Hallo zusammen!
Am Ende des 8. Kapitels bricht die Handlung plötzlich ab - mitten in einem Zweikampf! - mit der Bemerkung der Verfasser der Geschichte [...] habe über Don Quijotes Heldentaten nur das Berichtete niedergeschrieben gefunden.
Allerdings wollte der zweite Autor dieses Werkes nicht glauben, dass eine so erstaunliche Geschichte dem Regiment des Vergessens anheimgefallen wäre [...] Mit dieser Überzeugung gab er die Suche nach dem Ende der erbaulichen Geschichte nicht auf, und der Himmel war ihm gewogen. Wie er fündig wurde, soll im zweiten Teil erzählt werden.
Laut Anmerkungen ein üblicher Kunstgriff in den Ritterromanen jener Zeit. Wäre das Ganze eine Fernsehserie würde man heutzutage wohl von einem Cliffhanger sprechen.
Da hier einerseits von einem Verfasser der Geschichte die Rede ist, andererseits aber von einem zweiten Autor, hat das bei mir die Frage aufgeworfen, wer uns den Don Quijote den eigentlich erzählt, bzw. wessen Stimme wir eigentlich lauschen.
Da mir diese Frage für Kapitel 9 bis zum Ende des ersten Buches einfacher beantwortbar scheint, möchte ich damit beginnen.
Der geheimnisvolle zweite Autor berichtet, mit wie viel Fleiss und Mühe er das Ende dieser anmutigen Historie zu finden versuchte und dabei in Toledo zufällig auf ein paar alte Schreibhefte mit arabischen Schriftzeichen stiess. Eine erste Stegreifübersetzung mittels eines hilfsbereiten Morisken überzeugt ihn, dass die Hefte tatsächlich die Geschichte von Don Quijote enthalten, niedergeschrieben von Cide Hamete Benengeli, arabischer Historiograph. Gegen eine geringe Entlohnung lädt er den Morisken zu sich nach Hause ein, wo er in wenig mehr als eineinhalb Monaten dies gesamte Geschichte übersetzte, genau so, wie sie hier geschrieben steht.
Was wir folglich von Kapitel neun an lesen ist eine Übersetzung und die Stimme, die uns die Geschichte erzählt, gehört Cide Hamete Benengeli.
Natürlich ist das alles bloss Fiktion, hinter der sich der wahre Autor des Don Quijote, nämlich Cervantes, versteckt. Das erklärt aber, warum er in der Vorrede schreibt: Mag man mich auch für den Vater des Don Quijote halten, bin ich doch nur sein Stiefvater [...]. Warum er seine Worte aber ausgerechnet einem Windhund von Araber in den Mund legt, da gehe ich mit Lost einig, dass es sich dabei um eine Art Schutzbehauptung handeln mag um sich vor möglichen Angriffen auf seine Person zu wappnen.
Übrigens lesen wir aber die Übersetzung nicht in reiner Form, da sich immer wieder Bemerkungen dazwischenmengen wie der Weise Cide Hamete Benengeli erzählt oder doch ohnehin war Cide Mahamate Benengeli ein überaus sorgfältiger, genauer Historiograph ... Da ich kaum annehme, dass sich Benengeli selbst zitiert, muss es sich hier wohl um der "zweiten Autor", den Herausgeber des Werkes handeln, der sich solchermassen kommentierend einmischt. Überhaupt denke ich, dass man diesen "zweiten Autor" mit dem "Stiefvater" des Werkes in eins setzen kann, folglich Cervantes.
Was den ersten Teil des Buches bis Ende Kapitel 8 anbelangt schiebt Cervantes ebenfalls einen Vermittler zwischen sich und der Geschichte ein. Es ist von einem anonymen Verfasser die Rede, welcher die Erzählung an dieser Stelle abbrechen musste,denn er habe über Don Quijotes Heldentaten nur das Berichtete niedergeschrieben gefunden. Auf was für Quellen sich der anonyme Verfasser da stützt - ebenfalls ein arabisches Manuskript?, ebenfalls Cide Hamete Benengeli? -, bleibt offen.
In den Anmerkungen kann man lesen, dass wir es mit Beginn des 9. Kapitel mit drei Erzählerinstanzen zu tun haben: den ersten Erzähler, Cide Hamete und seinen Übersetzer.
Ich glaube aber nicht, dass man den Übersetzer als eigenständige Erzählinstanz bezeichnen kann; wie wichtig seine Rolle auch ist, als eigenständige Stimme taucht er in der Erzählung jedenfalls nicht auf. Selbst komme ich auf folgende Erzählerinstanzen: der erste/anonyme Erzähler, der zweite Autor (Stiefvater/Cervantes) und Cide Hamete Benengeli.
Hoffe bloss, dass ihr diese meine Gedanken nicht allzu haarspalterisch findet.
Gruss
riff-raff