Krimis für Klassikerfans

  • Da ich nach kurzer Suche keinen entsprechenden Thread gefunden habe, eröffne ich hier mal auf @Zefiras Anregung einen entsprechenden Faden.
    (Falls es so ein Thema doch schon gibt, lieber sandhofer, kleb meinen Thread bitte daran, falls es diese Forumsoftware zulässt.)


    Die meisten von uns hier lesen ja nicht nur Klassiker und Gegenwartsliteratur, sondern greifen auch mal zur Entspannung zur Unterhaltungsliteratur. Und da sind Krimis ja oft das Mittel der ersten Wahl. Deswegen können wir hier vielleicht Empfehlungen zu nicht ganz so blöden und dennoch spannenden und unterhaltsamen Krimis sammeln.

    Ich fang mal mit der Krimireihe von Jörg Maurer an, die inzwischen auf zwölf Bände angewachsen ist, von Band 1: Föhnlage bis zu Band 12: Am Tatort bleibt man ungern liegen.

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    Was ist der Reiz daran?
    Die unglaublich witzigen Einfälle, die virtuose Beherrschung einiger Sprachebenen, der Einsatz echter und gefakter Zitate sowie die satirische Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse im "Kurort" Garmisch-Partenkirchen und das skurile Personal.
    So kommt in jedem Band ein mit der österreichischen und italienischen Mafia verbandeltes Bestatter-Ehepaar vor und auch der Kommissar Jennerwein (sic!) und sein Team sind nicht von der gewöhnlichen Art. Natürlich prägt auch die alpenländische Kulisse die Bände und die Fälle.

    Nachteil: Das, was immer eintritt, wenn man zuviel hintereinander schreibt. Manches läuft sich lahm und manchmal sind auch so einige Handlungsstränge mit der heißen Nadel gestrickt. Aber dennoch macht mir die Lektüre immer Spaß, eben auch wegen des Sprachwitzes und der durchschimmernden Belesenheit des Autors, der immer wieder alles Mögliche aus der Kultur- und Geistesgeschichte für seine Fälle und satirischen Scherze verwurstet.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    3 Mal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Jetzt wird mir Jörg Maurer innerhalb einer Woche schon zum zweiten Mal empfohlen. Ich habe mir eben eines seiner Bücher bei der Onleihe reserviert. Allerdings muss ich etwas darauf warten.

    Obwohl ich relativ viele Krimis lese, die meisten übrigens aus der Onleihe, fällt mir keine Krimiserie ein, die ich uneingeschränkt empfehlen könnte. Ich mag Henning Mankell und Michael Robotham, aber auch bei diesen beiden ist der Standard nicht immer gleich hoch. Robothams letztes war eine Enttäuschung, ich habe es nicht mal ausgelesen.

    Sehr gern lese ich die Serie der Norwegerin Karin Fossum über den Kommissar Konrad Sejer. Ihre Bücher haben eine gepflegte Sprache, psychologischen Tiefgang und (meistens) Raffinesse und gute Ideen. Das allererste von ihr, das ich gelesen habe, hieß "Stumme Schreie" (für die albernen Titelübersetzungen kann die Autorin nichts, der Originaltitel heißt übersetzt "Geliebte Poona".) Der Roman beginnt damit, dass ein norwegischer Vertreter für Landmaschinen, ein einfacher, etwas linkischer Mann, in einem Indienurlaub die Kellnerin Poona kennen lernt und sich in sie verliebt. Die beiden beschließen zu heiraten; sie soll nach Norwegen kommen. Ausgerechnet an dem Tage, an dem er sie am Flughafen abholen will, hat seine Schwester einen schweren Unfall und liegt im Koma; er muss zu ihr in die Klinik. Er schickt ein Taxi zum Flughafen, um die ahnungslose Poona abzuholen, aber der Fahrer findet sie nicht, sie hat sich bereits allein auf den Weg gemacht. Kurz bevor sie das Haus ihres Bräutigams (in einer kleinen Gemeinde) erreicht, wird sie ermordet. Ich fand das so entsetzlich tragisch und bewegend geschildert, dass ich die Autorin im Auge behalten und mir nach und nach alle ihre Bücher gekauft habe bis auf zwei, die mir noch fehlen.

    Ich möchte gern noch auf ein paar Bücher hinweisen, die nicht als Krimi verkauft werden, aber eine Krimihandlung zum Gegenstand haben und die mir sehr gut gefallen:


    [kaufen='https://www.amazon.de/Die-schwarzen-V%C3%B6gel-Maarten-Hart-ebook/dp/B00ARD68OC/ref=sr_1_5?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=2I8RJOO97CLD8&keywords=maarten+t%27haart&qid=1582817492&s=books&sprefix=Maarten+%2Cstripbooks%2C1076&sr=1-5'][/kaufen]


    Maarten ’t Hart : Die schwarzen Vögel

    Es geht um eine verschwundene Frau - sehr spannend und stimmungsvoll.


    [kaufen='https://www.amazon.de/Verk%C3%A4ufer-Roman-Joseph-OConnor/dp/3596149967/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=o+connor+der+verk%C3%A4ufer&qid=1582817731&s=books&sr=1-1'][/kaufen]


    Joseph O'Connor: Der Verkäufer

    Ein irre spannender "Psycho" über eine Entführung und einen Rachefeldzug - ich weiß nicht mehr, ob überhaupt ein Mord darin vorkommt. Der Autor ist übrigens, wenn ich mich richtig erinnere, ein Cousin der Sängerin Sinead O'Connor.


    [kaufen='https://www.amazon.de/Engelsgift-Roman-Susanne-Ayoub/dp/345500220X/ref=sr_1_5?qid=1582817918&refinements=p_27%3ASusanne+Ayoub&s=books&sr=1-5&text=Susanne+Ayoub'][/kaufen]


    Susanne Ayoub: Engelsgift

    Man braucht für diesen Roman, der eine Reihe Giftmorde zum Thema hat, einen starken Magen. Es ist keine leichte Kost. Aber von einer grandiosen Erzählerin geschrieben.


    Übrigens kenne ich auch einige Krimis, die richtig gute Milieustudien sind. Dazu zählen zB das berühmte "Gone Girl" von Gillian Flynn - es ist zwar ein Bestseller, aber es sind ja nicht alle Bestseller automatisch schlecht -, "Geschehnisse am Wasser" von der Schwedin Kerstin Ekman, "Die Umarmung des Todes" von der Japanerin Natsuo Kirino ... Über letzteres ist hier in der "Zeit" eine sehr informative kurze Rezension.

  • Hallo Zefira


    Schreibst Du bitte noch in Deinem Beitrag in Klartext AutorIn und Buchtitel hin? Auf den kleinen Thumbnails ist es schwierig, das zu erkennen. (Leute, die sich den Text vorlesen lassen (müssen), haben so sogar gar keine Information.) Danke!

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Von Jennerwein habe ich mittlerweile die ersten 10 gelesen. Immer wieder gut. Und erstaunlich, mit welch neuen Ideen Maurer bei jedem Buch daherkommt. Und wie er die teilweise so weit auseinander liegenden Erzählfäden am Ende immer wieder zusammenbringt.

    Aber mein absoluter Favorit ist Commissario Montalbano von Andrea Camilleri. Jeder Band wird beim Erscheinen sofort verschlungen. Bei Montalbano geht es nicht unbedingt nur um die Kriminalfälle. Das sizilianische Umfeld und besonders das Essen sind mit Hauptpersonen der Handlung. Und nicht zu vergessen Catarella. Ein einfacher Polizist von einfachem, freundlichem Gemüt mit ein paar "Besonderheiten" (mehr wird nicht verraten, dass muss man einfach lesen).

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Aber mein absoluter Favorit ist Commissario Montalbano von Andrea Camilleri. Jeder Band wird beim Erscheinen sofort verschlungen. Bei Montalbano geht es nicht unbedingt nur um die Kriminalfälle. Das sizilianische Umfeld und besonders das Essen sind mit Hauptpersonen der Handlung. Und nicht zu vergessen Catarella. Ein einfacher Polizist von einfachem, freundlichem Gemüt mit ein paar "Besonderheiten" (mehr wird nicht verraten, dass muss man einfach lesen).

    Besonders als Catarella der Computerspezialist wird ... . Ich mag die Krimis auch, allerdings nur in homöopathischen Dosen, so hintereinanderweg kann ich die nicht lesen.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • "Die Saat" von Fran Ray fand ich ganz gut gemacht. Es beginnt mit einen spektakulären Mord und nach und nach verschwinden potentielle Kontaktperson bei den Nachforschungen. Die Nahrungsmittelindustrie scheint Ihre Finger im Spiel zu haben, zum Ende wird das Ganze aber mit einer überraschende Wende aufgelöst.

  • Ich finde "den Augenzeugen" von Alain Robbe-Grille noch empfehlenswert. Auf einer Insel ereignet sich ein Unfall oder ein Mord, bei dem ein Mädchen stirbt. Ein mysteriöser Handelsvertreter für Armbanduhren ist zufällig auf der Insel während dieses Vorfalls. Die Anwohner gehen von ein Unfall aus, der Handelsreisende hat aber plötzlich Erinnerungslücken an den Vortag und versucht krampfhaft sich ein Alibi zurechtzulegen. Das ganze ist etwas undurchsichtig und wird auch nicht aufgelöst, ob es ein Unfall oder ein Verbrechen war. Gab es ein Verbrechen oder hat sich das vermeintliche Verbrechen nur im Kopf des Vertreters abgespielt? Eine ungewöhnliche aber hochspannende Konstellation.

  • Ich habe jetzt alle Bände der Leonidas-Witherall-Serie von Phoebe Atwood Taylor gelesen. Ein Gelehrter aus der amerikanischen Mittelschicht, der wie Shakespeare aussieht, stolpert in einer Kleinstadt regelmäßig über eine Leiche. Die Polizei kann er nicht einschalten, da er selbst von Anfang an allen Verdacht auf sich vereint. So muss er wohl oder übel den Fall selbst lösen. Was ihm im Allgemeinen innerhalb eines Tages mit der Hilfe einiger Sidekicks jedes Mal gelingt. Humorvoll. Skuril. Unbedingt empfehlenswert!

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Ich experimentiere gerade mit Hörbüchern und habe mir die Librivox-App geholt, die im Vergleich zur Webseite überraschen übersichtlich ist und viele nützliche Zusatzfunktionen zum verwalten und abspielen der Hörbücher hat und zusätzlich auch noch eine Spezialfunktion zum Stöbern/Entdeckten von neuen/unbekannten Hörbüchern bietet.


    Über die App habe ich diesen Krimalroman von Dietrich Theden entdeckt, den ich gerade höre.


    https://librivox.org/menschenhasser-by-dietrich-theden/


    Hier noch die Zusammenfassung der Sprecherin zum Inhalt


    Zitat


    Hunter, ein Deutsch-Australier kehrt nach langen Jahren als reicher, aber verbitterter Mann nach Berlin zurück, erfährt über Umwege, dass seine Ex-Ehefrau die zwei gemeinsamen Kinder wahrscheinlich umgebracht hat und beschließt, deren Tode zu rächen. Dazu schleicht er sich unter fremden Namen in den bizarren Haushalt der zickigen Frau und ihren geizigen Kauz und Neu-Ehemann ein, lernt deren unterdrückte Tochter und ihren Verlobten kennen, und beschließt, den beiden unglücklichen jungen Leuten gegen den Willen der Eltern den Weg zu ebnen. Doch dabei muss er mit der Niedertracht seiner Exfrau rechnen ... ein mörderischer Abgrund aus Geiz und Gier tut sich vor ihm auf.



    Menschenhasser ist der berühmteste Kriminalroman von Diedrich Theden. - Summary by Ramona Deininger-Schnabel

  • Ich habe Gefallen gefunden an dem Psychokrimi "Meine Schwester, die Serienmörderin" von Oyinkan Braithwaite. Der Roman spielt in Lagos (Nigeria). Die Erzählerin Korede, eine Krankenschwester, ist fleißig und energisch, privat aber von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt, wenn sie sich mit ihrer Schwester Ayoola vergleicht. Ayoola ist die reinste Wunderfrau, derart schön und charismatisch, dass sie schlechthin keinen Mann kalt lässt; sie hat Ambitionen, ist Youtuberin, Influencerin und wer weiß was noch. Und wie Korede berichtet, ist sie eine Mörderin - zu Beginn des Romans eine dreifache, somit (stellt Korede trocken fest) als Serienmörderin qualifiziert. Korede, seit langem gewohnt, ihre Schwester zu beschützen, erweist sich als tüchtige Tatortreinigerin.

    Der Roman beginnt in knappem Erzählstil, galgenhumorig bis zynisch, vergleichbar vielleicht mit der frühen Ingrid Noll. Im Fortgang machen sich jedoch Zweifel breit. Wie zuverlässig ist Koredes Bericht eigentlich? Die Rückblenden in ihre Kindheit mit dem tyrannischen Vater sind kleine Meisterstücke einer Schilderung, die sich aus Zwischenräumen zusammensetzt wie ein Lattenzaun. Das Buch hat m.E. viel mehr Tiefe, als der flapsige Titel (und einige Rezensionen) vermuten lassen.

  • Das klingt ja echt spannend und vielleicht mal ein authentischerer Blick in die moderne Welt Afrikas als die vielen auf Exotik bauenden Afrika-Romane von Europäern.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich habe "Das Mädchen" von Edna O'Brien gelesen, darin geht es um die Entführung und Versklavung nigerianischer Mädchen durch die Terrorgruppe Boko Haram. Danach den o.g. Krimi, der im Vergleich zu O'Briens Buch in einer völlig anderen Welt zu spielen scheint.

    Jetzt habe ich "Americanah" von Chimamanda Ngozi Adichie vor, Hauptfigur ist wieder eine Nigerianerin, die in Princeton mit Stipendium studiert und später in die Heimat zurückkehrt. Das ist nun ein Buch, das explizit Rassismus zum Thema hat, was für "Meine Schwester, die Serienmörderin" nicht gilt. Aber es (alo der Krimi) ist schon eine interessante Milieustudie. Ayoola betätigt sich als Modebloggerin, bedient Youtube und Instagram, alles wirkt sehr "modern". Doch die Familienverhältnisse, die die Erzählerin Korede beschreibt, wirken auf mich so archaisch wie Zulutänze vor der Lehmhütte. =O

  • Wurde eigentlich schon Die Wahrheit über den Fall D. genannt? Ein Krimi von Fruttero & Lucentini, es geht um Dickens’ letzten, unvollendeten Roman "Edwin Drood". Der Dickens-Text wird kapitelweise in den Roman gemischt, drumherum gibt's dann eine Krimihandlung. Ich hab’s als sehr amüsant und pfiffig in Erinnerung, aber mehr weiß ich davon nicht mehr ;-).


    Und dann gibt es da noch die Krimis von M. J. Trow zu Inspector Lestrade, bei dem das Holmes-Muster umgedreht wird: Lestrade ist ein genialer Inspector bei Scotland Yard, dem dauernd von dem Stümper Sherlock Holmes reingepfuscht wird. Lustig.


    Ach ja, Holmes: Da gibt es mit Sherlock Holmes und das Geheimnis des weißen Bandes einen ziemlich guten Holmes-Krimi von Anthony Horowitz, der von den Doyle-Erben offiziell abgesegnet wurde. Ich kenn nur das Hörspiel, aber das hat mir sehr gefallen.


    Die drei wunderbaren "postmodernen" Agatha-Christie-Pastiches um die Krimi-Autorin Evadne Mount von Gilbert Adair hab ich glaub ich schon mehrfach hier empfohlen? Mord auf ffolkes Manor: eine Art Kriminalroman, Ein stilvoller Mord in Elstree und Und dann gab's keinen mehr. In der Reihenfolge. Wenn einem der erste Fall gefällt, dann gefallen einem auch die beiden anderen. Bd 2 funktioniert imho nur mit Bd 1, Bd 3 nur mit 1 & 2.

  • Wurde eigentlich schon Die Wahrheit über den Fall D. genannt? Ein Krimi von Fruttero & Lucentini, es geht um Dickens’ letzten, unvollendeten Roman "Edwin Drood". Der Dickens-Text wird kapitelweise in den Roman gemischt, drumherum gibt's dann eine Krimihandlung. Ich hab’s als sehr amüsant und pfiffig in Erinnerung, aber mehr weiß ich davon nicht mehr ;-).

    Oh, das habe ich seinerzeit sehr genossen. Die Rahmenhandlung war wirklich witzig, sie spielte in einer Konferenz zur Vollendung unvollendeter Werke, bei der in verschiedenen Arbeitsgruppen Musiker, Maler und Schriftsteller große Fragmente der Weltgeschichte vollenden sollten. Wenn ich mich richtig erinnere, traten dabei auch bekannte Figuren aus der Literaturgeschichte auf, etwa Porphyrij Petrowitsch, der Detektiv aus 'Schuld und Sühne', und Hercule Poirot und versuchten dann gemeinsam, den Fall des Edwin Drood zu lösen.