Beiträge von ikarus

    Hallo zusammen


    Ich weiß nicht, wie´s euch geht, aber mir gefällt das 2. Buch des Don Quijote wesentlich besser als das Erste. Man merkt, daß Cervantes in den 10 Jahren, die zwischen beiden Büchern liegen, schriftstellerisch gereift ist. Die Figuren sind viel lebendiger und menschlicher. Vor allem Sancho Pansa. Er trottet jetzt nicht mehr nur auf seinem Esel hinter Don Quijote her, sondern diskutiert mit ihm, macht Vorschläge und spielt in manchen Kapiteln sogar die Hauptrolle. Auch Don Quijote hat sich sehr verändert. Er überlegt mehr, anstatt einfach blindlings drauflos zu schlagen. Als Sancho ihm die Bauernmädchen als Burgfräulein verkaufen will, macht sich dieser eher selbst lächerlich. Ganz zu schweigen von dem Baccalaureus und Sanchos Nachbar, die sich mit ihrer Spiegelritter-Nummer regelrecht zu Narren machen. Auch schwingt er keine großen Reden mehr, sondern zieht das Zwiegespräch, z. b. mit dem "Ritter vom grünen Mantel", vor. Don Quijote redet zwar immer noch davon, auf der Suche nach Abenteuern zu sein, aber zunehmend habe ich den Eindruck, daß er eher seine Ruhe will. Er scheint mir müde geworden und melancholisch.


    Ich komme nun zum 19. Kapitel. Wie weit seit ihr denn?


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo alexandra


    Herzlich willkommen hier im Forum. Es freut mich, daß Du mit uns gemeinsam ein Buch lesen möchtest. Welches das Nächste sein wird, steht allerdings noch nicht fest. Wir sind momentan ja noch mitten im "Don Quijote". Zu gegebener Zeit wird aber wieder über ein neues Buch abgestimmt werden und ich hoffe, Du bist dann dabei. Die Liste mit den Lesevorschlägen hast Du Dir bestimmt schon angeschaut. Neue Vorschläge sind übrigens jederzeit willkommen.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Meine "Quizfrage" war natürlich nicht ganz ernst gemeint. Mir ist nur aufgefallen, daß Sancho Pansos Frau (bis jetzt) 3 verschiedene Namen trägt.


    Im 7. Kapitel des ersten Buches heißt sie "Johanna Gutiérrez". Im 52. Kapitel heißt sie plötzlich "Hanne Pansa" und nun haben wir es mit einer "Teresa Cascajo" zu tun. Das hat mich etwas irritiert. Es ist sicher nicht von Bedeutung und ich denke, daß es sich nur um eine Nachlässigkeit Cervantes´ handelt. Lektoren gab es ja damals wohl noch nicht. Merkwürdig ist es aber schon.


    Dieses 5. Kapitel fand ich auch sehr amüsant. Bei diesem Übersetzer dürfte es sich wohl um Cervantes selbst handeln. Mir kam es so vor, wie wenn er sich von der Geschichte distanzieren und sich für seine Figuren und deren handeln beim Leser fast entschuldigt. So auf die Art: "Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun, ich bin nur der Übersetzer". Das ist wieder dieses Spiel mit den verschiedenen Ebenen und perspektiven, das mich so fasziniert. Wirklich witzig.


    Du hast Recht, Angélique. Cervantes hatte eine uneheliche Tochter Isabel. Ihre Mutter war seine Geliebte Ana Franca de Rojas. Cervantes verschwieg die Existenz des Kindes fast 20 Jahre lang vor seiner Frau und seinen Geschwistern. Erst nach dem Tode von Isabels Mutter und ihres Stiefvaters (dem sie vermutlich als leibliche Tochter untergeschoben worden war) erfuhr das Mädchen, wer ihr wirklicher Vater ist. Cervantes nahm Isabel bei sich in seiner Familie (seine Schwestern wohnten auch mit im Haus) eher widerwillig auf. Seine Tochter muß ihn ihr Leben lang gehaßt haben.


    Ich komme nun zum 7. Kapitel.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo Angélique, hallo JMaria


    Ich war auch überrascht, wie nahtlos die beiden Teile ineinander übergehen. Man sollte nicht meinen, daß zwischen beider Erscheinen 10 Jahre liegen. Und gleich zu Beginn läuft Cervantes zur Hochform auf. Einfach bravourös, wie sich die Ebenen und Perspektiven verschieben. Ich bin jedenfalls kaum noch aus dem Staunen herausgekommen.
    Da hören die Romanfiguren vom Erfolg des ersten Teils und diskutieren somit Ereignisse die sich außerhalb der Romanhandlung ereignen. Die Hauptfiguren erkundigen sich bei einer anderen Romanfigur, wie die Leserschaft über ihre Abenteuer urteilt. Somit wird also auch der Leser zu einer Romanfigur. Sie kritisieren ihren Autor (welchen?) und machen ihm Verbesserungsvorschläge. Sie fragen sich auch, ob es überhaupt einen zweiten Teil geben wird. Hört sich irgenwie kompliziert an, fand ich aber sehr faszinierend zu lesen.


    Eine :?: Quizfrage :?: habe ich noch für euch:


    Wie heißt Sancho Pansos Frau?


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria


    "Baudolino" habe ich leider noch nicht gelesen, so daß ich dazu auch nichts sagen kann. Daß sich Eco aber vom "Don Quijote" hat beeinflussen lassen, kann ich mir vorstellen. Es ist zwar schon länger her, aber als ich "Der Name der Rose" las, meinte ich auch immer, hinter der Krimihandlung etwas verschmitztes und doppelbödiges zu erkennen. Und beim "Don Quijote" ist es genauso. Die Bezeichnung "Schelmenroman" trifft auf jeden Fall zu.
    Die von Dir zitierte Stelle ist aus dem Gespräch zwischen Don Quijote und dem Domherr über die Literatur und das Theater. Dieses Kapitel zeigt auch wieder, daß Don Quijote keineswegs ein Narr, sondern doch ein intelligenter, zu genauer Analyse fähiger Kopf ist.
    Der Link zu "Johannes von Indien" ist zwar interessant, aber für mich sehr mysteriös. Um das irgendwie einordnen zu können, müßte ich wahrscheinlich den "Baudolino" gelesen haben. Aber so kann ich Dir jetzt gar nichts dazu schreiben, sorry.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria


    "Baudolino" habe ich leider noch nicht gelesen, so daß ich dazu auch nichts sagen kann. Daß sich Eco aber vom "Don Quijote" hat beeinflussen lassen, kann ich mir vorstellen. Es ist zwar schon länger her, aber als ich "Der Name der Rose" las, meinte ich auch immer, hinter der Krimihandlung etwas verschmitztes und doppelbödiges zu erkennen. Und beim "Don Quijote" ist es genauso. Die Bezeichnung "Schelmenroman" trifft auf jeden Fall zu.
    Die von Dir zitierte Stelle ist aus dem Gespräch zwischen Don Quijote und dem Domherr über die Literatur und das Theater. Dieses Kapitel zeigt auch wieder, daß Don Quijote keineswegs ein Narr, sondern doch ein intelligenter, zu genauer Analyse fähiger Kopf ist.
    Der Link zu "Johannes von Indien" ist zwar interessant, aber für mich sehr mysteriös. Um das irgendwie einordnen zu können, müßte ich wahrscheinlich den "Baudolino" gelesen haben. Aber so kann ich Dir jetzt gar nichts dazu schreiben, sorry.


    Viele Grüße
    ikarus




    Hallo Angélique


    Mit Deiner Frage nach Cervantes´ Ehe sprichst Du ein sehr rätselhaftes Kapitel an. Er war zwar verheiratet, warum er aber eine Ehe einging ist nicht plausibel zu beantworten. Cervantes war alles andere als ein feuriger spanischer Liebhaber. Frauen gegenüber muß er sehr gehemmt gewesen sein, so daß Liebe und Leidenschaft als Grund für die Ehe fast auszuschließen sind.
    Cervantes heiratete 1584 Catalina de Salazar. Er war damals schon 37 Jahre alt. Für die damalige Zeit also schon ein älterer Herr. Seine Braut war 19. Kinder gingen aus dieser Verbindung aber nicht hervor. Kein Wunder; in den ersten 18 Ehejahren verbrachte Cervantes nur insgesamt 3 jahre bei seiner Frau. Selbst wenn ihn seine Tätigkeit als amtlicher Aufkäufer für die Armada einmal in die Nähe von Esquivias, seinem damaligen Wohnsitz, führte, zog er es vor in Sevilla zu bleiben, anstatt seine Frau zu besuchen. Das Paar kam erst wieder richtig zusammen, als er 56 und sie 37 Jahre alt war. Einige Zeit später traten beide einem Laienorden bei und legten das Gelübde der ewigen Keuschheit ab. Des Geldes wegen konnte Cervantes aber auch nicht geheiratet haben, da Catalina auch aus sehr armen Verhältnissen stammte. Daß die Ehe 32 Jahre lang hielt, ist wohl nur auf den Umstand zurückzuführen, daß eine Scheidung damals völlig unmöglich, ja geradezu unvorstellbar war. Wie gesagt: Eine sehr rätselhafte Ehe.


    Viel Grüße
    ikarus

    Hallo STM


    Schon klar, daß Film anderen dramaturgischen Gesetzen unterliegt wie Literatur. Ich meine aber, daß, wenn ein Film schon als "Literaturverfilmung" bezeichnet wird, der "Geist" bzw. die Atmosphäre der literarischen Vorlage erhalten bleiben sollten. Ich hätte es z. B. im Fall "Name der Rose" treffender gefunden, wenn der Film meinetwegen den Titel "Mord im Kloster" und im Untertitel eine Schriftzeile "Nach Motiven eines Romans von Umberto Eco" getragen hätte.


    Gut, daß Du Kubrik erwähnst. Der war in der Tat eine rühmliche Ausnahme. Vor allem "Shining" ist überaus gelungen.


    Davor: Ich habe es zwar noch nicht ausprobiert, denke aber, es schadet nichts sich "2001 - Odyssee im Weltraum" in berauschtem Zustand anzusehen. Erstens versteht man die Handlung auch nüchtern nicht und zweitens kann ich mir vorstellen, daß die visuelle Kraft des Films (besonders die Szene mit den Farbenspielen) dann erst richtig zur Geltung kommt.


    Danke für den Tipp :lol:


    ikarus

    Hallo miteinander


    Der Autor meiner Cervantes-Biographie, William Byron, beschreibt sehr anschaulich, was eigentlich das "revolutionäre" am Don Quijote ist. Er vergleicht die Bedeutung von Cervantes für die Erzählkunst mit derjenigen von Kolumbus für die Seefahrt und von Kopernikus für die Astronomie.


    Nicht nur, daß der Dialog bei Cervantes in sich stimmig ist, sein Stil klarer, seine Ideen komplexer sind als die anderer Prosaautoren; er eroberte der Prosaliteratur eine vollkommen neue Dimension, er schuf eine neue Erzählstruktur, die mit nur wenigen Änderungen bis heute gilt. Cervantes Entdeckung war höchst einfach und naheliegend - wie die meisten großen Entdeckungen: Er stellte seine Figuren mitten in die Gesellschaft hinein und stattete jede mit einem individuellen Charakter aus, der sie befähigte, mit allen Situationen von sich aus fertigzuwerden. Seine Geschichten sind offen gegenüber den Geräuschen, den Farben und Formen des menschlichen Alltags, den Gewohnheiten und Einstellungen, den Kleidern, dem zufälligen Hin und Her von Menschen in der belebten und bewohnten Welt. Seine Figuren existieren und handeln im Umkreis dieser Realität; ihre Probleme entstammen ihr, die Zufälle greifen verändernd in ihr Leben ein, und sie selber wirken auf diese Welt zurück.
    Diese Wechselbeziehung zwischen fiktiven Charakteren und einer realen Welt erscheint uns heute so selbstverständlich, daß wir uns gar nicht mehr vorstellen können, wie es jemals anders gewesen sein könnte. Aber vor Cervantes spielten sich Erzählungen in einem fast luftleeren Zwischenbereich ab; die Figuren genügten sich selbst, waren ausschließlich befaßt mit dem gedachten Universum, in dessen Rahmen sie handelten. Die reale Welt erschien höchstens in Gestalt eines fernen Gemurmels, das von weit her durch das Fenster eines Bauernhauses drang. Diese Menschen sind wie die Heiligen in einem gotischen Bild: überlebensgroß, nicht eigentlich menschlich, nur durch die hohen und ernsten moralischen Werte, die sie vertraten, vor einem Dasein als Karikaturen bewahrt.
    In Cervantes´ Geschichten dringt die Welt ein; die Figuren können sich gar nicht dagegen wehren, daß die reale Gesellschaft sich in ihr Leben mischt.


    Erst dieser Abschnitt hat mich die Bedeutung des Don Quijote für die Weltliteratur begreifen lassen. Demnach könnte man Cervantes als "Vater des modernen Romans" bezeichnen. Ob sich Cervantes wohl dessen bewußt war? Ich glaube nicht, daß er sich je darüber klar geworden ist, welche Bedeutung sein "Don Quijote" für die Weltliteratur hat.


    Mein TV-Tipp hat zwar nur mittelbar etwas mit unserem Buch zu tun, dürfte aber trotzdem sehr interessant sein: Am Sonntag, 30. Juni 2002, läuft im ZDF um 19.30 Uhr eine Dokumentation über die Seeschlacht von Lepanto. Und dieses Ereignis war ja im Leben von Cervantes von entscheidender Bedeutung.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria



    Zitat

    Es kommt mir wie ein übers Haupt streicheln vor: ALLES WIRD GUT!!


    Das hast Du mal wieder sehr schön ausgedrückt :D


    Ich muß allerdings gestehen, daß mir diese "großen" Gefühle und Leidenschaften manchmal etwas zu viel wurden. Und mir ging es genauso wie Angélique: Daß jede Frau die auftrat immer noch viel hübscher als die vorherigen war, hat mich schon sehr genervt. Trotzdem empfand ich diese Szenen aber nie als kitschig obwohl ich manchmal schon ein Abrutschen der Geschichte befürchtete.
    Du hast wahrscheinlich Recht mit Deiner Vermutung, daß Cervantes für sich auch so viel Liebe und Leidenschaft gewünscht hätte. Die Glücksmomente in seinem Leben waren wirklich sehr rar gesät. Die größte Befriedigung verschaffte ihm schon das Schreiben seiner Theaterstücke und Novellen. Dafür hatte er aber leider stets viel zu wenig Zeit.


    Ich fange dann jetzt mit dem 2. Teil zu lesen an.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Ich bin mit meiner Cervantes-Biographie gerade fertig geworden und muß sagen, daß sie mich sehr angerührt hat. Cervantes´ Biographie ist mit Sicherheit eine der traurigsten und ungewöhnlichsten Schriftstellerbiographien und es ist geradezu ein Wunder, daß unter solchen Lebensumständen so ein Meisterwerk wie der "Don Quijote" entstehen konnte. Ich gebe euch hier mal einen kurzen Abriß:


    1547 in armen Verhältnissen geboren ging Cervantes 1570 zur Armee und wurde im Jahr darauf bei der Seeschlacht von Lepanto, die ein grausiges Gemetzel gewesen sein muß, gegen die Türken schwer verwundet. Unter anderem wurde ihm die linke Hand zerschmettert. Auf dem Weg zurück in die Heimat wurde er von algerischen Korsaren gefangengenommen und kam in die Sklaverei nach Algier. In der Gefangenschaft ist er Initiator mehrerer Fluchtversuche, die sämtlich scheitern und die wie durch ein Wunder keine Konsequenzen für ihn nach sich ziehen obwohl zur damaligen Zeit ein wahrer Schreckensherrscher regiert: "Wenn aber ein Christ auf der Flucht ertappt wurde, dann war die Strafe als Abschreckung für die anderen hart: Augen wurden ausgestochen, Nasen und Ohren abgeschnitten, Geißelungen waren ganz normal, der Fleischerhaken oder langsam brennendes Feuer nichts ungewöhnliches."Die Geschichte des Sklaven im 39. - 41. Kapitel ist in der Tat sehr autobiographisch, wie ihr ja auch schon festgestellt habt. Dort heißt es: "Nur ein einziger Soldat kam gut mit ihm aus, ein gewisser de Saavedra. Obschon dieser vieles gewagt hatte, was lange Jahre im Andenken der Leute dort leben wird, und alles nur, um seine Freiheit zu erringen, so gab der Herr ihm nie einen Schlag und ließ ihm nie einen geben, noch sagte er ihm je ein böses Wort; und doch fürchteten wir, schon für den geringsten all der Streiche, die er verübte, er werde gepfählt werden, und er selbst fürchtete es mehr als einmal."Nach fünf Jahren wurde er freigekauft. In Madrid bereiste er als amtlicher Aufkäufer der spanischen Armada Andalusien. Ein sehr undankbarer Job, da er geschäftlich keinen Gewinn erzielte und oft sehr lange auf seinen Lohn warten mußte, wenn er nicht darum betrogen wurde, was auch oft vorkam. Einige Male wurde er sogar beschuldigt Geld unterschlagen oder Steuern hinterzogen zu haben und ins Gefängnis gesteckt.
    1605 schrieb er den Don Quijote. Das Buch wurde zwar ein enormer Erfolg, trug aber so gut wie nichts zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation seines Autors bei, da es damals üblich war das Manuskript an einen Verleger zu verkaufen, der es drucken ließ und dem danach der gesamte Erlöß aus dem Verkauf des Buches gehörte. 1616, ein Jahr nach Fertigstellung des 2. Teils des Don Quijote, starb Cervantes an Diabetes.


    Ich hatte beim Lesen jedenfalls immer Mitleid mit Cervantes, der, obwohl ein gebildeter, heller Kopf, nie auf einen grünen Zweig kam und immer in mehr oder minder großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leben mußte und oft sehr ungerecht behandelt wurde.


    Jetzt bin ich sehr gespannt auf den 2. Teil des Don Quijote.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo


    Ich lese ja gerade in einer Cervantes-Biographie und darin ist auch ein Abschnitt über die Zustände in diesen Schenken entlang der Landstraßen, wovon eine im Don Quijote ja eine zentrale Rolle spielt.


    Ausländische Reisende zeigten sich von den spanischen Gasthäusern nicht gerade begeistert: "Auf diesen Straßen stößt man auf elende Bruchbuden, darinnen steht wohl manchmal ein strammer Tisch, aber nichts darauf um es zwischen die Zähne zu nehmen", bemerkte einer von ihnen recht mürrisch. "Kaum hat man sich hingesetzt, da kommt auch schon der Wirt und will bezahlt werden, nur fürs sitzen allein, ohne daß er was zu essen und trinken brächte..."
    Kluge Reisende führten ihre Bettwäsche mit sich; das Ungeziefer in den Herbergen machte sich genauso wenig aus Standesunterschieden wie die Wirte, die allen ihren Gästen gleichermaßen das Fell über die Ohren zogen. Die Bettwäsche wurde nicht öfter als zweimal im Monat gewechselt, ungeachtet der Gäste, die darin geschlafen hatten.
    Essen bekam man hier meistens nicht, das hatte der Reisende selbst mitzubringen; die Wirtsleute waren bereit, es für ihn zu kochen, wenn er dafür ihnen oder einem anderen angesehenen Gast den Zehnten abgab. Wenn Essen vorhanden war, dann meistens von äußerst zweifelhafter Qualität. Speck war meist ranzig, der Salat bestand aus verwelkten Rettichblättern in altem Öl und Löcher in die Magenwände brennendem Essig, Fleischpasteten waren nichts anderes als mit Teig verkleidete Abfälle, die Kutteln stammten von unbekannten Tieren, der Käse sah meistens aus wie feine Brüsseler Spitze. Der Wein wurde in Schläuchen aufbewahrt anstatt in Fässern, was besonders den ausländischen Reisenden gar nicht gefiel; sie beschwerten sich, daß er mehr wie Fischblut schmecke als wie Rebensaft.


    Prost Mahlzeit.


    ikarus

    Hallo hagi


    Herzlich willkommen hier im Forum. Ich würde mich freuen, wenn Du beim nächsten Buch, das wir gemeinsam lesen dabei wärst. Welches das allerdings sein wird, steht noch nicht fest. Mit dem Don Quijote sind wir aber auch noch eine Weile beschäftigt.
    Von Faulkner habe ich auch noch einiges ungelesen im Regal stehen u. a. auch "Licht im August", sicher sein berühmtestes Buch. Wie gefällt es Dir? Was liest Du sonst noch so? Hast Du bestimmte literarische Vorlieben?


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Ein unrühmliches Ende für unsere Helden. Don Quijote wird in seinem Heimatdorf der Lächerlichkeit preisgegeben und Sancho Pansa von seiner Frau zur Rechenschaft gezogen. Er bestätigt aber meinen Eindruck, daß er trotz aller Widrigkeiten Gefallen daran gefunden hatte mit Don Quijote durch die Lande zu ziehen und das künftig vermissen wird.


    Cervantes läßt das Ende jedoch sehr offen und behält sich so die Möglichkeit einer Fortsetzung vor. Zweimal deutet er es sogar an. Sicher wollte er erstmal den Erfolg des Buches abwarten - der ja dann auch eingetreten ist.


    Ich bin nun gespannt auf das 2. Buch. Angélique hat schon angedeutet, daß darin Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen werden. Hoffentlich nur für Don Quijote und nicht so sehr für den Leser :wink:


    Bis ihr auch soweit seid, werde ich eine Cervantes-Biographie dazwischenschieben. Ist sicher auch interessant. Laßt euch also ruhig Zeit.


    Viel Spaß beim Weiterlesen
    ikarus

    Hallo Nele


    Ja, der Manzoni liegt immer noch auf meinem SUB. Mittlerweile sind allerdings wieder einige andere Vorschläge zum gemeinsamen Lesen gemacht worden.
    JMaria und ich wollten mal wieder was von Fontane lesen. Dann hatten wir hier eine kleine Diskussion über Dostojewski, von dem ich noch gar nichts kenne und mich auch sehr reizen würde. Manzoni wäre mir aber auch recht. :roll: Aber es dauert ja noch etwas mit dem Cervantes und dann werde ich weiter sehen.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo Angélique


    So ein Blitzleser bin ich normalerweise auch nicht. Aber ich hatte Zeit und der Roman hat mich schon sehr gefesselt. Aber Dein Vorschlag, nach dem 1. Band erstmal zu warten bis wieder alle beisammen sind, ist natürlich in Ordnung.


    Zitat

    "Ja, was besser und gescheiter wäre, das, nach meinem geringen Verstand, wäre, zu unserm Ort heimzukehren, jetzt, wo es Erntezeit ist, und nach unsern Angelegenheiten zu sehen, statt daß wir von Irland nach Wirrland und von Brechhausen nach Pechhausen ziehen, wie's im Sprichwort heißt."



    Ich habe auch die Übersetzung von Braunfels und zu diesem Zitat habe ich auch was in den Anmerkungen meiner Ausgabe gefunden:
    "Braunfels übersetzt hier ziemlich frei. Im Original heißt es: Von Ceka nach Mekka und vom hölzernen Schuh in den Holzschuh. Ceca (Münzhaus) wurde von den Christen die große maurische Moschee (jetzt Domkirche) in Córdoba genannt, ein vielbesuchter Wallfahrtsort der Moslim, die von hier aus zu dem andern Wallfahrtsort wanderten, nach Mekka. Das Sprichwort bezeichnet das zwecklose Hin- und Herwandern.


    Deine Übersetzung scheint also die Genauere zu sein.


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo zusammen


    Jetzt bin ich doch wieder früher zurück, als ich dachte. Wandern gewesen - Knie verstaucht - Urlaub vorbei. Die Sache hat aber auch ihr Gutes. So habe ich jetzt noch mehr Zeit zum Lesen und kann auch hier wieder meinen Senf dazugeben :-)


    JMaria: Angelique hat Dich ja schon etwas vorbereitet, auf das, was Dich noch erwartet. Dem kann ich nur beipflichten. Du wirst noch staunen, was für ein reiches Füllhorn an Personen und Geschichten Cervantes für Dich bereithält.


    Ich bin jetzt bei Kapitel 44 und das Buch übt mittlerweile einen richtigen Sog auf mich aus. Es hat eine ungeheure Weite und Tiefe erreicht, die ich nicht vermutet hätte. In der Geschichte von Don Quichote ergeben sich immer wieder neue Geschichten. Sehr schön z. B., wie Cervantes die Novelle "vom törichten Vorwitz" eingeflochten hat. Vor allem gefällt mir aber, wie farbig und facettenreich Cervantes seine Figuren zeichnet. Die Figuren sind nicht statisch, sondern ändern sich und sind deshalb auch schwer einzuschätzen. Menschlich eben. Z. B. Don Quichote trat bisher immer als einfältiger Narr auf. In der Schenke hält er plötzlich eine brillante Rede über das Soldatentum und man merkt: Der hat ja Verstand. Ein Intellektueller. Oder der Pfarrer: Kommt auf die Idee sich als Frau zu verkleiden und so Don Quichote aus dem Gebirge zu holen und zu "heilen". Ein Geistlicher, eine studierte, höchstangesehene Respektsperson in Frauenkleidern!? Ja, ist der denn noch ganz dicht? Wer ist jetzt der Verrückte?


    Diese Fülle an Personen und Ereignissen kann man sich wirklich nicht alle merken. Da geht es mir wie Dir, Angelique. Bei den Ereignissen in der Schenke habe ich auch manchmal den Überblick verloren, wer mit wem und warum. Das macht aber nichts, denn Cervantes hilft einem immer wieder auf den richtigen Weg. Einige Personen tauchen mehrmals auf und immer wieder werden frühere Ereignisse in die Erinnerung zurückgerufen.


    Was zuerst wie ein einfacher Ritter- oder Schelmenroman, bzw. deren Parodie, ausgesehen hat, entpuppt sich als grandioses Epos der damaligen spanischen Gesellschaft. Cervantes deckt das gesamte menschliche Spektrum ab. Es treten sowohl Adelige und Edelleute wie auch Hirtenjungen und Sklaven auf.
    Besonders stark finde ich die Frauenfiguren. Auch dort ist alles vertreten. Aufblühendes Mädchen, biedere Hausfrau, Prostituierte und selbstbewußte Emanzipierte. Wobei die Sympathie Cervantes´ eindeutig letzterer gehört. Es ist sicher ungewöhnlich, daß zu einer Zeit, als eine Frau vor allem jung, schön, keusch, gehorsam zu sein hatte und brav zu Hause wartete, bis sie verheiratet wurde, Cervantes z. B. Marcela sagen läßt: "Die wahre Liebe muß frei und ungezwungen sein...Ich wurde frei geboren. Um frei leben zu können wählte ich die Einsamkeit der Natur. Ich bin ungebunden. Ich will mich nicht unterwerfen." Oder die selbstbewußte Dorotea zu ihrem Verführer: " Deine Vasallin bin ich, aber nicht Deine Sklavin. die Vornehmheit Deines Blutes hat und soll keine Macht haben, mich zu entehren und die Bescheidenheit meines Blutes gering zu schätzen, solange ich, eine gewöhnliche Bäuerin, mich achte, wie Du Dich als Herr und Edelmann." Starke Frauen!


    Ich lese das Buch jedenfalls mit zunehmender Begeisterung weiter. Hab´ja jetzt Zeit :-)


    Viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria


    Zitat

    ist ziemlich ruhig ;-)


    Liegt vielleicht auch daran, daß das Buch sehr leicht zu lesen ist, oder?


    Ich war ein paar Tage verreist und bin auch erstaunt, daß es so ruhig geblieben ist. Das Buch ist einerseits schon sehr leicht zu lesen, andererseits aber tiefgründiger als es zunächst scheint.


    Die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit hast Du sehr gut dargestellt. Ist mir beim Lesen gar nicht so aufgefallen.


    Die Rede der Marcela hat mir auch sehr gut gefallen.


    Zitat

    Ich gebe aber zu, daß ich das Klagelied des verstorbenen Grisostomos nur überflogen habe. Diese Versformen liegen mir nicht.


    Mit solchen Versen geht es mir wie Dir. Damit habe ich auch immer so meine Probleme.


    Ich bin auch noch nicht sehr weit gekommen. Das 24. Kapitel steht jetzt an. Ich habe aber die nächsten zwei Wochen Urlaub, in denen ich wahrscheinlich viel Zeit zum Lesen haben werde. Leider werde ich mich aber in dieser Zeit nicht im Forum hier melden können. :cry: Ich freue mich aber jetzt schon darauf, nach meiner Rückkehr Eure Beiträge hier zu lesen. :D


    Bis dahin viel Spaß beim Weiterlesen und viele Grüße


    ikarus

    Hallo


    Das Baden-Württembergische Wissenschaftsministerium erarbeitet einen "Bücherkanon von unten" durch repräsentative Umfragen. Ein Teil ist bisher ausgewertet. Die Ergebnisse decken sich großteils mit anderen Umfragen dieser Art. Interessant ist bestenfalls die Sortierung nach Alter, Bildung und Geschlecht.


    http://www.buecherkanon.de/


    viele Grüße
    ikarus

    Hallo JMaria


    Danke für die Cervantes-Kurzbiographie. Dieser kurze Abriß hat mich so neugierig gemacht, daß ich mir heute 2 Cervantes-Biographien aus der Bücherei geholt habe. (Ob ich allerdings dazu komme, die zu lesen? Eher fraglich. :roll: )


    Zitat

    Zu der Enttäuschung über den Niedergang der spanischen Weltmacht, kommt die persönliche Lage, die von Mißerfolgen geprägt ist.


    Dieser Satz bestätigt meine Vermutung, daß der Don Quijote durchaus auch autobiographisch zu lesen ist.


    Zitat

    War schon nachdenklich stimmend, daß gerade ein Geistlicher die Auswahl traf, welches Buch verbrannt wird und welches nicht.


    Genau dieser Zusammenhang hat mich an die spanische Inquisition denken lassen. Angélique und Nimue haben sich in ihrer Diskussion schon darüber unterhalten, daß zwar die Bücher verbrannt wurden, aber eigentlich deren Autoren gemeint waren. So sehe ich das auch. Damals entschied auch die Geistlichkeit, wer als Ketzer oder Hexe verbrannt wird.


    Link zur Inquisition:
    http://www.marioschumann.de/gesch04.htm#_ftn1


    Ich komme nun zum 22. Kapitel


    Viele Grüße
    ikarus