April 2010 - J. Milton: Paradise lost


  • ist deine Überstzung auch die von Freund Hermann, oder eine ganz andere?


    Hi thopas,


    wie ich eingangs erwähnte, stammt meine Übersetzung von Adolf Böttger aus dem Jahr 1846 und ist eine andere, lesbarere als die von unserem "Freund Hermann".


    LG


    Tom

  • Also gut,
    ich bin dabei :smile:. Der erste Gesang hat mich vollends überzeugt. Meine Frau hat ihn während des Kuchenbackens mit der ihr ureigenen Theatralik intoniert, so dass sich langsam ein Gefühl für die verwendete Metrik entwickelt, was ein nicht Unwesentliches zum Verständnis des Vorgestellten beiträgt. So wissen wir überdies seitdem, dass wir wohl unser "Neues Deutsches Wörterbuch" aus dem Lingen Verlag bei Gelegenheit in eine unsichere Sache investieren werden, um evtl. über den einen oder anderen Umweg doch noch an einen Duden zu kommen. Nicht einmal das Pandämonium war dort zu finden! Meine Frau vermutet allerdings, das es sich hierbei um eine Legebatterie in Ostvorpommern handelt.


    Aber Spaß beiseite: In meiner Ausgabe haben sich im Moment die gefallenen Heerscharen vor Satan eingefunden; der ruft zum Kampf auf und man befindet sich zum Ende in einer öffentlichen Beratung des Kriegsministeriums. Ich bin jetzt gespannt, was auf der anderen Seite passiert und gehe davon aus, dass der zweite Gesang im gegnerischen Lager stattfindet. Oje.


    Ps: Aber ich habe mich wohl getäuscht. Kein Szenenwechsel. Die Teufelsbrut hält Kriegsrat und einige "hohe Instanzen" treten auf.


    MfG

    Einmal editiert, zuletzt von Freund Hermann ()

  • Nun gut,
    ich habe mich bei der Rezitation des zweiten Gesanges einigermaßen schadlos halten können und dürfte nun auf dem Laufenden sein. Satan hat zuletzt nach tiefem Fall den Weg in die Welt erfragt, der ihm von der "Anarchie" auch umstandslos angezeigt wurde, so dass er vermutlich im nächsten Gesang dort auftauchen wird. Ich bin gespannt! Auffallend bisher die Verwendung zahlreicher (und zum Teil sogar geläufiger) Allegorien, so dass eine genauere Kenntnis antiker Mythen gar nicht einmal Zwingend erforderlich ist.


    MfG

  • Hallo!


    Über das erste Buch bin ich bisher nicht hinausgekommen. Zusätzlich habe ich einiges über Milton gelesen. An seiner Persönlichkeit erstaunt ja erst einmal, dass er ein liberaler Aufklärer war, der sich auch stark für die Pressefreiheit einsetzt (die erste Publikation für sie verfasst hat).


    Das würde man angesichts des Themas von "Paradise lost" ja nicht sofort annehmen. Obwohl er den Satan ja schon im ersten Buch brillant darstellt, speziell die rhetorischen Passagen sind glänzend. Die englischen Romantiker haben ihm ja vorgeworfen, dass er mit dem Teufel unter einer Decke steckt. William Blake meinte John Milton sei "of the Devil's party without knowing it."


    Freue mich schon auf die weitere Lektüre. Das wird aber wie angekündigt sehr langsam voran gehen, da parallel noch andere Leseprojekte laufen. Darunter die Vorbereitungen für die Toskana Studienreise, die nicht verschiebbar ist.


    CK

  • Obwohl er den Satan ja schon im ersten Buch brillant darstellt, speziell die rhetorischen Passagen sind glänzend. Die englischen Romantiker haben ihm ja vorgeworfen, dass er mit dem Teufel unter einer Decke steckt. William Blake meinte John Milton sei "of the Devil's party without knowing it."


    Ein weiterer Beweis für meine These, dass Bösewichter interessanter und besser darzustellen sind, als Gutmenschen ... :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Zusätzlich habe ich einiges über Milton gelesen. An seiner Persönlichkeit erstaunt ja erst einmal, dass er ein liberaler Aufklärer war, der sich auch stark für die Pressefreiheit einsetzt (die erste Publikation für sie verfasst hat).


    Hallo xenophanes,


    ich habe auch vor der Lektüre relativ viel im Internet über Milton gelesen, da ich mich bisher mit ihm nicht besonders ausführlich beschäftigt habe. Auch die Zeit, in der Milton gelebt hat (Revolution, Commonwealth, Protektorat, Cromwell etc.), ist sehr interessant; Milton war teilweise sehr mutig mit dem was er öffentlich geäußert hat.



    Freue mich schon auf die weitere Lektüre. Das wird aber wie angekündigt sehr langsam voran gehen, da parallel noch andere Leseprojekte laufen. Darunter die Vorbereitungen für die Toskana Studienreise, die nicht verschiebbar ist.


    Ich finde, man kann die Verse immer und immer wieder lesen, also sollte auch eine Diskussion über bestimmte Textstellen möglich sein, wenn nicht alle gleich schnell lesen...


    Ich habe gestern das dritte Buch gelesen, will es aber nochmal langsamer und genauer lesen. V.a. der Teil, in dem Satans Reise weiter beschrieben wird, ist wieder nicht so einfach zu lesen. Gottes Worte und die Worte Jesu bzgl. seiner Absicht sich für die Menschheit zu opfern und sie zu erlösen sind dagegen relativ einfach zu lesen (ob das daran liegt, daß man genau weiß, was man zu erwarten hat?)...


    Viele Grüße
    thopas

  • Moin,
    bin ebenfalls im Moment mit dem 3. Gesang fertig geworden und war schon etwas erstaunt, dass Satan nicht einmal vom Erzengel Uriel erkannt wird:


    So sprach der Gleißner, unerkannt, weil nimmer
    So Mensch als Engel zu durchschaun vermögen
    Die Heuchelei das Einzige der Übel,
    Das nicht gesehn, als nur von Gott allein


    Leider hat der Schlingel an diesem Punkt der Geschichte auch bereits das Paradies im Visier. Bin gespannt wie es weitergeht...


    MfG


  • Ich sitze hier und schwitze bereits über dem ersten Satz. :spinnen:
    Des Menschen erste Schuld, die Frucht des Baumes,
    des untersagten, deren gift`ge Kost


    Ich habe gerade in meine Reclam-Ausgabe geschaut (Übersetzung von Hans Heinrich Meier).



    Mein Englisch ist beschämend, aber wie man "mortal taste" mit "gift'ge Kost" übersetzen kann, ist mir schleierhaft, :rollen: geradezu geschmacklos :zwinker:

  • Zitat

    Mein Englisch ist beschämend, aber wie man "mortal taste" mit "gift'ge Kost" übersetzen kann, ist mir schleierhaft, Rollen geradezu geschmacklos Zwinker


    Alles halb so schlimmm. Habe mich trotz der ewigen Apostrophe mittlerweile an die Übersetzung gewöhnt. Was mich allerdings im 4. Gesang wundert, ist die Tatsache, dass die Seraphim (was ist eigentlich der Unterschied zu den Cherubim) den Verführer wieder entkommen lassen, wo er nun schon von ihnen ausgespäht und dingfest gemacht werden konnte. Jetzt ist er jedenfalls erst einmal entkommen. Aber wenn der Garten Eden so lasch bewacht wird, ist es kein Wunder, dass das Paradies am Ende wahrscheinlich verlorengeht. Irgendjemand lässt sich wahrscheinlich immer einlullen...


    Naja. Mal schaun wies weitergeht...


  • Wenn ich mich kurz einmischen darf



    Beides sind Engel, aber die Cherubim sind geflügelte Fabelwesen, zumeist mit Tierleib und Menschengesicht und die Seraphim sind sechsflügelige Engel.


    Stimmt im Prinzip, ist aber, wie so vieles in der christlichen Theologie, noch ein bisschen komplizierter ... :zwinker:


    Die Engel sind schon recht früh im Christentum hierarchisiert worden. Die meisten Hierarchien sind Variationen dessen, was man schon bei Pseudo-Dionysius (De Coelesti Hierarchia)(n. 500) findet. Er führt eine Gliederung nach drei Sphären ein (und ich zitiere der Einfachheit halber mal Wikipedia):


    * 1. Sphäre: 1. Seraphim, 2. Cherubim, 3. Throne (Thronoi)
    o Seraphim sind vier- bzw. sechsflügelige Symbole des Lichts, der Glut des göttlichen Feuers (Ez. 1,5 f; Jes 6,1 ff) und stehen Gott am nächsten.
    o Cherubim sind Verbreiter der Erkenntnis, Ergießer der Weisheit, Beschützer des Gartens Eden (Gen 3,24), werden beim Bau der Stiftshütte (Ex 25,18 ff) sowie beim Bau des Tempels Salomo (1Kön 6,23 ff) u. a. erwähnt.
    o Thronoi (griechisch in etwa: „erhabene Gestalten“) sind die unterste Stufe der 1. Triade und bezeichnen das Erhabene. Die Septuaginta gebraucht den Begriff auch für die Seraphim, Paulus spricht im Kolosserbrief von Thronen (Kol 1,16).
    * 2. Sphäre: 4. Herrschaften (Kyriotetes), 5. Mächte (Dynameis), 6. Gewalten (Elohim)
    o Herrschaften (Dominationes) sind Beherrscher der Engel. Die Herrschaften haben die Aufgabe, die Pflichten unterer Engel zu bestimmen und unterstehen Gott oder den höheren Engeln. (Kol 1,16; Eph 1,21)
    o Mächte (Virtutes) vollziehen unerschütterlich den Willen Gottes (Kol 1,16; Eph 1,21). Die Mächte sind die Überbringer des Gewissens und Bewahrer der Geschichte.
    o Gewalten (Potestates) verkörpern die unzerstörbare Harmonie (Kol 1,16; Eph 1,21)
    * 3. Sphäre: 7. Fürsten / Tugendkräfte (Archai), 8. Erzengel (Archangeloi), 9. Engel (Angeloi).
    o Fürsten (Principatus) verkörpern den himmlischen Führungscharakter.
    o Erzengel (göttliche Kohorte) fungieren vor allem als Verkünder göttlicher Offenbarung. Neben Gabriel, Michael und Raphael taucht Uriel nur in der Moses-Apokalypse auf. Jakob kämpft mit Penuël (Gottesgesicht) in Gen 32,31.
    o Engel stehen auf der untersten Kategorie und stehen den Menschen am nächsten. Sie haben unterschiedliche Bezeichnungen wie „Schar“ (Ijob 19,12 und Ps 103,21), „Erscheinung“ (Dan 10,7) oder „Geist“ (Offb 1,4). Die Engel der 9. Ordnung sind die am allgemein bekanntesten, da sie oftmals als Boten fungieren oder mit sonstigen menschlichen Angelegenheiten zu tun haben.

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  • War das ein schöner Schluss... Damit hätte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Ich muss das Ganze allerdings erst noch verdauen. Da hilft am besten Yogamatten ausschütteln. Eigentlich habe ich mich zum Ende hin immer mehr gefragt: Warum kann heutzutage niemand mehr solche Bücher schreiben. Vermutlich deswegen, weil sie sowieso keiner lesen würde. Ergreifend fand ich auf jeden Fall die Zwiegespräche von Adam und Eva mit Michael. Ist das überhaupt auch ein Erzengel und was unterscheidet den Erzengel eigentlich vom normalen Engel? Irgendwie hat mich das ganze auch ein bisschen an die Offenbarung des Johannes erinnert, die ich jedoch seinerzeit bloß kurz überfliegen konnte und ich auch sofort das Gegenteil behaupte, falls das Eine mit dem Anderen nichts zu tun hat. Insgesamt fand ich auch die Übersetzung nicht sooo schlecht. Am liebsten würde ich gleich noch eine andere lesen, um das mal zu vergleichen. Es wäre nicht schlecht gewesen, wenn die man Dialoge etwas besser herausgehoben hätte aber alles in Allem war es recht gut zu lesen. Ich muss aber jetzt zurück zur Yogamatte und meiner Frau den vorletzten Gesang noch einmal eingehender erläutern. Insbesondere die Stelle als Adam von Michael dies zu hören bekommt:


    "Nein von des Mannes weib'scher Schwäch' entspringt's"/Sprach Michael; "denn mehr begabt und weise,/Sollt' er weit besser seinen Platz behaupten."


    MfG


  • Stimmt im Prinzip, ist aber, wie so vieles in der christlichen Theologie, noch ein bisschen komplizierter ... :zwinker:


    Danke, sandhofer, für die Engelklassifikation... Es scheint allerdings wirklich recht kompliziert zu sein, denn auch Milton wirft da einiges durcheinander; Satan spricht den Erzengel Uriel, den er auf der Sonne trifft, dann mit "brightest Seraph" an (III, 667); wobei Milton vorher im Text ausdrücklich vom "Archangel Uriel" (III, 648) spricht :confused:.


    Ich habe inzwischen auch einige längere Passagen in der deutschen Übersetzung von Schuhmann gelesen, und finde diese ganz gelungen. Schuhmann bleibt recht nahe am Originaltext, schafft aber trotzdem einen gut lesbaren Text mit ganz wenigen Auslassungszeichen (die, wie Freund Hermann schon berichtet hat, eher anstrengend sind bei der Lektüre).


    Diese Übersetzung beginnt übrigens wie folgt:


    Des Menschen erste Sünde, den Genuß
    Von des verbotnen Baumes Frucht, die Tod
    Und alles Weh erzeugt hat und die Menschheit
    Aus Eden bannte, bis ein Größrer einst
    Sie wieder einführt in den Sitz des Heils -
    Sing, Himmelsmuse, (...)


    Viele Grüße
    thopas

  • Es scheint allerdings wirklich recht kompliziert zu sein, denn auch Milton wirft da einiges durcheinander; Satan spricht den Erzengel Uriel, den er auf der Sonne trifft, dann mit "brightest Seraph" an (III, 667); wobei Milton vorher im Text ausdrücklich vom "Archangel Uriel" (III, 648) spricht :confused:.


    Oder Satan versucht, dem Uriel zu schmeicheln. So wie noch heute (oder jedenfalls noch vor ein paar Jahren) jeder Kellner in einem Wiener Kaffeehaus seine Kunden mit "Herr Doktor" oder "Herr Baron" titulierte. :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Oder Satan versucht, dem Uriel zu schmeicheln. So wie noch heute (oder jedenfalls noch vor ein paar Jahren) jeder Kellner in einem Wiener Kaffeehaus seine Kunden mit "Herr Doktor" oder "Herr Baron" titulierte. :zwinker:


    Das ist natürlich auch eine Möglichkeit, an die ich gar nicht gedacht habe :teufel:.


  • Ein weiterer Beweis für meine These, dass Bösewichter interessanter und besser darzustellen sind, als Gutmenschen ... :breitgrins:


    Milton spielt deutlich mit der Faszination des Bösen. Er stattet seinen Satan mit dem Hass des Rebellen aus, dem es darum geht, seinen Gegner und Widersacher so empfindlich wie möglich zu treffen. Heute würde er wohl als Al Kaida-Kämpfer „Karriere“ machen …


    Diese Rebellion gegen Gott ist ein gewagtes, beinahe schon ketzerisches Spiel, das Milton mit seinen Zeitgenossen treibt. Ich vermute darin auch eine Art „theologische Rechtfertigung“ für die Auflehnung der Cromwell-Anhänger und Puritaner gegen die als Anmaßung empfundenen Machtansprüche des britischen König (dessen Hinrichtung Milton konsequent begrüßte).


    Literarisch fällt mir dazu noch Goethes „Prometheus“ ein, der den olympischen Göttern Zorn, Hohn und Verachtung entgegenschleuderte. Den christlichen Gott ähnlich wie Milton herauszufordern (wenn auch nur literarisch), hat allerdings selbst Goethe nicht gewagt.


    Mein Lesefortschritt ist ein eher gemächlicher. Das Verlorene Paradies ist zu schön, um es mal eben durchzuhecheln.


    Es grüßt


    Tom

  • Zitat

    Mein Lesefortschritt ist ein eher gemächlicher. Das Verlorene Paradies ist zu schön, um es mal eben durchzuhecheln.


    Nun beim ersten Lesen möchte man natürlich erfahren, wie die ganze Geschichte ausgeht. Wenn man es dann aber einmal weiß, lässt sich die Sache natürlich mit zunehmendem Genuss unendlich oft wiederholen. Am besten zweisprachig... :smile:


    Grüße


  • Nun beim ersten Lesen möchte man natürlich erfahren, wie die ganze Geschichte ausgeht.


    (räusper) ... Nun ja, wie geht die Geschichte des Verlorenen Paradieses wohl aus? Wird der Täter gefasst? War es der Gärtner?


    Im Ernst: Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass der Ausgang einer in Grundzügen aus der Bibel bekannten Geschichte Deine Lesemotivation darstellt? Nein, das glaube ich Dir nicht ... :zwinker:


    LG


    Tom

  • Zitat

    Im Ernst: Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass der Ausgang einer in Grundzügen aus der Bibel bekannten Geschichte Deine Lesemotivation darstellt? Nein, das glaube ich Dir nicht ... Zwinker


    Aber hallo,
    immerhin interpretiert Milton die gesamte christliche Mythologie ein wenig um. Insbesondere die glückliche Aussöhnung Evas mit ihrem Mann fanden wir faszienierend. Und die Aussicht darauf, dass das Paradies noch nicht ganz verloren ist. Wenn meine Frau endlich einmal wieder die Fenster putzen würde :grmpf:, könnten wir wenigstens schon mal bis in unseren Garten guggen :entsetzt:. Wie weit seid ihr eigentlich inzwischen? Die ganze Story strotzt ja gerazu vor Zitatverdächtigen Passagen.


    Grüße zunächst in die LR


    F. Hermann