Was lest ihr gerade?

  • Ich hatte in den letzten Tagen ein ganz bezauberndes Buch aus Singapur mit dem lustigen Titel "Zweckfreie Kuchenanwendungen" von Yeoh Jo-Ann, übersetzt von Gariele Haefs, aus dem Kröner Verlag.

    Ich glaube, das war das wunderbarste Buch des Jahres. Die Hauptperson ist Sukhin Dillon, Mitte Dreißig, Lehrer für englische Literatur an einer Schule in Singapur und ein ziemlicher Muffelkopf. Seine bissigen Kommentare zu verordneten Feierlichkeiten, übergriffigen Kollegen und Lifestyle-Moden sind amüsant zu lesen. Als er abends durch ein paar abgelegene Gassen nach Hause geht, begegnet er einer Frau namens Jinn Hwa, die er aus seiner eigenen Schulzeit kennt; eine alte Schulkameradin. Sie lebt anonym in einem Kartonstapel (Singapur hat offiziell keine Obdachlosen). Es dauert eine Weile, bis Sukhin dahiner kommt, warum sie sich für dieses Leben entschieden hat. Das Buch ist herzerwärmend geschrieben und macht viel Spaß.

  • Ich habe mir die beiden Leseempfehlungen gleich nach Deinem Beitrag notiert. "Entdeckungen des Jahres" will schon was heißen. Danke jedenfalls, ich beobachte die Veröffentlichungen im mare-Verlag ja grundsätzlich, aber eine solche Leseempfehlung ist doch immer was anderes, als bloß ein schönes Buch zu kaufen. Zudem, ganz billig ist es ja nicht gerade...


    Ich habe gerade meinen Aufenthalt im Sanatorium Berghof beendet (besser: Er-ledigt!), da käme mir ein Ausflug zu den Flachländern ganz gelegen.

    Mein Buch des Jahres ist nur für mich eine Entdeckung, bisher aber klar das beste Buch: Der Zauberberg. Ich habe es mit stetig wachsender Begeisterung gelesen und hätte es "bei Denen" da oben durchaus noch eine Weile ausgehalten.

    Ein paar Eindrücke werde ich hier an gegebener Stelle noch äußern, so einfach mit ein, zwei Sätzen möchte ich da nicht drüber hinweggehen.

    Empfehlungen grundsätzlich ohne Gewähr :)


    Preis: naja, dividiere 1135 (Seiten, Anhang inclusive, schönes Nachwort übrigens) durch 68. Nicht so schlecht. Ist schon eine Leistung, vielleicht auch Wagnis, sowas zu machen.

    Bücher werden ja eh immer teurer, aus den bekannten Gründen.


    Für mich war es das erste Buch von Mare gewesen, antiquarisch etwas preiswerter. Ist schön gemacht. Allerdings notwendig, auf den Buchrücken aufzupassen, denn es ist etwas zu dick. Entweder zweibändig, oder Dünndruck, das hätte ich noch schöner gefunden.


    Im übrigen wohl auch mein erstes Buch überhaupt aus der finnischen Literatur, also hab ich vorhin mal "Die sieben Brüder" von Aleksis Kivi bestellt. Antiquarisch, altes Manesse, sehr preiswert. Kivi und Kilpi addiert spart also :)


    Dickes Lob an den Übersetzer ... was so einer wohl für sowas kriegt ... ?

    Nach der Leküre lese ich ja gerne mal nach, wie es mir gefallen hat, also, Interview mit Stefan Moster

    https://www.tralalit.de/2021/1…u-den-grossen-klassikern/


    "Der Zauberberg" war für mich eine der Entdeckungen des letzten Jahres, nie vorher gelesen, überhaupt sehr lange mit Thomas Mann gefremdelt und eigentlich nur "Buddenbrooks" und "Mario und der Zauberer" gekannt. Dann, direkt danach, "Doktor Faustus" - die nächste Entdeckung.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Lauterbach naja ist für mich nicht gut und nicht schlecht. Annie Ernaux hat schon einen guten Blick auf das Milieu, eine sehr gute Beobachtungsgabe, beschreibt die Situation in der sie sich befindet, ihre kleine Welt, aber wirklich eingefangen hat mich das Buch nicht.

    Aber es ist sehr dünn und schnell gelesen. Probiers einfach aus und vielleicht kannst du da mehr Begeisterung aufbringen.

  • Ich habe von Ernaux gerade "Mémoire de fille" gelesen, und war wider Erwarten begeistert. Ihr Spiel mit den verschiedenen Zeiten ist nachgerade grandios zu nennen, finde ich.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Lauterbach naja ist für mich nicht gut und nicht schlecht. Annie Ernaux hat schon einen guten Blick auf das Milieu, eine sehr gute Beobachtungsgabe, beschreibt die Situation in der sie sich befindet, ihre kleine Welt, aber wirklich eingefangen hat mich das Buch nicht.

    Aber es ist sehr dünn und schnell gelesen. Probiers einfach aus und vielleicht kannst du da mehr Begeisterung aufbringen.

    Danke b.a.t für deine Stellungnahme. Bisher habe ich nur kontroverse Meinungen zu ihr gehört.

    Ich habe von Ernaux gerade "Mémoire de fille" gelesen, und war wider Erwarten begeistert. Ihr Spiel mit den verschiedenen Zeiten ist nachgerade grandios zu nennen, finde ich.

    Dann werde ich, wenn es in der Bibliothek ausleihbar ist, damit anfangen. Etwas möchte ich von ihr lesen.


    Gruß, Lauterbach

  • Empfehlungen grundsätzlich ohne Gewähr :)

    Versteht sich von selbst. ;-)


    Und klar, den Preis muss man ein bisschen relativieren. Ich kaufe ja fast nur antiquarisch, da sind diese Regionen etwas seltener. Bei kleineren Verlagen und Büchern, die auch in absehbarer Zeit nicht stark im Preis fallen, kaufe ich schon ab und an eine Neuerscheinung. Dünndruckausgaben mag ich auch, aus der von Dir genannten besseren Handhabbarkeit, allerdings lässt da heutigentags die Qualität manchmal noch zu wünschen übrig, wenn beispielsweise die Schrift der folgenden Seite durchschimmert. In älteren Ausgaben ist das kaum zu beobachten.

    Zudem gefallen mir auch Ausgaben wie die Dostojewskij-Romane aus dem Ammann-Verlag oder hier die Thomas Mann Bände aus dem Fischer-Verlag sehr gut, es sind halt kleine Backsteine, die ihren Platz im Regal einfordern. In der Hinsicht lobe ich mir die verschiedenen Klassikerreihen in Dünndruck.

    Kivi und Kilpi addiert spart also :)

    Haha, das gefällt mir. Den Kivi kenne ich aus der Winkler Weltliteratur, hab ihn aber noch nicht gelesen und auch noch nicht in der Sammlung. Ich bin dann irgendwann auf Dein Urteil gespannt. Mir fällt momentan auch kein finnischer Roman ein, den ich gelesen haben könnte. Wahrscheinlich also auch bei mir ein weißer Fleck auf der Leselandkarte.

    Bisher habe ich nur kontroverse Meinungen zu ihr gehört.

    Es ist ja fast erfrischend zu lesen, dass hier über die Qualität der Texte gesprochen wird und nicht, ob die Frau nun, überspitzt ausgedrückt, gut oder böse ist.

  • Danke b.a.t für deine Stellungnahme. Bisher habe ich nur kontroverse Meinungen zu ihr gehört.

    Dann werde ich, wenn es in der Bibliothek ausleihbar ist, damit anfangen. Etwas möchte ich von ihr lesen.


    Gruß, Lauterbach

    Ich habe mir gerade "Das Ereignis" runtergeladen und werde es dieses Wochenende lesen. Das Ebook hat ganze 66 Seiten. Es ist mein erstes von Ernaux.

  • Dickes Lob an den Übersetzer ... was so einer wohl für sowas kriegt ... ?

    Nach der Leküre lese ich ja gerne mal nach, wie es mir gefallen hat, also, Interview mit Stefan Moster

    https://www.tralalit.de/2021/1…u-den-grossen-klassikern/

    Ganz vergessen, danke für den Link, die Seite kannte ich noch nicht (ist gleich in die Favoriten gewandert).


    sandhofer

    Das ist wunderbar, wenn man Sprachen wie das Französische so gut spricht/versteht, dass man problemlos Proust oder wie hier Ernaux lesen kann. Da kann man dann natürlich selbst einschätzen, ob eine Übersetzung gut oder weniger gelungen ist bzw. lässt es einfach bleiben. Ich habe gestern wieder, angeregt durch den Proust-Faden hier, in die Übersetzungsgeschichte der "Suche nach der verlorenen Zeit" gelesen. Das ist schon interessant, wie die einzelnen Übersetzungen im Laufe der Zeit eingestuft werden, so dass ich mir am Ende wünschte, ich wäre in der Lage, die Bücher im Original zu lesen. So bleibt mir wahrscheinlich nur noch die Entscheidung, welche Neuübersetzung ich der von Eva-Rechel Mertens an die Seite stelle. Edit: Links entfernt

  • Nach den finnisch-deutschen Sprachexcessen geht es etwas weniger anstrengend weiter.


    Somerville und Ross: Die wahre Charlotte.

    Altes Manesse.


    Über die Autorinnen weiß ich bisher nur aus der englischsprachigen Wikipedia.


    Ein voller Griff ins irische Landleben, mit skurrilen Personen, etwas schwer durchschaubaren Verwandtschaftsverhältnissen, plus ein schlechtgelaunter Kakadu, gewürzt mit giftigem Humor.

    Wer, wie ich, von dieser dickleibigen britisch-schottisch-irischen Literatur nicht genug kriegen kann, ist bestens bedient.


    Schreibe ich nach 80 von 674 Seiten.

    Gurthnamuckla ist ein großartiger Name für ein verkommenes Landgut.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Klingt danach, als könnte mir das auch gefallen. Berichte gerne weiter von der Lektüre. Das Buch bekommt man aber wohl nur noch antiquarisch?

  • Klingt danach, als könnte mir das auch gefallen. Berichte gerne weiter von der Lektüre. Das Buch bekommt man aber wohl nur noch antiquarisch?

    Sieht so aus. Ich hatte beim Kauf ein paar preiswerte Angebote gesehen.

    Die Deutsche wie die Schweizerische Nationalbibliothek führen nur diese Ausgabe, Copyright 1954. Es scheint auch die einzige Übersetzung zu sein.


    Ich liebe alte antiquarische Manesse :-)

    und dieses Buch hatte ich gefunden durch die Verlagswerbung auf dem Schutzumschlag eines anderen: Jane Eyre.


    Ich lese das, hmmm, Somerville und Ross, wer ist denn das ? kurzer Check, gekauft.

    So wirksam kann Werbung sein.


    Ich bin inzwischen bei 200 Seiten, es wird verwickelter, inclusive die üblichen Kont(r)akte zwischen den Geschlechtern, das gefällt mir immer besser.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Vielleicht packt Dich ja doch noch irgendwann die Lust, ein weiteres Buch von Ernaux zu lesen, wenn etwas Zeit vergangen ist.

    Ich bin da misstrauisch, schon fast abergläubisch. Ich hatte 2019 "Die Jakobsbücher" von Olga Tokarczuk gelesen und fand sie ebenfalls sehr gut. Kollege scheichsbeutel hat später "Taghaus Nachthaus" gelesen und war bedeutend weniger entzückt. Ich habe dann auf weitere Bücher von Tockarczuk verzichtet :) . Ich glaube auch hier an mein glückliches Händchen und möchte meinen guten Eindruck von Ernaux nicht ruinieren. :D

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Mal wieder die wunderbare Erwägerei: was als nächstes?

    Für jetzt entschieden: Henry James, Die Gesandten. Übersetzt von Michael Walter, Hanser.


    Meine bisher zwei Begegnungen mit dem Autor waren "Die Drehung der Schraube" und "Asperns Nachlass", Manesse, ist lang her und leider weggekommen.

    Und, vor zig Jahren, ein Versuch auf Englisch, "The Golden Bowl", dabei war ich komplett eingebrochen.


    Dies

    https://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=185895

    komplett zu lesen, hab ich einstweilen verschoben ;-)


    Aber "The Turn of the Screw" möchte ich doch mal im Original versuchen, nach der schöne Rezension letztens

    https://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=12904

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Kurzes Update -


    Die Lincoln Biographie war sehr informativ und interessant. Es hat auch viele Hintergrundaspekte und Einblicke in Lincolns persönliche Geschichte gegeben. Auch wie er zu seinen Überzeugungen gekommen ist, als Außenseiter galt und dennoch Geschichte schrieb. Das Buch eines Historikers, auch manchmal an der Sprache erkennbar :)


    Wohin der Wind weht von Joao Ricardo Pedro setzte sich mit der Geschichte Portugals auseinander, mit den Kriegen in den Kolonien, das Ende des Salazar Regimes, worüber (teilweise bis heute) kaum gesprochen wird in den Familien. Mir hat die Exkursion nach Portugal ganz gut gefallen.


    Lanzarote - Michel Houellebecq - werde wohl nie ein Fan von ihm werden


    Derzeit lese ich zwei Bücher - einen Roman und einen Briefwechsel, den ich mir in kleineren Dosen gebe.


    Für meine Lanzarote Urlaub nächste Woche bin ich gerade bei:


    Rafael Arozarena - Mararía

    bis jetzt sehr interessant, spannend aufgebaut wird das Leben eines Dorfes auf der Insel beschrieben, die Intrigen und wie sie miteinander umgehen. Auf einer Insel ist vieles verschlossen, abgeschlossen vom Rest der Welt. Es gelten andere Richtlinien fürs Zusammenleben.


    Und heute frisch geliefert und gleich mal die ersten Brief aus Neugier gelesen und etwas hängengeblieben


    Ingeborg Bachmann - Max Frisch. Wir haben es nicht gut gemacht. Der Briefwechsel

    Der Beleg einer toxischen Beziehung.

  • @b.a.t.

    Interessant. Ich gestehe, ich habe noch nichts von Houellebecq gelesen. Um die meisten Autoren, die sehr im Rampenlicht stehen und über die, also nicht über ihre Literatur, so viel geschrieben wird, mache ich meist einen Bogen. Auf dem bewege ich mich immer noch. Mal sehen, ob ich irgendwann bei einem seiner Bücher ankomme.


    Nebenbei, liest Du immer so viele Bücher parallel? Mache ich schon auch manchmal, aber dann meist ein Sachbuch nebenher.

    [Edit: Ich sehe gerade, dass ich den Satz mit den 2 Büchern noch dem Houellebecq zugeordnet habe, dabei sind es ja wohl eher insgesamt 2 Bücher...da hätte ich auch vorher drauf kommen können. Oh well, es war noch früh ;)]

  • Krylow

    Eigentlich mag ich es überhaupt nicht parallel zu lesen, aber die Briefe von Bachmann und Frisch sind nicht so auf einmal durchzulesen für mich. Ich beginne mal und lese ein paar Briefe.


    Das zweite Buch ist ein Roman, der auf Lanzarote spielt.


    Ebenso wie Houellebecqs Büchlein. Ich habs ehrlichgesagt nur wegen des Titels gelesen. Es gibt so viele Autor:innen, die so gute Bücher schreiben, dass man Houellebecq ruhig auslassen kann.


    Die ersten drei oben erwähnten Bücher hab ich in den letzten Wochen gelesen und nur ein kurzes Update gegeben :), aber das hast du eh schon bemerkt.


    Das mit dem Rampenlicht ist so eine Sache. Ich glaube, dass es auch sehr gute Autor:innen gibt, die sehr präsent sind. Goethe war ja auch ein Superstar zu seiner Zeit und es ist nicht so schlecht was er fabriziert hat.

    Aber ich versteh schon was du meinst, es gibt doch einige, die eine riesige PR Maschinerie auffahren um im Gespräch zu sein und Bücher zu verkaufen. Inhaltlich ist ja so manches Werk dann nicht so prickelnd.