Beiträge von riff-raff

    Aber es gibt ja noch einen interessanteren Lesevorschlag und zwar zu Anne Bronte die jüngsten der drei Bronte-Sisters und zwar zu ihrem zweiten Roman: „Die Herrin von Wildfell Hall“
    http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,4499.0.html


    und ich würde mich freuen, wenn du und klaus daran teilnehmen würdest. Ob wir Anne vor oder nach Theodor Fontanes „Irrungen, Wirrungen“ lesen, diese Entscheidung würde ich klaus überlassen.
    http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,4516.0.html


    Fontane würde mich schon reizen, aber ich habe mich für den nächsten Monat schon im Schwesterforum (http://www.literaturschock.de/literaturforum/index.php) für Anna Karenina angemeldet und ich denke, dieser Wälzer wird mich für geraume Zeit beschäftigt halten. Trotzdem danke :winken:

    Sehr kompliziert sind die Familienverhältnisse nicht, da hast du Recht, mir erscheinen sie geradezu so vereinfacht, dass man direkt merkt wie Emily das konstruiert hat, [...]


    Mir ergeht es ähnlich ... Manchmal erscheint mir die Geschichte wie am Reissbrett konstruiert. Das meine ich gar nicht mal negativ, aber die beiden Familien leben so abgeschottet von der Aussenwelt, dass es mir manchmal vorkommt als würde man zwei Mäusepopulationen unter experimentellen Bedingungen betrachten. Da ist zwar ab zu zu von einem Village namens Gimmerton die Rede und am Anfang des Romans wird Liverpool erwähnt, von wo Mr. Earnshaw den kleinen Heathcliff mitbringt, aber ansonsten könnte man meinen ganz England sei bis auf die beiden Familien Linton und Earnshaw ausgestorben. Da gibt es auch keine weitere Verwandten oder Freunde. Wobei ich mir schon denken kann, dass man damals wirklich so abgeschnitten von der Umwelt lebte. Kein Telefon, Fernsehen oder Internet halt wie in unserem heutigen globalen Dorf. Dazu passt auch das Inzestuöse ... Wenn unsere Vermutung stimmt, dass Heatcliff ein unehelicher Sohn von Earnshaw ist, dann würde es sich beim Liebespaar ja um Geschwister handeln. Auch Catherine II und Linton, die laut Genealogie miteinander heiraten (bis jetzt bin ich mit dem Lesen noch nicht so weit), sind Vettern/Cousins.


    Ich habe manchmal Schwierigkeiten, die Handlung und vor allem Handlungsmotive nachzuvollziehen, [...] Wie kann sich die so behütet aufgewachsene Isabella so in Heathcliff verlieben, dass sie alles für ihn aufgibt?


    Je mehr ich lese und je mehr ich Isabellas Bruder Edgar kennenlerne umso weniger erstaunt mich deren Entscheidung. Edgar ist ein dermassen lebloser und fader Typ wie die ganze Familie Linton. Die Lintons mögen zwar kultivierter und vielleicht auch standesmässig höherstehend sein als die Earnshaws, aber sie sind auch wesentlich langweiliger. Da muss Isabella ein solch unterschiedlicher und machohafter Charakter wie Heathcliff geradezu magisch angezogen haben. Ich habe weitaus mehr Mühe zu verstehen, was Catherine II eigentlich an diesem Hypochonder Linton findet ...


    Abgesehen von Heatcliff erscheint mit die Gouvernante Ellen Dean eigentlich die zupackendste Figur im Buch. Ich meine, wie sie eigenwillig in das Leben ihrer Herrschaften eingreift und all die Freiheiten, die sie sich nimmt ... Sie ist nicht nur die teilnahmslose Beobachterin und Erzählerin, aus deren Mund wir den grössten Teil der Geschichte erfahren, sie lenkt durchaus auch die Fäden des Geschehens. Manchmal findet ich es amüsant zu sehen, wie es Brontë gelingt, es immer wieder so hinzubiegen, dass Mrs. Dean bei allen wichtigen Handlungen des Buches persönlich anwesend ist. Der grösste Teil des Romans wird ja aus ihrem Blickwinkel erzählt und was sie nicht selbst erlebt (oder von Bekannten mitgeteilt kriegt) könnten wir anders ja gar nicht erfahren :smile:

    Noch besser allerdings könnte ich mir das Bild als Titelbild zum Roman „Jane Eyre“ von Emilys Schwester Charlotte vorstellen. Peter Graham scheint genau die Stelle des Romans gemalt zu haben als Mr. Rochester begleitet von seinem Hund auf sein Anwesen Thornfield Hall zurückkehrt, und kurz bevor sein Pferd scheut und ihn abwirft weil die neue Gouvernante, Jane Eyre, ihm zum ersten Mal über den Weg läuft. Was meint ihr? Oder kennt ihr „Jane Eyre“ gar nicht?


    "Jane Eyre" hab ich leider nicht gelesen, aber das Bild scheint tatsächlich auf die von dir beschriebene Szene zu passen.

    Ich bin jetzt schon recht weit in den zweiten Teil des Romans vorgedrungen. Das Buch liest sich sehr angenehm und ist spannend genug, um einen zum Weiterlesen zu animieren.



    Manchmal bin ich froh, dass am Anfang des Buches diese Genealogie zu finden ist, wo man nachschlagen kann, wenn man etwas den Überblick verloren hat. Andererseits geht dadurch natürlich auch etwas Spannung verloren, wenn z.B. von Anfang an klar ist, dass Catherine I eben nicht Heathcliff heiratet, wie man zunächst ja vermuten könnte und jetzt schon bekannt ist, wer Catherine II heiratet und in welcher Reihenfolge. Zuerst hatte ich gedacht, dass der Verlag oder die Übersetzerin sich diese Arbeit gemacht haben, aber anscheinend ist diese Personentafel von Emily Brontë. Was meint ihr? und greift ihr auch manchmal darauf zurück oder würdet ihr lieber auf diesen Spoiler verzichten?


    Auf die Genealogie greife ich noch öfter zurück, auch wenn es schon stimmt, dass sie vieles vorwegnimmt, was man eigentlich lieber erst im Verlauf der Lektüre hätte erfahren wollen. Normalerweise schreibe ich mir bei umfangreicheren Werken aber sowieso die Hauptcharaktere und ihre Beziehungen untereinander auf ein Blatt Papier, um den Überblick nicht zu verlieren. So gesehen wär's auch ohne gegangen ... :smile:

    Fein beobachtet. Hat die Übersetzerin die Erzählsituation nicht verstanden und meinte sie die Autorin korrigieren zu müssen? Ein Vergleich mit anderen Übersetzungen wäre interessant.


    Original (1847)
    [...] and before I went home, I was encouraged so far as to volunteer another visit tomorrow.


    Gisela Etzel (1908, Sturmhöhe, Aufbau-Verlag)
    [...] und ehe ich heimkehrte, fühlte ich mich ermutigt genug, für morgen einen zweiten Besuch zu planen.


    Grete Rambach (1938, Die Sturmhöhe, Insel-Verlag)
    [...] und bevor ich nach Hause ging, war ich so weit ermutigt, dass ich mich aus freien Stücken für morgen wieder ansagte.


    Michaela Meßner (1997, Sturmhöhe, dtv-Verlag)
    [...] und bevor ich nach Hause ging, fühlte ich mich wieder soweit ermutigt, ihm einen weiteren Besuch anzubieten, und zwar für den folgenden Tag.

    - Die Erzählform bisher ist tagebuchartig: es wird nicht aus größerer zeitlicher Distanz eine Geschichte erzählt, sondern zeitnah bei nächster Gelegenheit werden die gerade zurückliegenden Stunden oder Tage wiedergegeben.


    Das ist mir auch aufgefallen. Das erste Kapitel beginnt mit: "Soeben bin ich von einem Besuch bei meinem Gutsherrn zurückgekehrt." Das klingt wie jemand, der schreibend vor seinem Tagebuch sitzt und sich den vergangenen Tag nochmals in Erinnerung ruft. Deshalb bin ich auch gegen Ende des Kapitels über ein Wort gestolpert,das mir unangebracht erscheint:

    " [...] und bevor ich nach Hause ging, fühlte ich mich wieder soweit ermutigt, ihm [Heathcliff] einen weiteren Besuch anzubieten, und zwar für den folgenden Tag."


    "Für den folgenden Tag"? ... So würde man doch bloss schreiben, wenn das Ganze zeitlich weiter zurückliegt. Erwartet hätte ich eher etwas wie: für den morgigen Tag. - Jedenfalls hat mich das angeregt, im Originaltext nachzulesen und dort steht tatsächlich "tomorrow". Zumindest in diesem speziellen Fall erscheint mir also die deutsche Übersetzung eher mangelhaft.

    Genauso etwas habe ich mir auch zusammengereimt. Mal sehen, ob wir da noch mehr erfahren.


    Meine Interpretation geht in die gleiche Richtung ... - Aufgefallen ist mir vor allem Heathcliffs fremdländisches Aussehen:


    "Mit seiner dunklen Haut sieht er aus wie ein Zigeuner [...]" S. 10 (dtb-Ausgabe)


    "Aber du musst es als ein Geschenk Gottes annehmen, auch wenn es so schwarz ist, als käm's vom Teufel." (S. 50)


    "Das ist gewiss die seltsame Errungenschaft, die mein verstorbener Nachbar von seiner Reise nach Liverpool nach Hause brachte - ein kleiner Inder, oder ein amerikanischer oder spanischer Schiffbrüchiger." (S. 69)


    Heathcliffs Mutter scheint eine Ausländerin gewesen zu sein. Eine Prostituierte? Oder vielleicht doch eine Zigeunerin, wie Mrs. Earnshaw ihrem Gatten vorwirft ("was ihm denn einfiele, dieses Zigeunerbalg ins Haus zu bringen [...] (S. 51))?

    Hallo Giesbert!


    Danke für die Ergänzung! :klatschen: Habe im Internet (Google books) noch drei Übersetzungen der betreffenden Stelle gefunden ... - Zum besseren Vergleich liste ich nachfolgend alle nochmals auf:


    Cervantes, 1605

    Zitat

    "Pensáis - le dijo a cabo de rato -, villano ruin, que ha de haber lugar siempre para ponerme la mano en la horcajadura y que todo ha de ser errar vos y perdonaros yo? Pues no lo penséis, ballaco descomulgado, que sin duda lo estás, pues ha puesto lengua en la sin par Dulcinea."


    Ludwig Tieck, 1799–1801

    Zitat

    "'Denkst du', rief er endlich aus, 'du gemeiner Schlingel, daß dergleichen immerwährend statthaben soll und dass ich immer die Hände in den Schoß lege? daß es immer deine Rolle sein soll, mich zu beleidigen, wie die meinige, dir zu verzeihen? Sei ja von diesem Gedanken fern, verfluchter heidnischer Halunke: denn der bist du wahrhaftiglich, da du mit deiner Zunge die unvergleichliche Dulcinea verwundest."


    Dietrich Wilhelm Soltau, 1800

    Zitat

    Endlich rief er: "Denkst du Schlingel, dass ich beständig die Hände in den Schoss legen soll, und dass du einen dummen Streich nach dem andern begehen darfst, und ich nur immer verzeihen muss? Bilde dir das nur ja nicht ein, du abgefäumter Lotterbube, denn das bist du allerdings, weil du deine Zunge gegen die unvergleichliche Dulcinea losgelassen hast. [...]"


    (abgefäumt = dreist)


    Ludwig Braunfels, 1848

    Zitat

    'Denkt Er', sagte er zu ihm nach einer kleinen Weile, 'Er Bauernflegel, es soll immer so gehen, dass ich die Hände in die Hosen stecke, und es soll stets alles damit abgetan sein, daß Er sündigt und ich Ihm verzeihe? Oh, das bilde Er sich nicht ein, verfluchter Schurke; denn das bist du jedenfalls, sintemal deine Zunge die unvergleichliche Dulcinea anzutasten gewagt hat."


    Edmund Zoller, 1867

    Zitat

    "Glaubst du, gemeiner Bauer", rief er nach einer Pause, "ich werde immer die Hände in den Schoss legen und man werde dir allen Unsinn, den du beständig auskramst, verzeihen? Das denke ja nicht, gemeiner Schurke, denn das bist du, der du von der unvergleichlichen Dulcinea Übles reden kannst. [...]"


    Anton M. Rothbauer, 1964

    Zitat

    "Glaubt Er denn", sagte Don Quijote nach einer Weile zu Sancho, "Er schlechter Kerl, es werde immer so sein, daß ich Ihm alles durchgehen lasse, daß Er immer sich versündige und ich Ihm verzeihe? Das soll Er mir wahrlich nicht denken, der Erzschurke, der Er zweifelsohne ist, da Er seine dreckige Zunge an der unvergleichlichen Dulcinea wetzt. […]"


    K. Thorer, 1975

    Zitat

    "Meinst du, ungeratener Schlingel, du Bauernflegel", schrie Don Quixote, "dass ich immer die Hände in die Tasche stecke, dass das Sündigen immer an dir und das Vergeben an mir sein soll? Das denke ja nicht, verdammter Schurke, der du bist, weil du gegen die unvergleichliche Dulcinea deine Zunge losgelassen hast. [...]"


    Susanne Lange, 2008

    Zitat

    'Denkt er etwa, eingemachter Kerl', sagte er schließlich, 'er kann mir immer so unflätig plump an den Karren fahren, denkt er etwa, er hat die Patzer gepachtet und ich die Nachsicht? Falsch gedacht, gottloser Lump, der du wahrlich bist und der du deine Lästerzunge an der ohnvergleichlichen Dulcinea wetzt.'"


    Zum Spass habe ich den spanischen Originaltext noch in einen Online-Textübersetzer eingegeben. Hier das Resultat:

    Zitat

    Denkt ihr, - hat er Ende der Weile gesagt - knauseriger Nichtadliger, dass es Ort geben muss, immer um mich mit der Hand in der Gabelung zu verbinden und dass ihr euch alles darin bestehen zu irren müsst, und darin euch ich zu verzeihen? Da ihr daran, ballaco gottlos nicht denkt, dass du zweifellos es bist, da Dulcinea Zunge in ihr ohne Paar gesetzt hat.


    Autsch!... :rollen:


    Interessant auch, wenn man etwas mehr ins Detail geht ... So lautet die Übersetzung von "villano ruin" in den jeweiligen Versionen:


    [li]gemeiner Schlingel (Tieck)[/li]
    [li]Schlingel (Soltau)[/li]
    [li]Bauernflegel (Braunfels)[/li]
    [li]gemeiner Bauer (Zoller)[/li]
    [li]schlechter Kerl (Rothbauer)[/li]
    [li]ungeratener Schlingel (Thorer)[/li]
    [li]eingemachter Kerl (Lange)[/li]
    [li]knauseriger Nichtadliger (online)[/li]


    Oder "ballaco descomulgado":


    [li]verfluchter heidnischer Halunke (Tieck)[/li]
    [li]abgefäumter Lotterbube (Soltau)[/li]
    [li]verfluchter Schurke (Braunfels)[/li]
    [li]gemeiner Schurke (Zoller)[/li]
    [li]Erzschurke (Rothbauer)[/li]
    [li]verdammter Schurke (Thorer)[/li]
    [li]gottloser Lump (Lange)[/li]
    [li]ballaco gottlos (online)[/li]


    Auch wenn keine der Übersetzungen völlig aus dem Rahmen fällt (abgesehen von der online generierten natürlich), gefällt mir die von Susanne Lange am besten ("denkt er etwa, er hat die Patzer gepachtet und ich die Nachsicht"), obwohl sie am freiesten mit dem Original umgeht ("so unflätig plump an den Karren fahren") und ich, ehrlich gesagt, gar nicht so genau weiss, was ich mir unter einem "eingemachten Kerl" vorzustellen habe.


    Gruss


    riff-raff

    Hallo zusammen!


    Habe einige Besprechungen zur Neuübersetzung von Susanne Lange gesammelt:



    Frankfurter Allgemeine Zeitung (1)
    Eher mittelmässiger Text, in dem der Autor - mehr pro forma - auch einige fadenscheinige Kritiken an der Neuübersetzung anbringt.



    Frankfurter Allgemeine Zeitung (2)
    Sehr informativer Text, wo man auch einiges über die Person Susanne Lange erfährt und die Übersetzerin auch selbst zu Wort kommt.



    Deutschlandfunk
    Sehr guter Text, der auf die verschiedenen Übersetzungen eingeht und zur Verdeutlichung der Unterschiede auch Beispiele liefert.



    Süddeutsche Zeitung
    Don Quijote, Faust und Don Juan ... Einbettung unseres Helden in die Mythen- und Literaturgeschichte.



    Neue Zürcher Zeitung
    Geht ausführlich auf die verschiedenen deutschen Übersetzungen im Laufe der Jahrhundert ein und auf die hohe, Kultur vermittelnde Bedeutung der Übersetzertätigkeit allgemein.



    WOZ
    Ich weiss nicht, ob euch die WOZ geläufig ist, eine linksgerichtete schweizer Wochenzeitung ... In ihrer Rezension von Langes Neuübersetzung geht sie der Frage nach, ob Don Quijote ein "Linker" sei und bringt ihn in Verbindung mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und seinem nicaraguanischen Amtskollegen Daniel Ortega, mit Simón Bolívar, Che Guevara und Subcomandante Marcos und der Zapatistischen Befreiungsarmee. - Man sieht, auch Don Quijote ist vor politischer Inbesitznahme nicht gefeit.



    Frankfurter Rundschau



    Der Tagesspiegel



    Insgesamt sind die Bewertungen von Langes Leistung durchwegs positiv, ja, sogar enthusiastisch.


    Gruss


    riff-raff

    Hallo Tom


    Eine gute Idee, das mit der Wörterliste. Bereue, dass ich nicht selbst so eine Liste angelegt habe, aber ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen. So gesehen: danke für den Tipp!


    Ich hoffe, wir treffen uns mal in einer anderen Leserunde wieder, würde mich sehr freuen. Bis dann, mach's gut und ein schönes Wochenende noch.


    Gruss


    riff-raff

    Hallo zusammen!


    Habe soeben die lange Episode (etliche Kapitel im 2. Teil) zu Ende gelesen, in der Don Quijote und Sancho Pansa zu Gast in der Burg des Herzogs und der Herzogin weilen. Ich muss gestehen, ich konnte dieses Ehepaar nicht ausstehen. Zu ihrem rein persönlichen Amüsement binden sie unserem leichtgläubigen Heldenpaar einen ganzen Wald voll Bären auf. Ein abgeschmackter Scherz folgt auf den anderen und alles auf Kosten des Ritters und seines Knappen. Da dieses so ungleiche Paar mir zwischenzeitlich ans Herz gewachsen ist, hat es mich richtig geärgert, sie dermassen gefoppt zu sehen.


    In der Burg lebt auch die Kammerfrau Doña Rodríguez, mit ihrer Tochter. In das junge Mädchen verguckt sich der Sohn eines steinreichen Bauern aus einem Dorf des Herzogs. Und mittels eines vorgetäuschten Ehegelöbnisses gelingt es ihm, das unerfahrene Kind zum Geschlechtsverkehr zu verführen. Fait accompli will er natürlich von seinem gegebenen Versprechen plötzlich nichts mehr wissen.


    Doña Rodríguez: "Obwohl mein Herr, der Herzog, davon weiss, weil ich ihm mein Leid geklagt - nicht nur einmal, sondern viele Male - und ihn gebeten habe, dem Bauern zu befehlen, meine Tocher zu heiraten, stellt er sich taub, ja will mich schon gar nicht mehr anhören, und der Grund ist, dass der Verräter einen reichen Vater hat, der dem Herzog Geld leiht und auf Schritt und Tritt für seine Schulden bürgt, so dass er ihn nicht vor den Kopf stossen oder sonstwie verärgern will."


    Was bleibt der Mutter da anderes übrig, als sich hilfesuchend an den rechtschaffenen Don Quijote zu wenden, der - wie könnte er auch anders - ihr natürlich sofort Unterstützung zusagt. Zwar hegt er Bedenken angesichts der Gastfreundschaft, die ihn an den Herzog bindet, aber diese Unsicherheit ist nur von kurzer Dauer. Aus seinem Brief an Sancho:


    Mir wurde ein Geschäft angetragen, das mich, wie ich glaube, bei den Herrschaften des Hauses in Ungande bringen wird, was mich im Innern trifft und wiederum nicht, denn letztlich bin ich nur meiner Berufung verpflichtet, nicht ihrer Gefälligkeit.


    Denn Ziel und Zweck meines Berufes ist es [wie er Doña Rodríguez erklärt hat], mild mit den Ergebenen zu sein und die Trotzer niederzuducken, das heisst, den Bedrängten beizuspringen und die Grausamen zu vernichten.


    So liebe ich unseren alten Haudegen, keine falschverstandenen Rücksichten, keine Bücklinge vor Geld- oder Geburtsadel, sondern immer konsequent und geradlinig. Nicht gerade der beste Weg um in einer geld- und machtgeilen Welt zu reüssieren, aber Don Quijote ist nun mal ein wandelnder Anachronismus, war es schon zu seiner Zeit, im 17. Jahrhundert, und erst recht im unsrigen, aber gerade das macht ja vielleicht seine Anziehungskraft aus.


    Schöne Pfingsten allerseits


    riff-raff

    Hallo!


    Es heisst ja, das übermässige Lesen von Ritterromanen habe Don Quijote um den Verstand gebracht. Aber was soll so verrückt daran sein, durch die Welt zu ziehen um den Unterdrückten und Hilflosen beizustehen? Das Lesen dieser Bücher hat Don Quijote doch gewissermassen geläutert und zu einem besseren Menschen gemacht. In seinen eigenen Worten:


    Was mich betrifft, so bin ich, seit ich fahrender Ritter wurde, tapfer, umgänglich, grosszügig, wohlgesittet, edelmütig, höflich, kühn, sanftmütig, besonnen und erdulde gelassen jede Mühe, jede Kerkerhaft und Verzauberung.


    Okay, als besonders "sanftmütig" und "besonnen" möchte ich ihn jetzt nicht bezeichnen, wenn ihn der Wahn reitet haut er schon mal über die Stränge und bringt nicht nur sich, sondern auch andere in Gefahr, aber seine Motive sind stets über alle Zweifel erhaben. Ein hoffnungsloser Idealist im Kampf für Gerechtigkeit. Ein wandelnder Anachronismus, der in einem eisernen Zeitalter das goldene wieder zum Leben erwecken möchte. Es sind, denke ich, hauptsächlich diese Aspekte, die man mit seiner Gestalt verbindet - und sogar einen Che Guevara veranlasst haben, sich explizit mit ihm zu identifizieren -, und weniger die lächerliche Figur, die er in manchen Abenteuern abgibt.


    Gruss


    riff-raff


    Die Dialoge zwischen Don Quijote und Sancho Panza sind einfach köstlich, ein absolutes Highlight. Zumindest was den ersten Teil anbelangt, denn im zweiten - wenigstens so weit wie ich bisher gelesen habe - werden die einzelnen Reden immer länger, vielleicht auch tiefschürfender, aber bei weitem nicht mehr so erheiternd.


    Muss mein vorschnelles Urteil revidieren ... Habe weiter im zweiten Teil weiter gelesen und die Dialoge sind unvermindert auf allerhöchstem Schmunzelniveau. Ich kann gar nicht genug davon kriegen.


    Gruss


    riff-raff


    Lustig fand ich die Szenen mit Don Quijote und Sancho Pansa auch weniger wegen ihrer „Grausamkeit“, sondern wegen der Kommentare der beiden Helden. Was die da zusammenreden, ihre Deutung der Wirklichkeit, Sancho Pansa, der immer von seinen „Insuln“ redet, das ist schon ziemlich komisch.


    Da stimme ich dir völlig zu. Die Dialoge zwischen Don Quijote und Sancho Panza sind einfach köstlich, ein absolutes Highlight. Zumindest was den ersten Teil anbelangt, denn im zweiten - wenigstens so weit wie ich bisher gelesen habe - werden die einzelnen Reden immer länger, vielleicht auch tiefschürfender, aber bei weitem nicht mehr so erheiternd.


    Gruss


    riff-raff

    Hallo zusammen!


    Am Ende des 8. Kapitels bricht die Handlung plötzlich ab - mitten in einem Zweikampf! - mit der Bemerkung der Verfasser der Geschichte [...] habe über Don Quijotes Heldentaten nur das Berichtete niedergeschrieben gefunden.


    Allerdings wollte der zweite Autor dieses Werkes nicht glauben, dass eine so erstaunliche Geschichte dem Regiment des Vergessens anheimgefallen wäre [...] Mit dieser Überzeugung gab er die Suche nach dem Ende der erbaulichen Geschichte nicht auf, und der Himmel war ihm gewogen. Wie er fündig wurde, soll im zweiten Teil erzählt werden.


    Laut Anmerkungen ein üblicher Kunstgriff in den Ritterromanen jener Zeit. Wäre das Ganze eine Fernsehserie würde man heutzutage wohl von einem Cliffhanger sprechen.


    Da hier einerseits von einem Verfasser der Geschichte die Rede ist, andererseits aber von einem zweiten Autor, hat das bei mir die Frage aufgeworfen, wer uns den Don Quijote den eigentlich erzählt, bzw. wessen Stimme wir eigentlich lauschen.


    Da mir diese Frage für Kapitel 9 bis zum Ende des ersten Buches einfacher beantwortbar scheint, möchte ich damit beginnen.


    Der geheimnisvolle zweite Autor berichtet, mit wie viel Fleiss und Mühe er das Ende dieser anmutigen Historie zu finden versuchte und dabei in Toledo zufällig auf ein paar alte Schreibhefte mit arabischen Schriftzeichen stiess. Eine erste Stegreifübersetzung mittels eines hilfsbereiten Morisken überzeugt ihn, dass die Hefte tatsächlich die Geschichte von Don Quijote enthalten, niedergeschrieben von Cide Hamete Benengeli, arabischer Historiograph. Gegen eine geringe Entlohnung lädt er den Morisken zu sich nach Hause ein, wo er in wenig mehr als eineinhalb Monaten dies gesamte Geschichte übersetzte, genau so, wie sie hier geschrieben steht.


    Was wir folglich von Kapitel neun an lesen ist eine Übersetzung und die Stimme, die uns die Geschichte erzählt, gehört Cide Hamete Benengeli.


    Natürlich ist das alles bloss Fiktion, hinter der sich der wahre Autor des Don Quijote, nämlich Cervantes, versteckt. Das erklärt aber, warum er in der Vorrede schreibt: Mag man mich auch für den Vater des Don Quijote halten, bin ich doch nur sein Stiefvater [...]. Warum er seine Worte aber ausgerechnet einem Windhund von Araber in den Mund legt, da gehe ich mit Lost einig, dass es sich dabei um eine Art Schutzbehauptung handeln mag um sich vor möglichen Angriffen auf seine Person zu wappnen.


    Übrigens lesen wir aber die Übersetzung nicht in reiner Form, da sich immer wieder Bemerkungen dazwischenmengen wie der Weise Cide Hamete Benengeli erzählt oder doch ohnehin war Cide Mahamate Benengeli ein überaus sorgfältiger, genauer Historiograph ... Da ich kaum annehme, dass sich Benengeli selbst zitiert, muss es sich hier wohl um der "zweiten Autor", den Herausgeber des Werkes handeln, der sich solchermassen kommentierend einmischt. Überhaupt denke ich, dass man diesen "zweiten Autor" mit dem "Stiefvater" des Werkes in eins setzen kann, folglich Cervantes.


    Was den ersten Teil des Buches bis Ende Kapitel 8 anbelangt schiebt Cervantes ebenfalls einen Vermittler zwischen sich und der Geschichte ein. Es ist von einem anonymen Verfasser die Rede, welcher die Erzählung an dieser Stelle abbrechen musste,denn er habe über Don Quijotes Heldentaten nur das Berichtete niedergeschrieben gefunden. Auf was für Quellen sich der anonyme Verfasser da stützt - ebenfalls ein arabisches Manuskript?, ebenfalls Cide Hamete Benengeli? -, bleibt offen.


    In den Anmerkungen kann man lesen, dass wir es mit Beginn des 9. Kapitel mit drei Erzählerinstanzen zu tun haben: den ersten Erzähler, Cide Hamete und seinen Übersetzer.


    Ich glaube aber nicht, dass man den Übersetzer als eigenständige Erzählinstanz bezeichnen kann; wie wichtig seine Rolle auch ist, als eigenständige Stimme taucht er in der Erzählung jedenfalls nicht auf. Selbst komme ich auf folgende Erzählerinstanzen: der erste/anonyme Erzähler, der zweite Autor (Stiefvater/Cervantes) und Cide Hamete Benengeli.


    Hoffe bloss, dass ihr diese meine Gedanken nicht allzu haarspalterisch findet.


    Gruss


    riff-raff


    Myrtenzweige als Brautschmuck sind mir durchaus vertraut. Aber als Begräbniszugabe? Kennt sich jemand aus im Reich der Botanik und Bestattungsgewohnheiten?


    Hallo Tom,


    habe ein bisschen gegoogelt und bin dabei auf ein Buch eines gewissen Michael Blech gestossen: Studien zum Kranz bei den Griechen. Über die Myrte weiss er Folgendes zu berichten:


    Neben der Olive konnte die Myrte im Totenkult sich besonderer Wertschätzung erfreuen. Mit ihr wurden die Verstorbenen bekränzt und ihre Gräber geschmückt.


    Eine besondere Bedeutung konnte die Myrte vielleicht durch ihre Verwendung im Kulte Demeters [Erdgöttin; Göttin des Ackerbaues] und Kores [= Persephone: Göttin der Unterwelt] sowie ihrer Mysterien erlangen. Für den Mysten mochte sie daher ein hoffnungsvolles und vielleicht auch schützendes Zeichen sein. Ihre weite Verbreitung liess sie zur spezifischen Pflanze des Totenkultes werden, eine Deutung, die in die moderne Literatur Eingang fand.


    Heutzutage steht die Myrte eher für: Ehe; Frieden; Fruchtbarkeit; Heimat; Jungfräulichkeit (Mariens); Lebenskraft; Liebe; Paradies und Schönheit.


    Da die Myrte aber auch "Liebe über den Tod hinaus" symbolisiert, könnte man hier vielleicht eine vage Verbindung zwischen Ehe und Begräbnis vermuten.


    Was mir bei Josephs Ehe aufgefallen ist, da sind kaum Gefühle im Spiel, weder von Josephs Seite noch seitens seiner Gemahlin. Besonders augenfällig wird das, wenn man sich an die hymnische Liebesgeschichte seines Vaters Jaakob mit Rahel erinnert, oder auch an die Szenen zwischen Joseph selbst und Mut-em-enet (auch wenn da das Ganze eher etwas einseitig ausfiel). Die Ehe wird ja von oben herab diktiert und vom Pharao selbst in die Wege geleitet, Joseph scheint sich dem einfach passiv zu fügen. Überhaupt, seit er zum obersten Landwirtschaftsverwalter Ägyptens aufgestiegen ist, scheint mir Joseph zunehmend fader und langweiliger zu werden. Er wirkt auf mich wie das Musterbeispiel eines rechtschaffenen Bürokraten. Die Szene, als er dem Pharao seinen Vater vorstellt und dabei ständig fürchtet, dieser könne es gegenüber dem Gottesherrscher an der nötigen Ehrerbietung fehlen lassen, fand ich geradezu beschämend und peinlich. Aber Joseph hatte ja schon immer ein ausgeprägtes Obrigkeitsdenken.


    Gruss


    riff-raff

    Hallo!


    Wie ist Sancho erstaunt, als er erfährt, dass die Herzensdame seines Herrn, die geheimnisvolle Dulcinea von Toboso, keine Prinzessin, sondern nichts weiter als ein Bauernmädchen aus dem Nachbardorf ist. Don Quijote hingegen scheint keinen Widerspruch darin zu sehen, denn wofür ich Dulcinea von Toboso brauche, Sancho, taugt sie ebenso wie die hochvornehmste Prinzessin auf Erden. Jeder Ritter braucht eine Dame zu deren Ehre er seine Heldentaten vollbringen kann. Ob sie jetzt aber von hohem oder niederem Stand ist, ist für Don Quijote einerlei, solange sie schön und sittsam ist. Der Rest ist Projektion und Phantasie: Schliesslich und endlich stelle ich mir vor, dass alles ist, wie ich es sage, keinen Deut anders, in meinem Geiste sehe ich sie so hold und fürstlich, wie ich sie mir wünsche.


    Da ist nicht von Verrücktheit zu spüren, und wenn sich Don Quijote ein X für ein U vormacht, so tut er das völlig bewusst und bei klarem Verstand.


    Einige Abschnitte später fordert Sancho die Esel ein, die ihm Don Quijote nach dem Verlust seines Grauohrs versprochen hat:


    "Also dann", sagte Sancho, "setzt aufs andere Blatt den Wechsel über die drei Eselsfüllen und unterschreibt mit Eurem Namen klar und deutlich, damit man Eure Unterschrift erkennt."


    Jetzt haben wir dich, habe ich mir an dieser Stelle gedacht, denn wie wird er nun unterschreiben, mit Don Quijote oder mit seinem wirklichen Namen Alonso Quijano?... - Nun, das alte Schlitzohr entwindet sich der Zwickmühle geschickt:


    "Das Unterschreiben ist nicht nötig", sagte Don Quijote, "mein Schnörkel drunter ist so gut wie eine Unterschrift [...]"


    Er unterschreibt also nicht. Und was sagt uns das? Wäre er wirklich so verrückt, sich für Don Quijote zu halten, dann hätte nichts dagegen gesprochen, auch als Don Quijote zu unterschreiben. Nur, dass der Wechsel dann natürlich ungültig geworden wäre ... Und da er das weiss, verzichtet er darauf. Aber seinen wahren Namen will er auch nicht unter das Schreiben setzen, weil er unbedingt an seiner Fiktion festhalten möchte. So spekuliert er darauf, dass seine Nichte die Authentizität des Wechsels an seiner Handschrift erkennen werde.


    Das sind zwei Szenen, die bei mir Zweifel haben aufkommen lassen, ob Don Quijote wirklich verrückt ist.


    Gruss


    riff-raff