Beiträge von xenophanes


    Hallo,


    dieses Argument bezüglich der vergessenen "Ideale der Jugend" ist doch ein wenig kindisch. Man beginnt mit Pippi Langstrumpf und den Fünf Freunden, nimmt sich Winnetous edles Betragen zum Vorbild, um Siddhartha oder dem Magister Ludi Knecht die Hand zu reichen. Dass man aber irgendwann das Pippi-Poster von der Wand nimmt, hat nichts damit zu tun, dass die rothaarige Göre unsympathisch würde oder in ihrem Kampf gegen das Böse Unrecht hätte. Sondern damit, dass man die Welt differenzierter zu betrachten beginnt.


    Hesse bietet - wie Coelho eine Stufe drunter - einfache, revolutionär-esoterisch verbrämte Lösungen, die nicht zufällig an erbauliche Kalendersprüche erinnern. Das spricht selbstredend und zu Recht die Jugend an, da fühlt sich der von seinen Eltern missverstandene Rebell wohl aufgehoben und intellektuell umsorgt. Aber genau so wie man sich mit Old Shatterhand und Konsorten irgendwann nicht mehr identifiziert (es sind tatsächlich die genau gleichen Gründe, einfach weil diese Idealgestalten einen eingegrenzten und simplifizierten Lebensbereich abstecken), aus eben diesem Grund empfindet man Demian, Narziss, Goldmund & Co irgendwann als zu einfach gestrickt.


    Das ist sehr treffend, sehe ich genauso. Erspart mir eine Antwort, danke.


    CK


    Selbstverständlich gibt es Klassiker für 20 jährige und für ältere. Ich habe Dostojewski, den ich als junger Mann förmlich verschlungen habe, wirklich sehr lange nicht gelesen. Den Idioten habe ich irgendwann noch mal gelesen. Und mich irgendwann mal durch den Jüngling förmlich durchgequält.


    Ein gutes Beispiel. Ich habe Dostojewskij auch Anfang 20 zum ersten Mal ziemlich komplett gelesen. Bei Zweitlektüren in den letzten Jahren waren meine Eindrücke sehr unterschiedlich. So war ich von "Verbrechen und Strafe" eher enttäuscht.


    Die "Brüder Karamasow" fand ich aber bei meiner zweiten Lektüre immer noch hervorragend:


    http://koellerer.net/2006/10/1…j-die-bruder-karamasow-2/


    Ebenso die "Bösen Geister".


    CK

    Begleitet von diversen, teils anlassbezogene Nebenlektüren, sind meine beiden Hauptprojekt derzeit:


    John Milton: Paradise Lost (siehe Leserunde)
    Joyce: Ulysses (zum zweiten Mal)

    Bevor Ihr mich ganz vergesst, wird es höchste Zeit, mich wieder zu Wort zu melden :smile:


    Bin jetzt wieder in die Lektüre eingestiegen nach meinen diversen Reisen und las nun das dritte und vierte Buch. Außerdem auch den Milton-Artikel in der Macropaedia der Britannica, der eine prägnante und gut geschriebenes Portrait zeichnet.


    Der Beginn:


    Zitat

    John Milton stands next to Shakespeare among English poets; his writings and his influence are a very important part of the history of the English literature, culture and libertarian thought. He is best known for his long epic poem "Paradise Lost", in which his "grand style" is used with superb power; its characterization of Satan is one of the supreme achievments of world literature.


    Das dritte Buch schwenkt also von der Hölle zu einer hübschen Diskussion. Gott diskutiert mit seinem himmlischen Personal. Inhaltlich zeigt das schön, zu welchen Verrenkungen die Theologie bis heute greifen muß, wenn es um die Theodizee geht. Spannender wird es wieder, wenn wir den Satan auf seiner Reise begleiten und dieser Uriel auf den Arm nimmt.


    Sehr instruktiv fand ich das vierte Buch. Einerseits wird die Topographie des Paradieses unerwartet plastisch beschrieben (Dante-Leser?), andererseits werden unerwartete Themen aufgegriffen, etwa wenn Milton die Prokreation wortreich verteidigt gegen deren keusche Verächter. Das Streitgespräch mit Gabriel kann wiederum mit allen anderen gepfefferten Dialogen des Epos sehr gut mithalten.




    Milton stellt sie als im wahrsten Sinne des Wortes bildschöne Menschen dar. Mir gingen sofort die Bilder antiker Statuen durch den Kopf. Insbesondere die griechische Plastik ist voller Beispiele für einen Körperkult, der sich mWn. aus der Tatsache erklärt, dass die Griechen keinen großen Unterschied zwischen Menschen und Göttern machten, vielmehr in ihren Göttern Menschen sahen, die besonders vortrefflich "geraten" waren. Anders formuliert: Die Griechen hatten eine sehr hohe Meinung vom Menschen, rückten ihn in die Nähe der Götter und meißelten ihre marmornen Olympier nach durchaus menschlichem Modell.


    Dazu paßt auch, dass die beiden Engel, die Satan im Paradies aufstöbern, ja bildschön sind und das auch mit Tugend in Zusammenhang gebracht wird:


    Zitat

    and saw
    Virtue in her shape how lovels, saw, and pined
    His loss (...)


    CK


    Ovids "Metamorphosen"? Das klingt zunächst nach verstaubter Lateinstunde, an die ich mich nicht gern erinnere.


    Gibt aber kaum ein Buch, dass so einflussreich war. Alleine auf die bildende Kunst. Wer die europäische Geistes- und Kunstgeschichte verstehen will, sollte die "Metamorphosen" sehr genau kennen.

    Ich las eben das 2. Buch und stelle fest: Es wird plastisch. Zumindest konnte ich mir nun die Szenarie wesentlich besser vorstellen als beim 1. Buch, was aber wohl auch mit dem Effekt des Einlesens zu tun hat. Milton hat er sicher viel von Dante gelernt. Höhepunkt des Buches ist für mich das Ende, wenn Satan mit seinen "Kindern" um das Öffnen des Höllentors verhandelt und sich durchsetzt. Auch die topographische Reise danach zum Paradies ist beachtlich.


    Ich lese Milton zweisprachig und die Schönheit dieses alten Englisch ist verblüffend. Milton schlägt förmlich Funken aus der Sprache. Ärgere mich, das erst jetzt zu lesen!

    Hallo!


    Über das erste Buch bin ich bisher nicht hinausgekommen. Zusätzlich habe ich einiges über Milton gelesen. An seiner Persönlichkeit erstaunt ja erst einmal, dass er ein liberaler Aufklärer war, der sich auch stark für die Pressefreiheit einsetzt (die erste Publikation für sie verfasst hat).


    Das würde man angesichts des Themas von "Paradise lost" ja nicht sofort annehmen. Obwohl er den Satan ja schon im ersten Buch brillant darstellt, speziell die rhetorischen Passagen sind glänzend. Die englischen Romantiker haben ihm ja vorgeworfen, dass er mit dem Teufel unter einer Decke steckt. William Blake meinte John Milton sei "of the Devil's party without knowing it."


    Freue mich schon auf die weitere Lektüre. Das wird aber wie angekündigt sehr langsam voran gehen, da parallel noch andere Leseprojekte laufen. Darunter die Vorbereitungen für die Toskana Studienreise, die nicht verschiebbar ist.


    CK

    Bitte zählt auf mich nur als halbes Leserunden-Mitglied. Habe schon "Ulysses" und "Paradise Lost" in Arbeit und bin im Mai das halbe Monat in der Toskana und in Umbrien unterwegs.


    CK