August 2012: Theodor Fontane: „Stine“


  • Für mich ist Pauline eine der interessantesten Frauencharaktere des späten Fontane.


    Na ja, darauf hat Fontane ja selber immer wieder hingewiesen. Z.B. in folgendem Knittelvers in einem Widmungsexemplar:


    „Will Dir unter den Puppen allen
    Grade „Stine“ nicht recht gefallen,
    Wisse, ich finde sie selbst nur so so,


    Aber die Witwe Pittelkow!
    Graf, Baron und andere Gäste,
    Nebenfiguren sind immer das Beste,


    Und einmal soll sich Fontane geäußert haben: „Die Pittelkow ist mir als Figur viel wichtiger als die ganze Geschichte.“. Solche Sätze kann man natürlich nur richtig einordnen, wenn man weiß, dass Fontane in der Pittelkow vermutlich die Mutter eines seiner unehelichen Kinder charakterisiert hat.

  • Hallo montaigne,


    der Begriff "Prostituierte" verweist im modernen Sprachgebrauch auf eine Person, die sich für Geschlechtsverkehr bezahlen lässt. Auf die Figuren Fontanes trifft dies beileibe nicht zu. Wenn es sexuell anstößige Passagen in dem Werk des Berliner Schriftstellers gibt (wie etwa in Irrungen, Wirrungen), dann ist die Empörung bei den Zeitgenossen dementsprechend groß. ;)


    Doch bei Fontane geht es eher um die Gespielinnen der Adeligen. Sowohl der alte Graf Haldern als auch sein Neffe vergnügen sich, in der Tradition der Maitressen-Wirtschaft, mit einer Witwe und einem Fräulein aus dem einfachen Volk. Dass diese Besuche keine Orgien darstellen, liegt auch in den strengen Moralvorstellungen der Zeit begründet. Doch bereits die Tatsache, das eine junge Witwe neue Gäste empfängt, gilt bei den Zeitgenossen der Gründerzeit als anstößig genug.


    LG


  • Melanie lebt in einer Ehe und ist ihrem Ehemann zehn Jahre lang treu und auch von ihrem späteren Geliebten wird sie nicht bezahlt. Da käme mir der Begriff Prostituierte niemals in den Sinn.


    Hallo Montaigne,


    mir kommt der Begriff "Prostituierte" weder bei Pauline noch bei Melanie in den Sinn. Und auch Pauline wird ihrem "Ollen" treu sein, oder?


    Fest steht, dass beide ihre Beziehungen wegen der materiellen Sicherheit eingingen, nur dass man diese Beziehung bei Melanie "Ehe" nennt.


    Gruß
    Klaus


  • der Begriff "Prostituierte" verweist im modernen Sprachgebrauch auf eine Person, die sich für Geschlechtsverkehr bezahlen lässt.


    Zustimmung, und genau das lese ich im Falle der Witwe zwischen den Zeilen. Klar ist ja wohl, dass der alte Graf für den Lebensunterhalt seiner "Königin der Nacht" aufkommt. Glaub' nur nicht, das tut er um dort ab und zu mal eine Party zu feiern. Und das Baby um das sich Olga kümmert, wird ja auch nicht vom Himmel gefallen sein


  • mir kommt der Begriff "Prostituierte" weder bei Pauline noch bei Melanie in den Sinn. Und auch Pauline wird ihrem "Ollen" treu sein, oder?


    Fest steht, dass beide ihre Beziehungen wegen der materiellen Sicherheit eingingen, nur dass man diese Beziehung bei Melanie "Ehe" nennt.


    Natürlich ist Pauline dem Grafen treu, aber doch nur weil er ausreichend bezahlt. Ob Melanie die Ehe nur wegen der materiellen Sicherheit eingegangen ist weiß ich nicht, außerdem besteht ein Unterschied zwischen Ehe und Nichtehe.


    Nun gut, wir sind hier unterschiedlicher Meinung und ich möchte das Thema nicht weiter vertiefen.

  • Hallo montaigne,


    sowohl Karamzin als auch Dir stimme ich in der grundsätzlichen Frage dazu, dass die Witwe Pittelkow der Protagonistin Stine schon fast ebenbürtig ist. Zu Beginn des Romans entsteht der Eindruck, als konzentriere sich die Handlung auf diese Nebenfigur und ihre Tochter Olga. Erst im weiteren Verlauf stellt sich die Namenspatin dieses Romans als eigentliche Protagonistin heraus.


    Allerdings sollte man m.E. bei Zeugnissen Fontanes über sein Oeuvre vorsichtig sein. Gedichte eines Verfassers über das eigene Werk stellen eine Form der 'Autorinszenierung' dar. Der Schriftsteller nimmt nun die Rolle des Kommentators ein, der seine eigene Erzählung in eine bestimmte Richtung lenkt. Man kann dies als eine Art Spiel zwischen dem Autor und seiner Leserschaft deuten.


    Ein gutes Beispiel für eine solche Inszenierung stellt das Epigramm von Heinrich von Kleist über seine Novelle dar, in der eine sexuelle Übergriffsszene durch den wohl berühmtesten Gedankenstrich der deutschsprachigen Literatur angedeutet wird:


    Die Marquise von O ...


    Dieser Roman ist nicht für dich, meine Tochter. In Ohnmacht!
    Schamlose Posse! Sie hielt, weiß ich, die Augen bloß zu.


    Das Vertrauen in den Autor kann verwerflich sein. ;)


  • bei Fontane wiederholen sich die Entwürfe der Figuren so, dass sie teilweise auch austauschbar wirken. Die Protagonistin Stine erinnert doch stark an die Romanfigur Lene aus Irrungen, Wirrungen, während sich der Graf Haldern als alter ego von Botho deuten lässt


    Natürlich war „Stine“ als Pendant zu „Irrungen Wirrungen“ angelegt und es gibt auch Übereinstimmungen, aber nicht umsonst hat Fontane an „Stine“ sehr viel länger gearbeitet, austauschbar sind die beiden Paare keineswegs. Lene und Botho sind ein gesundes Liebespaar die einen glücklichen Sommer erleben und dann untragisch auseinander gegen, wie das damals sicher vielfach geschehen ist. Waldemar ist da viel weiter als Botho, er nimmt die Standesunterschiede nicht als gegeben hin und versucht zumindest dagegen anzukämpfen, wenn er den Kampf auch noch verliert. Dietrich Bode schreibt über Waldemar: und ich bin geneigt dem zuzustimmen


    „Dieser junge Offizier, der sagt: „Ich bin krank und ohne Sinn für das, was die Glücklichen und Gesunden ihre Zerstreuung nennen“, und der dann gleich darauf „von nichts als von der Schönheit“ eines Sonnenuntergangs „hingenommen „ ist, dieser feinnervige und todesselige Waldemar stellt schon gleichsam einen Übergang zu Thomas Mann und zur Dekadenzthematik der Jahrhundertwende dar.“


  • sowohl Karamzin als auch Dir stimme ich in der grundsätzlichen Frage dazu, dass die Witwe Pittelkow der Protagonistin Stine schon fast ebenbürtig ist.
    Das Vertrauen in den Autor kann verwerflich sein.


    Ich z.B. habe in solchen Fällen überhaupt kein Vertrauen in einen Autor, weshalb ich auch der Meinung bin, dass in „Stine“ die Männer viel besser gezeichnet sind als die Frauen. Schon der spatzenbeobachtende Baron und der liberale Graf, der aber nur liberal ist so lange es nicht die eigene Familie betrifft finde ich sehr gut getroffen, aber unübertrefflich ist der junge Graf der noch kurz vor seinem Freitod folgendes aus Don Carlos zitiert:


    [i] Unser Kranker sog das alles in vollen Zügen ein, Duft und Melodie: »Wie lange, daß ich nicht so frei geatmet habe. ›Königin, das Leben ist doch schön‹ – unsterbliches Wort eines optimistischen Marquis, und ein pessimistisches Gräflein plappert es ihm nach.«


  • Ein gutes Beispiel für eine solche Inszenierung stellt das Epigramm von Heinrich von Kleist über seine Novelle dar, in der eine sexuelle Übergriffsszene durch den wohl berühmtesten Gedankenstrich der deutschsprachigen Literatur angedeutet wird:


    Die Marquise von O ...


    Dieser Roman ist nicht für dich, meine Tochter. In Ohnmacht!
    Schamlose Posse! Sie hielt, weiß ich, die Augen bloß zu.


    Vielleicht sollten wir mal den Begriff „Gedankenstrich“ definieren. Ich jedenfalls habe in deinem Zitat nichts gefunden, was meinen Vorstellungen von einem Gedankenstrich auch nur entfernt entspricht.
    :breitgrins:

  • Einige haben oben die Technik Fontanes mit der Kameraführung in einem Film verglichen. Tatsächlich schwenkt die Kamera nach dem sechsten Kapitel von der Wohnung der Witwe Pittelkow, wo man teils ausgelassen, teils nachdenklich den Abend beendete, im siebenten Kapitel hinüber in die Stube Stines.


    Ich bringe jetzt doch einmal das Bild, das mir regelmäßig in den Sinn kam. Andere können sagen, dass es überhaupt nicht ihrer Vorstellung von Stine entspricht. Aber ebenso, wie der Schriftsteller im Innern ein Bild seiner Gestalten vor Augen hat - Vita activa - so dürfte sich auch bei den meisten Lesern eines einstellen.
    Man könnte auch einwenden, dass es nun überhaupt keine "germanische Blondine" wiedergibt. :zwinker:


    http://myweb.rollins.edu/aboguslawski/Ruspaint/troplace.html


    Sicher gibt es Leser, die von vornherein analytisch an ein Kunstwerk herangehen und sich nicht von ihren Assoziationen treiben lassen. Dieser Eindruck stellt sich mir beim Lesen vieler Diskussionsbeiträge hier ein.


    Jetzt tritt Waldemar in Erscheinung, den Pauline mit ihrer Menschenkenntnis als


    "Ein armes, krankes Huhn"


    bezeichnet hat. Damit hebt sie ihn deutlich von den verlebten älteren Gestalten des Grafen und des Barons ab.
    Ihre Menschlichkeit steht haushoch über moralisierenden Vorwürfen.


    Jetzt nimmt die Stille zu (na ja, schiefes Bild), über die wir uns schon unterhalten haben:


    "Und still und ohne Begegnung wie der erste Tag schien auch der zweite vergehen zu wollen."


    Die "niedergehende Sonne hing schon tief zwischen den zwei Türmen des Hamburger Bahnhofs". Das bedeutet, dass wir jetzt von der Invalidenstraße aus nach Westen blicken, in dem die Sonne "unterzugehen" scheint.


    (Alter Witz, den ich mal in Berlin gehört habe: Die beiden Berliner an der Adria: "Allet wat recht is, in Sachen Sonnenuntergang sin se uns über" :zwinker:)



    Bei Waldemars Erscheinen im dritten Stock des Hauses, in dem Pauline und Stine wohnen, setzt sofort ein anerzogener und verinnerlichter Abwehrmechanismus bei Stine ein:


    "Das geht nicht, Herr Graf. Ich bin allein, und ein alleinstehendes Mädchen muß auf sich halten."


    Wohl noch nie in ihrem jungen Leben hat sie wohl einen solchen Besuch eines jungen Mannes bekommen, der nur ihr galt. Des Standesunterschiedes zu einem Grafen ist sie sich sofort bewusst. Es steht keine namenlose Gestalt aus dem "Zauberflöten"-Spiel vor ihr, sondern ein "Herr Graf".

  • aber im 4. Kapitel muss es doch auch bei dir geklingelt haben:
    »Da hat er recht. Ist es eine Reise nach dem Mond oder in den Mittelpunkt der Erde?«


    Dein Beispiel ist aber weder aus der Musik noch aus der Malerei. Und natürlich, diese Anspielung habe ich verstanden.


    Ich bin übrigens noch nicht weiter gekommen mit dem Buch, finde eure Diskussionen aber sehr interessant, vor allem da ich Pauline nie mit dem Begriff Prostituierte in Verbindung bringen würde.


    Katrin

  • Das Erscheinen Waldemars beunruhigt Stine. Zunächst versucht sie ihm klarzumachen, dass sie sich entsprechend den Moralvorstellungen ihrer Zeit "gut hält":


    "... aber ich bin ein ordentliches Mädchen".


    (Vielleicht kommt auch jemandem Goethes Gedicht "Vor Gericht" in den Sinn, in dem die Angeklagte betont, dass sie dennoch "ein anständiges Mädchen" sei.)


    Wenige Sekunden darauf vergleicht sie die ihr verbleibenden Möglichkeiten mit der Situation Paulines, und redet damit höchstwahrscheinlich zum ersten Mal mit einem Menschen darüber, den sie noch gar nicht richtig kennen kann, zu dem sie jedoch Zutrauen gefasst hat:


    "... ich will mich lieber mein Leben lang quälen und im Spital sterben als jeden Tag alte Herren um sich haben, bloß um Unanständigkeiten mit anhören zu müssen oder Anzüglichkeiten und Scherze, die vielleicht noch schlimmer sind."


    Verräterisch für die zunehmende Gereiztheit Stines ist dieses "jeden Tag", das ja nun so auf Paulines Lebenswandel nicht zutrifft. Einem solchen angenommenen "Alltag" hat sie nur ein ganzes übriges Leben in Qual als Alternative entgegenzusetzen.


    Die Anzüglichkeiten und Scherze in dem "Zauberflöten"-Spiel waren von seiten des alten Grafen zum Teil nur barer moralisierender Unsinn, der mit dem humanistischen Gehalt der "Zauberflöte" gar nichts zu tun hatte. Pauline ärgerte sich, dass sie die Anspielungen nur halb verstand, die sie auf sich und ihre Lebenslage bezog. Wanda hingegen legte moralischen Protest gegen einen Mißbrauch der "Zauberflöte" durch den alten Grafen ein, die für Unfug herhalten sollte (Wanda, die "an ganz unmotivierten Anstands- und Tugendrückfällen" zu leiden schien).


    In diese Richtung geht die Deutung in:


    Thomas Grimann: text und prätext. Intertextuelle Bezüge in Theodor Fontanes "Stine". Würzburg 2001, S. 66.

  • montaigne hat dankenswerterweise unter den "Leserunden-Materialien" den Link zu einem Artikel gebracht, in dem versucht wird, die literarische Figur der Witwe Pittelkow mit der unehelichen Geburt eines von Fontane gezeugten Kindes in Verbindung zu bringen:


    http://www.uni-bielefeld.de/li…e/fontane/uebersicht.html


    Vieles ist darin nachdenkenswert; bei etlichen Deutungen als mögliche Indizien ist man freilich auf Vermutungen angewiesen.


    "Und schließlich ist auch noch an die sehr detaillierte Beschreibung ihrer Wohnung zu denken, für die zumal ein altes Ölporträt, das einen "polnischen oder litauischen Bischof" zeigt, und zwei "jämmerliche Gipsfiguren", eine Polin und ein Pole in Nationaltracht, als ungewöhnlich ins Auge fallen.35) Als Zeugnisse polnischer Nationalkultur passen beide Stücke nämlich weit besser in das einst mit der polnischen Krone verbundene Sachsen als in das strikt protestantische und antipolnische Berlin, wo sie zu Zeiten des Kulturkampfes fast schon Protestsignale gewesen wären."


    Diese Passage, die ich zum Zeitpunkt meines kleinen Ausfluges in den Bereich der Polen-Motive noch nicht kannte, überzeugt mich jedoch nicht so recht.
    Zum einen ist der Hinweis auf die sächsisch-polnische Personalunion 1697-1763 unter den beiden August aus dem Hause Wettin (und der Regentschaft König Friedrich Augusts I. von 1807 bis 1812 im Großherzogtum Warschau, könnte man hinzufügen) im Zusammenhang mit dem Dresdener Wohnort der möglichen Kindesmutter zu weit hergeholt.


    Zum anderen sind die Romane Fontanes voller Hinweise auf die gerade in Berlin verbreitete Polenfreundschaft, auch wenn sie, wie "Schach von Wuthenow" im Jahr 1806 oder "Vor dem Sturm" 1808 spielen. Der konfessionelle Aspekt war hier nachgeordnet, entscheidend dürften vielmehr die Freiheitsliebe der polnischen Aufständischen, die sich in Holteis "Altem Feldherrn" niederschlug, die gemeinsame Sehnsucht nach einem einigen Nationalstaat und die demokratische anti-absolutistische Haltung gewesen sein.


    Es gibt auch einen gedruckten Ausstellungskatalog:


    (als mittel-älterer Uhu = unter Hundert, orientiere ich mich vergleichsweise eher vorwiegend an Büchern, als im Internet)


    http://www.verein-museum-europ…n.de/fih-beschreibung.htm

  • Hallo Montaigne,
    vielen Dank für die Links. Ich werde sie gleich in meinem Favoritenordner "Fontane" speichern.


    Erika

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8


  • [Ich bin übrigens noch nicht weiter gekommen mit dem Buch


    Hallo Zusammen!


    Das stellt sich bei mir ganz anders dar. Mich hat der kleine Roman so gepackt, dass ich ihn Sonntag Nacht in einem Zug durchgelesen habe. Ja, der „alte“ Fontane kann richtig spannend schreiben. Natürlich werde ich das Buch noch nicht zur Seite legen, sondern mich weiter mit den u.a. von Karamzin gelegten Spuren beschäftigen.


    LG


    montaigne

  • Gestern abend habe ich in Bezug auf „Stine“ noch etwas in Seilers „Fontanes Berlin“ und in Nünrbegers „Fontanes Welt“ geblättert und dabei gelesen, dass es an der Invalidenstrasse nicht nur eine Kaserne sondern auch mehrere Exerzierplätze gab (, so dass Emil von Schwartzkoppen seine Soldaten – oder muss das jetzt Schwartzkoppenen heißen – dort täglich mehrmals vorbei kamen). Interessant fand ich, dass einer der Exerzierplätze Grützmacher hieß. Die Schauspielerin nach einem Truppenübungsplatz zu benennen finde ich von Fontane nicht sehr charmant, aber wahrscheinlich der Wahrheit entsprechend und deutet möglicherweise darauf hin, dass Wanda und ev. auch ihre Freundin Pauline sich doch nicht nur mit einem Freier begnügten?


    Ich fand dann noch den Hinweis, dass Wanda ja literaturhistorisch auch nicht unbelastet sei – kann mir da jemand auf die Sprünge helfen? Mir fällt da spontan nur die Witwe Wanda von Dunajew aus „Venus im Pelz“ ein.


  • Wenige Sekunden darauf vergleicht sie die ihr verbleibenden Möglichkeiten mit der Situation Paulines, und redet damit höchstwahrscheinlich zum ersten Mal mit einem Menschen darüber, den sie noch gar nicht richtig kennen kann, zu dem sie jedoch Zutrauen gefasst hat:


    [i]"... ich will mich lieber mein Leben lang quälen und im Spital sterben als jeden Tag alte Herren um sich haben, bloß um Unanständigkeiten mit anhören zu müssen oder Anzüglichkeiten und Scherze, die vielleicht noch schlimmer sind."


    Verräterisch für die zunehmende Gereiztheit Stines ist dieses "jeden Tag", das ja nun so auf Paulines Lebenswandel nicht zutrifft


    Ob das „jeden Tag“ auf Paulines Lebenswandel zutrifft, wissen wir nicht. Von Pauline erfahren wir ja nur was im Zusammenhang mit der Geschichte von Stine und Waldemar interessant ist. Vielleicht ist das ja ein Hinweis darauf, dass es in Paulines Leben noch mehr gibt als den alten Grafen und sie jeden Tag alte Herren empfängt?


  • Im Berliner Dialekt wird den Familiennamen gerne ein -en angehängt, besonders wenn sie im Dativ oder Akkusativ stehen. Also Schwarzkoppen seine statt die Arbeiter von Schwar(t)zkopff.


    Danke, für den Grammatikunterricht. Das ist ja nun wirklich nicht meine Stärke. Vielleicht kannst du mir auch noch erklären warum es dann nicht „Borsigen seine“ heißt, also warum Schwarzkoppen seine, aber Borsig seine?


  • Das Erscheinen Waldemars beunruhigt Stine. Zunächst versucht sie ihm klarzumachen, dass sie sich entsprechend den Moralvorstellungen ihrer Zeit "gut hält":


    "... aber ich bin ein ordentliches Mädchen".


    (Vielleicht kommt auch jemandem Goethes Gedicht "Vor Gericht" in den Sinn, in dem die Angeklagte betont, dass sie dennoch "ein anständiges Mädchen" sei.)


    Im Zusammenhang mit Stine hab’ ich nicht daran gedacht, aber in der Art wie Stine ihre Schwester Pauline verteidigt drängt sich das Gedicht gerade zu auf und natürlich noch mehr mit Paulines Vorbild.


    http://www.textlog.de/18464.html