September 2004: Galsworthy - Die Forsyte Saga

  • Hallo Hubert,
    hallo zusammen,


    also mein Gedanke war folgender:
    Das Vergehen, dessen K. und z.B. auch Huld angeklagt sind, kann eigentlich nichts sein, was ein normales weltliches Gericht verhandeln würde (Diebstahl, Mord, etc.), denn sonst müßte er sich sicherlich vor einem normalen weltlichen Gericht verantworten.
    Dennoch muß es aber etwas sein, das auch als verwerflich eingestuft werden kann, aber normalerweise nicht zu einer weltlichen Strafe führen würde. Mir gingen Möglichkeiten durch den Kopf wie z.B. Verstöße gegen moralische Prinzipien, gegen die Nächstenliebe, vielleicht auch Verstöße gegen die zehn Gebote, die anders als 'Du sollst nicht töten' nicht von normalen weltlichen Gerichten bestraft werden, aber dennoch als Schuld angesehen werden können (z.B. 'Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.' oder 'Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren').
    In diesem Falle wären die niederen weltlichen Gerichte vielleicht als das schlechte Gewissen des Schuldigen zu sehen. Dafür spräche, daß diese Prozesse sehr lange dauern und das Urteil zwar verschoben (die Schuld also verdrängt), aber nicht aufgehoben werden kann. Das endgültige Urteil wird schließlich erst von den höheren Gerichten, von einer göttlichen Instanz, vermutlich nach dem Tode des Schuldigen gesprochen.
    Das Vergehen wäre also durchaus weltlichen Ursprungs.
    Möglicherweise die Irritation K.'s darüber, daß Huld sich auch in geschäftlichen Dingen vom gleichen Advokaten beraten läßt, mit der Art von K.'s Schuld zusammen. Er selbst würde sich vielleicht nur ungern von dem gleichen Menschen, der um seine Schuld weiß auch in anderen Fragen beraten lassen und, möglicherweise aus Schamgründen, eher einen Beistand wählen, der nichts von dieser Schuld weiß.
    Hulds Schuld hingegen könnte einerseits anderer Art sein, eine Schuld, die ihm weniger unangenehm ist, oder andererseits könnte es auch sein, daß Huld sich aufgrund seines schon länger andauernden Prozesses, sich mit seiner Schuld schon eingehender befaßt, die anfängliche Scham vielleicht schon z.T. überwunden hat.


    Das vielleicht als Anhaltspunkt, ein paar Fragen in dieser Hinsicht sind mir selbst aber noch offen.


    Gruß
    Berch


  • Danke Sandhofer fürs nachforschen.
    Ich glaube, mir liegt dieses Dessert nicht so :breitgrins:


    Hallo zusammen,


    1. Buch 2. Teil Kapitel 8 "Ball bei Roger"


    schöne Beschreibung des Geizes und wie trotzdem zum Ball eingeladen wurde. June trifft es hart und in ihrer Unerfahrenheit weiß sie nicht so recht wie sie sich ihrem Philip gegenüber verhalten soll. Angriff und Eroberung, oder Abwarten?


    Kapitel 9 zeigt beides und dann sieht sie Philip auf der anderen Straßenseite, Augenkontakt und geht dann einfach weiter. Ist das nicht traurig?


    Zitat von "marin"


    In diesem 10. Kapitel erfahren wir von Young Jolyon seine Definition eines Forsyte.


    nicht nur Definition, das Kapitel schreibt "Diagnose eines Forsyte"
    Diagnose = Krankheit = evtl. ansteckend? :breitgrins:


    eine seltsame Familie und nur wenige können mit Geld umgehen. Dieser Darti ist ja ein Früchtchen mit seinem Glückspiel, immer das Beste zu wollen und seine Kinder als Druckmittel zu betrachten um aus dem "Alten" (James) Geld rauszuholen.


    Kapitel 11: "Bosinney - Gefangener auf Ehrenwort"
    eigentlich geht nichts in dem Kapitel hervor, dass Bosinney ein Ehrenwort gab. Außer man betrachtet den letzten Abschnitt in diesem Sinne.
    War dieser gequälte Schrei von Bosinney oder doch nur Pfaue?


    Mir kam der Gedanke, dass Soames und Irene evtl. nie in dieses neue Haus einziehen. Da die Ehe auch am zerfallen begriffen ist, scheint mir dieses Haus auch so ganz umsonst und leblos.

    Zwischendurch gibt es sehr schöne Beschreibungen die dann weitere Erlebnisse der Forsyte einleiten. Es ist wie ein einatmen von Schönheit und dann gehts weiter mit den Familienproblemen:



    Es war jener berühmte Sommer, als Extravaganz in Mode war, als sogar die erde extravagant war, Kastanien mit Blüten übersät und Blumen in Duft gebadet wie nie zuvor, als Rosen in jedem Garten blühten und die Nächte kaum Platz hatten für das Sternengewimmel; als die Sonne täglich von früh bis spät in voller Rüstung ihren ehernen Schild über dem Park schwang und die Menschen seltsame Dinge taten, wie zum Beispiel im Freien essen...
    (2. Teil 9. Kapitel "Abend in Richmond")


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Also das mit dem türkischen Dessert ist schon komisch - irgendwie liegt mit die Lösung auf der Zunge :entsetzt: aber ich komm nicht drauf.


    Maria schrieb:



    Zitat

    Dieser Darti ist ja ein Früchtchen mit seinem Glückspiel, immer das Beste zu wollen und seine Kinder als Druckmittel zu betrachten um aus dem "Alten" (James) Geld rauszuholen.


    Ganz schön raffiniert, gell !? Aber deshalb ist ja auch Dartie schon fast ein Forsyte und er darf auch mal die Erzählperspektive innehaben. :zwinker:




    Zitat

    Mir kam der Gedanke, dass Soames und Irene evtl. nie in dieses neue Haus einziehen. Da die Ehe auch am zerfallen begriffen ist, scheint mir dieses Haus auch so ganz umsonst und leblos.


    Ja, das Haus würde ich gerne mal sehen - ein verglaster Innenhof, rote Fliesen, ein weißes Marmorbecken mit Schwertlilien und drumherum rote Ledervorhänge. Sehr extravagant und sehr kalt. Einmal wurde es, glaube ich, mit einem Herz verglichen. Wessen Herz ? Soames, Irenes oder Bosinneys ?


    Besonders intensiv dann die Szene, als Irene Soames aussperrt. Auch Soames hat Gefühle (wenn auch nur das "Was werden wohl die Diener sagen"-Gewissen) und er ist ganz auf unbekanntem Terrain. Hier kann kein Geld der Welt helfen. Genau das gefällt mir so gut, auch die Forsytes werden nicht einseitig geschildert sondern sind in ihrer Art ganz normal.


    Der Unterschied wird meines Erachtens gerade durch die schönen Naturschilderungen deutlich - man meint, dass auch die Natur im Leben der Forsytes eine Rolle spielen müsste, aber sie dient nur als Staffage. Auch das sehr traurig !


    Ich komme nun zum dritten Buch.


    Gruß von Steffi

  • Hallo Hubert und Berch,
    Hallo alle anderen, die noch dabei sind,


    Berch's Gedanken, dass die niederen Gerichte das schlechte Gewissen darstellen, sehe ich genauso.


    Zu Hubert's Frage, welcher Schuld sich K. vor dem höheren Gericht verantworten muß, viel mir beim Lesen spontan der Stolz ein. Zählt m.W.
    zu den Todsünden und es gibt einige Stellen, wo K. sehr überheblich dargestellt wird bzw. sehr herablassend über andere denkt. Gerade Personen, die seiner Meinung nach durch den Beruf unter seinem Stand stehen und Frauen gehören dazu. Es gibt auch noch andere negative Eigenschaften: Frl. Bürstner gegenüber handelt er unbeherrscht und triebhaft und in vielen Situationen reagiert K. ungeduldig und aufbrausend.


    Im Gegensatz dazu steht das Schlußkapitel: K. lässt folgsam alles über sich ergehen, er hadert zwar noch mit dem hohen Gericht, leistet aber keinen Widerstand gegen das vorhersehbare Ende. Ist er durch den langen Prozess geläutert? Ich glaube schon, am Ende stirbt er " wie ein Hund" und gerade das wäre die Strafe für seinen eingebildeten Stolz.


    Gruß
    WannaBe

  • Hallo wannebe,


    Zitat

    Im Gegensatz dazu steht das Schlußkapitel: K. lässt folgsam alles über sich ergehen, er hadert zwar noch mit dem hohen Gericht, leistet aber keinen Widerstand gegen das vorhersehbare Ende. Ist er durch den langen Prozess geläutert?


    Ich stimme Dir in diesem Punkt eigentlich zu. Von dem leichten Aufbegehren zu Beginn des Textes und auch von seiner Unmöglichkeit, den Prozeß ernst zu nehmen ist im Grunde nichts mehr geblieben.
    Allerdings kommt es mir so vor, als sähen wir im Text nur den Ausgangszustand, eine kurze erste Entwicklung und schließlich das Endergebnis. Man kann vielleicht ahnen, wie in K. mit der zunehmenden Zahl an Informationen eine gewisse Erkenntnis heranreift, aber ich vermisse einen wirklichen 'Erkenntnisprozeß', eine echte Läuterung. Was der Text hergibt ist in den letzten Sätzen das Ergebnis dieses Prozesses. Mir scheint der Text an dieser Stelle tatsächlich etwas unfertig zu sein.


    Gruß
    Berch

  • Hallo Berch und WannaBe,


    Berch hat gepostet:
    Das Vergehen, dessen K. und z.B. auch Huld angeklagt sind, kann eigentlich nichts sein, was ein normales weltliches Gericht verhandeln würde (Diebstahl, Mord, etc.), denn sonst müßte er sich sicherlich vor einem normalen weltlichen Gericht verantworten.


    Ich gehe mal hier und im folgenden davon aus, dass statt Huld Block gemeint ist, den der Advokat Huld war m.W. nicht angeklagt.
    Wenn mit den niederen Gerichten das Gewissen gemeint ist, was durchaus sein kann, wieso braucht Block dann einen Advokaten, der ihn vor seinem Gewissen vertritt, und noch dazu einen Advokaten wie Huld, der Block ja auch bei seinen Geschäftsprozessen vertritt?



    WannaBe hat gepostet:
    Gerade Personen, die seiner Meinung nach durch den Beruf unter seinem Stand stehen und Frauen gehören dazu. Es gibt auch noch andere negative Eigenschaften: Frl. Bürstner gegenüber handelt er unbeherrscht und triebhaft und in vielen Situationen reagiert K. ungeduldig und aufbrausend.


    K’s charakterliche Schwächen sind, das ist auch meine Meinung, nicht zu übersehen (Überheblichkeit gegen Untergebene, Fehlverhalten gegenüber Frauen, die er m.M.n. nur benutzt, z.B. Elsa, die er einmal wöchentlich „besucht“, Leni, weil er von ihr Hilfe erhofft usw., Aggressivität), aber da er sich dieser Schwächen nicht bewusst ist, kann sich doch auch kein schlechtes Gewissen melden, oder?



    das Schlußkapitel: K. lässt folgsam alles über sich ergehen, er hadert zwar noch mit dem hohen Gericht, leistet aber keinen Widerstand gegen das vorhersehbare Ende. Ist er durch den langen Prozess geläutert? Ich glaube schon, am Ende stirbt er " wie ein Hund" und gerade das wäre die Strafe für seinen eingebildeten Stolz.


    Hm, wenn er geläutert ist, wieso dann noch eine so grausame Strafe?



    Je mehr man über den „Prozeß“ nachdenkt, desto verwirrender und undurchschaubarer wird das Ganze. Wahrscheinlich hat Kafka auch die Arbeit am Prozeß eingestellt, weil er sich selber nicht mehr zurecht fand.


    Gruß von Hubert


    PS: @ ivy


    Hi Ivy,


    Glückwunsch zu Deiner neuen Klassiker-Homepage. :klatschen:


  • Halihallo zusammen! :zwinker:


    Danke für die Glückwünsche, Hubert, echt lieb! Es versteht sich von selbst, dass das klassikerforum in der Forenliste steht und bei den Aktuellen Leserunden sowieso gerade ganz vorne!


    Mir geht es ähnlich wie Dir, Hubert, Franz Kafkas Prozess ist wirklich ein offenes Buch mit sieben Siegeln!


    Ich lese immer wieder neu von vorne, weil ich das Gesamte nicht wirklich durchschauen kann. Das Fehlverhalten gegenüber Fräulein Bürstner u.ä. will als einziger Grund einfach nicht so recht genügen. Es müssen noch viele weitere Faktoren dahinter stecken, wahrscheinlich Kafkas reale Erfahrungen mit den Gerichten.


    Auch heute kann ein Gerichtsverfahren bald mal zum Alptraum werden, und damals waren die Gerichte bekanntlich noch viel bürokratischer und die Vetternwirtschaft blühte.


    Höchstwahrscheinlich träumte Kafka (als Vielträumer) davon und verarbeitete diesen Stoff daraufhin im Roman, nahm womöglich passende Träume dazu oder entwickelte den vorhandenen traumlogisch weiter. Genug Erfahrung mit der Traumlogik hatte er ja.


    Zum Maler und seinen Bildern fallen mir ähnliche Träume ein, denn meine Schwester ist Künstlerin. Die Vervielfältigung des immer gleichen Bildes kommt auch bei mir vor und stellt vor allem die Produktivität des Malers dar, eigentlich ein gutes Zeichen. In meinem Traum war es eher positiv geprägt, mit Erfolg und Faszination verbunden. Auf den Prozess bezogen könnten die Bilder eher auf eine sinnlose Vielbeschäftigung der Gerichte hindeuten, was die anschliessenden Szenen bestätigen.


    Ich wende mich am Besten erneut dem Prozess zu. Vielleicht fällt mir noch was ein.


    Bye, Ivy

  • Zitat von "Steffi"

    Ganz schön raffiniert, gell !? Aber deshalb ist ja auch Dartie schon fast ein Forsyte und er darf auch mal die Erzählperspektive innehaben. :zwinker:


    Hallo zusammen
    Hallo Steffi


    es ist so offensichtlich und ich habs nicht gemerkt! Ein toller Gedanke, Steffi. Nur diejenigen, die sich wie ein Forsyte fühlen, dürfen zu Wort kommen. :bussi:

    Zitat


    Ja, das Haus würde ich gerne mal sehen - ein verglaster Innenhof, rote Fliesen, ein weißes Marmorbecken mit Schwertlilien und drumherum rote Ledervorhänge. Sehr extravagant und sehr kalt. Einmal wurde es, glaube ich, mit einem Herz verglichen. Wessen Herz ? Soames, Irenes oder Bosinneys ?


    und die rote Farbe erinnert auch an ein Herz. Wessen Herz? Das wag ich noch nicht zu beurteilen, bin immer hin und her gerissen. Man glaubt so langsam den einen oder anderen besser zu kennen und dann ....


    Zitat


    Der Unterschied wird meines Erachtens gerade durch die schönen Naturschilderungen deutlich - man meint, dass auch die Natur im Leben der Forsytes eine Rolle spielen müsste, aber sie dient nur als Staffage. Auch das sehr traurig !


    empfind ich auch so.


    Der Verfall dringt sogar bis in die Esskultur, wenn man nach James Forsyte geht. Siehe 1. Buch 2. Teil /13. Kapitel gleich zu Beginn des Kapitels.


    Frage:
    Kriegt ihr auch Appetit beim Lesen? :zwinker:


    Soviele Speiseszenen.


    außerdem fiel mir auf, wieviel die alten Forsytes bemerkenswert viel gehen, immerhin sind sie über 70 bis über 80, und die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Nur selten benutzen sie bisher ihre eigene Kutschen, im Gegensatz zu den jüngeren Forsytes.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    ich habe mich länger nicht gemeldet, weil ich beruflich recht angespannt war. Sorry!


    Leider habe ich jetzt wiederholt versucht etwas zu posten, werde aber andauernd rausgeschmissen und soll mich neu einloggen. Fazit: Meine ganzen Gedanken zu euren Beiträgen futsch. :grmpf:
    Weiß nicht, was da passiert ist.


    Ich versuche sie aus dem Gedächtnis noch einmal zusammen zu kramen, was nicht leicht ist, weil es ein längerer Beitrag war.


    Bis dahin liebe Grüße,
    Michael

  • Hallo zusammen,


    meine Leserunden mit Hubert haben mich gelehrt auch auf den Aufbau einer Geschichte zu achten, insbesondere mit dem Aufbau einer klassischen Tragödie.


    Ob Galsworthy mit seinen 5 Büchern in der Forsyte-Saga dies auch beabsichtigt hat? Besonders fiel es mir auf, weil es 3 Bücher gibt und 2 Zwischenspiele. Klingt doch nach einem Dramenaufbau?


    Hubert könnte es viel besser und wenn ich Fehler reinbringe, hoffe ich auf Korrektur:


    Aufbau einer klassischen Tragödie:
    1. Akt "Exposition" (Vorbereitung) = 1. Buch der Besitzmensch
    2. Akt "Vorbereitung des Höhepunkts (Rising Action) = Zwischenspiel - Nachsommer eines Forsyte
    3. Akt "Höhepunkt / Wendepunkt" = 2. Buch: In den Schlingen des Gesetzes
    4. Akt "Retardation" (Verzögerung des Handlungsablaufs) = Zwischenspiel - Erwachen
    5. Akt "Katastrophe" = 3. Buch - zu vermieten


    Ich bin noch nicht dahinter gekommen, warum die 3 Bücher in jeweils 3 Teilen von Galsworthy eingeteilt wurden. Da steckt bestimmt auch etwas dahinter.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo,


    ich versuch´s nochmal:


    Die Diskussion über die Schuldfrage, bzw. die Grundlage dafür, fand auch ich an einigen Stellen recht verwirrend.


    Zitat

    Je mehr man über den „Prozeß“ nachdenkt, desto verwirrender und undurchschaubarer wird das Ganze. Wahrscheinlich hat Kafka auch die Arbeit am Prozeß eingestellt, weil er sich selber nicht mehr zurecht fand.


    Vielleicht liegt es wirklich daran, dass der Prozess fragmentarisch bleibt. Aber sollte man von einem Autoren wie Kafka nicht erwarten können, in dem was uns vorliegt, deutlicher auf einen solch wichtigen Punkt hinzuweisen?


    Das Buch beginnt mit der Verhaftung, nicht mit einer Tat die zum Prozess führt. Natürlich gibt es viele Momente, in denen K angreifbar handelt. Doch all dies lässt sich nur aus dem Verhalten während des laufendes Verfahrens ableiten. Ob K sich mit einer konkreten Tat vor der Verhaftung wirklich etwas hat zu schulden kommen lassen, wird nicht gesagt, bzw. aus K´s Sicht so formuliert, dass er sich keiner Schuld bewusst sei.
    Im weltlichen Sinne einer Gerichtsbarkeit kann ihm nichts vorgeworfen werden. Dafür liefert Kafka keine Fakten einer vermeintlichen Tat, die zu einer Verhaftung und zu einer Verurteilung hätten führen können.


    Moralische Vergehen und schlechtes Gewissen? In einigen Situationen verhält sich K wirklich etwas zweifelhaft, aber ob dies ausreichende Indizien für eine Schuldhaftigkeit sind? Im weltlichen Sinne ließe sich daraus wohl kaum etwas ableiten. Ob es sich darüber hinaus nicht allein um eine weltliche Gerichtsbarkeit, sondern um eine "höhere" handelt, darüber muss ich noch einmal nachdenken. Jedoch finde ich, dass es an diesem Punkt wirklich schwer fällt, darüber zu urteilen, weil das Buch am Ende eben doch deutlich Fragment bleibt. (Vielleicht eine Antwort auf die Gattungsfrage :zwinker: ) Die Strafe am Schluss ist jedoch sehr weltlich, oder?


    Vieleicht ging es Kafka auch weniger um die Schuld. Diese lässt sich bei jedem Menschen finden, woraus sich auch ganz individuell begründet ein Gewissen ableiten lässt. Vielleicht ging es ihm mehr um den Prozess als Sinnbild.
    Das Buch beginnt im ersten Satz mit der Verhaftung und dem anschließenden, unabwendbaren, oft nahezu absurd anmutenden Prozess. K kann ihn nicht abwenden oder umgehen, ebenso, wie er das Leben an sich nur auf eine Weise abwenden könnte. Auf eine Schuld im juristischen Sinne wird nicht explizit hingewiesen. Es bleiben Vermutungen über moralische Verfehlungen, ein schlechtes Gewissen oder eine höhere Gerichtsbarkeit, die man an dem einen oder anderen Punkt anknüpfen könnte. Ging es Kafka vielleicht darum, die Schuld selbst als eher vage offenzulassen, individuell ganz unterschiedlich auslegbar. (Jedenfalls, solange es nicht um konkrete weltliche Verbrechen wie Mord, Raub oder Totschlag ginge.)


    Das ist auch ein entscheidender Unterschied zum Kohlhaas. Dessen Schuld ist weltlich und im höheren Sinne klar abgesteckt. Kafka lässt m.M.n. diese Frage offen, ob und was K wirklich getan hat.


    M.M.n. geht es in der Hauptsache um den Prozess. Irgendetwas, was auch immer, hat K getan. Im Mindesten, dass er ein Mensch mit allem Gut, Fehl und Tadel ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dafür muss er sich rechtfertigen, muss er gerade stehn. Prozessiert wird darüber in jedem Fall. Manchmal erscheinen vielleicht einzelne Punkte, persönlich betrachtet, nachvollziehbar, vielleicht schuldhaft. An anderen Punkten wirkt das Geschehen absurd und jeder Sinhaftigkeit beraubt. Deshalb erscheinen manche Situationen nahezu krotesk.


    Trotz allem muss sich K verantworten. Ob sinnverhaftet oder nicht, ob schuldig oder nicht. Der Prozess findet statt, läuft ab. In diesem Sinne, nicht nur in jenem eines juristischen Prozesses, sondern auch in dem eines unweigerlich ablaufenden Vorgangs, empfinde ich den Titel als doppeldeutig.


    Mir erscheint es nicht so wichtig, warum es K. passiert, ob es sinnvoll ist oder nicht, sondern dass es ihm unweigerlich passiert, dass es kein Entrinnen für ihn gibt. Kafka schildert für mich im Prozess die ewige Mühle des Lebens in ihrer ganzen scheinbaren Bedeutungshaftigkeit und gleichzeitigen Absurdität. Was für jeden Einzelnen bedeutsam ist, muss jeder in seinem eigenen Prozess vorbringen.


    Auch dies scheint mir ein Unterschied zum Kohlhaas:
    Kleist schildert ein "objektiv" fixierbares Rechtssystem. Jemand kann im Recht oder Unrecht sein, dafür bestraft oder gesühnt werden. Bei Kafka gibt es diese objektive Festlegung nicht. Für uns bleibt nur interpretierbar ob und wie K nun schuldig sei oder nicht. Sinngebung gibt es m.M.n. hier weder durch ein weltliches, juristisches System, noch durch eine übergeordnete, "religiöse" Ordnung. Es fehlen verlässliche Anhaltspunkte. Ein Mensch wie K treibt desorientiert umher und ist dabei auch immer Opfer der eigenen Hoffnung, es möge solche bedeutenden Anhaltspunkte geben. Ein sehr menschliches und gar nicht unrealistisches Verhalten, wie ich meine.


    Liebe Grüße,
    Michael

  • Hallo Ihr Lieben,
    sorry bin momentan arg eingespannt. Werde mich demnächst noch weiter äußern. Wollte nur mal schnell ein Lebenszeichen von mir geben. :winken:


    Zur Schuldfrage wollte ich noch einen Diskussionshinweis geben. Ich glaube es geht Kafka unter anderem um das Schuldgefühl ansich. Also um keine wirklich identifizierbare Schuld. Es wirkt ja so, als ob das Gesetz nur für K. da ist, obwohl auch viele andere Menschen "angeklagt" sind.


    Es gibt z.B. Interpretationsansätze, die den "Prozeß" religiös deuten. Kafka hat sich wohl stark mit einem jüdischen Feiertag dem Jom-Kipur (oder so ähnlich) auseinander gesetzt. Wenn ich mich recht entsinne, geht es darum, daß man an diesem Tag seine ganzen Sünden bekennt. Kafka hatte davor wohl Angst. Aus dieser Angst sei dann die Idee zum Roman entstanden. Ja ausnahmsweise kein Vater- Sohn Konflikt!


    Liebe Grüße Jacky

  • Hallo zusammmen !


    Maria: Danke für deine Gedanken zum Aufbau, ich werde daran denken beim weiterlesen.


    Zitat

    Kriegt ihr auch Appetit beim Lesen?


    Soviele Speiseszenen.


    Yes !! Ich freue mich immer, wenn eine Speiseszene kommt, es wirkt alles so wohldistinguiert :smile: Wahrscheinlich war das einfach ein gesellschaftlicher Akt, wohingegen Opernbesuche wohl nur zum Spionieren gut waren :breitgrins: Und in anderen Etablissements halten sich ja Forsytes bisher nicht auf !


    Marin hatte ja auch schon mal die Überschriften angeführt, besonders gelungen fand ich " Bosinneys Abgang" :breitgrins:


    Wirklich, in manchen Dingen ist Galsworthy herrlich zynisch und pointiert ohne jemals beleidigend und vulgär zu sein - irgendwie könnte er auch ein (besserer ?) Forsyte gewesen sein. Überhaupt toll, wie er immer die Figuren von allen Seiten beleuchtet - meine Lieblinge sind ja James und der alte Joylon, so liebenswert, weil schon jenseits der Gier und Leidenschaft für Besitz, oder auch ein bißchen altersweise ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen!


    Bin wieder zurück aus dem Urlaub, und werde heute mit dem dritten Teil von Buch I beginnen.


    Zuerst will ich euch noch den Satz aus dem englischen Original nachliefern (Kapitel 8, Teil 1, 1. Satz): "All Forsytes, as is generally admitted, have shells, like that extremely useful little animal which is made into Turkish delight; ..." sandhofer hat natürlich recht, es heißt Turkish delight. Leider kann ich euch aber auch nicht sagen, um was genau es sich handelt. Irgendwie assoziiere ich mit Turkish delight türkischen Honig, aber das kann es ja nicht sein...


    Maria: Die englische Überschrift des 11. Kapitels im Teil 2 heißt "Bosinney on Parole". "Parole" heißt "bedingte Haftentlassung". "On Parole" heißt "auf Ehrenwort", im engl.-engl. Wörterbuch wird es aber als "auf Bewährung" erklärt. Letztere Übersetzung würde ich als geeignete Übersetzung wählen; "auf Ehrenwort" ist mir zu allgemein. Leider bin ich momentan etwas aus dem Lesefluß rausgekommen, so daß ich nicht mehr genau weiß, worum es in diesem Kapitel ging, werde es mir aber nochmal ansehen.
    Deine Anmerkung, daß die älteren Forsytes besser zu Fuß sind als die jüngeren passt irgendwie auch wieder, wenn man die Forsytes mit den Buddenbrooks vergleichen will. Die jüngeren Buddenbrooks sind auch körperlich schwächer (Thomas z.B. stirbt ja an einem Backenzahn). Ich wäre aber nicht selbst drauf gekommen, als danke dafür! :blume: Ich überlege mir auch gerade, ob das auf alle Forsytes zutrifft. Kann es sein, daß z.B. June (die ja auch nicht als Besitzmensch bezeichnet werden kann; sie versucht ja, ihr eigenes Leben zu leben ohne Rücksicht auf Konventionen) ganz gut zu Fuß ist und daß deine Anmerkung vor allem auf die männlichen Mitglieder (die ja auch materielle Reichtümer fixiert sind) zutrifft? Was sagst du bzw. ihr alle dazu? Da muß ich nochmal drüber nachdenken.



    Viele Grüße
    marin

  • Hallo zusammen


    Danke für eure Nachforschungen zu "Turkish delight". Ich konnte auch nicht mehr herausfinden. Aber interessieren würde es mich schon, was das für "Tierchen" sein sollen.


    JMaria:
    Mit dem Aufbau von klassischen Tragödien kenne ich mich überhaupt nicht aus. Danke für die Erklärung und den interessanten Gedanken. Ich werde beim Lesen darauf achten. Deine Bezüge zur Forsyte-Saga sind jedenfalls sehr plausibel.


    Ich hänge momentan etwas hinterher und komme zum 3. Teil des 1. Buches. (Bin allerdings froh, daß du auch noch nicht weiter bist, marin.)
    Meine bisherigen Lieblingsfiguren sind der alte Jolyon und vor allem Bosinney. Wie dieser dem geldgierigen Soames die Hörner aufsetzt und ihm somit verdeutlicht, daß die Liebe einer Frau nicht mit allem Geld der Welt zu erkaufen ist, oder wie er James bei seinem "Inspektionsbesuch" des Hauses auflaufen läßt, finde ich einfach klasse und macht ihn mir sympathisch.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen,


    ich bin nun im 1. Buch 3. Teil 4. Kapitel.
    Es wird für Philip und Irene sehr schwierig. Irene tat mir im 4. Kapitel (Reise ins Inferno) sehr leid. Auf der anderen Seite ist sie schon naiv und spielt sehr mit dem Feuer. Aber sie ist ja auch sehr naiv in die Ehe gegangen, wenn sie wirklich daran glaubte, dass Soames sie so einfach gehen ließe, wenn sie möchte. Sie ist mir dennoch ein Rätsel.


    der alte Jolyon hat es mir angetan. Der alte Herr macht sich viele Gedanken, im 3. Teil wird es gleich zu anfangs noch intensiver, Stichwort: Testament.


    marin:
    schön, dass du wieder da bist.


    Zitat von "marin"

    Die englische Überschrift des 11. Kapitels im Teil 2 heißt "Bosinney on Parole". "Parole" heißt "bedingte Haftentlassung". "On Parole" heißt "auf Ehrenwort", im engl.-engl. Wörterbuch wird es aber als "auf Bewährung" erklärt. Letztere Übersetzung würde ich als geeignete Übersetzung wählen; "auf Ehrenwort" ist mir zu allgemein. Leider bin ich momentan etwas aus dem Lesefluß rausgekommen, so daß ich nicht mehr genau weiß, worum es in diesem Kapitel ging, werde es mir aber nochmal ansehen.


    "auf Bewährung" - mhh - darüber muß ich auch noch nachdenken. In dem Kapitel passiert eigentlich nicht viel. Irene hat Kopfweh als Soames mit ihr Spazierengehen will. Zwingt sie mitzugehen. Sie treffen im Park Bosinney. Sie trennen sich wieder. Später in der Nacht steht Soames am Fenster und hört einen gequälten Schrei und ordnet es den Pfauen zu.


    Auf June und wie sie sich 'fortbewegt' habe ich jetzt nicht so geachtet.
    Der Besitzmensch Soames benutzt auch gern öffentliche Verkehrsmittel. *grübel*


    [ ikarus, etwas OT]
    die klassische Tragödie ist auch nicht mein Metier. Aber es ist insoweit interessant darauf zu achten, weil viele Schriftsteller ihre Geschichten in dieser Art aufbauen. Fontane, Thomas Mann usw.


    Ein Superbeispiel wäre "Tod in Venedig" von Thomas Mann, vollgespickt mit den klassischen griechischen Motiven und dann auch noch in 5 Kapitel eingeteilt. Einfach genial. (Aber ich schweife ab :zwinker: )


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Jacky:

    Zitat

    Ja ausnahmsweise kein Vater- Sohn Konflikt!


    Da stimme ich Dir zu. Einen Vater-Sohn-Konflikt kann ich auch nicht entdecken. Allerdings denke ich ohnehin, daß dieser Konflikt zahlreichen Texten von Kafka schlicht übergestülpt wird, ob dies nun paßt oder nicht.
    Ein Grund hierfür könnte sein, daß die Texte meist eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten offen lassen und man mit diesem Konflikt einen möglichen Fixpunkt hat. Meist allerdings empfinde ich eine reine Konflikt-Deutung bei Kafka als zu eindimensional.


    @Michael:
    Vielleicht liegt es wirklich daran, dass der Prozess fragmentarisch bleibt. Aber sollte man von einem Autoren wie Kafka nicht erwarten können, in dem was uns vorliegt, deutlicher auf einen solch wichtigen Punkt hinzuweisen?


    Im Prinzip würde ich Dir zustimmen. Eigentlich sollte man dies erwarten können. Andererseits muß es auch einen Grund haben, weshalb Kafka seinen Prozeß als unfertig gesehen hat und ihn nicht veröffentlichen wollte. Perfektionismus oder Selbstunterschätzung wäre eine Möglichkeit. Vielleicht aber lief das Projekt tatsächlich in eine Richtung, an der Kafka nicht mehr weiterkam. Um das tatsächlich beurteilen zu können, müßte man wissen, was Kafka noch hätte ändern oder ergänzen wollen. Es bleiben also nur Spekulationen.


    Auf die Schuldfrage bezogen, halte ich eine weltliche Schuld jedenfalls für unwahrscheinlich. Dennoch muß, zumindest nach meinem Rechtsverständnis eine Schuld vorliegen, damit ein juristischer Prozess stattfinden kann. Gibt es also keine Schuld, die von einem weltlichen Gericht verhandelt würde (Raub, Mord, etc.), muß es sich um ein allgemeineres Vergehen handeln. Mir persönlich wäre dabei ein ethisches oder moralisches Vergehen am einleuchtendsten.


    Der Prozeß (von Gesetz will ich nicht sprechen, denn ein eindeutiges, greifbares Gesetz gegen welches K. verstößt scheint es ja auch nicht zu geben) selber, dahingehend stimme ich Jacky zu, scheint K. auf den Leib geschnitten zu sein.
    Ein wirklicher Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen Angeklagten gibt es im Grund nicht. Vielleicht deshalb, weil die einzelnen Fälle so unterschiedlich sind, wie die Menschen, denen sie angelastet werden.
    Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch die Zusammensetzung der Zuhörerschaft bei K.'s erster Anhörung. Das Lager ist grundsätzlich in zwei Lager gespalten. Die rechte Saalhälfte besetzen eher unruhige, das Gericht wenig achtende, pöbelhafte Zuhörer. Von ihnen gehen Zwischenrufe aus, sie reagieren direkt auf K.'s Rede, scheinen instinkthafter zu handeln. In der linken Hälfte des Saales sitzen sehr ruhige, besonnene Zuhörer, die das Gehörte stärker zu reflektieren scheinen und die lärmende rechte Hälfte duldsam, fast schon verständnisvoll 'ertragen'. Dies erinnerte mich entfernt an Freuds Theorie. Die rechte Saalhälfte demnach als 'Es', die linke vielleicht als 'Über-Ich'.
    Dies zu Grunde gelegt, wäre der Prozeß dann eine beständige Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln.
    Dies ließe sich dann auch in Einklang bringen mit der Unmöglichkeit, sich dem Prozeß dauerhaft zu entziehen oder ihn zu beenden.
    Nimmt man außerdem die höheren Gerichte als eine göttliche Instanz an, so könnte man die schlußendliche Tötung K.'s nicht als eigentliche Strafe, sondern lediglich als Abschluß des irdenen Prozesses und als Zuführung zu den höheren Instanzen verstehen.


    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen,
    leider habe ich nicht genügend Zeit, eure Diskussion genau zu lesen, tut mir leid, war zu lange weg vom Fenster und jetzt auf einmal acht Seiten zum Prozess zu lesen, welchen ich vor vielen (etwa fünf Jahren) gelesen habe, mag ich einfach nicht (habe auch einige Interpretationen dazu glesen (Polizer, Brod, Hermsdorfer). Aber wenn es um die Sünde (fast das gleiche wie die Schuldfrage) geht, so gibt es zwei wunderschöne Aphorismen von Kafka, welche ich euch senden möchte:


    Alle menschlichen Fheler sind Ungeduld, ein vorzeitiges Abbrechen des Methodischen, ein scheinbares Einpfählen der scheinbaren Sache


    Es gibt zwei menschliche Hauptsünden, aus welchen sich alle anderen ableiten: Ungeduld und Lässigkeit. Wegen der Ungeduld sind sie aus dem Paradiese vertrieben worden, wegen der Lässigkeit kehren sie nicht zurück. Vielleicht aber gibt es nur eine Hauptsünde: die Ungeduld. Wegen der Ungeduld sind sie vertrieben worden, wegen der Ungeduld kehren sie nicht zurück.


    Ich selbst bin ein sündiger Mensch: ungeduldig bin ich viel zu oft... :rollen:

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo Leute


    Auch wenn man den Prozess in allen Richtungen hin ausdeuten kann, zu Recht, glaube ich persönlich immer noch, dass werkimmanent gesehen Fräulein Bürstner der letzte Tropfen im vollen Glas bzw. der "Auslöser" des Prozesses ist. Dafür sprechen mehrere Textstellen, vor allem die Platzierung von Fräulein Bürstners Auftreten. Besonders auffällig ihr letzter Auftritt kurz vor der Hinrichtung.


    Zitat

    Da stieg vor ihnen aus einer tiefer gelegenen Gasse auf einer kleinen Treppe Fräulein Bürstner zum Platz empor... Sie duldeten es jetzt, dass er die Wegrichtung bestimmte, und er bestimmte sie nach dem Weg, den das Fräulein vor ihnen nahm, nicht etwa, weil er sie einholen, nicht etwa, weil er sie möglichst lange sehen wollte, sondern nur deshalb, um die MAHNUNG, die sie für ihn bedeutete, nicht zu vergessen.


    S.232 suhrkamp Franz Kafka/Der Prozess


    Bye, Ivy

  • Hallo zusammen !


    Huch, da habe ich doch schon weit vorausgelesen. Ich bin nämlich schon beim ersten Zwischenstück, aber ich bremse jetzt etwas, denn zum Abschluß des Besitzmenschen gibt es bestimmt noch einiges zu diskutieren. :zwinker:


    Gruß von Steffi