März 2002: Miguel Cervantes - Don Quijote

  • Hallo Ikarus


    dann muß ich dir unbedingt noch einen schönen Urlaub wünschen!! :-)


    Erhol dich gut!


    --------


    Ich bin nun im 23. Kapitel und verstehe jetzt erst deine Bemerkungen in den vorigen Beiträgen über die Gespräche zwischen D.Q. und Sancho. Diese Gespräche werden stetig intensiver.


    Du hast die Wirtshausszene mit einem Slapstick verglichen. Der Begriff ist sehr gut gewählt. Volltreffer! Einer kloppt auf den anderen rum *lol*.


    Aber am besten war die Szene, als Sancho D.Q. in der Nacht aufhielt, indem er Rosinante festband und dann mußte er mal. Wie habe ich gelacht:


    Aber da bei Don Quijote der Sinn des Geruchs so entwickelt war wie der des Gehörs und Sancho sich so dicht an ihn geheftet hielt, daß die Düfte beinahe in gerader Linie aufstiegen, so konnte es nicht fehlen, daß etwelche in des Ritters Nase drangen, und kaum war das geschehen, da kam er ihr schon zu Hilfe und klemmte sie zwischen die Finger und sprach mit säselndem Ton: "Mich bedünkt es, Sancho, du hast große Furcht".....
    "Zieh dich drei, vier Schritte seitwärts, Freund...."
    :lol:


    Hast du gemerkt wie D.Q. und auch Sancho Bibelsprüche einfügen und wenden wie es ihnen gerade paßt? Ein Beispiel:


    "Tue so", erwiderte D. Q., "auf daß du lange lebest auf Erden; denn nach Vater und Mutter muß man die Dienstherren ehren, als ob sie die Eltern selbst wären." :lol:


    Ich habe mir schon überlegt, ob wir nicht einen Extra-Beitrag eröffnen mit "Markigen Sprüchen aus Don Quijote". Eine reine Schatzkammer ist das Buch. Noch ein Beispiel:


    Ja, was besser und gescheiter wäre, das, nach meinem geringen Verstand, wäre, zu unserm Ort heimzukehren, jetzt, wo es Erntezeit ist, und nach unsern Angelegenheiten zu sehen, statt daß wir von Irland nach Wirrland und von Brechhausen nach Pechhausen ziehen, wie's im Sprichwort heißt." :lol:


    So, das wären noch ein paar Szenen aus D.Q. die mir besonders gefallen haben.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo!


    Ich bin mittlerweile schon im 41. Kapitel, deswegen fällt es mir schwer, zu den früheren Stellen (23. Kapitel usw) Stellung zu nehmen. Es passierrt so viel in dieser Geschichte, dass man nicht anders kann, als die frühen Abenteuer der beiden schon wieder etwas zu vergessen.


    Was bei mir noch hängengeblieben ist:


    Mir ist aufgefallen, dass Sancho Pansa sich auch zunehmend von den Verrücktheiten seines Herren beeinflussen lässt. So hört er v.a. deswegen nicht auf, trotz der Beschwerlichkeiten und Unannehmlichkeiten dieses Herumreisens seinem Herren zu folgen, weil dieser ihm immer wieder verspricht, dass er selbst bald König sein werde (als Belohnung für eine heldenhafte Tat versteht sich) und er, Sancho, dann ebenfalls reich belohnt werden würde (wie weiß ich nicht mehr genau - als Herzog oder so).
    Und als der Pfarrer und der Barbier die beiden wieder treffen, bemerken sie mitleidig, wie sehr die Narrheit Don Quixotes auf Sancho Pansa schon abgefärbt habe.
    Die Stellen bzw. Genaueres kann ich euch auch leider nicht angeben, weil das Buch doch sehr dick ist und man nur schwer eine bestimmte Stelle wiederfindet.


    Was ich übrigens auch für einen Kunstgriff Cervantes' halte, ist, dass sein Roman eigentlich nicht nur eine Geschichte, nämlich die Don Quixotes und seines Schildknappen, erzählt, sondern in dieser Geschichte noch die vieler anderer Menschen schildert. Im 23. Kapitel seid ihr ja schon dem "jungen Mann" namens Cardenio, begegnet. Dessen Lebensgeschichte wird auch noch berichtet, und dazu die von 3 weiteren Personene, die alle damit zusammenhängen. Und immer wieder geht es um das Thema "Liebe", eines der wichtigsten auch in diesem Buch, wo man es gar nicht unbedingt so stark vertreten vermuten würde.
    Auch an der Stelle, die ich gerade lese, geht es wieder um das Schicksal zweier Menschen.


    Ich finde diese Idee Cervantes (oder vielleicht war es gar nicht seine Idee, sondern damals in Romanen üblich?) wirklich gut. Dadurch wird eine willkommene Abwechslung zu den Abenteuern Don Quixotes und Sacho Pansas geschaffen. Außerdem wird ein noch umfangreicherer Einblick in das Leben und die Gesellschaft damals gegeben. Zum Einen taucht das Thema "Sex vor der Ehe" und dessen Folgen auf, dann die Sache mit der heirat damals, und ich bin gerade dabei, einen Einblick in die Situation der Sklaven zu bekommen, und wie schnell man zu dieser zeit zu einem wurde.
    Alles wirklich sehr interessant, dabei auch amüsant und abwechslungsreich geschrieben. Zu Recht ein Jahrhundertroman!


    Zu einem Zitat von dir, maria:

    Zitat

    "Ja, was besser und gescheiter wäre, das, nach meinem geringen Verstand, wäre, zu unserm Ort heimzukehren, jetzt, wo es Erntezeit ist, und nach unsern Angelegenheiten zu sehen, statt daß wir von Irland nach Wirrland und von Brechhausen nach Pechhausen ziehen, wie's im Sprichwort heißt."


    Aus welchem kapitel hast du dieses zitat denn entnommen? ich bin sicher, dass es bei mir einen anderen Wortlaut hat, und fände es interessant, die beiden Übersetzungen zu vergleichen, aber finde es nicht!


    Gruß, Angélique

  • Hallo Angelique


    Zitat von "Angélique"

    Ich bin mittlerweile schon im 41. Kapitel, deswegen fällt es mir schwer, zu den früheren Stellen (23. Kapitel usw) Stellung zu nehmen. Es passierrt so viel in dieser Geschichte, dass man nicht anders kann, als die frühen Abenteuer der beiden schon wieder etwas zu vergessen.


    Ist doch verständlich, außerdem hattest du ja auch noch eine Wartezeit, bis wir uns dir anschließen konnten :-)


    Zitat

    Was ich übrigens auch für einen Kunstgriff Cervantes' halte, ist, dass sein Roman eigentlich nicht nur eine Geschichte, nämlich die Don Quixotes und seines Schildknappen, erzählt, sondern in dieser Geschichte noch die vieler anderer Menschen schildert. Im 23. Kapitel seid ihr ja schon dem "jungen Mann" namens Cardenio, begegnet. Dessen Lebensgeschichte wird auch noch berichtet, und dazu die von 3 weiteren Personene, die alle damit zusammenhängen. Und immer wieder geht es um das Thema "Liebe", eines der wichtigsten auch in diesem Buch, wo man es gar nicht unbedingt so stark vertreten vermuten würde.
    Auch an der Stelle, die ich gerade lese, geht es wieder um das Schicksal zweier Menschen.


    Interessant! Ich werde beim Weiterlesen gleich darauf achten. Eins der ersten Liebesschicksale war ja Marcela und Grisostomos, der starb (vermutlich an unerfüllter Liebe).


    Du hast recht! Ein bemerkenswerter Gedanke. Nicht nur das Rittertum mit seinem Ehrenkodex sondern auch die Liebe in ihren verschiedensten Schicksale kommt im Buch zum Ausdruck. :D
    Das wäre mir nun garnicht so bewußt aufgefallen. Danke dir.


    Zitat


    Ich finde diese Idee Cervantes (oder vielleicht war es gar nicht seine Idee, sondern damals in Romanen üblich?) wirklich gut. Dadurch wird eine willkommene Abwechslung zu den Abenteuern Don Quixotes und Sacho Pansas geschaffen. Außerdem wird ein noch umfangreicherer Einblick in das Leben und die Gesellschaft damals gegeben. Zum Einen taucht das Thema "Sex vor der Ehe" und dessen Folgen auf, dann die Sache mit der heirat damals, und ich bin gerade dabei, einen Einblick in die Situation der Sklaven zu bekommen, und wie schnell man zu dieser zeit zu einem wurde.


    Dann freu ich mich schon aufs Weiterlesen.


    Zitat


    Zu einem Zitat von dir, maria:


    Aus welchem kapitel hast du dieses zitat denn entnommen? ich bin sicher, dass es bei mir einen anderen Wortlaut hat, und fände es interessant, die beiden Übersetzungen zu vergleichen, aber finde es nicht!


    1. Buch im Kapitel 18
    im 2. Abschnitt (falls du die gleichen Abschnittseinteilungen hast) - also ziemlich zu anfangs. Ich habe das dtv-Tb "In der Übertragung von Ludwig Braunfels, durchgesehen von Adolf Spemann..und Illustrationen von Gradville zu der Ausgabe von 1848." Welche Ausgabe hast du?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    Jetzt bin ich doch wieder früher zurück, als ich dachte. Wandern gewesen - Knie verstaucht - Urlaub vorbei. Die Sache hat aber auch ihr Gutes. So habe ich jetzt noch mehr Zeit zum Lesen und kann auch hier wieder meinen Senf dazugeben :-)


    JMaria: Angelique hat Dich ja schon etwas vorbereitet, auf das, was Dich noch erwartet. Dem kann ich nur beipflichten. Du wirst noch staunen, was für ein reiches Füllhorn an Personen und Geschichten Cervantes für Dich bereithält.


    Ich bin jetzt bei Kapitel 44 und das Buch übt mittlerweile einen richtigen Sog auf mich aus. Es hat eine ungeheure Weite und Tiefe erreicht, die ich nicht vermutet hätte. In der Geschichte von Don Quichote ergeben sich immer wieder neue Geschichten. Sehr schön z. B., wie Cervantes die Novelle "vom törichten Vorwitz" eingeflochten hat. Vor allem gefällt mir aber, wie farbig und facettenreich Cervantes seine Figuren zeichnet. Die Figuren sind nicht statisch, sondern ändern sich und sind deshalb auch schwer einzuschätzen. Menschlich eben. Z. B. Don Quichote trat bisher immer als einfältiger Narr auf. In der Schenke hält er plötzlich eine brillante Rede über das Soldatentum und man merkt: Der hat ja Verstand. Ein Intellektueller. Oder der Pfarrer: Kommt auf die Idee sich als Frau zu verkleiden und so Don Quichote aus dem Gebirge zu holen und zu "heilen". Ein Geistlicher, eine studierte, höchstangesehene Respektsperson in Frauenkleidern!? Ja, ist der denn noch ganz dicht? Wer ist jetzt der Verrückte?


    Diese Fülle an Personen und Ereignissen kann man sich wirklich nicht alle merken. Da geht es mir wie Dir, Angelique. Bei den Ereignissen in der Schenke habe ich auch manchmal den Überblick verloren, wer mit wem und warum. Das macht aber nichts, denn Cervantes hilft einem immer wieder auf den richtigen Weg. Einige Personen tauchen mehrmals auf und immer wieder werden frühere Ereignisse in die Erinnerung zurückgerufen.


    Was zuerst wie ein einfacher Ritter- oder Schelmenroman, bzw. deren Parodie, ausgesehen hat, entpuppt sich als grandioses Epos der damaligen spanischen Gesellschaft. Cervantes deckt das gesamte menschliche Spektrum ab. Es treten sowohl Adelige und Edelleute wie auch Hirtenjungen und Sklaven auf.
    Besonders stark finde ich die Frauenfiguren. Auch dort ist alles vertreten. Aufblühendes Mädchen, biedere Hausfrau, Prostituierte und selbstbewußte Emanzipierte. Wobei die Sympathie Cervantes´ eindeutig letzterer gehört. Es ist sicher ungewöhnlich, daß zu einer Zeit, als eine Frau vor allem jung, schön, keusch, gehorsam zu sein hatte und brav zu Hause wartete, bis sie verheiratet wurde, Cervantes z. B. Marcela sagen läßt: "Die wahre Liebe muß frei und ungezwungen sein...Ich wurde frei geboren. Um frei leben zu können wählte ich die Einsamkeit der Natur. Ich bin ungebunden. Ich will mich nicht unterwerfen." Oder die selbstbewußte Dorotea zu ihrem Verführer: " Deine Vasallin bin ich, aber nicht Deine Sklavin. die Vornehmheit Deines Blutes hat und soll keine Macht haben, mich zu entehren und die Bescheidenheit meines Blutes gering zu schätzen, solange ich, eine gewöhnliche Bäuerin, mich achte, wie Du Dich als Herr und Edelmann." Starke Frauen!


    Ich lese das Buch jedenfalls mit zunehmender Begeisterung weiter. Hab´ja jetzt Zeit :-)


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Ikarus


    gerade habe ich Nele geschrieben, daß du noch im Urlaub bist (Beitrag: Manzoni) und nun sehe ich dein Posting.


    GUTE BESSERUNG. Ich hoffe die Schmerzen halten sich in Grenzen!


    Dafür bist du aber schon sehr weit im Cervantes.


    Ich seh schon, die nächsten Kapitel werden interessant werden.


    Die Reden Marcelas und Doroteas gehen mir unter die Haut. Später noch mehr...


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo ihr zwei!


    Ich bin noch gar nicht zum Weiterlesen gekommen seit meinem letzten Eintrag, aber du, Ikarus, scheinst ja ein richtiger Blitzleser zu sein. Allerdings habe ich daneben noch zwei andere Bücher liegen (darunter "Thief of Time" *stöhn*), und es ist wirklich nicht leicht, die überdies nicht allzu üppig vorhandene freie Zeit gerecht aufzuteilen. ;-)


    Jedenfalls hätte ich einen Vorschlag zu machen, v.a. an dich, Ikarus: Wie wär's wenn wir erst mal alle den 1. Band (mit dem du eh im Nu wirst fertig sein) zu Ende lesen, und dann solange warten, bis wir gemeinsam mit dem 2. anfangen können? Sagt, was ihr davon haltet!
    (Ich rede allerdings nur von uns dreien, denn Nimue scheint irgendwie gar nicht mehr nachzukommen - oder sollen wir auch auf dich warten, Nimue [falls du das hier liest]?)


    Zu deinem Zitat, Maria:


    Zitat

    "Ja, was besser und gescheiter wäre, das, nach meinem geringen Verstand, wäre, zu unserm Ort heimzukehren, jetzt, wo es Erntezeit ist, und nach unsern Angelegenheiten zu sehen, statt daß wir von Irland nach Wirrland und von Brechhausen nach Pechhausen ziehen, wie's im Sprichwort heißt."


    Ich hab's gefunden (war gut beschrieben!), doch bei mir ist der Wortlaut ein ganz anderer:


    "Ich dächte so in meinem einfältigen Verstande, es wäre gescheiter und sicherer, wir gingen wieder heim, denn es ist eben Erntezeit, und sorgten für unsere Wirtschaft, als dass wir so von Ceca nach Mecca umherziehen und immer aus dem Regen in die Traufe kommen, wie man sagt."


    Nach "Mecca" ist eine Fußnote verzeichnet, in der es heißt:


    "ein span. Sprichwort; Ceca ist die älteste und größte Moschee, die die Mauren zu Kordova in Spanien hatten und zu der sie viel wallfahrten."


    Meine Ausgabe (übrigens nur aus der Uni-Bib ausgeliehen, naja...) ist eine "Textrevision nach der anonymen Ausgabe 1837 von Konrad Thorer". Liest sich also denke ich noch "unmoderner" als deine, denn bei dir ist dieses spanische Sprichwort z.B. auch schon übertragen worden in den deutschen Sprachgebrauch.


    @ Ikarus: Die "merkwürdige Rede des Ritters Don Quixote (...), die einen Vergleich zwischen dem Waffenhandwerk und den Wissenschaften enthält", wie es bei mir heißt, hat mich auch ziemlich beeindruckt. Das hätte ich dem Ritter gar nicht zugetraut, er erscheint darin von einer ganz neuen Seite, genau so, wie du es gesagt hast. Sogar seine Zuhöer "vergaßen wenigstens in diesem Augenblick", dass sie ihn vorher alle für einen Narrren gehalten hatten.


    Was du über den Pfarrer und seiner Aktion in den Frauenkleidern gesagt hast, ist mir bis jetzt gar ncith so aufgefallen. Ich habe ja schon mal angemerkt, dass Sancho Pansa zunehmend auch die Narheit seines Herren übernimmt, aber offensichtlich ist er nicht der einzige: Wenn Cervantes sogar den Pfarrer verrückte Dinge tun lässt, ist es vielleicht ein Hinweis darauf, dass Don Quixote überhaupt ein bisschen auf seine Umwelt abfärbt.


    Im 2. Band (habe ich gelesen), soll dieses Phänomen übrigens ganz krass auftreten: Da ist es, wenn ich mich recht erinnere, so, dass der 1. Band, der ja 1605 geschrieben wurde, einen gewissen Bekanntheits- und Berühmtheitsgrad erreicht hat, sodass das gesmate Umfeld Don Quixotes absichtlich auf dessen Einbildungen eingeht, also so tut, als wäre er ein richtiger Ritter usw. Realität und Fiktion werden also noch mehr miteinander vermischt. Aber lassen wir uns überraschen!


    Viel Spaß noch und bis bald,
    Angélique

  • Hallo Angélique


    So ein Blitzleser bin ich normalerweise auch nicht. Aber ich hatte Zeit und der Roman hat mich schon sehr gefesselt. Aber Dein Vorschlag, nach dem 1. Band erstmal zu warten bis wieder alle beisammen sind, ist natürlich in Ordnung.


    Zitat

    "Ja, was besser und gescheiter wäre, das, nach meinem geringen Verstand, wäre, zu unserm Ort heimzukehren, jetzt, wo es Erntezeit ist, und nach unsern Angelegenheiten zu sehen, statt daß wir von Irland nach Wirrland und von Brechhausen nach Pechhausen ziehen, wie's im Sprichwort heißt."



    Ich habe auch die Übersetzung von Braunfels und zu diesem Zitat habe ich auch was in den Anmerkungen meiner Ausgabe gefunden:
    "Braunfels übersetzt hier ziemlich frei. Im Original heißt es: Von Ceka nach Mekka und vom hölzernen Schuh in den Holzschuh. Ceca (Münzhaus) wurde von den Christen die große maurische Moschee (jetzt Domkirche) in Córdoba genannt, ein vielbesuchter Wallfahrtsort der Moslim, die von hier aus zu dem andern Wallfahrtsort wanderten, nach Mekka. Das Sprichwort bezeichnet das zwecklose Hin- und Herwandern.


    Deine Übersetzung scheint also die Genauere zu sein.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen


    Ein unrühmliches Ende für unsere Helden. Don Quijote wird in seinem Heimatdorf der Lächerlichkeit preisgegeben und Sancho Pansa von seiner Frau zur Rechenschaft gezogen. Er bestätigt aber meinen Eindruck, daß er trotz aller Widrigkeiten Gefallen daran gefunden hatte mit Don Quijote durch die Lande zu ziehen und das künftig vermissen wird.


    Cervantes läßt das Ende jedoch sehr offen und behält sich so die Möglichkeit einer Fortsetzung vor. Zweimal deutet er es sogar an. Sicher wollte er erstmal den Erfolg des Buches abwarten - der ja dann auch eingetreten ist.


    Ich bin nun gespannt auf das 2. Buch. Angélique hat schon angedeutet, daß darin Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen werden. Hoffentlich nur für Don Quijote und nicht so sehr für den Leser :wink:


    Bis ihr auch soweit seid, werde ich eine Cervantes-Biographie dazwischenschieben. Ist sicher auch interessant. Laßt euch also ruhig Zeit.


    Viel Spaß beim Weiterlesen
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo


    Ich lese ja gerade in einer Cervantes-Biographie und darin ist auch ein Abschnitt über die Zustände in diesen Schenken entlang der Landstraßen, wovon eine im Don Quijote ja eine zentrale Rolle spielt.


    Ausländische Reisende zeigten sich von den spanischen Gasthäusern nicht gerade begeistert: "Auf diesen Straßen stößt man auf elende Bruchbuden, darinnen steht wohl manchmal ein strammer Tisch, aber nichts darauf um es zwischen die Zähne zu nehmen", bemerkte einer von ihnen recht mürrisch. "Kaum hat man sich hingesetzt, da kommt auch schon der Wirt und will bezahlt werden, nur fürs sitzen allein, ohne daß er was zu essen und trinken brächte..."
    Kluge Reisende führten ihre Bettwäsche mit sich; das Ungeziefer in den Herbergen machte sich genauso wenig aus Standesunterschieden wie die Wirte, die allen ihren Gästen gleichermaßen das Fell über die Ohren zogen. Die Bettwäsche wurde nicht öfter als zweimal im Monat gewechselt, ungeachtet der Gäste, die darin geschlafen hatten.
    Essen bekam man hier meistens nicht, das hatte der Reisende selbst mitzubringen; die Wirtsleute waren bereit, es für ihn zu kochen, wenn er dafür ihnen oder einem anderen angesehenen Gast den Zehnten abgab. Wenn Essen vorhanden war, dann meistens von äußerst zweifelhafter Qualität. Speck war meist ranzig, der Salat bestand aus verwelkten Rettichblättern in altem Öl und Löcher in die Magenwände brennendem Essig, Fleischpasteten waren nichts anderes als mit Teig verkleidete Abfälle, die Kutteln stammten von unbekannten Tieren, der Käse sah meistens aus wie feine Brüsseler Spitze. Der Wein wurde in Schläuchen aufbewahrt anstatt in Fässern, was besonders den ausländischen Reisenden gar nicht gefiel; sie beschwerten sich, daß er mehr wie Fischblut schmecke als wie Rebensaft.


    Prost Mahlzeit.


    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ihr,


    ich bin seit einigen Tagen auch schon fertig mit dem 1. Teil von "Dobn Qiixote". Echt tolles Buch kann ich nur sagen, und ich freue mich schon auf den 2. Teil. Wie sieht's bei dir aus, Maria? Auch schon weit?


    Was ist mir dir, ikarus? Hast du die Cervantes-Biographie schon gelesen? Wenn ja, würde es mich wirklich sehr interessieren, mehr über ihn zu erfahren. Wie ich das so mitbekommen habe, hat sein Meisterwerk "Don Quixote" zu einem Teil ja auch autobiographische Züge. Zum Beispiel kann man sich, wenn ich richtig informiert bin, die Figur des Hauptmannes in der Schenke fast ein bisschen als ihn selbst vorstellen (er war ja auch in Kriegsgefangenschaft).


    Jetzt wollte ich aber mal einen anderen Ounkt ansprechen, nämlich den, was mir (bzw. euch) an der Geschichte nicht so gefallen hat. Bei mir ist es so, dass ich nach einiger Zeit ziemlich von der immer makellosen Schönheit der darin auftretenden bzw. beschriebenen Frauen genervt war - das ist halt sowas von übertrieben und realitätsfern. Anscheinend gibt es in Spanien nur wunderhübsche Mädchen. Na, das hat mich jedenfalls gestört. Als käme es nur auf das Aussehen einer Frau an. Von den Männern jedenfalls wurde nie gesagt, ob sie gut aussehen; bei ihnen zählte nur der Stand bzw. die Kleidung. Vielleicht sind im Gegenzug alle spanischen Männer hässlich?! ;-)


    Außerdem wurde in der Geschichte des Hirten ganz zum Schluss das Geschlecht der Frau auch ziemlich heruntergemacht. Leandra werden die Charaktermerkmale Leichtsinn, Unbeständigkeit, Falschheit, Wortbrüchigkeit, Untreue und Unbesonnenheit zugeschrieben; das finde ich wirklich nicht besonders in Ordnung von Cervantes. Klar stellt er in früheren Kapiteln mansche Frauen auch anders dar (Ikarus hat das schon einmal bemerkt), aber ich frage mich wirklich, was seine (Cervantes') eigene Meinung dazu war. Und ich kann nur sagen, wie froh ich bin, dass heute die Verhältnisse doch andere sind (wenn auch noch nicht immer und überall, leider).


    Aber was meint ihr noch so? Was hat euch besonders gefallen oder weniger?


    Bis bald, Angélique


    PS: Ich möchte bald mit dem 2. Teil beginnen, weil ich ihn unbedingt bis Ende Juli durchlesen will! Nach dem Urlaub möchte ich echt nicht noch mal damit anfangen, so viel Spaß es auch für mich bedeutet, das Werk zu lesen!

  • Hallo Ikarus und Angelique


    ich bin im 41. Kapitel, aber ihr könnt gern schon mit Buch 2 anfangen, da ich nicht vorhaben, den Cervantes nun länger aus der Hand zu legen.


    Wie soll ich es ausdrücken. Das Problem, warum ich noch nicht mit Buch 1 fertig bin, ist vermutlich, daß mich die Geschichte während des Lesens fesselt, aber dann wenn ich D.Q. weglege oder ein paar Tage nicht darin lese, nicht so recht Lust hatte weiter zumachen. Ich weiß nicht warum mich das Buch nur während des Lesens fesselt. Hört sich wirr an, oder?


    Kann mich an kein Buch erinnern, bei dem es mir ähnlich erging *grübel*.


    Ich wollte mich erst melden, wenn ich mit Buch 1 durch bin, aber nun muß ich ein paar Gedanken niederschreiben, bevor ich sie vergesse.


    @Angelique: mich würde auch interessieren, welches Verhältnis Cervantes zu Frauen hatte.
    Auf der anderen Seite (die Schönheit der Frauen) ist es ja ein Ritterroman, eine Hommage an die Ehre, an den Minnegesang für die Geliebte und Unerreichbare, die zu D. Q. Zeiten schon vorbei war. So hab ich das verstanden, darum die vielen schönen Frauen :)


    ikarus: danke für die Info über Gaststätten *graus* :lol:
    ist in der Biographie auch erwähnt, ob Cervantes sich selbst in D. Q. einbringt? Ich denke da an die Geschichte des Sklaven in den Kapiteln 39 -41. Dieser Sklave war Galeerensträfling und lange Zeit in Gefangenschaft.


    Nun beginne ich mal das Gelesene gedanklich aufzurollen:


    Im Kapitel 25 lese ich endlich über das Aussehen von Dulcinea. Hat euch dies auch zum Lachen gebracht?

    "Ich kenne sie gut", sprach Sancho, "und kann sagen, daß sie im Spiel die Eisenstange so kräftig wirft wie der stärkste Bursche im ganzen Ort. Beim Geber alles Guten, das ist eine tüchtige Dirne, schlecht und recht, hat Haare auf den Zähnen ... Was Teufel hat sie für eine Kraft im Leibe, was hat sie für eine Stimme!...und das Beste an ihr ist, daß sie durchaus nicht zimperlich ist....


    Im Kapitel 26 hab ich gemerkt, daß D.Q. keineswegs nur eine weiche Birne vom Lesen von Ritterromanen bekommen hat. Er ist ein sehr nachdenklicher Mensch. Der über einen Gedanken lange und ausführlich brütet bis zur Lösung, auch wenn es hier nur darum geht, welchen Ritter er nachzuahmen pflegen sollte. Später im Kapitel 38 über Wissenschaft und Waffen bestätigt sich dies, wie ich finde.


    Die Damen in den Geschichten (Lucinda, Dorotea) sind deutlicher aktiver um ihre Geschicke, ihr Lebensglück zu verwirklichen als die Männer.


    Cardenio hört der Trauung von Lucinda mit Don Fernando zu ohne einen Mucks von sich zu geben und geht, bevor er den Ausgang des Ereignisses weiß in die Einsamkeit des Gebirges. Jämmerlich!
    Von Don Fernando, diesem Schwerenöter ganz zu schweigen, der jedes hübsche Antlitz für sich beanspruchen möchte *grr*.


    Aber Lucinda war trotz ihren Ohnmachten, doch sehr resolut, als sie ins Kloster flüchtete und Dorotea ist Don Fernando hinterher gebrescht um ihn zu Zwingen seine Ehrenpflicht ihr gegenüber zu erfüllen. Der Höhepunkt war die dramatische Begegnung der Liebenden.


    Kapitel 34:
    das war ja wirklich ein Vorwitz. Was haben sich die beiden Freunde nur gedacht, die arme Ehefrau Camila auf die Probe zu stellen. Das machte mich ganz schön wütend beim Lesen :x
    Eine Mahnung ist die Geschichte, daß Vertrauen immer noch das wichtigste ist, wenn man von Liebe spricht. Dieses Unglück, zu dem dieser Vorwitz führte stimmt mich dann traurig :(


    Sehr schön die Worte aus diesem Kapitel von Leonela, der Dienerin von Camila:


    ...Denn die Liebe, wie ich sagen hörte, fliegt das eine Mal, das andere mal geht sie zu Fuß; bei dem einen läuft sie, bei dem andern schleicht sie langsam; den einen mach sie kühl, den anderen setzt sie in Glut; dem einen schlägt sie Wunden, den anderen trifft sie zu Tode. In einem Augenblick beginnt sie die Laufbahn ihrer Wünsche, und im nämlichen Augenblick hat sie sie schon durcheilt und beendet....


    Jeden kann die Liebe anders treffen, aber trotzdem kann eine Gelegenheit das Vertrauen erschüttern, wie es im Text weiter ausgeführt wird.


    Schöne Gedanken!


    Dann das, für mich denkwürdige Kapitel 38: Welches von der merkwürdigen Rede handelt, die Don Quijote über die Waffen und die Wissenschaften hält.


    ein Kapitel bei dem die anderen am Tisch die Rede garnicht verstehen aber D. Q. dennoch recht geben.


    D.Q. Ausführungen im Vergleich zwischen Studenten und Soldat, zwischen Armut und Reichtum fand ich großartig.


    hier ein Auszug:
    Umgekehrt ist es bei den Gelehrten, denn mit ihrem Gehalt, ...haben sie alle genug zum Leben. Wenngleich also die Mühsal des Soldaten größer ist, so ist der Lohn weit geringer. Allerdings kann man hierauf entgegnen, daß es leichter ist, zweitausend Gelehrte zu belohnen, als dreißigtausend Soldaten...


    Dann führt D.Q. einen Teufelskreis an zwischen Wissenschaft und Waffenhandwerk. Ich staunte nur so bei seinen Ausführungen, wie nachdenklich, wie zeitnah...


    Schließlich erkennt D. Q. daß sein viel geliebtes Rittertum durch die Wissenschaft, das wieder das Waffenhandwerk nährt, im Schwinden begriffen ist. Da früher der Ritter Auge in Auge mit dem Feind war, aber durch die Geschützrohre hat sich zu seinen Tagen alles geändert und er spricht:


    Heil jenem gesegneten Zeitalter, das die gräßliche Wut jener satanischen Werkzeuge der Geschützkunst noch nicht kannte! Ihrem Erfinder, dessen bin ich überzeugt, mittels deren ein ehrloser feiger Arm einem mannhaften Ritter das Leben rauben kann und inmitten der Tapferkeit und Tatenlust, die den Busen der Helden entzündet und beseelt, eine verirrte Kugel daherkommt....das Denken und Leben eines Mannes abschneidet und vernichtet, der dessen noch lange Jahrzehnte hindurch zu genießen verdient hätte... Und wenn ich also dieses bedenke, so möchte ich beinahe sagen, es tut mir in de Seele weh, diesen Beruf eines fahrenden Ritters ergriffen zu haben in einem so greulichen Zeitalter wie diesen, in dem wir jetzo leben...


    Habt ihr dieses Kapitel auch noch in Erinnerung und ward beeindruckt?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    Ich bin mit meiner Cervantes-Biographie gerade fertig geworden und muß sagen, daß sie mich sehr angerührt hat. Cervantes´ Biographie ist mit Sicherheit eine der traurigsten und ungewöhnlichsten Schriftstellerbiographien und es ist geradezu ein Wunder, daß unter solchen Lebensumständen so ein Meisterwerk wie der "Don Quijote" entstehen konnte. Ich gebe euch hier mal einen kurzen Abriß:


    1547 in armen Verhältnissen geboren ging Cervantes 1570 zur Armee und wurde im Jahr darauf bei der Seeschlacht von Lepanto, die ein grausiges Gemetzel gewesen sein muß, gegen die Türken schwer verwundet. Unter anderem wurde ihm die linke Hand zerschmettert. Auf dem Weg zurück in die Heimat wurde er von algerischen Korsaren gefangengenommen und kam in die Sklaverei nach Algier. In der Gefangenschaft ist er Initiator mehrerer Fluchtversuche, die sämtlich scheitern und die wie durch ein Wunder keine Konsequenzen für ihn nach sich ziehen obwohl zur damaligen Zeit ein wahrer Schreckensherrscher regiert: "Wenn aber ein Christ auf der Flucht ertappt wurde, dann war die Strafe als Abschreckung für die anderen hart: Augen wurden ausgestochen, Nasen und Ohren abgeschnitten, Geißelungen waren ganz normal, der Fleischerhaken oder langsam brennendes Feuer nichts ungewöhnliches."Die Geschichte des Sklaven im 39. - 41. Kapitel ist in der Tat sehr autobiographisch, wie ihr ja auch schon festgestellt habt. Dort heißt es: "Nur ein einziger Soldat kam gut mit ihm aus, ein gewisser de Saavedra. Obschon dieser vieles gewagt hatte, was lange Jahre im Andenken der Leute dort leben wird, und alles nur, um seine Freiheit zu erringen, so gab der Herr ihm nie einen Schlag und ließ ihm nie einen geben, noch sagte er ihm je ein böses Wort; und doch fürchteten wir, schon für den geringsten all der Streiche, die er verübte, er werde gepfählt werden, und er selbst fürchtete es mehr als einmal."Nach fünf Jahren wurde er freigekauft. In Madrid bereiste er als amtlicher Aufkäufer der spanischen Armada Andalusien. Ein sehr undankbarer Job, da er geschäftlich keinen Gewinn erzielte und oft sehr lange auf seinen Lohn warten mußte, wenn er nicht darum betrogen wurde, was auch oft vorkam. Einige Male wurde er sogar beschuldigt Geld unterschlagen oder Steuern hinterzogen zu haben und ins Gefängnis gesteckt.
    1605 schrieb er den Don Quijote. Das Buch wurde zwar ein enormer Erfolg, trug aber so gut wie nichts zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation seines Autors bei, da es damals üblich war das Manuskript an einen Verleger zu verkaufen, der es drucken ließ und dem danach der gesamte Erlöß aus dem Verkauf des Buches gehörte. 1616, ein Jahr nach Fertigstellung des 2. Teils des Don Quijote, starb Cervantes an Diabetes.


    Ich hatte beim Lesen jedenfalls immer Mitleid mit Cervantes, der, obwohl ein gebildeter, heller Kopf, nie auf einen grünen Zweig kam und immer in mehr oder minder großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leben mußte und oft sehr ungerecht behandelt wurde.


    Jetzt bin ich sehr gespannt auf den 2. Teil des Don Quijote.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Ikarus, Hallo Angelique


    Zitat von "ikarus"

    Hallo zusammen


    Ich bin mit meiner Cervantes-Biographie gerade fertig geworden und muß sagen, daß sie mich sehr angerührt hat. Cervantes´ Biographie ist mit Sicherheit eine der traurigsten und ungewöhnlichsten Schriftstellerbiographien und es ist geradezu ein Wunder, daß unter solchen Lebensumständen so ein Meisterwerk wie der "Don Quijote" entstehen konnte.


    Wieder mal sehr informativ, was du schreibst Ikarus, danke schön.


    Ich habe das Gefühl auch beim Lesen, daß Cervantes selbst eine traurige Gestalt war. Habt ihr im Buch 1 bemerkt, daß es immer ein Happy-End gibt. Es kommt mir wie ein übers Haupt streicheln vor: ALLES WIRD GUT!!


    Die Paare finden sich alle. Der Sklave trifft seinen Bruder.... usw.


    Ob er sich das im Innersten auch so gewünscht, ersehnt hat? Dieser Gedanke stimmt mich auch traurig, ich hoffe Cervantes hatte einige Glücksmomente in seinem Leben.


    Bis dann
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo JMaria



    Zitat

    Es kommt mir wie ein übers Haupt streicheln vor: ALLES WIRD GUT!!


    Das hast Du mal wieder sehr schön ausgedrückt :D


    Ich muß allerdings gestehen, daß mir diese "großen" Gefühle und Leidenschaften manchmal etwas zu viel wurden. Und mir ging es genauso wie Angélique: Daß jede Frau die auftrat immer noch viel hübscher als die vorherigen war, hat mich schon sehr genervt. Trotzdem empfand ich diese Szenen aber nie als kitschig obwohl ich manchmal schon ein Abrutschen der Geschichte befürchtete.
    Du hast wahrscheinlich Recht mit Deiner Vermutung, daß Cervantes für sich auch so viel Liebe und Leidenschaft gewünscht hätte. Die Glücksmomente in seinem Leben waren wirklich sehr rar gesät. Die größte Befriedigung verschaffte ihm schon das Schreiben seiner Theaterstücke und Novellen. Dafür hatte er aber leider stets viel zu wenig Zeit.


    Ich fange dann jetzt mit dem 2. Teil zu lesen an.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ihr zwei!


    Ich habe heute auch schon mit dem 2. Buch begonnen - es geht ja wirklich fast übergangslos weiter. Bis auf dieses Vorwort, welches ich für überaus gelungen finde, wirklich. Diese indirekten Schmähungen seines Rivalen zuerst... Und dann die Botschaft an den Leser, was man ihm ausrichten soll wenn man ihn sieht - göttlich!


    Jedenfalls bin ich schon sehr gespannt, was sich Cervantes für dieses 2. Buch noch alles ausgedacht hat. Er scheint ja vor Ideen und lustigen Einfällen nur überzusprudeln! Aber ich denke auch, er hat diese Fantasiewelt wahrscheinlich auch als Kompensation für sein reales Leben gebraucht. Nach dem, was du erzählt hast, Ikarus, schien es wirklich nicht besonders glücklich gewesen zu sein. War er eigentlich verheiratet?


    Im Vorwort erzählt er ja auch ein bisschen über sich.


    Noch kurz zu Maria: Das habe ich mir auch die ganze Zeit gedacht - seine Geschichten finden immer ein gutes Ende. Das macht das Buch auch etwas mehr zu einem Märchen.
    Überhaupt ist es ja so, dass er märchenhafte und reale Elemente darin miteinander vermengt. Die Geschichte des Ritters und auch die wunderbare Fügung fast aller Episoden erinnern ja stark an Märchen. Wohingegen die Welt, wie sie beschrieben wird und die darin vorkommenden Personen wie aus dem wirklichen Leben gegriffen zu sein scheinen (was auch bestimmt der Fall ist). Und ich die Geschichten der Adeligen und die Sklavengeschichte scheinen sehr real (wir erwähnten ja schon die autobiographischen Züge). Nicht nur sein Held vermischt also Fiktion und Wirklichkeit, sondern die ganze Geschichte baut sich aus dieser Mischung auf.


    Ich werde jetzt jedenfalls auch ein bisschen weiterlesen... Viel Spaß euch allen!


    Angélique

  • Hallo miteinander


    Der Autor meiner Cervantes-Biographie, William Byron, beschreibt sehr anschaulich, was eigentlich das "revolutionäre" am Don Quijote ist. Er vergleicht die Bedeutung von Cervantes für die Erzählkunst mit derjenigen von Kolumbus für die Seefahrt und von Kopernikus für die Astronomie.


    Nicht nur, daß der Dialog bei Cervantes in sich stimmig ist, sein Stil klarer, seine Ideen komplexer sind als die anderer Prosaautoren; er eroberte der Prosaliteratur eine vollkommen neue Dimension, er schuf eine neue Erzählstruktur, die mit nur wenigen Änderungen bis heute gilt. Cervantes Entdeckung war höchst einfach und naheliegend - wie die meisten großen Entdeckungen: Er stellte seine Figuren mitten in die Gesellschaft hinein und stattete jede mit einem individuellen Charakter aus, der sie befähigte, mit allen Situationen von sich aus fertigzuwerden. Seine Geschichten sind offen gegenüber den Geräuschen, den Farben und Formen des menschlichen Alltags, den Gewohnheiten und Einstellungen, den Kleidern, dem zufälligen Hin und Her von Menschen in der belebten und bewohnten Welt. Seine Figuren existieren und handeln im Umkreis dieser Realität; ihre Probleme entstammen ihr, die Zufälle greifen verändernd in ihr Leben ein, und sie selber wirken auf diese Welt zurück.
    Diese Wechselbeziehung zwischen fiktiven Charakteren und einer realen Welt erscheint uns heute so selbstverständlich, daß wir uns gar nicht mehr vorstellen können, wie es jemals anders gewesen sein könnte. Aber vor Cervantes spielten sich Erzählungen in einem fast luftleeren Zwischenbereich ab; die Figuren genügten sich selbst, waren ausschließlich befaßt mit dem gedachten Universum, in dessen Rahmen sie handelten. Die reale Welt erschien höchstens in Gestalt eines fernen Gemurmels, das von weit her durch das Fenster eines Bauernhauses drang. Diese Menschen sind wie die Heiligen in einem gotischen Bild: überlebensgroß, nicht eigentlich menschlich, nur durch die hohen und ernsten moralischen Werte, die sie vertraten, vor einem Dasein als Karikaturen bewahrt.
    In Cervantes´ Geschichten dringt die Welt ein; die Figuren können sich gar nicht dagegen wehren, daß die reale Gesellschaft sich in ihr Leben mischt.


    Erst dieser Abschnitt hat mich die Bedeutung des Don Quijote für die Weltliteratur begreifen lassen. Demnach könnte man Cervantes als "Vater des modernen Romans" bezeichnen. Ob sich Cervantes wohl dessen bewußt war? Ich glaube nicht, daß er sich je darüber klar geworden ist, welche Bedeutung sein "Don Quijote" für die Weltliteratur hat.


    Mein TV-Tipp hat zwar nur mittelbar etwas mit unserem Buch zu tun, dürfte aber trotzdem sehr interessant sein: Am Sonntag, 30. Juni 2002, läuft im ZDF um 19.30 Uhr eine Dokumentation über die Seeschlacht von Lepanto. Und dieses Ereignis war ja im Leben von Cervantes von entscheidender Bedeutung.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Angélique


    Mit Deiner Frage nach Cervantes´ Ehe sprichst Du ein sehr rätselhaftes Kapitel an. Er war zwar verheiratet, warum er aber eine Ehe einging ist nicht plausibel zu beantworten. Cervantes war alles andere als ein feuriger spanischer Liebhaber. Frauen gegenüber muß er sehr gehemmt gewesen sein, so daß Liebe und Leidenschaft als Grund für die Ehe fast auszuschließen sind.
    Cervantes heiratete 1584 Catalina de Salazar. Er war damals schon 37 Jahre alt. Für die damalige Zeit also schon ein älterer Herr. Seine Braut war 19. Kinder gingen aus dieser Verbindung aber nicht hervor. Kein Wunder; in den ersten 18 Ehejahren verbrachte Cervantes nur insgesamt 3 jahre bei seiner Frau. Selbst wenn ihn seine Tätigkeit als amtlicher Aufkäufer für die Armada einmal in die Nähe von Esquivias, seinem damaligen Wohnsitz, führte, zog er es vor in Sevilla zu bleiben, anstatt seine Frau zu besuchen. Das Paar kam erst wieder richtig zusammen, als er 56 und sie 37 Jahre alt war. Einige Zeit später traten beide einem Laienorden bei und legten das Gelübde der ewigen Keuschheit ab. Des Geldes wegen konnte Cervantes aber auch nicht geheiratet haben, da Catalina auch aus sehr armen Verhältnissen stammte. Daß die Ehe 32 Jahre lang hielt, ist wohl nur auf den Umstand zurückzuführen, daß eine Scheidung damals völlig unmöglich, ja geradezu unvorstellbar war. Wie gesagt: Eine sehr rätselhafte Ehe.


    Viel Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Ikarus, Hallo Angelique


    Hat jemand von euch bereits 'Baudolino' von Umberto Eco gelesen? Ich kann mir nicht helfen, aber ich meine beide Bücher ähneln sich. Könnte es sein, daß Eco Don Quijote sich als Vorbild nahm für Baudolino?


    Zu anfangs war der Gedanke nur flüchtig, dann bin ich im Kapitel 47 auf die Aussage von D.Q. gestoßen:



    Welcher Geist, wenn er nicht völlig roh und ungebildet ist, kann sich daran vergnügen, zu lesen, wie ein großer Turm voll Ritter über Meer fährt gleich einem Schiff unter günstigem Winde und heut in der Lombardei Nachtruhe hält und morgn in der Frühe sich in den Landen des Priesters Johannes von Indien befindet oder in anderen, die weder Ptolomäus entdeckt noch Marco Polo gesehen hat?


    Die Suche nach dem Priester Johannes ist in Baudolino Mittelpunkt des Romans.


    Ich habe mal ein bißchen im Internet geforscht und eine kurze, aber informative Seite gefunden:


    http://www.fortunecity.com/victorian/bacon/313/koenig2.htm


    Baudolino wird als Schelmenroman bezeichnet, Don Quijote ist eigentlich auch einer, oder?



    Zum Schluß noch, ich fand es sehr traurig, wie D.Q. in einem Ochsenkarren heim gefrachtet wurde. Aber D. Q. ist immer positiv eingestellt :-)


    Ich bin nun im 2. Buch 1. Kapitel


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo JMaria


    "Baudolino" habe ich leider noch nicht gelesen, so daß ich dazu auch nichts sagen kann. Daß sich Eco aber vom "Don Quijote" hat beeinflussen lassen, kann ich mir vorstellen. Es ist zwar schon länger her, aber als ich "Der Name der Rose" las, meinte ich auch immer, hinter der Krimihandlung etwas verschmitztes und doppelbödiges zu erkennen. Und beim "Don Quijote" ist es genauso. Die Bezeichnung "Schelmenroman" trifft auf jeden Fall zu.
    Die von Dir zitierte Stelle ist aus dem Gespräch zwischen Don Quijote und dem Domherr über die Literatur und das Theater. Dieses Kapitel zeigt auch wieder, daß Don Quijote keineswegs ein Narr, sondern doch ein intelligenter, zu genauer Analyse fähiger Kopf ist.
    Der Link zu "Johannes von Indien" ist zwar interessant, aber für mich sehr mysteriös. Um das irgendwie einordnen zu können, müßte ich wahrscheinlich den "Baudolino" gelesen haben. Aber so kann ich Dir jetzt gar nichts dazu schreiben, sorry.


    Viele Grüße
    ikarus




    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo JMaria


    "Baudolino" habe ich leider noch nicht gelesen, so daß ich dazu auch nichts sagen kann. Daß sich Eco aber vom "Don Quijote" hat beeinflussen lassen, kann ich mir vorstellen. Es ist zwar schon länger her, aber als ich "Der Name der Rose" las, meinte ich auch immer, hinter der Krimihandlung etwas verschmitztes und doppelbödiges zu erkennen. Und beim "Don Quijote" ist es genauso. Die Bezeichnung "Schelmenroman" trifft auf jeden Fall zu.
    Die von Dir zitierte Stelle ist aus dem Gespräch zwischen Don Quijote und dem Domherr über die Literatur und das Theater. Dieses Kapitel zeigt auch wieder, daß Don Quijote keineswegs ein Narr, sondern doch ein intelligenter, zu genauer Analyse fähiger Kopf ist.
    Der Link zu "Johannes von Indien" ist zwar interessant, aber für mich sehr mysteriös. Um das irgendwie einordnen zu können, müßte ich wahrscheinlich den "Baudolino" gelesen haben. Aber so kann ich Dir jetzt gar nichts dazu schreiben, sorry.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)