Was lest ihr gerade?

  • Nach der Saramago-Lektüre - "Das Memorial" - habe ich gerade Lust, noch ein wenig im Historischen zu verweilen, und nehme endlich wieder mal ein Buch aus der Wettbewerbs-Leseliste. "Der Kaiser von Portugallien" von Selma Lagerlöf.
    Ich habe das Buch als Ebook und als HC in beinahe, aber nicht ganz gleichen Übersetzungen. Die Buchausgabe heißt "Der Kaiser von Portugallien", das Ebook "Der Kaiser von Portugalien". Hin und wieder - alle zwei Seiten mal - gibt es einen marginalen Unterschied in Satzbau oder Wortwahl. Ich stehe noch ganz am Anfang.

  • Ich war auch bei den alten Dichtern. Habe zwei von Gogols Novellen gelesen. Der Mantel und Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen und weiß wieder, wieso mir Gogol so gefällt.


    Alter Herr triffts ja nicht, ich bin ja schon älter als er jemals geworden ist. Sein Biss, Humor und Scharfsinn sind auch heute noch modern und es hat sich teilweise gar nicht viel geändert in den Ämtern dieser Welt.


    Derzeit lese ich mittel-alte Literatur. Max Frisch - Montauk. Der Briefwechsel zwischen ihm und Ingeborg Bachmann haben mich wieder auf den Geschmack gebracht.

  • Biographisches, neben dem Belletristischem:

    Richard Ellmann, Oscar Wilde,

    Die gebundene Ausgabe, Piper. Nachdem es über 10 Jahre im Regal stand, seinerzeit gekauft für etwas mehr als 10 Euro.

    Seltsamerweise, ich hab gerad nachgeschaut, gibt's das heutzutage günstiger. Warum?

    Eine dieser Gigantobiographien, die ich schmökern kann ... so wie, beispielsweise, vor vielen Jahren auch Benita Eisler über Lord Byron.

    Passend hierzu, aus einem öffentlichen Bücherschrank:


    Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray. Schon mal gelesen (vor viereinhalb Jahrzehnten nehme ich an).

    Ausgabe Süddeutsche Zeitung Bibliothek

    https://d-nb.info/970846533

    Alte Übersetzung aus dem Insel Verlag, von Hedwig Lachmann und Gustav Landauer.


    Von der SZ Bibliothek hatte jemand so vier Dutzend in den Bücherschrank gestellt, allesamt wohl ungelesen, und meine Liebste und ich hatten gewaltig zugelangt.

    Die Ausgabe ziert, passenderweise oder nicht, ein Foto aus der Verfilmung mit Helmut Berger. Mr. Wilde hätte das eventuell amüsant gefunden.


    Und weiterhin:

    Oscar Wilde: Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze : Aphorismen

    https://d-nb.info/965286908


    Auch aus einem Bücherschrank. Die Ellmann-Biographie enthält auch Aphorismen des Meisters, zu jedem Kapitelbeginn. Und zitiert überhaupt reichlich..


    Ich bin schon seit längerem dabei, mein Leben aphoristisch auszuschmücken.

    Da sie nicht so gut sind, meist stillschweigend.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Manche haben ja "schöne" Bücher nur zu Dekoration. Ähnlich wie die Attrappen im Möbelhaus.


    Ich lese derzeit Geistergeschichten von Henry James. Den Dorian Gray hab ich auch vor sehr sehr langer Zeit gelesen. Helmut Berger wäre wohl sehr gut mit Wilde ausgekommen, bis zu dem Zeitpunkt wo sie eventuell wegen Nichtigkeiten gestritten hätten.

    Spannend wäre gewesen, wessen Ego gewonnen hätte :)

  • Oscar Wilde habe ich letzte Woche auch gelesen: Den Einakter "Salomé", weil er die Vorlage für Richard Strauss' Oper Salomé gab. Und mit der hatte ich mich im Rahmen einer Musikgeschichte beschäftigt.
    Sehr art déco-mäßig kommen mir die Monologe und auch die anderen Redebeiträge der Salomé vor, teilweise stark beeinflusst von biblischen Bildern, vor allem aus dem Hohelied Salomos. Dennoch eindrucksvoll.

    Außerdem habe ich einen Roman von Sarah Quigley gelesen: Der Dirigent

    Keine hohe Literatur, aber ein interessantes Thema und gut erzählt: Es geht um Shostakovitchs Leningrader Sinfonie und ihre Erstaufführung zur Zeit der deutschen Belagerung im Zweiten Weltkrieg. Sehr eindrücklich und auch für Leute, die sich nicht so für E-Musik interessieren, lesenswert.


    b.a.t., Henry James steht für die nächste Zeit auch auf meinem Leseplan: Das Durchdrehen der Schraube ist ja auch eine Geistergeschichte, hast du die jetzt auch gelesen?

  • Oscar Wilde habe ich letzte Woche auch gelesen: Den Einakter "Salomé", weil er die Vorlage für Richard Strauss' Oper Salomé gab. Und mit der hatte ich mich im Rahmen einer Musikgeschichte beschäftigt.
    Sehr art déco-mäßig kommen mir die Monologe und auch die anderen Redebeiträge der Salomé vor, teilweise stark beeinflusst von biblischen Bildern, vor allem aus dem Hohelied Salomos. Dennoch eindrucksvoll.


    In Ellmanns Biographie geht es auch um Wildes - immer mal wieder auflebende - Pläne, zum Katholizismus zu konvertieren.

    Was Familie und universitäres Umfeld wohl nicht so gut fanden.


    Und Salome ... schau mal

    https://en.wikipedia.org/w/ind…zalewicz&oldid=1182386764

    ( ich verlinke auf die gerade aktuelle Version )


    Zitat

    In Dresden at the Semperoper, she performed the title role in Salome for the first time. Her interpretation of Salome caused a sensation.

    For many years a picture of her performance was thought to show the play's author, Wilde in women's drag. The picture was even reproduced in Richard Ellmann's biography of Wilde. In 1994 Wilde scholar Merlin Holland noted that the picture in fact showed Guszalewicz. This correction undermined readings of Wilde as a cross-dresser.


    Ellmann, Seite 145/146 schildert, wie Wilde in der Magdalenenkapelle (Oxford, nehme ich an) den Bibeltext verlesen soll und mit "Das Hohelied" Salomonis beginnt. Ebenda weist er darauf hin, dass auch Dorian Gray einmal zum Katholizismus übertreten will.


    Also, eine Affinität zur Bibel (und zu Märtyrern) hatte er ...

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Reemtsma über Wieland, die nächste.


    Das Thema "Übersetzungen" tritt insgesamt dreimal auf; im ersten Durchgang (sechstes Kapitel) geht es speziell um die Shakespeare-Übersetzungen, mit lesenswerten Gegenüberstellungen zwischen Wielands konsequent durchgehaltener Prosa-Übertragung einerseits und den versgebundenen nachfolgenden Arbeiten, vor allem der Brentanos. Erst wenn man diese exemplarischen Beispiele ausgewählter Originalpassagen unmittelbar nebeneinander (oder genauer: untereinander) sieht, wird erkennbar, dass eine Freiheit in der Form nicht unbedingt im Nachteil gegenüber einer - schon angemaßt wirkenden - Freiheit in der inhaltlichen Wiedergabe bedeuten muss.


    Zurecht hoch gewichtet ist das dreizehnte Kapitel "Versromane und -erzählungen(2), Märchen in Prosa", das sich hauptsächlich - und hauptsächlich interessierend - mit dem Oberon einerseits und "Klelia und Sinibald" andererseits befasst. Was den Oberon im 19. Jahrhundert zu "dem Wieland" schlechthin machte, war mir offen gesagt nie so recht klar, A. Schmidt schätzte ihn auch nicht besonders, und Reemtsma auch nicht. Geradeheraus gesagt: der Oberon ist als Versdichtung formal so hölzern, wie es dem prosaischen Agathon oft nachgesagt wird. Das, was das Pendant Klelia und Sinibald hat, nämlich eine Versifizierung, die sich so flüssig wie ein Prosatext (vor-)lesen lässt, und Freiräume für die kleinen bedeutungssteigernden Regelabweichungen, das fehlt dem Oberon völlig, es ist einer Scholastik des Versmaßes geopfert. Der Oberon ist damit wohl der "klassischere" Verstext - der Bessere ist es sicher nicht. Reemtsma sagt dazu: "Klassisch" ist, wenn es der Germanist des 19. Jahrhunderts schreibt und der des 20. Jahrhunderts ihm nachschreibt... (398)


    Im vierzehnten Kapitel "Romane (2)" haben Der Nachlass des Diogenes von Sinope, der Goldene Spiegel, dessen Sequel Danischmend und die Geschichte der Abderiten ihren Platz, verhältnismäßig populäre Werke also, aber nicht frei von Missverständnissen in ihrer Rezeption. Besonders zum Goldene Spiegel wird gezeigt, um was für ein "prekäre(s) kommunikative(s) Geschehen" (420) es darin geht, wenn ein Fürst, der "nicht annähernd der ist, der er sein könnte" (ebd.) einem Heranbildungsversuch unterzogen werden soll - prekär für alle Beteiligten.


    In "Übersetzungen(2)" geht es um Übertragungen des Horaz, des Lukian von Samosata sowie Aristophanes und Euripides - mit ausblickenden Hinweisen auf das, was später daraus werden sollte: Agathodämon und Aristipp. An dieser Stelle geht es hauptsächlich um die spezifische, formal freie, aber inhaltlich für einen Jahrtausende späteren Leser schlüssigere, erklärendere Übertragung; ein Thema, das im Shakespeare-kapitel bereits einmal angesprochen wurde.