Fundstücke

  • Nicht für jeden Link, jeden Hinweis oder jedes Zitat lohnt ein eigenes Thema. Also probier ich's mal mit einer Sammelstelle für Fundstücke zur (klassischen) Literatur, damit ich den Youtube-Link zum Literaturhaus Halle irgendwo unterbringen kann ;-):


    Wer schreibt der bleibt!? - Vergessene Dichter Sachsen-Anhalts. Heinrich August Julius Lafontaine.


    Rund 75 Minuten über August Julius Lafontaine, eingestreut sind Lesungen aus Schmidts Lafonaine-Dialog und natürlich auch aus Lafontaine selbst


    Das ist imho alles ganz reizvoll und wissenswert – aber lesen muss man Lafontaine trotzdem nicht …

  • Katharina Raabe und Olga Radetzkaja - Der narcissistic turn im neuen Turm zu Babel? Gespräch Olga Radetzkaja und Katharina Raabe - Essay
    Seit dem "narcissistic turn" verlangt jede Gruppe, durch Sternchen oder Unterstriche in ihrem Sosein respektiert zu werden. Es sind keine anonymen Mächte, die diese neuen Gepflogenheiten einführen. Die Verantwortlichen sitzen in Geschäftsleitungen und Redaktionen. Aber ist es nicht so, dass literarische Texte einen Widerstand gegen die an gruppenspezifischen Empfindlichkeiten ausgerichteten Ansprache-Formeln entwickeln, eben weil Literatur potenziell mit allen spricht? Wortwechsel einer Lektorin und einer Übersetzerin.


    [Kein echtes Fundstück im wörtlichen Sinne, da es sich um einen Essay aus dem täglichen Newsletter des Perlentaucher handelt, aber insofern doch ein Fundstück, da dieses in meinen Augen äußerst kluge Gespräch himmelweit aus den zahllosen Schriften zu diesem Thema herausragt. Ich wünsche diesem Gespräch eine große Leserschaft und hoffe, dass es den einen oder anderen zum Nachdenken bringt, weg von der im Text angesprochenen "Gefühlssache" (und dem damit verbundenen, schnellen Beleidigtsein), hin zu kritischen Diskussionen. Auch mich befällt ein Unbehagen beim Lesen "neuer" Texte und ich teile die Befürchtung, dass Sprache etwas von ihrer verbindenden Kraft einbüßen könnte bzw. schon geschwächt wurde.

    Meine Hochachtung vor den beiden Damen. Insbesondere großen Respekt vor den weitsichtigen und kritischen Aussagen Olga Radetzkajas, die meines Erachtens das im Diskurs geforderte, kritische Sprachbewusstsein an den Tag legt. Ich wünschte mir, es gäbe mehrere dieser Stimmen, die die Debatte auf diesem Niveau führen würden.]

  • "Glück ist etwas mit Käse Überbackenes""


    ...ließ Terézia Mora den Helden ihrer Kopp-Trilogie in deren drittem Teil, "Auf dem Seil", denken. Abgesehen davon, dass ich das auch ohne in der Lage eines Darius Kopp zu sein ganz gut nachvollziehen kann: die Schilderung, wie sehr die Gedanken eines Menschen in prekärer Lebenslage um die erhoffte nächste Mahlzeit kreisen, gehört zu den subtilen Vorzügen dieses Buchs.

  • Das erinnert mich an die Serie der Schweden Sjöwall/Wahlöö um das Team mit Kommissar Martin Beck, die erste "Schwedenkrimi"-Serie. Nachdem Martin Beck von seiner Frau geschieden war, hatte er eine Freundin, deren Namen ich vergessen habe, aber es gehörte zu ihren besten Eigenschaften, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit stand: "Ich mach uns was zu essen, ja? Was Überbackenes." Egal was sie zubereitete, es war immer überbacken.

  • Ich weiß nicht, ob der Link funktioniert (ich hab ihn via Twitter bekommen), aber versuchen kann man es ja:


    Deutschland entsorgt seine Literatur

    Ein Notruf: Wo sind die lesergerechten Ausgaben der Literatur vor dem zwanzigsten Jahrhundert?

    Von Wolfgang Matz


    Er beschreibt die desolate Situation, dass auf dem dt. Buchmarkt (anders als etwa in Frankreich) keine Werkausgabe der klassischen Literatur mehr gibt (und wohl auch nicht mehr geben wird). Es gibt lediglich hier und da mehr oder weniger gelungene Einzelausgaben, aber Werkausgaben, wie es sie etwa bei Hanser oder Winkler mal gab, existieren praktisch nicht mehr.

  • Das Ganze fing ja schon viel früher an, als "mindere" Poeten wie Immermann oder Börne verschwanden, als Ausgaben wie solche, die bei Reclam, dem Bibliographischen Institut oder Meyer erschienen, nicht mehr verkauft werden konnten, weil das Bildungsbürgertum irgendwann zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg abhanden gekommen war und niemand mehr sich solche Reihen in den Bücherschrank stellte, um damit angeben zu können. In den romanischen Ländern hat Bildung nach wie vor einen anderen Stellenwert und man kennt und hegt seine literarischen Klassiker.


    Es bleibt nur das Antiquariat; jedes ist froh, wenn eine Klassiker-Werkausgabe über den Verkaufstisch geht. Selber annehmen wollen auch die kaum mehr welche, weil es an InteressentInnen fehlt.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Vielen Dank fürs Teilen!

    Ein sehr treffender Artikel, leider.

    Ich hatte vor einiger Zeit einen kleinen Austausch mit einem Verleger der Winkler-Reihe über dieses Thema. Der Reihencharakter war der Anspruch und um Ausgaben wie beispielsweise die 4 Bände von Rousseau, die damals umfangreichste deutschsprachige Ausgabe, und viele weitere Reihen immer lieferbar zu halten, musste durch erfolgreiche Autoren quersubventioniert werden. Es wurde viel versucht, aber letztlich sei dieser Ansatz, von Ausnahmen abgesehen, irgendwann “kaum mehr auf verlegerisch tragbare Resonanz” gestoßen. So ging es auch Manesse, Hanser usw.


    Diese Haltung, also “sich nicht einfach auf die bestgehenden Titel zu beschränken”, sei heute nicht mehr existent, “das Kriterium lautet Auswahl”.


    Auch wenn es antiquarisch immer noch genügend Auswahl gibt, kann es Mühe und vor allem viel Geld kosten, sich die im Artikel genannten Ausgaben zu vervollständigen. Die Preise sind meiner Beobachtung nach in den letzten Jahren deutlich nach oben gegangen (Ausnahmen bzw. Schnäppchen sind mit Glück immer zu machen), einige der genannten Reihen sind zum Spekulationsobjekt geworden.


    Was die unbezahlbaren, kritischen Ausgaben angeht, fiel mir das kürzlich erst bezüglich Arthur Schnitzler auf. Die Arthur-Schnitzler-Gesellschaft macht hier sehr deutlich auf die teils haarsträubenden Fehler in beliebten Ausgaben aufmerksam:

    https://www.arthur-schnitzler.…sche-ausgabe/neu-edition/


    Gleichzeitig sind die Preise der historisch-kritischen Ausgabe mit bis zu 400€ pro Band nur für Institutionen bezahlbar. Immerhin sind online Bände frei zugänglich.

  • Ich sehe die digitale Sicherung auch nicht als so obsolet an wie der Autor des interessanten Artikels - vielen Dank für den Link, giesbert. Es bleibt nur zu hoffen, dass die jeweiligen Interessengesellschaften der klassischen Autoren sich dafür engagieren, dass die großen Ausgaben in digitaler Form seriös gesichert werden.

    Das größere Problem ist, wie sandhofer erwähnt und auch im Artikel steht, dass klassische Literatur keine große Lobby in unserem Lande hat und wir uns nicht in der Breite auf unsere Autoren zurückbeziehen. Mir fällt das immer besonders im Vergleich zu den Briten auf, die sich in ihren Filmen, Serien, in ihrer Musik, allen möglichen anderen kulturellen Äußerungen und natürlich besonders auch der zeitgenössischen Belletristik auch der leichteren Art, immer wieder auf ihre Größen beziehen. Da erschließen sich viele kulturelle Äußerungen erst, wenn man selbst ein bisschen Ahnung von der britischen Literatur hat, und ich merke immer, wieviel mir doch entgeht, weil ich nicht so intensiv dort verortet bin.

    Bei uns passiert das viel seltener, vermutlich, weil die Kulturschaffenden davon ausgehen, dass die wenigsten Leute die Anspielungen verstehen. Ein Teufelskreislauf, der dazu führt, dass auch nicht die Neugier darauf geweckt wird, in die Klassiker zu gucken.


    Was im Moment an den Unis in den Germanistik-Seminaren so getrieben wird, weiß ich leider nicht, aber Kanonpflege wird zumindest nicht in so breit sichtbarer Form betrieben, das sich ein größerer medialer Niederschlag dazu ereignet. Schade!

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Bei uns passiert das viel seltener, vermutlich, weil die Kulturschaffenden davon ausgehen, dass die wenigsten Leute die Anspielungen verstehen.

    Vermutlich eher, weil die so genannten Kulturschaffenden selber keine Ahnung mehr von älterer Literatur haben.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zum Thema Sicherung - die ÖNB (Österreichische Nationalbibliothek) hat sämtliche Bestände gesichert bzw. ist noch immer dabei.

    Da kann man auch online jederzeit reinstöbern.


    https://onb.digital/


    Ich hab mal spaßhalber "Sebastian Brant" als Suchbegriff eingegeben, da kann man z.B. online eine alte Version des Narrenschiffs lesen.

    Es sind da nicht nur Bücher, sondern auch Grafiken, Bilder etc. digitalisiert.


    Dass die Verlage die Bestände sichern denk ich schon, allerdings wahrscheinlich auch nur in digitalisierter Version. Neuerscheinungen kommen meist nur dann, wenn es lukrativ ist, und für ältere Literatur ist die Leserschaft leider zahlenmäßig eine Randgruppe. Bücher erscheinen da meist nur zu den Jubeljahren.


    Ich glaube auch, dass historisch-kritische Ausgaben meist nur für wissenschaftliche Auseinandersetzung relevant sein werden, diese unerschwinglich werden, weil auch die wissenschaftliche Arbeit immer teurer wird.


    An den Unis wird ältere Literatur sicher auch heute noch unterrichtet, die Frage ist welchen Focus das für heutige Studien hat. Da sich die Studienzeit ja nicht verlängert, das literarische Feld von Jahr zu Jahr wächst müssen irgendwo Abstriche gemacht werden. Hinzu kommt, dass meiner Meinung nach mit der Einführung des Bachelor/Master Systems das Niveau generell verflacht.


    Let's hope for the best )

  • Ich glaube auch, dass historisch-kritische Ausgaben meist nur für wissenschaftliche Auseinandersetzung relevant sein werden, diese unerschwinglich werden, weil auch die wissenschaftliche Arbeit immer teurer wird.

    Die war schon immer teuer. Aber heute fällt mehr und mehr der Staat als Mäzen aus. Für eine Historisch-Kritische braucht man also einen potenten Sponsor mit langem Atem. Sieht man aktuell bei denen vom Wallstein-Verlag. Die Merck-Ausgabe, wo dahinter die Merck-Stiftung stand, kam problemlos zu Stande. Die von Brockes oder die Briefe Bürgers stocken, weil zu wenig Geld da ist.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich find ja schon die Idee einer solchen umfassenden Ausgabe und das sich darin manifestierende Selbstverständnis des Bildungsbürgertums eher problematisch, eine staatlich gelenkte / geförderte Edition wie seinerzeit die BDK erst recht – aber schön wäre es vielleicht dann doch, wenn es etwas in der Art gäbe :-).


    Ohne die BDK oder die "Bibliothek der Antike", die ich als Student für kleines Geld gekauft habe, hätte ich viele Klassiker gar nicht lesen können, gegen die Klassiker-Ausgaben aus der DDR war ja selbst Reclam teuer. (Stichwort Reclam: Heute ist ja auch Reclams Universal Bibliothek extrem ausgedünnt und nur noch ein Schatten ihrer selbst. In älteren Bändchen findet man ja immer mal wieder eine Auswahl aus dem Programm, es ist schon sehr erstaunlich, was es da alles gab.)


    Andererseits: Wer Klassiker lesen möchte, hat dank digitaler Verfügbarkeit eine derart riesige Auswahl wie keine Generation vor uns.

    Für eine Historisch-Kritische braucht man also einen potenten Sponsor mit langem Atem

    Eben. Es hat schon seine Gründe, warum gefühlt die meisten historisch-kritischen Ausgaben Ruinen und Stückwerk bleiben.