Beiträge von Wolf

    Hallo Steffi und Maria,


    wie ich Euren Beiträgen entnehme, lest ihr parallel zum Roman auch noch Biographisches über die Autorin, sehr interessant.


    Das im Roman geschilderte New York wirkt ganz anders als eine moderne Großstadt, nichts von anonymen Massen und Vereinzelung, sondern wie in einer Kleinstadt kennt jeder jeden, nichts bleibt unbeobachtet, jeder muß damit rechnen, daß sich gesellschaftliche Verfehlungen sofort herumsprechen. Allerdings geht es nur um das New York der Oberschicht, andere Gruppen werden nur am Rande erwähnt. Diese zusammenhängende Gesellschaft war damals anscheinend schon in Auflösung begriffen. Im 6. Kapitel etwa heißt es:


    Zitat


    Man sei, meinte Mrs. Archer, heute nicht mehr so eigen wie früher, und wenn die alte Catherine Spicer das eine Ende der Fifth Avenue und Julius Beaufort das andere Ende beherrsche, könne man nicht erwarten, daß die alten Traditionen noch lange gültig blieben.


    Die räumliche Trennung der Häuser ist hier ein Zeichen für die Lockerung der gesellschaftlichen Bindungen. Ellen Olenska wohnt ja auch in einem Stadtteil, in dem man in diesen Kreisen normalerweise nicht wohnen sollte:


    Zitat


    Es war allerdings ein seltsames Viertel zum Wohnen. Kleine Schneiderateliers, Tierpräparatoren und »Leute, die schreiben« waren ihre nächsten Nachbarn


    Sehr hübsch finde ich die Umschreibung »Leute, die schreiben« ("people who wrote"), offenbar ist das Schriftstellerdasein derart anrüchig, daß man das Wort "Autor" nicht in den Mund nehmen will. Newland Archer mag aber diese Menschen; in diesem "seltsamen Viertel" wohnt auch ein Freund von ihm, der Autor und Journalist ist. Im 12. Kapitel heißt es über Newland Archer:


    Zitat


    Er wußte, daß es Gesellschaften gab, in denen Maler, Dichter, Schriftsteller, Gelehrte und selbst bedeutende Schauspieler ebenso gesucht waren wie Herzöge. [...] Doch so etwas war in New York unvorstellbar, und der bloße Gedanke daran beunruhigte ihn. Archer kannte die meisten »Leute, die schreiben«, die Musiker, die Maler: er traf sie im »Century« oder in den kleinen Musik- und Theaterklubs, die eben in New York aufkamen.


    Auch Ellen Olenska mag diese Leute, in ihrem Haus liegen jede Menge Bücher herum, in denen sie gerade liest und die Newland Archers Interesse erregen, es handelt sich um seinerzeit neue Namen wie Paul Bourget, Huysmans und die Brüder Goncourt. Dagegen liest Newlands Verlobte eigentlich nur das, was er ihr selbst gegeben hat.


    Zitat von "JMaria"


    und im Kapitel 9 gehts um die "eingefangenen Männer".


    ....trennte Archer sich von seiner Braut mit dem Gefühl, er sei wie ein schlau in die Falle gelocktes wildes Tier vorgeführt worden.


    Die Autorin beabsichtigt wohl dieses Bild des primitiven Überlebenskampf.


    In diesem Zusammenhang werden auch "anthropologische Schriften" erwähnt, die Newland Archer liest. Später fällt der Name Herbert Spencer, von dem er sich ein neues Buch gekauft hat. Im 10. Kapitel werden "wissenschaftliche Bücher" erwähnt, und Newland vergleicht seine Braut May mit einem blinden Höhlenfisch, von dem er gerade gelesen hat:


    Zitat


    But how many generations of the women who had gone to her making had descended bandaged to the family vault? He shivered a little, remembering some of the new ideas in his scientific books, and the much-cited instance of the Kentucky cave-fish, which had ceased to develop eyes because they had no use for them. What if, when he had bidden May Welland to open hers, they could only look out blankly at blankness?


    (aus dem englischen E-Text zitiert, damit ich mir das Abtippen spare ;-))


    Es gibt viele solcher Stellen, in denen die hochstehende New Yorker Gesellschaft als im Grunde "primitiv" (= unentwickelt; nicht progressiv) dargestellt wird. In einem späteren Kapitel ist von einem "prähistorischen Ritual" die Rede.


    Im 16. Kapitel gibt es eine aufschlußreiche Szene, in der May Welland an Format und menschlicher Tiefe gewinnt, nachdem sie vorher eher als blind und unwissend dargestellt wurde.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Steffi,


    Zitat von "Steffi"


    Nochmal zum Namen - hab ich das richtig verstanden, Newland war der Mädchenname seiner Mutter ? Tsts, komische Sitten !


    ja, das fand ich auch auffällig, daß hier ein Nachname zum Vornamen gemacht wurde, aber in den USA ist die Vornamenwahl ziemlich uneingeschränkt, und heutzutage kann man dort beispielsweise auch "Rachitis", "Ten Sixty Nine" oder "Y" heißen (alles Beispiele aus dem dtv-Atlas für Namenkunde). Insofern ist Newland da noch ziemlich gut weggekommen. ;-)


    Zitat von "Steffi"


    Ist euch aufgefallen, dass die Damen Archer lieber Henry James lesen als Dickens


    Sie lesen, glaube ich, doch eher Bulwer als Henry James, oder? :-) Bei Henry James würde es auch zeitlich etwas knapp (wir sind ja erst am Anfang der 1870er Jahre). Kurz mal im englischen Gutenberg-Text nach "Dickens" gesucht, hier ist die Stelle:


    Zitat


    (They preferred those about peasant life, because of the descriptions of scenery and the pleasanter sentiments, though in general they liked novels about people in society, whose motives and habits were more comprehensible, spoke severely of Dickens, who "had never drawn a gentleman," and considered Thackeray less at home in the great world than Bulwer—who, however, was beginning to be thought old-fashioned.)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Steffi,


    finde ich ja interessant, daß der Name "Newland" eine Reminiszenz an Henry James sein soll.


    Wie kommst Du mit dem englischen Original zurecht? Ich habe es mir vom Project Gutenberg heruntergeladen und nach einigem Herumlesen darin bin ich doch froh, eine deutsche Übersetzung lesen zu können.


    Ich habe nun schon 14 Kapitel hinter mir und Newland Archer gefällt mir jetzt viel besser als zu Beginn - nicht nur, weil man nun erfährt, daß er einer der wenigen ist, die einen Sinn für Bücher und Literatur haben. ;-) Er erkennt immer klarer die gesellschaftlichen Zwänge und Unfreiheiten, in denen er lebt. Als seine Verlobte ihm ein Kompliment machen will, indem sie ihn "originell" nennt, bricht es aus ihm heraus (10. Kapitel)


    Zitat


    »Originell! Wir sind einander gleich wie Puppen, die man aus demselben gefalteten Papier ausschneidet. Wir sind wie Schablonen, die man an die Wand malt [...]


    Und später bei einem Gespräch mit seiner Mutter und seiner Schwester:


    Zitat


    »Ach, Familie, Familie!« sagte er wegwerfend.
    »Newland - gibst du denn gar nichts auf Familie?«
    »Keinen Pfifferling.«


    Das klingt ziemlich aufmüpfig, aber ihm selbst ist eigentlich klar, daß er aus dieser Gesellschaft nicht einfach ausbrechen kann.


    Nochmal zurück zum 4. Kapitel, da gibt es eine wunderbare Beschreibung der erfurchteinflößenden Mrs. Mingott, die so beginnt:


    Zitat


    Die ungeheuren Fleischmassen, die sie in der Mitte ihres Lebens überschwemmt hatten wie Lava eine zum Untergang verurteilte Stadt, hatten aus einer drallen aktiven kleinen Frau mit zierlich geformten Fuß und Knöchel etwas so Gewaltiges und Erhabenes wie eine Naturerscheinung gemacht.


    In diesem Stil geht dann die Beschreibung noch weiter, das ist ein echtes Highlight. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Maria,


    das mit den jahrtausendealten "Totemgesetzen" fand ich auch auffallend, hier werden die europäischen Einwanderer in eine Reihe mit den amerikanischen Ureinwohnern gestellt. Im 6. Kapitel wird die moderne New Yorker Gesellschaft mit den "Primitiven" verglichen, bei "denen die Braut unter lautem Geschrei aus dem elterlichen Zelt geschleppt wird." Bei den New Yorkern ist davon noch ein ritualisiertes Sich-Sträuben vor der Heirat übriggeblieben.


    Es gibt öfter Hinweise auf Vorfahren und "längstverstorbene Ahnen", deren Traditionen man schon seit langen Zeiten befolge. Das erweckt einen Eindruck von Trägheit, so wie in diesem Zitat aus dem 5. Kapitel:


    Zitat


    Nach dem Essen schleppten Mrs. Archer und Janey einem uralten Brauche folgend ihre langen Seidengewänder ins Wohnzimmer hinauf ...


    Im 6. Kapitel heißt es:


    Zitat


    Eigentlich lebten sie alle in einer Art Hieroglyphenwelt, in der man das Wirkliche nie sagte, tat oder auch nur dachte, sondern nur durch eine Reihe willkürlicher Zeichen darstellte ...


    In den Dialogen zeigt sich dieses Phänomen sehr gut, das Gesagte wird meist sorgfältig abgewogen, gesellschaftlich heikle Themen werden nur angedeutet, scheinbar harmlose und oberflächliche Gespräche enthalten oft mehr, als man als Außenstehender glauben würde. Aber die Beteiligten verstehen diesen speziellen Code sehr gut, sie sind damit aufgewachsen.


    Ich bin jetzt beim 7. Kapitel. Newland Archer fängt nun an, über das Wesen der New Yorker Gesellschaft und insbesondere über die Rolle der Frauen nachzudenken, nachdem er in einem Gespräch die Partei für Ellen Olenska ergriffen hat; diese Verteidigerrolle hatte er aber eigentlich auch nur aus Gründen der Konvention angenommen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Steffi,


    ich habe mir ein gebrauchtes Piper-Taschenbuch gekauft, die darin enthaltene Übersetzung mit dem deutschen Titel "Zeit der Unschuld" ist von Richard Kraushaar und Benjamin Schwarz. Zwei ältere Übersetzungen tragen die etwas merkwürdigen Titel "Amerikanische Romanze" und "Im Himmel weint man nicht". Eine aktuell lieferbare deutsche Übersetzung dieses Romans gibt es anscheinend tatsächlich nicht. Für das Piper-Taschenbuch werden im ZVAB teilweise horrende Preise verlangt: 20 bis 38 Euro! War gar nicht so einfach, dieses Buch für einen vernünftigen Preis zu bekommen. :-)


    Ich habe die ersten drei Kapitel gelesen, das sind knapp 30 Seiten, wir befinden uns in New York zu Beginn der 1870er Jahre und erhalten gleich auf den ersten Seiten einen lebendigen Einblick in die vornehme New Yorker Gesellschaft, die mit feiner Ironie geschildert wird: man geht in die Oper, dabei ist das Geschehen auf der Bühne sekundär, die Oper ist ein gesellschaftliches Ereignis, wo sich die einflußreichen Familien präsentieren können; Konventionen sind in diesen Kreisen sehr wichtig, auch für die männliche Hauptfigur. Der junge Newland Archer ist frisch verlobt, er bewundert die "abgrundtiefe Reinheit" seiner Braut und träumt von seiner Hochzeitsreise:


    Zitat


    "Wir werden den 'Faust' miteinander lesen ... an den italienischen Seen ...", dachte er, und in einem leichten Nebel verschmolz ihm der Schauplatz seiner Flitterwochen mit den Meisterwerken der Literatur, die seiner Braut zu vermitteln er als sein männliches Vorrecht ansah.


    Dank seiner Führung soll seine zukünftige Frau kein "einfältiges Gänschen" bleiben, sondern die ihrer Stellung zukommende gesellschaftliche Rolle einnehmen. Es wäre alles in bester Ordnung, wenn nicht die Gräfin Olenska aufgetaucht wäre, aber das geschieht ihm recht. :breitgrins:


    Sehr hübsch finde ich, wie Wharton mit scheinbaren Nebensächlichkeiten ihre Figuren charakterisieren kann: die silbernen Haarbürsten des Newland Archer, oder wie er eine Zigarre in der Bibliothek raucht, weil das der einzige Raum in seinem Elternhaus ist, in dem das Rauchen erlaubt ist. Die anderen Räume sind offenbar zu schade dafür. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Dostoevskij,


    Zitat von "Dostoevskij"


    Dieses Exemplar finden sich, visuell zwar ziemlich wirr, aber wohl komplett auf archive.org.


    danke für den Hinweis auf dieses Buch! Übersichtlicher wird es, wenn man sich zusätzlich noch die Scans (Tiff-Dateien) herunterlädt, oder man schaut sie sich online an, dazu einfach auf "See other formats" klicken, dann ist man hier: http://www.archive.org/details/diebcherliebhab00mhgoog
    Die gezippten Tiff-Dateinen erhält man unter "All Files: HTTP", dort ist das die Datei diebcherliebhab00mhgoog_tif.zip


    Oder man lädt sich das PDF direkt von Google-Books herunter, das geht aber nur über einen US-Proxy. Mehr dazu findet man hier: http://de.wikisource.org/wiki/…h#Nutzung_eines_US-Proxys


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    ich habe kürzlich Henry James' Erzählung Das Durchdrehen der Schraube (The Turn of the Screw) in der Übersetzung von Karl Ludwig Nicol gelesen (bei dtv erschienen). Anfangs hatte ich öfter mal Probleme mit einzelnen Sätzen, die mir ziemlich "verschraubt" vorkamen. ;-) Ein Beispiel dafür findet man im vierten Kapitel:


    Übersetzung von Karl Ludwig Nicol:


    Zitat


    Das Gute dabei war letzten Endes, daß wir ihn sicher nicht wiedersehen würden.


    So stark wog das, wie ich zugeben muß, allerdings nicht, um mir nicht die Einsicht zu überlassen, daß ja das, was mir im wesentlichen nichts anderes viel bedeuten ließ, allein mein reizvoller Beruf war.


    Dieses "im wesentlichen nichts anderes viel bedeuten" ist ein echter Stolperstein, weshalb ich den Satz mehrmals lesen mußte, um ihn richtig zu verstehen. Dabei fiel mir dann auch noch die Abtönungspartikel "ja" auf, die für meinen Geschmack viel zu umgangssprachlich ist, um in diesen Satz zu passen; das ist ein kleiner, aber auffälliger Stilbruch. Außerdem wird hier die Fügung "Einsicht überlassen" in einer Weise verwendet, die im Deutschen unüblich ist. Man kann sagen "das überlasse ich Ihrer Einsicht" o. ä., aber man sagt normalerweise nicht "dieses Ereignis überließ mir die Einsicht, daß ...", sondern beispielsweise "durch dieses Ereignis gelangte ich zur Einsicht, daß ...".


    Zum Vergleich dieselbe Stelle in der Originalsprache:


    Zitat


    The good thing, after all, was that we should surely see no more of him.


    This was not so good a thing, I admit, as not to leave me to judge that what, essentially, made nothing else much signify was simply my charming work.


    Ich habe mir jetzt auch noch die Übersetzung von Ingrid Rein gekauft, dort wird das so übersetzt:


    Zitat


    Das Beruhigende an der Sache war indes, daß wir ihn bestimmt nie wieder zu Gesicht bekommen würden.


    So beruhigend ich dies auch empfand, gelangte ich doch rasch zu der Erkenntnis, daß es im Grunde genommen wohl meine reizvolle Aufgabe war, die mir alles andere recht bedeutungslos erscheinen ließ.


    Die Übersetzung von Ingrid Rein ist unter dem Titel "Das Geheimnis von Bly" u. a. als Insel-Taschenbuch erschienen. Wieso man da den Titel so stark verändert hat, weiß ich nicht, das gefällt mir nicht so gut.


    Hier noch ein weiterer kleiner Übersetzungsvergleich, es geht um den ersten Satz des dritten Kapitels:


    Zitat


    Her thus turning her back on me was fortunately not, for my just preoccupations, a snub that could check the growth of our mutual esteem.


    Übersetzung von Karl Ludwig Nicol:


    Zitat


    Zum Glück war diese ihre Art, mir den Rücken zu kehren, meinen begründeten Sorgen gegenüber keine Rüge, die das Gedeihen unserer gegenseitigen Wertschätzung hätte beeinträchtigen können.


    Übersetzung von Ingrid Rein:


    Zitat


    Daß sie mir dergestalt den Rücken kehrte, bedeutete, entgegen meiner berechtigten Befürchtung, keine brüske Zurückweisung, die einer Zunahme unserer gegenseitigen Wertschätzung hätte hinderlich sein können.


    Hier fällt erstens wieder auf, daß Nicols Übersetzung manirierter klingt als die eingängigere Übersetzung von Rein; und zweitens fällt auf, daß das Original auf für Englischkundige offenbar nicht allzu leicht zu verstehen ist, denn der Einschub "for my just preoccupations" wird hier ganz unterschiedlich verstanden und übersetzt. Bei Nicol geht es um eine mögliche Rüge oder Zurückweisung der "begründeten Sorgen", die die Ich-Erzählerin wegen der Kinder hat; bei Rein geht es um eine mögliche Zurückweisung der Ich-Erzählerin, die "begründeten Sorgen" beziehen sich nur auf diese Zurückweisung.


    Nach einigen Anfangsschwierigkeiten kam ich aber mit der Übersetzung von Karl Ludwig Nicol sehr gut zurecht. Vielleicht habe ich mich an seinen Stil gewöhnt, oder der Übersetzer kam im Laufe seiner Übersetzung besser mit dem Text zurecht, oder der Stil von Henry James wurde im Laufe der Geschichte weniger verzwirbelt und einfacher zu übersetzen.


    Hier noch eine Stelle, die mir in der Übersetzung von Nicol wesentlich besser gefällt als in der von Rein. Das sind die Schlußsätze des sechsten Kapitels:


    Zitat


    She had picked up a small flat piece of wood which happened to have in it a little hole that had evidently suggested to her the idea of sticking in another fragment that might figure as a mast and make the thing a boat. This second morsel, as I watched her, she was very markedly and intently attempting to tighten in its place. My apprehension of what she was doing sustained me so that after some seconds I felt I was ready for more. Then I again shifted my eyes – I faced what I had to face.


    Übersetzung von Nicol:


    Zitat


    Flora hatte ein flaches Holzstückchen aufgeklaubt, das zufällig ein kleines Loch besaß, was sie offensichtlich auf den Gedanken gebracht hatte, ein anderes Hölzchen hineinzustecken, das einen Mast darstellen und das kleine Holzstück zu einem Schiffchen machen sollte. Das zweite Holzstückchen versuchte sie eben, als ich zu ihr hinsah, höchst auffällig und eifrig in die entsprechende Stelle einzufügen. Meine Ansicht von dem, was sie da gerade tat, ermutigte mich, so daß ich mich nach einigen Augenblicken für noch mehr imstande hielt. Darauf wandte ich die Augen noch einmal - ich sah, was ich sehen mußte.


    Übersetzung von Rein:


    Zitat


    Flora hatte ein flaches Stückchen Holz vom Boden aufgehoben, das zufällig ein kleines Loch aufwies; dadurch war sie offenbar auf die Idee gekommen, ein weiteres Holzstückchen hineinzustecken, das als Mast dienen und aus dem Ding ein Boot machen sollte. Ich beobachtete, wie sie sich äußerst beflissen und angestrengt bemühte, dieses zweite Stückchen an seinem Platz zu befestigen. Ich ahnte, was sie vorhatte; dies gab mir so viel Kraft, daß ich nach ein paar Sekunden glaubte, mehr ertragen zu können. Wieder richtete ich meinen Blick auf sie - und sah, was ich sehen mußte.


    Bei Nicol wird "very markedly and intently" sehr gut mit "höchst auffällig und eifrig" übersetzt, wodurch verdeutlicht wird, daß Flora das nur tut, um von etwas anderem abzulenken. In der Übersetzung von Ingrid Rein ("äußerst beflissen und angestrengt") wird das nicht so deutlich. Auch das "Then I again shifted my eyes" ist bei Nicol besser übersetzt, denn Rein fügt da ein unnötiges "sie" ein, wodurch das ganze nicht mehr so in der Schwebe bleibt wie im Original, wo eben nicht klar gesagt wird, ob sich der Blick auf das Mädchen richtet oder auf die geisterhafte Erscheinung, von der vorher in diesem Kapitel die Rede war.


    Alles in allem bin ich aber mit beiden Übersetzungen sehr zufrieden, sie ergänzen sich sehr gut, und es schadet ja auch nicht, wenn man "The Turn of the Screw" mehrmals liest. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Sir Thomas,


    die Verslehre von Hans-Dieter Gelfert kenne ich nicht, ich habe vor längerer Zeit mal zwei andere Bücher von ihm gelesen: "Wie interpretiert man ein Gedicht?" und "Was ist gute Literatur?", die leicht verständlich geschrieben und gut strukturiert waren. Seine Verslehre dürfte ebenso anfängertauglich und flott zu lesen sein, und da sie nicht teuer ist, kannst Du sie Dir ja mal zulegen und durchlesen.


    Recht gut gefällt mir: Dieter Burdorf: Einführung in die Gedichtanalyse (erschienen bei Metzler). Darin geht es ganz allgemein um "die Methoden des literaturwissenschaftlichen Umgangs mit Gedichten", man erhält da einen sehr guten Überblick; eine Übersicht über die wichtigsten metrischen Grundformen ist darin natürlich enthalten, und meines Wissens ist das auch ein Standwerk für das Germanistikstudium. Oder ganz speziell für die Verslehre gibt es: Christian Wagenknecht: Deutsche Metrik. Eine historische Einführung (erschienen bei C. H. Beck), das ist aber eine eher trockene Lektüre, außer man interessiert sich wirklich für Metrik. ;-)


    Sehr umfassend, allerdings auf englisch, ist die New Princeton Encyclopedia of Poetry and Poetics: ein alphabetisch geordnetes Nachschlagewerk, in dem man fast alles findet, was man über Lyriktheorie wissen will. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "giesbert"


    Wer mal hören will, wie ich spreche - das Deutschlandradio hat mich heute Mittag zu meinem Langzeitprojekt kurz interviewt:


    Sehr schön! :-) Ist ja erfreulich, welch große Aufmerksamkeit und Resonanz Dein Projekt erhält und daß es nicht nur innerhalb eines relativ kleinen Netzzirkels wahrgenommen wird.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "Stoerte"


    Allgemein sehr schönes Lehrstück darüber, was alles an Kindle und Co. falsch läuft. Man spart 10% des Preises, bekommt gerade mal eine nicht wieder weiter verkaufbare Lizenz - und wenn dann der Verkäufer, wie Amazon, doch einen Fehler macht, pfuscht er mit dem Inhalt des teuer erworbenen elektronischen Gerätes Kindle herum, als gehöre es ihm.


    Stimmt, und gerade bei 1984 gibt es ja noch das Problem, daß die Schutzfrist in verschiedenen Ländern unterschiedlich ist:


    »1984 wird in der Europäischen Union ab dem Jahr 2020, in den USA erst nach 2044 den Status Public Domain erhalten, den er zum Beispiel in Kanada, Russland und Australien schon hat.«
    http://de.wikipedia.org/wiki/1984_(Roman)


    Deshalb kann man sich diesen Roman von australischen Servern kostenlos herunterladen, im erwähnten Wikipedia-Artikel ist die entsprechende Webseite der University of Adelaide Library verlinkt. Im australischen Ableger des Project Gutenberg findet man die wichtigsten Orwell-Texte ebenfalls. Da man DRM-freie Texte nach entsprechender Konvertierung auch auf dem Kindle lesen kann, könnte Amazon ja auch auf den Gedanken kommen, die Texte auf dem Kindle routinemäßig zu kontrollieren und (nach US-Recht) geschützte Texte zu löschen. Jedenfalls erscheint es einigermaßen willkürlich, daß einem E-Book-Käufer der Roman weggenommen werden darf, während ein Leser, der sich 1984 kostenlos aus Australien heruntergeladen hat, diesen Roman ungestört auf seinem Kindle lesen darf.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "sandhofer"


    Aber wir problematisieren den Begriff "Briefroman" für Texte, die im Grunde genommen eben monologisch sind.


    Wenn es nur um die Bezeichnung geht: der Werther ist ein Roman, der aus Briefen besteht, weshalb mir die Bezeichnung "Briefroman" (= "Roman in Briefen") geeignet erscheint. Sie ist jedenfalls weder unzutreffend noch irreführend. Gegebenenfalls könnte man ja noch zwischen dialogischen und monologischen Briefromanen unterscheiden.


    Wenn es nicht einfach nur um die Bezeichnung, sondern um die Wahl der Prosaform geht: Ich habe gerade noch einmal in Arno Schmidts Nachtprogramm über Wieland herumgelesen. Dort heißt es gegen Ende:


    Zitat


    Im 'Werther' ist also der Fall eingetreten, daß ein großer Künstler sich absolut in der Form vergriffen hat [...] Goethe [...] hat zur 'Erledigung' eines Menschen, einer Landschaft, eine Form benutzen wollen, die für zwei Menschen, zwei Landschaften zuständig ist [...]


    Na ja, das kann man so sehen, fragt sich nur, ob es hier jemand gibt, der dem zustimmt. ;-)


    Noch mal zurück zum Thema "Twitterroman": Ich habe gerade ein Buch von Edward Gorey gelesen:


    [kaufen='0151006962'][/kaufen]


    Der Text darin ist ziemlich twitterkompatibel. :breitgrins: Auf jeder Doppelseite steht links ein Satz, meist unter 140 Zeichen (den mir am längsten erscheinenden Satz habe ich ausgezählt: 158 Zeichen inklusive Leerzeichen), rechts befindet sich eine dazugehörige Zeichnung. Das ganze ergibt eine Art Kriminalgeschichte, bei der aber der Leser insofern gefoppt wird, als es zwar viele Andeutungen und Hinweise gibt, die aber alle zusammen nichts wirklich Greifbares ergeben. Das ganze ist laut Widmung eine "Homage to Jane Austen", was ebenfalls einigermaßen geheimnisvoll erscheint. Manche Sätze klingen für sich genommen ziemlich banal, z.B.: "At the buffet Miss Quartermourning lost a slice of cucumber from her sandwich." Aber im Kontext der Geschichte und im Zusammenspiel mit den Bildern wirken solche Sätze auf einmal sehr gewichtig und bedeutungsschwanger.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "giesbert"


    Und ist aus diesem Grund, wie der Werther, kein Briefroman.


    Ich glaube, diese enge Definition von "Briefroman" findet man auch irgendwo bei Arno Schmidt, und zwar im Zusammenhang mit Wielands "Aristipp", der ein echter Briefroman sei, weil da nicht nur eine einzelne Person schreibt, sondern eine Vielzahl von Personen, die sich an unterschiedlichen Orten befinden, und durch diese Stimmenvielfalt ergebe sich dann ein Abbild der Welt, oder so ähnlich. Nur wurden wahrscheinlich sehr viele derartige "richtige" Briefromane geschrieben, die heutzutage niemand mehr liest, weil sie eben nicht viel taugen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "sandhofer"


    Mit andern Wort: Reine Lust - aber an der Provokation, nicht am Mädchen ...


    und auch Lust am Wortspiel, wenn ich mir die entsprechende Stelle ansehe (man findet sie via books.google.de): "[...] nicht einzig, weil das Hürchen in ihr mächtig zu kielen begann [...]". Das Verb "kielen" bezieht sich ja eigentlich auf einen Vogel (er bekommt "Kiele", d.h. die jugendlichen Flaumfedern werden durch größere Kielfedern ersetzt), und tatsächlich gibt es einen Vogel, der "Hürchen" genannt wird: nämlich la putilla, das ist ein Vogel in Peru, dessen Federn zu Liebeszaubern verwandt wurden.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "sandhofer"


    Ich bin Hölderlin-Fan (wenn man das so sagen darf) und besitze die 12-bändige Ausgabe der Werke und Briefe in zeitlicher Reihefolge von Sattler - aber ich so gar kein Glinz-Fan. Der gute Mann hat - zumindest hierzulande - mit seinen Theorien innert kürzester Zeit jedes Verständnis und Gefühl für Grammatik bei den Gymnasiasten in Grund und Boden geritten.


    Interessant. Orientiert man sich im Schweizer Schulunterricht an der Wortarten-Einteilung von Glinz oder welche Probleme gibt es da genau? Leider gibt es ja nicht die deutsche Grammatik, die man dann in der Schule unterrichten könnte, denn man kann ein und dieselbe Sprache auf ganz unterschiedliche Weisen beschreiben. Man kann lange darüber streiten, welches Grammatikmodell man für die Schule auswählen soll und wie man es didaktisch aufbereitet. Den deutschen Gymnasiasten sagt man übrigens auch nicht unbedingt gute Grammatikkenntnisse nach. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "Solipsist777"


    Zu Fontane (da du schon der Zweite bist, der explizit kein Interesse an einer Werkausgabe von ihm bekundet ^^): Ich habe auch nicht unbedingt vor, alles komplett von ihm zu lesen (allein die komplette "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" werden wohl ein eher zweifelhaftes Vergnügen). Nicht umsonst wird er ja eher als Trivialliteratur eingeordnet


    Echt? :breitgrins: Nein, in die Trivialliteratur wird Fontane normalerweise eigentlich nicht eingeordnet, da gehört er auch nicht hin. Das mit dem Desinteresse an einer Fontane-Werkausgabe hast Du wohl mißverstanden: Es ging mir nicht etwa darum, daß sich bei Fontane eine Werkausgabe nicht lohnen würde, weil er nur wenig Gutes geschrieben hätte. ;-) Nein, nein, Fontane ist sehr lesenswert, nur ist eine einigermaßen vollständige Fontane-Werkausgabe eben leider recht umfangreich und entsprechend teuer, weshalb ich mir nie eine gekauft habe, weil ich nicht wußte, ob ich das wirklich alles jemals lesen werde. Aber das sollte Dich auf keinen Fall davon abhalten, daß Du Dir selbst eine Fontane-Werkausgabe zulegst, und vom Fontane-Lesen will Dich hier sicherlich erst recht niemand abhalten. :-)


    Zu Melville: Ich würde lieber zu neueren Übersetzungen greifen, eine Übersetzung von Matthias Jendis würde ich jeder älteren vorziehen. Vom "Moby-Dick" bevorzuge ich die Übersetzung von Friedhelm Rathjen, die als sperriger gilt als die von Jendis. Aber wenn man sich die Hörbuchlesung von Christian Brückner anhört, der den Moby-Dick in der Rathjen-Übersetzung liest, dann merkt man nichts mehr von irgendeiner Sperrigkeit. Mir gefällt diese Übersetzung sehr gut. Den "Bartleby" habe ich in einer neueren Übersetzung gelesen, die von Jürgen Krug stammt. Die gefällt mir besser als die ältere Übersetzung von Elisabeth Schnack, die allerdings durchaus brauchbar ist. Tendenziell ist es aber schon so, daß die neueren Melville-Übersetzungen einen spürbaren Fortschritt bedeuten.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "bonaventura"


    Die Hanser-Ausgabe ist aufgrund der Tatsache, dass Michael Knaupp kein germanistischer Klugsch...er wie Jochen Schmidt ist, jederzeit vorzuziehen.


    »Es ist eine sonderbare Tugend, die das, was sie dem Leser zu denken zumuthet, selbst nur durch Punkte andeutet« (K. F. W. Wander). :breitgrins:


    Den Vorwurf der germanistischen Klugscheißerei kann ich schon ein bißchen nachvollziehen, ich habe eine ältere Inseltaschenbuchausgabe mit Hölderlin-Gedichten, die ebenfalls von Jochen Schmidt kommentiert wurde; da ist die Kommentierung noch nicht so ausufernd und im Gedichtteil sind beispielsweise noch drei Fassungen des Gedichtes "Mnemosyne" abgedruckt, in der DKV-Ausgabe dagegen nur eine einzige. Man erhält also mit der DKV-Hölderlin-Ausgabe viel Kommentar und verhältnismäßig wenig Primärtext.


    Außer dem Stellenkommentar gibt es zu vielen Gedichten auch noch einen sog. Überblickskommentar, der eine Art umfassender Gesamtinterpretation ist, so daß man das ganze tatsächlich als leserbevormundenden "Lösungsteil" betrachten könnte ;-) Andere Hölderlin-Ausgaben konzentrieren sich auf die Herstellung und Darbietung eines zuverlässigen Textes, und im Prinzip würde natürlich eine solche Ausgabe ausreichen, aber mich interessiert eben auch sehr, was und wie man über Hölderlins Texte, insbesondere über seine Gedichte, reden kann. Deshalb bin ich über die DKV-Taschenbuchausgabe sehr froh, denn so viel Hölderlinkommentar für so wenig Geld bekommt man sonst wohl nirgends. Außerdem werden im Hanser-Stellenkommentar manche unklaren Wortbezüge in einzelnen Hölderlingedichten ("... ein Gesetz ist, / Daß alles hineingeht, Schlangen gleich, / Prophetisch ...") nicht immer so deutlich erklärt, wie im DKV-Stellenkommentar.


    Dabei fällt mir ein, es gibt eine Einführung in die deutsche Syntax von Hans Glinz, in der die grammatischen Begriffe anhand von Hölderlingedichten erklärt werden:


    Hans Glinz: Der deutsche Satz. Wortarten und Satzglieder wissenschaftlich gefaßt und dichterisch gedeutet. Düsseldorf: Schwann, 1957


    Das fand ich schon recht kurios, denn Hölderlinverse sind ja syntakisch eher ungewöhnlich, wenn man sie mit der Alltagssprache vergleicht, trotzdem kommen darin alle grammatischen Erscheinungen vor, die man für eine Darstellung der deutschen Syntax benötigt. Genau das richtige Buch für alle grammatisch interessierten Hölderlinfans und alle an Hölderlin interessierten Grammatikfans. :-)


    Zitat von "scardanelli"


    .. und was haltet Ihr von der Ausgabe, die D. Sattler urspünglich im Verlag Stroemfeld / Roter Stern herausbrachte (und die teilweise von Luchterhand nachgedruckt wurde)???


    Von der Luchterhand-Taschenbuchausgabe habe ich einige Einzelbände, die mir sehr gut gefallen. Da sieht man sehr schön, wie schwierig es in vielen Fällen ist, aus den Handschriften einen lesbaren Hölderlintext herzustellen. Im dritten Band findet man einen nicht ausgeformten Entwurf zum Hymnus "Der Archipelagus". Dieses Fragment gehört zu meinen Lieblings"gedichten" von Hölderlin:



    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Solipsist777,


    von den von Dir erwähnten Werkausgaben habe ich selbst nur die dreibändige Hölderlin-Ausgabe aus dem Hanserverlag. Das ist eine schöne Ausgabe, mir gefällt, daß die Orthographie nicht modernisiert wurde; der Kommentar ist allerdings etwas mager, gerade bei den Gedichten wird man da als Leser ziemlich allein gelassen. Im Vergleich dazu ist der Kommentar von Jochen Schmidt in der Hölderlin-Werkausgabe des Deutschen Klassikerverlages himmelhoch überlegen. Die zwei wichtigsten Bände dieser Werkausgabe gibt es seit einiger Zeit auch als Taschenbuch, das ist eine preisgünstige und gute Ergänzung zu einer bereits vorhandenen Hölderlin-Werkausgabe.


    Von E. T. A. Hoffmann habe ich die Ausgabe aus dem Winklerverlag, auch meine deutschsprachige Shakespeare-Ausgabe stammt aus diesem Verlag. Für einzelne Werke Shakespeares habe ich dann noch englische Taschenbuchausgaben und englisch-deutsche Reclam-Ausgaben, die beide besser und ausführlicher kommentiert sind als eine gängige Shakespeare-Gesamtausgabe.


    Von Fontane habe ich keine Werkausgabe, jedenfalls nicht in Papierform, sondern nur in elektronischer Form ("Digitale Bibliothek") auf meiner Festplatte. Effi Briest habe ich auch schon mal auf meinem Handheld-Computer gelesen. Das Bedürfnis nach einer umfassenden Fontane-Werkausgabe hatte ich nie verspürt, da reichen mir Einzelausgaben oder Einzelbände einer Werkausgabe, worin das Werk enthalten ist, das mich gerade interessiert.


    Bei Melville gibt es anders als bei deutschsprachigen Autoren das Problem, daß man auf die Qualität der Übersetzungen achten muß, das wäre für mich das entscheidende Kriterium, ein einheitliches Erscheinungsbild im Bücherregal wäre für mich in diesem Fall völlig unwichtig. Für Shakespeare würde im Prinzip dasselbe gelten, aber dort macht man mit der Schlegel-Tieck-Übersetzung jedenfalls nichts falsch, weil das der klassische deutsche Shakespeare ist.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "Zola"


    Wie sind eigentlich die anderen Sachen, die Fouqué geschrieben hat? Hat jemand von Euch Undine gelesen?


    Undine habe ich gelesen und vor einiger Zeit auch noch mal als Hörbuch gehört. Diese Märchenerzählung ist Fouqué sehr gut gelungen, da ist alles stimmig, die Sprache und auch die Figuren sind so, wie man sich das in einem Märchen erwartet. Mit seiner Undine hat sich Fouqué einen Platz im Kanon der klassischen Literatur sichern können, alle seine anderen Werke sind wohl leider nicht so geeignet, die Zeiten zu überdauern, obwohl ich auch einige andere seiner Erzählungen gerne gelesen habe. Im Winkler-Verlag ist mal ein Erzählband mit dem Titel "Romantische Erzählungen" erschienen, darin ist beispielsweise Eine Geschichte vom Galgenmännlein enthalten, auch zwei oder drei Rübezahlgeschichten und noch andere märchenhafte Erzählungen und Sagen. Solche Erzählungen benötigen keine romantauglichen Charaktere, weshalb Fouqué hier seine diesbezügliche Unfähigkeit nicht so zur Geltung bringen konnte wie im Zauberring. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf