietzsche - Also sprach Zarathustra


    Die Theorie und Praxis vom Übermenschen - Hochinteressant, in einer ungemein klaren und präxisen Sprache geschildert, auch wenn in dieser Sprache teilweise ein ziemlich grotesk anmutender Schwachsinn dargelegt wird.

  • Zitat von "xenophanes"

    Kafka ist auch einer meiner Favoriten, Hesse ist am anderen Ende der Skala angesiedelt


    Hesse nehm ich nicht mehr wahr seit dem wir in der Schule "Unterm Rad" gelesen haben und ich mich etwa ab er Hälfte geweigert habe, das Buch weiterzulesen.


    Von Kafka las ich vor 25 Jahren "alles" (was man im jugendlichen Leichtsinn halt so für "alles" hält ;-)), vor kurzem dann "Der Verschollene". Seltsame Prosa. Ich kann nicht sagen, dass er zu meinen Lieblingen gehört, aber ich habe da eine Ecke, da stehen die, äh, distanziert Bewunderten. Da steht er erstmal gut. In diesem Jahr wollte ich nochmal Das Schloß lesen, dann sehen wir weiter.


    Beindruckendstes LeseErlebnis 2004: Wolfgang Hildesheimer "Tynset". Kein Klassiker, aber ein abgründiger Text.

  • Zitat von "giesbert"


    Hesse nehm ich nicht mehr wahr seit dem wir in der Schule "Unterm Rad" gelesen haben und ich mich etwa ab er Hälfte geweigert habe, das Buch weiterzulesen.


    Ich habe für ein Seminar an der Uni noch mal den "Steppenwolf" gelesen und war entsetzt mit welchem dünkelhaften Kulturpessimismus der Roman vollgestopft ist. Spengler literarisch.


    CK

  • Sehr interessante Diskussion. Wenn ich zwischen beiden wählen müßte, würde ich mich für Kafka entscheiden.


    Aber wenn man öffentlich zugibt, dass Kafka einem gefällt, wird man sowieso recht oft schief angesehen.


    Ich halte es wie Imrahil, ich finde Hesses Stil auch sehr elegant und die Gedichte sind wundervoll.

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    <br />Cicero

  • Zitat von "Thomas"

    3. Friedrich Nietzsche - Also sprach Zarathustra


    Die Theorie und Praxis vom Übermenschen - Hochinteressant, in einer ungemein klaren und präxisen Sprache geschildert, auch wenn in dieser Sprache teilweise ein ziemlich grotesk anmutender Schwachsinn dargelegt wird.


    Wenn man fragen darf, wie hast du das Buch gelesen, an einem Stück sehr viel oder über längere Zeit verteilt?
    Ich habe es nämlich gestern auch angefangen zu lesen und zwar relativ schnell und habe dann festgestellt, dass ich ihn nicht wie einen Roman in kurzer zeit lesen kann, da er mich so einfach überfordert, sondern viel mehr zeit zum reflektieren benötige.....
    Aber die Sprache ist wirklich etwas besonderer, glasklar und doch bildhaft poetisch....

    &quot;Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg nennen ist zögern&quot; (F. Kafka)

  • Zitat von "xenophanes"

    mit pseudomystischer Sauce wie in Siddharta übergossen, ....... Ein Jugendschriftsteller halt :breitgrins:
    CK



    "Einen Buddha zu schaffen, der den allgemein respektierten Buddha übertrifft, das ist eine ungeheure Tat. 'Siddhartha' ist für mich eine wirksame Medizin" Henry Miller



    Einer der beiden hat Hesse anscheindend nicht verstanden! Henry Miller?


    Liebe Grüße


    Georg

  • Zitat von "giesbert"

    Hesse nehm ich nicht mehr wahr seit dem wir in der Schule "Unterm Rad" gelesen haben und ich mich etwa ab er Hälfte geweigert habe, das Buch weiterzulesen.


    Hallo giesbert,


    damit stehst du ja in einer Reihe mit Maria, Hubert und Thomas, die Hesse für zu anspruchsvoll halten, um von Jugendlichen verstanden zu werden.


    Und wenn du der Meinung bist, dass du dich seit deiner Schulzeit nicht mehr weiterentwickelt hast, ist es in Ordnung, die Finger von Hesse zu lassen.


    Ich habe gerade gelesen, dass deine Lieblingsklassiker Donald Duck und Star Trek sind: na ja für manchen ist es mit 43 noch zu früh für Hesse. :breitgrins:



    Liebe Grüße


    Georg

  • Zitat von "Georg"


    damit stehst du ja in einer Reihe mit Maria, Hubert und Thomas, die Hesse für zu anspruchsvoll halten, um von Jugendlichen verstanden zu werden.


    Was von der Rezeption Hesses ja klar widerlegt wird, da er zu den meistgelesenen Autoren von Jugendlichen gehört.


    Was man z.B. von Joyce oder Goethe nicht sagen kann, die wirklich zu anspruchsvoll sind und deshalb auch nur selten von dieser Altersgruppe gelesen werden. Hesses polares Weltbild samt stilisierten Einsamen-Wolf-Individualismus (ergänzt mit Überheblichkeitsdünkel) passt perfekt zu (post)pubertären Abgrenzungsversuchen von der Erwachsenenwelt. Das ist ein Grund, warum Hesse in dieser Altersgruppe so beliebt ist. Man fühlt sich unverstanden vom Rest der Welt und kann sich durch Hesses Bücher perfekt bestätigt fühlen.


    CK

  • Zitat von "Georg"

    Und wenn du der Meinung bist, dass du dich seit deiner Schulzeit nicht mehr weiterentwickelt hast, ist es in Ordnung, die Finger von Hesse zu lassen.


    och, ich hab gelegentlich während des Studiums immer mal wieder versucht, einen sehr kurzen Blick reinzuwerfen, aber ich muss gestehen, dass das stärkste Argument gegen Hesse der transzendentale Augenaufschlag derjenigen war, die ihn mir unbedingt zur Lektüre empfahlen (und wenn man damit beschäftigt ist, Arno Schmidt & Umfeld zu lesen (was ich damals überwiegend tat), dann hat man nicht wirklich viel Zeit für Hesse).


    Irgendwann les ich vielleicht doch mal den Steppenwolf oder Siddhartha (obwohl mich auch da die Rezeption bedenklich stimmt - an ihren Früchten soll man sie bekanntlich erkennen :zwinker: )


    Aktuell les ich allerdings lieber noch einmal "Berlin Alexanderplatz" als erstmals etwas von Hesse.

  • Hallo :winken: ,


    mein schönstes, zumindest aber interessantestes, Leseerlebnis 2004 war die Lektüre von D.H. Lawrence "Lady Chatterley".


    Die unkonventionelle Geschichte und die freizügige Schilderung übte auf mich einen großen Reiz aus und ich litt und fühlte mit Conny und durchlebte das prüde England in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts.


    Nun bin ich auf der Suche nach einer Biografie über D.H. Lawrence, frage mich aber, gehören seine Büchern zu den Klassikern der Weltliteratur?


    Gruß Leila

  • Zitat von "xenophanes"


    Was von der Rezeption Hesses ja klar widerlegt wird, da er zu den meistgelesenen Autoren von Jugendlichen gehört.



    Ich kenne keine Statistik, die belegt wer in welchem Alter Hesse liest und vor allem wer ihn in welchem Alter versteht. Die Mitglieder des Klassikerforums (Maria, Hubert, Thomas, Giesbert, ich) scheinen deine Meinung jedenfalls nicht zu bestätigen.

  • Zitat von "xenophanes"

    [Was von der Rezeption Hesses ja klar widerlegt wird, da er zu den meistgelesenen Autoren von Jugendlichen gehört.


    Hallo zusammen.
    hallo xenophanes,


    2002 fand in Calw von Mai bis August ein Hesse-Festival statt, mit schätzungsweise einhundert!!! Vorträgen, Lesungen, Konzerten usw.
    Fast alle Veranstaltungen ware ausverkauft, Jugendiche habe ich fast nicht gesehen.l


    Allein bei dem am 5. Juli stattfindede Internationalem Kolloquium zu "Siddhartha" war der größte Saal von Calw gefüllt, ohne einen einzigen Jugendlichen. Dabei sprache u.a.
    Prof. Dr. A. Findeis von der Uni Bombay
    Dr. Herbert Kuhn, München
    Dr. Dr. M. Kämpchen, Indien
    Prof. Dr. Adria Hsia, Uni Montreal
    Prof. Dr. Soon-Kil Hong, Uni Seoul
    Prof. Dr. Kuschel, Uni Tübingen
    Sind das Jugedliche?, Haben die einen eigenwilligen Geschmack? Oder warum beschäftigen die sich imit Hesse?


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "xenophanes"

    Hesses polares Weltbild samt stilisierten Einsamen-Wolf-Individualismus (ergänzt mit Überheblichkeitsdünkel) passt perfekt zu (post)pubertären Abgrenzungsversuchen von der Erwachsenenwelt.


    Endlich fühle ich mich einmal wirklich verstanden !


    :nikolaus: