Ich lese jetzt sehr langsam und halte mich schon lange mit dem 8.HPT auf. Hat noch niemand aufgeholt? In dem Tempo wird der Hesperus wohl noch Weihnachten auf mein müdes Haupt strahlen ...
Zwei Texte sind von modernen Autoren, von Doderer(Dämonen) und Nabokov(Ada), einer von Jean Paul(Hesperus, 3.Hundposttag). Welcher? :zwinker:
Von JP ist das mittlere Zitat, dazu paßt auch das folgende aus dem 7. HPT:
»Herr Emanuel sagte einmal, man sollte den Kindern in jedem Jahre ihre vergangnen erzählen, damit sie einmal durch alle Jahre durchblicken könnten bis ins zweite neblichte hinein.« Bei den anderen kann ich nur raten: Doderer Nr.1, Nabokov Nr.2 ? Aber die Ähnlichkeit der Bilder ist schon frappierend.
Bzgl. der sentimentalen Schwärmerei bzw. dem Freundschaftskult: ich hab's auch anfangs wie Finsbury für sehr übertrieben gehalten, es macht aber bestimmt auch Sinn, sie für Satire zu nehmen, da kenn ich zu wenig den Zeitgeist dieser Jahre.
Und immer wieder herrliche Passagen, z.B. über Viktors Sabbatwochen, da möchte ich eine ganze Seite zitieren und sie am liebsten jedem streßgeplagten Zeitgenossen vorlesen:
...denn in diese Wochen fielen gerade seine stillen oder Sabbatwochen ein...
Ich weiß nicht, ob sie der Leser schon kennt: sie stehen nicht im verbesserten Kalender; aber sie fallen regelmäßig (bei einigen Menschen) entweder gleich nach der Frühling-Tag- und Nachtgleiche oder in den Nachsommer.
Bei Viktor war das erste, gerade mitten im Frühling. Ich brauch' es nicht auszumitteln, ob der Körper, das Wetter, oder wer diesen Gottesfrieden in unserer Brust einläute: sondern schreiben soll ichs, wie sie aussehen, die Sabbatwochen. Ihre Gestalt ist genau diese: in einer stillen oder Sabbatwoche (manche, z. B. ich, werden gar nur mit Sabbattagen oder -stunden abgefertigt) schlummert man erstlich leicht wie auf gewiegten Wolken – Man erwacht wie ein heiterer Tag – Man hatte sich abends vorher gewiß vorgenommen und es deswegen in Chiffern an die Türe geschrieben, sich zu bessern und das Jätemesser alle Tage wenigstens an ein Unkraut-Beet anzusetzen – Beim Erwachen will mans noch und setzet es wirklich durch – Die Galle, dieser aufbrausende Spiritus, der sonst, wenn er, statt in den Zwölffingerdarm, in das Herz oder Herzblut gegossen wird, mit Wolken aufsiedet und zischt, wird in wenigen Sekunden eingezogen oder niedergeschlagen, und der erhöhte Geist fühlt ruhig das körperliche Aufwallen ohne seines – In dieser Windstille unserer Lungenflügel spricht man nur sanfte, leise Worte, man fasset liebend die Hand eines jeden, mit dem man spricht, und man denkt mit zerfließendem Herzen: ach ich gönnte euchs allen wohl, wenn ihr noch glücklicher wäret als ich – Am reinen gesunden stillen Herzen schließen sich, wie an den homerischen Göttern, leichte Wunden sogleich zu – »Nein!« (sagst du immerfort in der Sabbatwoche) »ich muß mich noch einige Tage so ruhig erhalten.« – Du verlangst zum Stoff der Freude fast nichts als Dasein, ja der Sonnenstich einer Entzückung würde diesen kühlen magischen durchsichtigen Morgen-Nebel in ein Gewitter verdichten – Du siehst immerfort hinauf ins Blaue, als möchtest du danken und weinen, und umher auf der Erde, als wolltest du sagen: »Wo ich auch heute wäre, da wäre ich glücklich!« und das Herz voll schlafender Stürme trägst du, wie die Mutter das entschlummerte Kind, scheu und behutsam über die weichen Blumen der Freude.
Solche Abschweifungen sind herrlich zu lesen, bei anderen langweilt es mich aber auch und ich bin froh, dass der Autor, nachdem er selber schon angekündigt hat, in drei Minuten wieder bei der Geschichte zu sein, in gefühlten dreißig endlich dort anlangt.
Klaus