welche Pflichtlektüre in den 70ern?

  • Ich erinnere mich an.


    Brecht, Mutter Courage u.a.
    Walser, Die Zimmerschlacht
    Frisch, Herr Biedermann und die Brandstifter
    Schiller, Die Räuber



    das war aber alles keine Plicht sondern Kür, und das war das Beste daran in den Zeiten des Aufruhrs.

  • Ende 70er, Anfang 80er:


    Jakob Wassermann: Das Gold von Caxamalca
    Schiller: Die Jungfrau von Orleans
    Schiller: Wallenstein (alle drei Teile)
    Schiller: Wilhelm Tell
    Goethe: Iphigenie auf Tauris
    Goethe: Faust I und II
    Kleist: Prinz Friedrich von Homburg
    Hölderlin: Der Tod des Empedokles
    Hölderlin: Hyperion
    Hauptmann: Der Biberpelz
    Hauptmann: Die Weber
    Novalis: Heinrich von Ofterdingen
    Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts
    Büchner: Woyzeck
    Büchner: Lenz
    Horvath: Jugend ohne Gott


    ... und noch weiteres. Im Prinzip aus jeder Literaturepoche etwas.

  • In der BRD ist das ja von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich:


    z.B. Rheinland-Pfalz:


    Max Frisch: Biedermann und die Brandstifter
    Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig
    Siegfried Lenz: Deutschstunde



    z.B. Baden-Württemberg_


    Gerhard Hauptmann: Bahnwärter Thiel
    Kleist: Das Erbeben in Chili
    Schiller: Wilhelm Tell
    Max Frisch: Andorra



    Bis auf Siegfried Lenz „Deutschstunde“ habe ich alles mit Begeisterung gelesen. Die „Deutschstunde“ habe ich aber, obwohl Abithema nicht zu Ende gelesen und dies auch bis heute, trotz mehrerer Versuche, nicht geschafft, obwohl imo Lenz ein lesenswerter Schriftsteller und die „Deutschstunde“ ein wichtiger Roman ist. Vielleicht sollte ich es mal in einer Leserunde probieren?


  • Moin, Moin!



    Auch so ein Vergessener...



    "Der Fall Maurizius" wurde als Fernsehserie in den 70igern oder 80igern gezeigt (ich erinnere mich noch, dass Heinz Bennent den Staatsanwalt spielte) und MRR hat vor einigen Monaten kurz über Wassermannin in FAZ-online geschrieben.

  • Eine Oberstufe in Hessen, 1973-1976, ich erinnere mich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, an


    Deutsch: Goethe, Faust I und II; Schiller: Wallenstein; Sartre: Geschlossene Gesellschaft; Beckett, Warten auf Godot


    Englisch: Shakespeare, Julius Caesar oder Macbeth (in unserem Falle Julius Caesar); Pinter: Tea Party.


    Das ganze fand noch im Klassenverband statt. Zum Oberstufenprogramm gehörten im mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig drei Wochenstunden Englisch und fünf Wochenstunden Deutsch.

  • Hallo zusammen!

    Jaja, schon richtig. Sonst wäre es Huis Clos gewesen...



    Könnte schon hinkommen. Meine Schwester hat Sartre auch im Deutschunterricht behandelt, allerdings nicht in den 70ern, sondern in den 90ern...



    Oh, solche Dinge glaube ich sofort. Ich wollte ja auch nicht meinen Unglauben ausdrücken, sondern eigentlich mein Entsetzen. Ich weiss, dass es lange üblich war, womöglich auch heute noch üblich ist, sog. "Klassiker der Weltliteratur" im Deutschunterricht zu behandeln. Mit der renitenten Frage des Lehrers: "Wo, wenn nicht hier?" Ich weiss es nicht, lieber Lehrer. Wenn deine Schule kein Französisch anbietet oder nur mickriges, und keinen Leistungskurs (oder Freifach oder was immer) "Weltliteratur" - dann halt gar nicht. Bevor ich die Nase in die weite Welt halte und naseweis werde, sollte ich zuerst einmal im Eigenen sattelfest sein. Natürlich hatten Sartre oder Beckett Einfluss auf dieses eigene. Aber "Tauben im Gras" oder "Ehen in Philppsburg" oder "Seelandschaft mit Pocahontas" wären wichtiger. Um nur mal mehr oder weniger in derselben Epoche zu bleiben.

    Grüsse

    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich denke, die "Seelandschaft" würde wegen einiger recht deftiger Kopulationen immer noch auf gewisse Bedenken stoßen. :zwinker: Ich fürchte, sogar der Ausruf

    Zitat

    Atheist? - Allerdings!

    könnte noch das eine oder ander Empören hervorrufen. Und wer könnte schon mit den literarischen Anspielungen bis hinauf zu Jean Paul überhaupt etwas anfangen?


    Im Rückblick hast Du sicher recht, namentlich aus Sartre ist die Luft doch spürbar gewichen. Aber in der Wahrnehmung in der 1. Hälfte der 70er waren eben nicht Schmidt, Köppen (oder gar Thelen) relevant, sondern Sartre, Camus, Beckett, Böll, Grass, Enzenzberger, Walser, Frisch und Dürrenmatt. Und natürlich gab es subkulturell die Brechtologen, die Hesse-Sekten, die Burroughs-Gangs etc. pp.

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  • Bevor ich die Nase in die weite Welt halte und naseweis werde, sollte ich zuerst einmal im Eigenen sattelfest sein. Natürlich hatten Sartre oder Beckett Einfluss auf dieses eigene. Aber "Tauben im Gras" oder "Ehen in Philppsburg" oder "Seelandschaft mit Pocahontas" wären wichtiger. Um nur mal mehr oder weniger in derselben Epoche zu bleiben.


    :klatschen: :klatschen: :klatschen: :klatschen:


    Viermal klatschen, einmal für die grundsätzliche Einstellung und je einmal für die erwähnten drei Romane.


  • Im Rückblick hast Du sicher recht, namentlich aus Sartre ist die Luft doch spürbar gewichen. Aber in der Wahrnehmung in der 1. Hälfte der 70er waren eben nicht Schmidt, Köppen (oder gar Thelen) relevant, sondern Sartre, Camus, Beckett, Böll, Grass, Enzenzberger, Walser, Frisch und Dürrenmatt. Und natürlich gab es subkulturell die Brechtologen, die Hesse-Sekten, die Burroughs-Gangs etc. pp.


    Wenn ich Sandhofer richtig verstanden habe und meistens verstehe ich ihn, dann hat er eben nicht gemeint, dass im Deutschunterricht die relevanten Autoren zu lesen seien, sondern dass französische Autoren nicht im Deutschunterricht zu behandeln sind und man im Deutschunterricht sich auf deutschsprachige Autoren beschränken soll – und da muss ich ihm absolut Recht geben. Und wenn einem Deutschlehrer Schmidt und Köppen nicht liegen, dann kann er ja Walser und Böll lesen, sollte sich aber fragen, ob er den richtigen Beruf gewählt hat, und außerdem bin ich der Meinung, ein Schüler der Kleists Novellen nicht kennt, der braucht gar nicht zu wissen, dass auch die Franzosen gute Literatur verfasst haben (und damit meine ich ganz gewiss nicht Sartre).[Achtung Provokation]

  • Zitat

    und außerdem bin ich der Meinung, ein Schüler der Kleists Novellen nicht kennt, der braucht gar nicht zu wissen, dass auch die Franzosen gute Literatur verfasst haben (und damit meine ich ganz gewiss nicht Sartre).[Achtung Provokation]


    Auf den Novellisten Kleist lasse ich auch nichts kommen. Abgesehen davon: der Deutschlehrer damals stand gewiss nicht im Verdacht der Francophilie - es war ein älterer Herr, dessen verklärter Blick hauptsächlich auf Goethe ruhte; ein Anthroposoph, womit er glücklicherweise niemanden unter uns infizierte. Die "Geschlossene Gesellschaft" hatte er vermutlich unter Nachfragegesichtspunkten ausgewählt. Thema war, wenn ich mich recht erinnere, hauptsächlich das Kontrastieren früherer und moderner Dramatik.

  • In der Mittelstufe und auch später in der Oberstufe hatten wir viel Brecht gelesen, was mich, da ich seine Dramen sehr mochte, dazu veranlaßte, nach Bochum ins Theater zu fahren, und mir
    die Stücke anzuschauen.


    Ich denke heute ist Brecht wohl völlig out, zumindest in der Schule.


    Gruß, Lauterbach


    P.S. Auch andere DDR Literatur lasen wir in der Oberstufe, z.B. Volker Braun, Der mit den neuen Leiden.

  • Bei uns wurde im Leistungskurs Deutsch auch vereinzelt Weltliteratur in den Unterricht einbezogen. Im Semester zum Thema Theater/Dramatik lasen wie u.a. Shakespeare. Nun kann man dessen Stücke in der Schlegel/Tieck'schen Übersetzung ja problemlos zu den Deutschen Klassikern zählen - aber auch dessenungeachtet ergibt die Einbeziehung seiner Stücke in einen Literaturkurs Deutsch in der gymnasialen Oberstufe durchaus Sinn.


    Mit Arno Schmidt hat man uns glücklicherweise nicht traktiert. Dazu war unser Deutschlehrer dann doch zu gut. :breitgrins: