Und noch ein Beispiel für die Möglichkeiten der Modernisierung, anhand eines Textausschnittes aus Johannes Paulis Schimpf und Ernst (Erstdruck 1522).
Nahezu unveränderte Originalschreibung:
Zitat
Uf einmal was ein Tyran in der Stat Siracusana, ein groser Her, der hieß Dionisius. Der het vil armer Lüt gemacht, und under denen het er auch ein Philosophum verderbt, der hieß Diogenes, darumb das er im die Warheit sagt. Und uff einmal wüsch Diogenes Krut oder ein Salat und wolt in für den Hunger essen, das sahe ein Diener desselbigen Dionisy und sprach zů demselbigen Diogenes: ›Wan du woltest thůn, was mein Her Dionisius wolt, so bedörfftestu nit Kraut essen und hettest wol besser Ding zů essen.‹ Diogenes sprach: ›Woltestu Krut essen, so bedörfftestu deinem Herren Dionisio nit adulieren und Schmeichlerei treiben.‹
[url=http://www.zeno.org/Literatur/M/Pauli,+Johannes/Prosa/Schimpf+und+Ernst/44.+Von+den+Schmeichlern+oder+Zud%C3%BCtlern,+Adulatores+genant/382.+Diogenes+a%C3%9F+Kraut,+aduliert+nit]zeno.org[/url]
Modernisierte Rechtschreibung:
Zitat
Uf einmal was ein Tyrann in der Stadt Syracusana, ein großer Herr, der hieß Dionysius. Der hätt vil armer Lüt gemacht, und unter denen hätt er auch ein Philosophum verderbt, der hieß Diogenes, darum daß er ihm die Wahrheit sagt. Und uf einmal wusch Diogenes Kraut oder ein Salat und wollt ihn für den Hunger essen. Das sahe ein Diener desselbigen Dionysii und sprach zu demselbigen Diogenes: «Wann du wolltest tun, was mein Herr Dionysius wollt, so bedörftestu nit Kraut essen und hättest wohl besser Ding zu essen.» Diogenes sprach: «Wolltestu Kraut essen, so bedörftestu deinem Herren Dionysio nit adulieren und Schmeichlerei treiben.»
(Deutschsprachige Erzähler des 16. und 17. Jahrhunderts, hrsg. von Siegfried Streller. Leipzig: Dieterich, 1986. S. 144)
Modernisierte Rechtschreibung und modernisierte Grammatik:
Zitat
Einstmals war ein Tyrann in der Stadt Syrakus, ein großer Herr, der hieß Dionysios, der hatte viele Leute arm gemacht, und unter denen hatte er auch einen Philosophen, der hieß Diogenes, verdorben, darum weil er ihm die Wahrheit sagte. Und einmal wusch Diogenes Kraut oder einen Salat und wollte ihn vor Hunger essen; das sah ein Diener desselben Dionysios und sprach zu demselben Diogenes: »Wenn du tun wolltest, was mein Herr Dionysios will, so brauchtest du nicht Kraut zu essen und hättest wohl bessere Dinge zu essen.« Diogenes sprach: »Wolltest du Kraut essen, so brauchtest du deinem Herrn Dionysios nicht zu adulieren und Schmeichlerei zu treiben.«
(Deutsche Schwänke. Ausgewählt, übertragen und eingeleitet von Günter Albrecht. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag, 1990. S. 74 f.)
Wie man sieht, bleiben selbst im letzten Fall die meisten Eigentümlichkeiten erhalten, das ganze klingt nicht so modern wie es bei einer regelrechten Übersetzung der Fall wäre. Insbesondere bleibt auch das "adulieren" (umschmeicheln, speichellecken) erhalten, das in den Anmerkungen natürlich erklärt wird.
Schöne Grüße,
Wolf