Was lest ihr gerade?

  • von Dror Mishani kenne ich „Vermisst“. Ich mag die ruhige melancholische Art des Erzählens. „Drei“ interessiert mich auch. Danke, Zafira für deine Anmerkungen zum Buch.


    „Unrast“ habe ich begonnen zu lesen, JHNewman.. gefällt mir bisher sehr gut.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Gerhard Roth: Eine Reise in das Innere von Wien (Die Archive des Schweigens, Band 7)

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich habe mich wieder der russischen Literatur zugewendet.


    Nach dem hervorragenden "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" von Alexander Solschenizyn, bin ich bei Turgenews "Vater und Söhne" angelangt.

  • "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" ist Teil meiner Jugend. Mein Vater mochte Solschenizyns Bücher sehr, sie lagen bei uns im Haus herum und ich habe oft in "Krebsstation" und den Denissowitsch hineingeschaut, ohne wirklich zu verstehen, worum es darin ging; aber ich mochte Iwan mit seiner Zahnlücke total gerne.

    Es ist ja auch eine Eigenart dieses Buches, dass es so locker daherkommt, mit den täglichen kleinen Überlebenskämpfen und Nickligkeiten, und die große Tragik dieser menschenverachtenden Haft immer nur quasi durchschimmert oder im Hintergrund mitschwingt.

  • Heute habe ich mir "Nichts als dEie Nacht" von John Williams aus der Onleihe geladen, ein kleines Buch (Novelle) mit nur 110 Seiten.

    Bis jetzt (habe ein Drittel gelesen) nichts weiter als die penibel genaue Schilderung eines Tages im Leben eines jungen, offenbar gut situierten Nichtstuers (jedenfalls tut er bisher nichts). Im Hintergrund baut sich ein düsteres Familiengeheimnis auf, das sicher noch enthüllt werden wird; irgendwas mit dem Vater. Der Vater heißt interessanterweise Hollis Maxley (in "Stoner" heißt der Gegenspieler der Hauptfigur Holly Lomax).

  • "Nichts als die Nacht" kann man in einem Tag lesen, es ist nur etwas über hundert Seiten lang. Allerdings literarisch nicht gerade ein großer Wurf. Die Perlentaucher-Kritiken, die ich wohlweislich erst hinterher gelesen habe, bestätigen dies. Ein Erguss eines zornigen jungen Mannes mit Adjektivitis. :S

  • Ich lese gerade ebenfalls ein sehr schmales Bändchen, das schon ziemlich lange bei mir liegt und wartet gelesen zu werden: "Verdrehte Zeit" von Wlodzimieres Odojewski. Der Protagonist, ein Bibliotheksangestellter aus Warschau, wird auf traumwandlerische Art mit großen, verdrängten Schuldgefühlen die ihn seit seiner Zeit im Warschauer Widerstand belasten konfrontiert. Bin ca. bei der Hälfte und bisher ist alles recht nebulös, nicht uninteressant aber schon sehr verworren.


    "Unrast" oder "Der Gesang der Fledermäuse" von Olga Tocarczuk stehen bei ir auch noch auf der inneren Leseliste, weiß noch nicht welche ich davon anpacke. Die Autorin interessiert mich auf jeden Fall auch.

    "Lesen stärkt die Seele" (Voltaire)

  • Ich lese gerade ebenfalls ein sehr schmales Bändchen, das schon ziemlich lange bei mir liegt und wartet gelesen zu werden: "Verdrehte Zeit" von Wlodzimieres Odojewski. Der Protagonist, ein Bibliotheksangestellter aus Warschau, wird auf traumwandlerische Art mit großen, verdrängten Schuldgefühlen die ihn seit seiner Zeit im Warschauer Widerstand belasten konfrontiert. Bin ca. bei der Hälfte und bisher ist alles recht nebulös, nicht uninteressant aber schon sehr verworren.


    "Unrast" oder "Der Gesang der Fledermäuse" von Olga Tocarczuk stehen bei ir auch noch auf der inneren Leseliste, weiß noch nicht welche ich davon anpacke. Die Autorin interessiert mich auf jeden Fall auch.

    Das Buch von Wlodzimierz Odojewski habe ich seinerzeit auch gelesen. Es ist mir als sehr intensives, aber auch rätselhaftes Buch in Erinnerung. Bis zum Schluss war mir nicht recht klar, ob es sich um reale Begebenheiten handelte oder nur um eine Phantasie des Erzählers? Trotzdem habe ich das Buch in guter Erinnerung.


    Zu Olga Tokarczuk: Der Gesang der Fledermäuse ist so eine Art Ökokrimi, das liest sich leichter als "Unrast", wobei ich trotzdem "Unrast" für das wesentlich bedeutendere (und auch bessere Buch) halte.

  • Aufgrund einer Empfehlung lese ich "Vox" von Christina Dalcher, eine Dystopie, der eine Machtübernahme religiöser Fundamentalisten zugrunde liegt mit dem Ansatz, Frauen komplett aus dem öffentlichen Leben zu vertreiben. Obwohl die Autorin offenbar großen Wert darauf legt, im einzelnen nachzuzeichnen, wie es zu dieser irren Diktatur kommen konnte, bleibt das Ganze undurchsichtig - vermutlich eher auf die US-amerikanische Gesellschaft zugeschnitten - und erschöpft sich in Darbietung krasser Szenen.

    Den Höhepunkt jener Diktatur stellt das Verdikt dar, dass Frauen und auch bereits kleine Mädchen nicht mehr als hundert Worte pro Tag sprechen dürfen, sonst bekommen sie von einer die Worte zählenden Apparatur am Handgelenk Stromstöße verpasst. Daher der Titel; den Frauen wird die Stimme genommen. Die kleine Tochter der Erzählerin ist derart in der Spur, dass sie die hundert Worte sogar unterbietet. Ihr Mann liebt das System zwar nicht gerade, läuft aber in der Masse mit, während sich die Söhne bereits zu "Tigerjungen" im Sinne Orwells entwickeln und die Mutter als stumme Bedienerin betrachten.


    Aber es kommt natürlich alles irgendwann anders und plötzlich ist das Fachwissen der Erzählerin , einer promovierten Linguistin, unentbehrlich. Sie bekommt Sonderrechte und die Gelegenheit, das System zu unterlaufen. Ich habe bisher ein Drittel gelesen.

    Die Grundidee ist natürlich nicht schlecht, aber sprachlich ist der Roman sehr schlicht und ich habe nach diesem Drittel eigentlich schon genug, obwohl angeblich noch ein paar Überraschungen warten.

  • Ich habe mich gleich an die letzte Woche erschienenen Himmerlandsgeschichten von Jensen gemacht, den Folgeband der Erzählungssammlung "Himmerlandsvolk".


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    Nun kann ja ein Buch, das damit beginnt, wie die alte Schmiede-Kirsten beim Wurststopfen anlässlich des Weihnachtsschlachtens davon erzählt, was der jungen Martine einst in der Johannisnacht auf der Heide widerfuhr, nicht ganz schlecht sein... Und in der Tat sind das wieder so hinreißende, witzige, berührende und teilweise auch sehr traurig-bewegende Geschichten von den Menschen aus dem Himmerland, mit so viel Zuneigung erzählt, aber auch mit Humor und ohne jegliche verklärende Weichzeichnerei. Ach, man möchte, dass es nie aufhört...

  • Erzählungen und Novellen von Stefan Andres.

    Nachdem ich es vor einigen Jahren mal erfolglos mit seinem "Knaben im Brunnen" versucht habe, nun ein zweiter - deutlich glücklicherer - Versuch.

    Der Autor wurde seinerzeit viel gelesen, ich bin auf ihn in einer Literatursendung vom HR (Literatur im Kreuzverhör) aufmerksam geworden.

    Es gibt in seinem Werk eine starke Verwurzelung in der moselländischen Landschaft und ihren Menschen. Für mich gewissermaßen ein unbekanntes literarisches Terrain...

  • Im Januar habe ich im Ordner "Neuzugänge" erzählt, dass ich mir aus einem Offenen Regal "Der Sommer ohne Männer" von Sri Hustvedt mitgenommen hatte, ohne recht zu wissen, was mich da erwartet.

    Heute abend habe ich es angefangen und auf einen Sitz das erste Drittel gelesen, ich mochte gar nicht mehr aufhören. Die Erzählerin, eine Literaturprofessorin über 50 (im Lauf des Textes gibt es immer wieder Anspielungen auf Dichter/innen wie Shakespeare, Emily Dickinson, D.H. Lawrence, aber auch Trakl und Rilke werden zitiert) hat sich von ihrem Mann getrennt, der sich eine Jüngeren zugewandt hat, und ist in einen Wohnkomplex gezogen, in dem auch ihre eigene Mutter, eine Neunzigerin, lebt. Sie verbringt ihre Zeit abwechselnd mit ihrer Mutter und deren ebenso steinalten Freundinnen und einer Gruppe von dreizehn- bis vierzehnjährigen Mädchen, die sie in einem Lyrikkurs unterrichtet - d.h. ihr Alltag ist geprägt von den Erinnerungen, die jene jungen Mädchen in ihr wecken, und der Ahnung des bevorstehenden Alters. Ganz großartige Literatur, ich bemerke fast auf jeder einzelnen Seite ein Wiedererkennens-Gefühl, als sei hier in Worte gegossen, was ich bereits irgendwie geahnt habe.

  • "Das Muster" von Dieter Forte, das ist der erste Band der Tetralogie der Erinnerung. Bisher ein Schnellkurs durch die Geschichte der Seidenweber, Liest sich ganz gut. Da Dieter Forte 2019 gestorben war, hatte ich mir vorgenommen mal was von ihm zu lesen und die Kritiken in diesem Faden waren auch ganz positiv, wenn ich mich recht erinnere.


    Gruß, Lauterbach

  • "Das Muster" von Dieter Forte, das ist der erste Band der Tetralogie der Erinnerung. Bisher ein Schnellkurs durch die Geschichte der Seidenweber, Liest sich ganz gut. Da Dieter Forte 2019 gestorben war, hatte ich mir vorgenommen mal was von ihm zu lesen und die Kritiken in diesem Faden waren auch ganz positiv, wenn ich mich recht erinnere.


    Gruß, Lauterbach

    Viel Spaß dabei. Ich habe die Trilogie "Das Haus auf meiner Schulter" vor vielen Jahren gelesen und war sehr beeindruckt.

  • "Die Spur des Teufels" von John Burnside. Der Titel - und der Prolog des Buches - geht auf eine Begebenheit zurück, von der ich schon in den Neunzigern in einer Publikation über "rätselhafte Phänomene" gelesen habe. In einem Küstendorf in Devon fiel im Winter 1855 eine große Menge Schnee. Als die Leute morgens aufwachten, fanden sie im Schnee frische Spuren, die aussahen wie von einem zweibeinigen Huftier. Sie zogen sich über -zig Kilometer hin, und zwar ununterbrochen über Wiesen und Straßen, Mauern und Dächer. Es gibt verschiedene Theorien dazu, man kann einiges noch googeln mit dem Suchbegriff "devil's footprints".

    Burnsides Buch ist natürlich kein Mystery-Thriller oder dergleichen, die Teufelsspur ist nur der Aufhänger für den Bericht eines Ich-Erzählers, der von einigen düsteren Geheimnissen seiner Familie berichtet, die bis in die Gegenwart fortwirken. Der erste Teil war sehr spannend und toll zu lesen. Im zweiten Teil nimmt er Erzähler Kontakt zu einer Vierzehnjährigen auf, von der er annimmt, dass sie seine Tochter aus einer Jugendbeziehung sein könnte, und von da ab wurde es für mich zunehmend unangenehm - die merkwürdig schwüle Atmosphäre, die an "Lolita" angelehnt sein könnte, ging mir auf die Nerven. So richtig hat das Buch die Erwartungen, die in der ersten Hälfte geweckt wurden, nicht aufgelöst. Aber es war jedenfalls keine verplemperte Zeit. Burnside ist ein toller Erzähler und kann auf 250 Seiten einen stimmungsvollen Roman darbieten, der bei den meisten anderen Autoren dreimal so lang wäre.

  • Ich habe auf meiner "Klassiker"-Leseliste für dieses Jahr auch drei Nichtklassiker, die ich hinzugefügt habe, um mir selbst ein wenig Druck zu machen - es sind alle drei sperrige Bücher, die man immer gern zugunsten einer leichteren Lektüre nach hinten verschiebt. Eines davon, "Das Urteil am Kreuzweg" von Iain Pears, lese ich nun gerade. Der Roman spielt im Jahr 1663 in England. Ein Gelehrter der Universität Oxford wird ermordet, eine junge Frau wird dafür verurteilt und hingerichtet. Das sehr komplizierte Geschehen - es gibt eine gigantische Intrige im Hintergrund - wird nacheinander von vier Zeugen geschildert.

    Die ersten beiden Zeugenberichte habe ich gelesen, wobei der zweite Bericht den ersten glatt der Lüge zeiht und eine völlig andere Darstellung liefert, und ich nehme an, mit den letzten beiden Berichten wird es nicht anders laufen. Hat man als Leser schon seine Probleme damit, nicht recht zu wissen, was und wem man glauben soll, so kommt noch erschwerend hinzu, dass beide Zeugen (und so gut wie alle handelnden Männer, denn außer der Angeklagten und deren Mutter kommen Frauen nicht vor) mehr oder minder unsympathisch sind. Besonders der zweite Zeugenbericht strotzt vor abstoßender Selbstgerechtigkeit.

    Ich habe das Buch vor mehr als zehn Jahren schon mal gelesen, aber außer der beschriebenen Grundstruktur alles vergessen.

  • Ich habe den Pears ausgelesen - noch hundert Seiten mehr, und ich hätte es vermutlich nicht durchgestanden. Immerhin war der letzte der vier Tatzeugen, Anthony Wood, in gewisser Weise ein Lichtblick.

    Um noch ein wenig in Old England zu verweilen, lese ich jetzt "Der Junker von Ballantrae" von Stevenson. Das ist vergleichsweise eine Erholung, jede Seite ein Lesevergnügen.

  • Ich habe das Buch von Ian Pears vor vielen Jahren gelesen und erinnere mich vage daran, dass es mir je länger je besser gefiel... Einen Bedarf nach einer Re-Lektüre sehe ich bei mir allerdings nicht. Was hat Dich bewogen, das Buch jetzt noch einmal zu lesen?

  • Ich hatte in Erinnerung, dass es am Schluss so etwas wie ein "Wunder" gab (vielleicht erinnerst Du Dich daran) und eine insgesamt versöhnliche Wendung. Das Problem bei dem Buch ist, für mich jedenfalls, dass sich der richtige Lesegenuss tatsächlich erst recht spät einstellt. Ich hatte mir das Buch damals gekauft, weil es als "wie von Umberto Eco" beworben wurde. Der erste Teil geht noch; der Erzähler Marco da Cola ist zwar, wie fast jeder Mann, der in dem Buch vorkommt, ein aufgeblasener ehrpusseliger Gockel, aber sei's drum, seine Schilderung der Oxforder Gesellschaft, in die er als Venezianer scheinbar zufällig hineingerät, ist jedenfalls amüsant (die Szene, als er Groves Auge behandelt, ist mir ins Gedächtnis eingegraben). Der zweite Erzähler James Prestcott ist einfach nur ein grässlicher Mensch. Ich glaube, als ich mir das Buch damals gekauft habe, habe ich zweimal im Prestcott-Kapitel abgebrochen.

    Der dritte Erzähler, der Mathematiker und Kryptograph John Wallis, war demgegenüber eine Erholung, obwohl auch er zeitweilig völlig verblendet schien von religiöser Überhebung und der Sorge um seine Reputation. Vielleicht liegt es an mir, ich kann drei geballte Dosen männlicher Selbstgerechtigkeit hintereinander nur schlecht ertragen. Es ist ja ein Leitmotiv aller drei Zeugenberichte, dass sie, jeder in seiner Weise, für Sarah Blundy nur Verachtung übrig haben. (Das Personal des Buches zählt zu Dutzenden, und alle, alle außer Sarah Blundy und ihrer Mutter - wobei letztere auch nur eine Nebenrolle spielt - sind Männer.)

    Erst der letzte Zeuge Anthony Wood hat, wie schon erwähnt, einiges gerade gerückt, und er ist auch der einzige, der zu einer selbstkritischen Reflexion seiner Beobachtungen und Motive imstande war.
    Aber vermutlich ist gerade das eines der Themen des Romans, dass man immer das sieht, was man sehen will. Was ich nicht recht verstanden habe, ist das endgültige Schicksal Sarah Blundys. Anthony Wood lässt das mit sehr vagen Worten in der Schwebe - vielleicht auch, um sie zu schützen, wer weiß?
    Ich will nicht sagen, dass es ein schreckliches Buch ist. Über weite Strecken ist es wirklich hochinteressant, aber ich bin doch froh, es jetzt durch zu haben.


    Noch ein persönliches Wort zu meinen Re-read-Plänen: Das letzte Jahr war ja wegen meiner drei Fuß-OPs ein sehr statisches, was sich auch in meiner Leseliste niederschlägt; ich habe fast fünfzig Bücher mehr gelesen als im Jahr davor. Das hat mich ermutigt, die Regale durchzusehen und gezielt ein paar "Klötzchen" herauszusuchen, die ich mir nochmal zu Gemüte führen möchte.
    Wie es jetzt aussieht, wird das laufende Jahr auch nicht bewegter als das letzte - nicht nur für mich persönlich ... Auf meine Leseliste bin ich bisher stolz. Fast alles richtig gute Bücher.