Beiträge von Harald

    Im vergangenen Jahr habe ich 43 Bücher gelesen und 267 gekauft.


    Bevor jetzt jemand was sagt: ich versuche in regelmäßigen Abständen, mich zu disziplinieren und meine Bücherkäufe einzuschränken. Das hat aber noch nie so richtig geklappt.


    (Ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie ich mich in einer Selbsthilfegruppe der Anonymen Bücherkäufer vorstelle: "Ich heiße Harald, und ich habe diese Woche schon fünf Bücher gekauft...") :zwinker:


    Ich habe letztes Jahr den kompletten Ishiguro gelesen (von "A Pale View of Hills" bis "The Buried Giant"). "The Unconsoled" hat mich wieder begeistert, und "Nocturnes" - ein Bändchen mit Erzählungen - zeigt, dass Ishiguro auch komisch sein kann.


    Ansonsten haben mir zwei viktorianische Romane gefallen: "Middelmarch" (George Eliot) und "Die Türme von Barchester" (Anthony Trollope).

    Danke an alle, aber besonders an Gina, für die Informationen zu Anthony Powell. "Tanz zur Musik der Zeit" steht jetzt auf meiner Lebensleseliste.


    Nachdem ich im ZEIT-Artikel einige Zitate gelesen habe, hatte ich den Eindruck: Das muss man im Original lesen. Nur so kommt der typisch englische Humor voll zur Geltung. Was meint ihr?

    Nach langer Abwesenheit bin ich mal wieder im Klassikerforum gelandet.


    Pläne mache ich immer gerne. Meine Lesepläne bestehen aus Gruppen von je etwa zehn Büchern zu einem Autor oder einem Thema. Ich nehme mal je einen Titel aus den fünf Themen, die ich mir für nächstes Jahr vorgenommen habe:


    * Kafka: Das Schloss
    * Gontscharow: Die Schlucht
    * Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy (Ü Michael Walter)
    * Machiavelli: Der Fürst
    * The Tale of Sinuhe and other Ancient Egyptian Poems


    Schöne Idee, finsbury.


    - Harald

    Hallo Marlino,


    Zitat

    weder naturwissenschaftliche noch kulturelle Bildung halte ich für sonderlich wichtig


    Ich hingegen halte die naturwissenschaftliche Bildung für mindestens ebenso wichtig wie die historische Bildung.


    Stichworte: Gentechnologie, Atomkraft, Internet.


    Wer Fragen wie:


    - Was sind und wie funktionieren Gene?
    - Was ist eigentlich Radioaktivität? Wie funktioniert (im Prinzip) ein Atomkraftwerk?
    - Wie funktioniert das Internet?


    nicht einmal ansatzweise beantworten kann, ist für mich genauso ungebildet, wie jemand, der kein Stück von Shakespeare kennt. Ich halte den Mangel an Bildung im naturwissenschaftlich-technischen Bereich sogar für gefährlich. Wer nicht mitreden kann, überlässt das Feld den Anderen. (Oder redet ohne Sachkenntnis mit... auch nicht besser.)


    Ansonsten halte ich Bildung in den Bereichen Geschichte/Politik sowie Wirtschaft/Finanzen für notwendig. Ohne hinreichende Urteilsfähigkeit der Bürger funktioniert die Demokratie auf Dauer nicht. Auf Literatur, Kunst, Musik und Philosophie kann man noch am ehesten verzichten.


    (Jetzt aber schnell weg... ;-) )


    - Harald

    Ich habe nie etwas von Fallada gelesen, trotzdem war er mir schon immer ein Begriff. Außer "Kleiner Mann, was nun" fällt mir "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst" ein. Muss also schon frühzeitig aus dem kollektiven in mein persönliches Bewusstsein diffundiert sein.


    - Harald

    Zitat

    "Wer mehr als 1 Dutzend 'Gesamtausgaben' besitzt, ist ein Charlatan ! - Oder aber : er hat sie nicht gelesen." (Arno Schmidt "Die Gelehrtenrepublik", BA I/2, S. 317)


    Sagt Arno Schmidt auch, warum jemand ein Scharlatan ist, der seine 12+ Gesamtausgaben gelesen hat? Weil es ohne Hexerei in normalmenschlicher Lebenszeit nicht möglich ist, oder warum?


    Ich werde meine Gesamtausgaben alle lesen! Wenn die Zeit reicht. :-) (Aktuell: Lessing.)


    - Harald

    Hallo Tom,


    Danke für den Hinweis, das interessiert mich tatsächlich. Allerdings mehr vom Standpunkt der Psychologie oder sogar Neurobiologie (oder auch der Evolution): Wie kommt es, dass Musik eine so starke emotionale Wirkung auf uns haben kann? Wieviel von dieser Wirkung ist biologisch vorprogrammiert und wieviel ist angelernt? Ist z.B. die Empfindung, dass Moll eher "traurig" klingt, und Dur eher "heiter", universell, d.h. wird das auch von Menschen, die noch nie westliche Musik gehört haben, so erkannt? Oder ist das kulturell erworben? Ich vermute fast, dass letzteres der Fall ist.


    Interessant auch Dein Hinweis auf die Unterschiede zwischen den Epochen. Genauso gibt es Unterschiede zwischen den Kulturen. Ich weiß von indischen Bekannten, dass ihre Vorfahren, als sie zum ersten Mal westliche Musik zu hören bekamen (Beethoven oder so etwas), darauf mit "Was ist denn das für eine Katzenmusik?" reagiert haben. Während für uns indische Musik ebenfalls schwer zu verstehen ist. Diese Anekdote deutet darauf hin, dass Musik nicht wirklich eine "universelle Sprache" ist.


    Ich würde vermuten, dass unsere Empfindungsfähigkeit gegenüber Musik sich aus dem Sprachsystem weiterentwickelt hat. Wir können ja in unserer sprachlichen Kommunikation jenseits des sachlichen (d.h. durch die Worte an sich ausgedrückten) Inhalts durch Modulation der Stimme eine Vielzahl von emotionalen Nuancen ausdrücken und auch beim Hören verstehen. Man kann sich vorstellen, dass die Evolution diese emotionale Ausdrucks- und Verstehensfähigkeiten herausgebildet hat, weil sie für den Zusammenhalt in der Familie und der Gruppe extrem nützlich sind.


    Leider kann ich mit dieser Spekulation die schon von Pythagoras entdeckte Tatsache, dass Harmonien auf ganzzahligen Schwingungsverhältnissen beruhen, nicht erklären. Und dann gibt es auch noch den Rhythmus...


    Das Buch von Dahlhaus ist schon mal auf meine Wunschliste gewandert.


    Herzliche Grüße, Harald

    Hallo Fee,


    Ich hatte den Text gestern abend fast komplett, und dann hat das Forum mich rausgeworfen... grrrr!


    Also noch mal:


    Zitat

    ... ich bin auch der Meinung, dass die Anordnungen der Buchstaben im Alphabet wie auch in der Buchstabensuppe Zufall ist, schön, dass wir das noch mal explizit herausgearbeitet haben. Nur sah man das von den Pythargoreern an bis weit in die Neuzeit hinein anders. Man betrachtete Zahlen und Buchstaben als Ausdruck einer göttlichen Ordnung, die man durch derlei Tüfteleien zu erforschen versuchte. Ich finde also schon, dass dieses Thema, auch wenn man die Prämissen persönlich nicht teilt, kultur- und mentalitätsgeschichtlich sehr interessant ist.


    Zahlen kann man durchaus als Ausdruck göttlicher Ordnung ansehen. Das lateinische Alphabet aber nicht. Und was beweist schon die Tatsache, dass Jahrtausende lang über Wortgleichungen, die auf A=1, B=2 usw. beruhen, nachgegrübelt wurde? Man hat auch darüber debattiert, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz finden. Durch die Jahrtausende wird so etwas nicht sinnvoller. Ich stimme Dir aber zu, dass man dies als historische Tatsache der Geistesgeschichte, etwa als Ausdruck einer bestimmten menschlichen Sehnsucht, spannend finden kann. Allerdings scheint das nicht die Perspektive der Dissertation zu sein. Diese hat für mich eher den Charme einer "Malen nach Zahlen" Vorlage. Die Hauptidee dieses Textes, nämlich Wörter nach ihrer Quersumme zu gruppieren, hat Grundschulniveau. Und das wenige, was z.B. über Lullus oder Leibniz gesagt wird, ist sehr mager.


    Erlaube mir ein einziges Zitat:


    Zitat

    Lullus (1223 – 1316) hatte in seinen über dreihundert Schriften, namentlich in seiner Ars magna et ultima im Anschluss an die kabbalistische Kombinatorik auf der Basis der Grundzahl 9 mit Hilfe von Permutationstabellen und konzentrischen Kreisscheiben (Alphabetum divinum) den Schlüssel für eine Art Urtext gesucht, aus dessen Elementen sich die Essenz religiösen Wissens gewinnen lässt. Dabei unterscheidet er zwischen jeweils neun principia absoluta (bonitas, magnitudo) und principia relativa (differentia, concordia), die mit symbolischen Buchstaben codiert und kombiniert werden können.


    Das ist auch schon alles, was wir über Lullus erfahren. Da bleibt so gut wie alles offen. Wie hat sein System konkret funktioniert? Wie unterscheidet es sich konzeptionell von anderen, ähnlichen Systemen? Enthält sein System neue mathematische Konzepte? Hat Lullus den Urtext (oder den Schlüssel dazu) gefunden? Warum hat er überhaupt danach gesucht? Welches religiöse Wissen hat ihm (und vermutlich auch vielen seiner Zeitgenossen, wenn er als Repräsentant einer geistesgeschichtlichen Epoche gilt) gefehlt? Darüber weiß der Autor nichts zu sagen.


    In diesem Stil ist die ganze Dissertation abgefasst. Eine Collage von oberflächlich behandelten Zitaten, ausgefüllt mit hochtrabendem Jargon.


    Als historische Studie wertlos. Mathematisch plump. Analyse und Kritik fehlen völlig. Eine intellektuelle Leistung ist nicht erkennbar.


    Gegen Spielerei mit Sprache ist ja gar nichts einzuwenden. Aber eine Dissertation soll eine wissenschaftliche Leistung darstellen. Die sehe ich hier einfach nicht.


    Selbst der Titel klingt falsch. "Der Wert der Wörter" müsste es heißen. (Aber vielleicht wollte der Autor subtil seinen Wunsch ausdrücken, dass aus den Wörtern Worte werden mögen.)


    Dabei gibt es wirklich interessante Themen an der Schnittstelle von Mathematik und Sprache. Zum Beispiel:


    - Gibt es eine Universalgrammatik, d.h. ein System von Metabegriffen und Metaregeln, aus dem sich durch Spezialisierung die Grammatik jeder menschlichen Sprache ableiten lässt?


    Meines Wissens bis heute nicht beantwortet.


    - Gibt es statistische Parameter (Worthäufigkeit, Verwendung bestimmter grammatischer Formen etc.), aus denen die Textsorte ableitbar ist?


    So dass eine bestimmter Satz von Werten für einen Familie von Parametern eine Art linguistischen "Fingerabdruck" darstellen würde. Intuitiv würde ich sagen, dass jeder Mensch seine eigenen sprachlichen "Fingerabdruck" hat. Es gibt tatsächlich Sprachwissenschaftler, die sich mit solchen Fragen beschäftigen (z.B. zur Analyse von Erpresserbriefen), dies aber quasi "zu Fuß" machen. Ansätze zu einer Theorie, oder auch nur systematische empirische Erkenntnisse darüber sind mir nicht bekannt. Aber vielleicht gibt es sie irgendwo? Würde mich sehr interessieren.


    - Gibt es eine Korrelation zwischen Sprachbautyp (analytisch, agglutinierend, isolierend, ...) und den in einer Sprache bevorzugten poetischen Formen (Hexameter, Haiku, ...)?


    - Vergleich und Bewertung verschiedener Verfahren für maschinelle Übersetzung.


    Auch zur Beantwortung dieser Frage braucht es etwas mehr als A=1, B=2 etc.


    - (von Sir Thomas:) Was ist der Unterschied zwischen Musik und tönender Mathematik? Oder gibt es keinen?


    Stoff für viele Dissertationen. Ist aber alles nichts für Dünnbrettbohrer.


    So, genug "Strenge" für heute ;-) Die Sonne scheint, der Laptop wird zugeklappt. Ich wünsche allen ein schönes Wochenende.


    - Harald

    Zitat

    schmökere aber gelegentlich in einer bizarr-schönen Dissertation zum Zusammenhang zwischen Algebra und Sprache


    Scheint hochtrabender Unfug zu sein. Die Anordnung der Buchstaben im lateinischen Alphabet ist ein historischer Zufall und daher bedeutungslos. Aus einem solchen Zufall eine Poetologie ableiten zu wollen, ist sinnfreie Spielerei... Schon der Chinesiche Restsatz ist mehr wert als hundert solcher Pamphlete.


    - Harald

    "Vor dem Sturm" hat für mich eine Sonderstellung in Fontanes Werk. Es ist ein historischer Roman, er spielt 1812 und erzählt die Vorgeschichte des Aufstandes gegen die napoleonische Herrschaft in Brandenburg.


    "Unwiederbringlich" dagegen ist vom Thema wieder näher an anderen bekannten Werken wie Effi Briest, ungewöhnlich sind nur die Handlungsorte: Schleswig-Holstein und Dänemark. Die Geschichte beruht wie die von "Effi Briest" auf tatsächlichen Vorkommnissen.


    Beide Romane sind sehr lesenswert. Vor dem Sturm ist vermutlich mehr als doppelt so lang.


    - Harald

    Hallo Olympia, viel Spaß im Forum.


    Vanity Fair steht auch schon seit längerem auf meiner Wiederleseliste. Ich bin sicher, dass dieser Roman dir gefallen wird.


    - Harald

    Danke für den Hinweis. Montaigne steht bei mir als nächstes Projekt an (wenn ich mit Melville fertig bin). Bakewell steht somit auf der Wunschliste.


    - Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Ich habe mal geguckt, aber imo gibt es im Handel keine DVD von „Verlorene Liebesmüh“


    Ich habe das bei Amazon gefunden. Von und mit Kenneth Branagh, einem der bekanntesten englischen Shakespeare-Schauspieler. Ich kann mich an eine gute Verfilmung von Much Ado about Nothing mit ihm und Emma Thompson in den Hauptrollen erinnern. Hier ist er allerdings auch recht frei mit dem Text umgegangen, und hat die Geschichte als Musical inszeniert und an den Vorabend des zweiten Weltkrieges versetzt. Einige der Rezensenten beklagen die schlechte Bildqualität (offenbar durch Kopie von VHS auf CD entstanden).


    Zitat von "Hubert"

    Und für solche Momente nimmt man doch auch mal einen Flop in Kauf?


    Klar. Das Leben ist voller Risiko...


    Zitat von "Hubert"

    Lohnt sich der Tartuffe am Schauspiel Frankfurt auch ohne diese Improvisation?


    Mit einigen Abstrichen, ja. Das Stück war leicht gekürzt, wodurch ein paar Nebenrollen weggefallen sind. Der Schluß mit dem König als deus ex machina, wodurch wunderbarerweise alles wieder zum Guten gewendet wird, ist weggefallen, wodurch die Komödie als unblutige Tragödie (wenn man so sagen darf) endet. Der optimistische Schluß von der überlieferten Fassung ist möglicherweise ein Zugeständnis an die Zensur; die ersten beiden Versionen von Tartuffe (die nicht erhalten sind) sind von der Zensur verboten worden, erst die dritte Version durfte aufgeführt werden.


    Der Schwachpunkt der Inszenierung war aus meiner Sicht Tartuffe selber, der als schlabbernder, nuschelnder Alter mit unsauberer Kleidung dargestellt wurde. Aus dieser Rolle wäre mehr zu machen gewesen. Dafür haben mir die Gattin Elmire und die Zofe Dorine um so besser gefallen.


    In einigen Rezensionen wurde kritisiert, dass die Vernarrtheit von Orgon in Tartuffe nicht hinreichend motiviert wurde. Das ist aber ein Problem des Textes. Keine Inszenierung kann dieses Manko ausbügeln. Dass Orgon seinen Sohn enterbt und sein ganzes Vermögen dem Tartuffe überschreibt, nur um seine Familie zu ärgern, ist auch wirklich nicht nachzuvollziehen. Aber wer weiß? Vielleicht war ein solches Verhalten zu Molières Zeiten, als Glauben und Frömmigkeit einen viel höheren Stellenwert hatten, weniger abwegig, als es uns heute erscheint.


    - Harald

    Hallo Lost,


    Zitat von "Lost"

    Die weigern sich (so wenigstens nach einem Email von vor 2 Jahren) Trollops Premierminister neu aufzulegen. Aber ich werde sie auf die Knie zwingen.


    Hahaha... dann will ich mal hoffen, dass der Manesse Verlag bald unter Deiner geballten Verachtung einknickt und den aktuell erhältlichen Romanen von Trollope den Premierminister hinzufügt.


    Hier gibt es übrigens eine englische Ausgabe.


    - Harald