September 2004: Galsworthy - Die Forsyte Saga

  • Hallo Steffi!


    Ich glaube nicht, daß Mann und Galsworthy einander kopiert haben. Die Buddenbrooks verfallen aufgrund ihrer zunehmenden Neigung zur Kunst. Sie wenden sich von geschäftlichen Dingen ab oder erledigen ihre Aufgaben dort nur noch gezwungenermaßen (Thomas erhält den Schein aufrecht, sein Gesicht gleicht zunehmend einer Maske). Sie werden auch von Generation zu Generation kränklicher und sterben immer jünger (Hanno schon mit 16 Jahren).


    Irene finde ich auch ziemlich geheimnisvoll und unergründlich. Das macht Galsworthy geschickt, nämlich dadurch daß er als eigentlich allwissender Erzähler nie aus Irenes oder Bosinneys Perspektive erzählt. Die Fokussierung geschieht immer durch andere Charaktere. Wir bekommen keine Informationen darüber, was Irene denkt. Wie sie genau zu Soames oder Bosinney steht, wissen wir nur aus den Gedanken und Beobachtungen anderer Charaktere. Bin mal gespannt, ob Galsworthy diesen Erzählstandpunkt beibehält. Würde mich aber wundern, wenn er es täte...


    Grüße an alle
    marin


    P.S.: Kann ab Freitag für eine Woche nicht in Forum kommen, da ich im Urlaub bin (Buddenbrookhaus in Lübeck, wie passend...) Bin aber nach wie vor dabei und hoffe, daß ihr mir nicht allzu weit davon eilt. :sonne:

  • Halihallo :breitgrins:


    Mein (absolut nicht provokativer) Vorschlag wäre, nach der Ausgeprägtheit der novellistischen Höhe- und Wendepunkte einzuteilen.


    Die Novelle könnte als Mittel zwischen Drama und Erzählung/Roman gesehen werden, wohingegen sich die Erzählung schon mehr in Richtung episch breiteren Roman bewegt.


    Je länger nun ein Text, desto eher tendiert dieser im Allgemeinen ins episch Breite (Ausnahme z.B. Versepos) und je kürzer, desto straffer und ausgeprägter die dramatisch-novellistischen Höhe- und Wendepunkte.


    Für mich persönlich ist der Kohlhaas eine bestausgefeilte Novelle, von einem Dramatiker geschrieben, wohingegen Kafkas Prozess m.M.n. schon epischer ist, auch wenn die novellistischen Erzählstrukturen (wie in jedem Erzählwerk) immer noch gut erkennbar sind.


    Welthaltig ist Kafkas Prozess durch die archetypische traummagische Realität der Ereignisse. Solche Ableitungen lassen sich jedoch bei jedem guten Erzählwerk machen, denn wahre Poesie ist immer welthaltig.


    Bye, Ivy :zwinker:

  • Hallo Berch,


    Ich stimme vollständig zu.
    Die Brockhaus-definition hat mich deswegen nicht weniger "irritiert" als die von Metzler.


    Ich hätte aber wohl ein 'ironicon' :zwinker: statt dreier punkte setzen sollen.
    Mea Culpa.


    (P.S.: neben den genannten genres, in denen die metzler-kriterien für romane vielleicht nicht ganz so einfach anwendbar erscheinen, gibt es auch noch den horror-, science-fiction- und Schauerbereich mit ihren jeweiligen "romanen").


    gruß hafis

    Nun haben zwar manche Theologen einen ebenso großen Magen, wie man ihn der Kirche nachsagt;
    <br />sie können ebenso viele gedanklichen Ungereimtheiten verdauen wie die Kirche allerlei weltliche Güter. - Heinz Zahrnt

  • Hallo hafis,


    da habe ich wohl die Ironie verpaßt und anschließend offene Türen eingerannt...


    Umso besser, dann bleibt mir die schon fast befürchtete Diskussion um Vorschriften für Textlängen erspart :zwinker:


    Gruß
    Berch

  • Zitat von "marin"


    P.S.: Kann ab Freitag für eine Woche nicht in Forum kommen, da ich im Urlaub bin (Buddenbrookhaus in Lübeck, wie passend...) Bin aber nach wie vor dabei und hoffe, daß ihr mir nicht allzu weit davon eilt. :sonne:


    Hallo marin
    ich wünsche dir einen schönen Urlaub. :winken:
    Gut, dass du erst vor kurzem "Die Buddenbrooks" gelesen hast, da ist die Erinnerung noch präsent und kannst mir etwas auf die Sprünge helfen.
    sollte ich einmal Lübeck besuchen, ist mein erster Gang ins Buddenbrookhaus, keine Frage.


    Hallo zusammen


    ich wollte nicht unerwähnt lassen, dass mir auch die Kapitelüberschriften sehr zusagen. Der Leser wird auf ein Ereignis vorbereitet.


    Ich bin im 1. Buch 2.Teil 3. Kapitel


    am eindrucksvollsten war u.a. die Kutschfahrt (Swithin mit Irene und Philip, es brodelt ganz schön zwischen den Beiden, was meint ihr?) und den Theaterbesuch (June und Philip). June fädelt alles ein, überlistet die Familie, damit sie ohne Anstandsdame allein mit Philip sein kann. Aber es läuft alles andere als gut.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo an Alle,


    leider hatte ich die letzten zwei Wochen sehr wenig Zeit, darum konnte ich mich nicht an der Leserunde beteiligen. Zumindest hab ich aber den Prozess fertig gelesen (ausser den Fragmenten). Ich würde gern an einige Punkte anknüpfen, die Berch noch genannt hat:


    - die Schuldfrage
    Am Anfang war mir völlig schleierhaft, warum K. verhaftet worden war. Er selbst ist sich ja auch keiner Schuld bewußt. Im Laufe der Erzählung wird aber immer häufiger betont, wie groß der Unterschied zw. "gewöhnlichen Rechtssachen und diesen Rechtssachen" ist, so daß mir der Gedanke kam, ob K. nicht vielleicht von einem göttlichen Gericht der Prozess gemacht wird und nicht von einem weltlichen? Dass er sich also eher seinem eigenen Gewissen gegenüber verantworten muss als vor echten Richtern aus Fleisch und Blut? Im Kapitel Der Maler erklärt Titorelli z.B. dass K's Prozess noch gar nicht bis zu den höheren Gerichten gekommen ist und der Angeklagte dieses Gericht niemals zu Gesicht bekommen wird. Und als er bei seinem Anwalt den Kaufmann Block trifft, erzählt ihm dieser von den höheren Advokaten, die auch noch niemals jemand gesehen hat. Auch das Kapitel Im Dom und das darin enthaltene Türstehergleichnis haben einen eindeutigen Bezug auf eine höhere Macht.


    - mögliche Anknüpfungspunkte des von der Realität doch recht abgehoben Textes an die Realität
    Da Kafka ja selbst Jurist war, scheinen mir einige Passagen, gerade wenn er über Richter, die Kanzleien oder die Advokaten schreibt, schon deutlich sarkastische Seitenhiebe auf diesen Berufsstand zu sein. Die Beschreibung der Gerichtskanzleien auf dem Dachboden erschienen mir wie eine Traumsequenz, vielleicht ein Alptraum nach einem besonders frustrierenden Arbeitstag :breitgrins: ?


    Bin gespannt auf Eure Meinungen
    Gruß
    WannaBe

  • Hallo zusammen


    Mein Lesestart hat sich leider etwas verzögert, aber seit gestern bin ich auch dabei. Eure Eindrücke decken sich großteils mit den meinen. Auch ich habe mir das Buch wesentlich "verstaubter" vorgestellt. Es ist allerdings von einer angenehmen Behäbigkeit, die mich dazu zwingt relativ langsam zu lesen.
    Anfangs hat sich natürlich auch bei der Eindruck von den "Buddenbrooks auf britisch" eingestellt, aber gegenüber den Forsytes sind diese direkt ein Ausbund an Lebendigkeit während die Forsytes dermaßen in ihren Konventionen erstarrt sind, daß es fast schmerzt. Aber unter der Oberfläche brodelt es gewaltig. Eine ziemlich boshafte Sippe. So z. B. die Schilderung des Beginns eines Familienessens:


    "Sobald sich alle niedergelassen haben, folgt ein stummes, fast mürrisches Nichtbeachten der anderen, das weit ins erste Entree hinein andauert."


    Überhaupt gefällt mir dieser sarkastische Ton Galsworthys. Einfach köstlich. Ich bin zwar gehässige Personenbeschreibungen von Thomas Mann her gewöhnt, aber Galsworthy stellt ihn in den Schatten.
    So z. B. die Beschreibung von Mrs. Septimus Small:


    "...es sah fast so aus, als ob ihr Gesicht bis zu diesem Abend in eine Drahtmaske eingeschlossen war, die nun, nachdem man sie plötzlich entfernt hatte, überall rebellische Fleischwülstchen zurückgelassen hatte." :breitgrins:


    Steffi hat schon darauf hingewiesen und ich finde auch, daß "Der Besitzmensch" die wesentlich bessere Übersetzung ist als "Der reiche Mann". Ich würde das aber nicht nur auf Soames beziehen. Die anderen (zumindest die männlichen) Familienmitglieder stehen ihm in diesem Punkt kaum nach.

    Zitat aus dem 4. Kapitel:
    "...für einen echten Forsyte waren Gefühle, auch wenn es um die gesellschaftliche Stellung ging, ein Luxus, den man sich nur leisten konnte, wenn der Appetit auf materielle Freuden gestillt war."


    marin schrieb:

    Zitat

    Wir bekommen keine Informationen darüber, was Irene denkt. Wie sie genau zu Soames oder Bosinney steht, wissen wir nur aus den Gedanken und Beobachtungen anderer Charaktere. Bin mal gespannt, ob Galsworthy diesen Erzählstandpunkt beibehält. Würde mich aber wundern, wenn er es täte...


    Da bin ich eher der gegenteiligen Ansicht. Bisher erzählte Galsworthy konsequent aus der Sicht der Forsytes und ich denke, daß er dies auch beibehalten wird. Aber wir werden sehen wer Recht hat. :smile:


    Ich komme zum 7. Kapitel im 1. Teil (und werde versuchen, mich etwas zu sputen).


    marin:
    Auch ich wünsche dir einen schönen Urlaub. Ich war auch schon einmal in Lübeck. Leider war ich damals noch kein Thomas-Mann-Fan und habe deshalb das Buddenbrookhaus nicht besichtigt. Heute ärgert mich das natürlich sehr.[Blockierte Grafik: http://www.elliott-charts.de/smile/motz.gif]


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen!
    Hi WannaBe


    Was Du über die Traumsequenz sagst, finde ich goldrichtig, denn genau darum handelt es sich fortwährend in Kafkas Prozess, um Traummechanismen.


    Mir fällt gerade kein eigener Prozess-Traum ein (vielleicht, weil ich noch nie vor Gericht stand, auch nicht auf der Anklagebank :breitgrins: ), doch ich hatte derartig viele parallele Träume zu Kafkas Schloss (aus einer Zeit, wo ich Kafkas Schloss noch nicht gelesen hatte), dass ich persönlich davon ausgehe, dass Kafka auch im Prozess den Traum als durchgängiges Stilelement verwendete.


    Bye, Ivy :schmetterling:

  • Hallo ikarus!


    Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob wir nicht aneinander vorbei reden. :rollen: Denkst du nun, daß wir viel aus Irenes Perspektive erfahren?


    @all: Danke für die vielen Urlaubswünsche!!! Ich bin schon im zweiten Teil von Buch 1, im 10. Kapitel. Damit ihr mir auch nicht allzu weit davonlauft.
    In diesem 10. Kapitel erfahren wir von Young Jolyon seine Definition eines Forsyte.
    Die einzelnen Kapitelüberschriften finde ich eher allgemein. Ich kann mir wenig darunter vorstellen, allenfalls eine harmlose Situation. Dann entwickelt sich aber doch ein Konflikt, mit dem man eigentlich nicht gerechnet hat.


    Viele Grüße und bis nächste Woche
    marin
    :winken:

  • Hallo zusammen,


    Das besondere am "gericht" ist zB, daß es nicht die schuld in der bevölkerung sucht, sondern von der schuld der angeklagten angezogen wird.
    Das heißt, damit das gericht tätig wird, muß K. sich schuldig fühlen.
    Worin diese schuldgefühl besteht, ist auf den ersten blick nicht klar. Auf jeden fall ist es kein spezifisches, zB wegen seiner herablassenden behandlung von frauen. Ein verstoß gegen normen und gesetze ist nicht ersichtlich.


    Man könnte auf die türsteher-geschichte verweisen und sagen, K. sei schuldig, weil er nicht erkannt habe, daß das Dasein ohne Sinn sei, daß aber trotzdem ein engagement , -trotz der sinnlosigkeit-, notwendig sei.


    Oder man könnte versuchen, die geschichte aus der psychologie bzw. den überzeugungen des autor zu erklären, und käme dann womöglich zu einer eher religiösen deutung.
    Der nicht-epische Kafka bietet zahlreiche (scheinbare?) parallelen zum "Prozeß":


    Kafka besaß ein ausgeprägte sündenbewußtsein und war überzeugt, sich künftig für seine handlungen hier vor einer höheren instanz rechtfertigen zu müssen. So spricht er öfter von niederen und höheren gerichten, vor denen sich der mensch verantworten müsse, ZB familiengerichte, Die gerichte der arbeitschefs, des volkes und die "menschengerichte" und ehegerichte (> gebrochenes eheversprechen!).
    Auch bei diesen gerichten entziehen sich die richter und das gesetz der oberen instanzen dem blick.


    Wie schon woanders erwähnt, sieht die Brod'sche Kafka-interpretation die protagonisten allein ihrer "konstitution" wegen als "schuldig", auch ohne oder gegen ihren "willen", zB tolstoi:
    Hauptsächlich tut not zu wissen, daß, wenn in mir nur Nicht-Liebe ist, ich schon deshalb, weil diese Nicht-Liebe in mir ist, schuldig bin


    Dazu vergleiche man Kafka's verinnerlichung der sündenfallgeschichte, auf die er dann aber noch ein philosophiegerüst stellt, welches das dieseits und das paradies zeitlich parallel stellt und annimmt, daß jeder einzelne in unzähligen weiderholungen den sündenfall und die paradiesvertreibung wiederholt, daß wir also gleichzeitig hier und im paradies sind, ohne es zu merken:


    Wir sind nicht nur deshalb sündig, weil wir vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, sondern auch deshalb, weil wir vom Baum des Lebens noch nicht gegessen haben. Sündig ist der Stand, in dem wir uns befinden, unabhängig von schuld
    In der jüdischen Tradition versinnbildlicht der Baum des Lebens den Zusammenhang zwischen Geschaffenem und Schöpfer, die Einheit des gottdurchströmten Seins.


    Manchmal glaube ich, ich verstehe den Sündenfall wie kein anderer Mensch.


    Es gibt für uns zweierlei Wahrheit, so wie sie dargestellt wird durch den Baum der Erkenntnis und den Baum des Lebens. Die Wahrheit des Tätigen und die Wahrheit des Ruhenden. In der ersten teilt sich das Gute vom Bösen...Die erste Wahrheit ist uns wirklich gegeben, die zweite ahnungsweise. Das ist der traurige anblick. der fröhliche ist, daß die erste Wahrheit dem Augenblick, die zweite er Ewigkeit gehört, deshalb verlöscht auch die erste Wahrheit im Licht der zweiten.


    Der normale mensch scheint nicht zu einer kommunikation mit dem himmel fähig (so wie K. nicht zu Gesetz u. oberen instanzen durchdringen konnte):


    Früher begriff ich nicht, warum ich auf meine Frage keine Antwort bekam, heute begreife ich nicht, wie ich glauben konnte, fragen zu können. aber ich glaubte ja gar nicht, ich fragte nur...
    Der Himmel ist stumm, nur dem Stummen Widerhall


    Diese gleichzeitigkeit von dieseits und paradies und die rolle der liebe erinnert an johanneische gedanken, die ebenfall mittels der liebe die eschatologischen dinge (himmel, hölle) aus der zukunft ins jetzt rücken:


    Joh 5,24:...ich sage euch, wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist schon übergegangen aus dem Tode in das Leben.


    1.JohBr 3,14: Wir wissen, daß wir aus dem Tode in das Leben hinübergeschritten sind, weil wir die Brüder lieben


    Letztlich könnte man noch fragen, inwieweit die exekution bzw. das verfahren überhaupt strafe sind, denn Kafka glaubt auch, daß Leiden den Menschen reifen lassen könne, während glück hier zu einer verhaftung in der (bösen) sinnlichen welt führen könne.


    Cave: Oben wurde (von Kafka) die meinung vertreten, daß es einen sündenfall gegeben habe. Hubert hat in einem aktuellen post im bibel-thread klargestellt, daß eine solche meinung "einem Stören gleichkomme", und man solchen "unsinn" nicht mehr lesen wolle.
    gruß hafis

    Nun haben zwar manche Theologen einen ebenso großen Magen, wie man ihn der Kirche nachsagt;
    <br />sie können ebenso viele gedanklichen Ungereimtheiten verdauen wie die Kirche allerlei weltliche Güter. - Heinz Zahrnt

  • Hallo marin


    Zitat

    Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob wir nicht aneinander vorbei reden. Denkst du nun, daß wir viel aus Irenes Perspektive erfahren?


    Nein. Ich erwarte, daß Galsworthy seine Erzählperspektive beibehält und wir weiterhin die Geschehnisse ausschließlich aus Forsyte-Sicht erfahren. Bestärkt in meiner Vermutung hat mich das Kapitel "Ausfahrt mit Swithin", als uns sogar das Techtelmechtel von Bosinney und Irene als Traum Swithins geschildert wir. Sogar da ist er konsequent geblieben. Das hätte ich nicht erwartet.


    Ich habe mittlerweile weitergelesen und das Buch zieht mich immer mehr in seinen Bann. Mittlerweile sind mir die Verwandschaftsverhältnisse auch vertrauter und ich muß nicht mehr so oft den Stammbaum zu Rate ziehen wie am Anfang.


    Im Kapitel über Tante Anns Tod werden wir auf den kommenden Niedergang der Forsytes hingewiesen. Zu ihrer Beerdigung "hatte sich die Familie Forsyte, bevor sie fiel, zu einem letzten, stolzen Fest versammelt" und Tante Ann ist es erspart geblieben "das Wachsen der Zweige, die nach diesem Höhepunkt kamen, beobachten zu müssen".


    Der erste Satz des 8. Kapitels im 1. Teil lautet: "Bekanntlich haben alle Forsytes ihre Schale, wie jenes kleine Tierchen, aus dem man türkisches Konfekt erzeugt." Damit konnte ich nichts anfangen. Was ist türkisches Konfekt und aus welchen Tierchen wird das gemacht?


    Ich komme zum 5. Kapitel im 2. Teil.


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Zitat von "ikarus"

    Der erste Satz des 8. Kapitels im 1. Teil lautet: "Bekanntlich haben alle Forsytes ihre Schale, wie jenes kleine Tierchen, aus dem man türkisches Konfekt erzeugt." Damit konnte ich nichts anfangen. Was ist türkisches Konfekt und aus welchen Tierchen wird das gemacht?


    Hallo zusammen,
    Hallo Ikarus


    bei mir heißt es statt türkisches Konfekt - "das zu türkischem Dessert verarbeitet wird".


    kann ein Dessert auch mal pikant sein? Ich kenne mich in der türkischen Küche leider nicht aus.


    Der Blick der Forsythes' ist nicht nur sehr auf Irene gerichtet sondern fokusiert sich auch auf das neue Haus(?)


    Ich komme im 2. Teil zu Kapitel 8


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Könnte es sein, dass Galsworthy von "Turkish Delight" spricht? Woher er allerdings die Tierchen nimmt, ist mir auch nicht klar. Ausser er hätte "Lokum" mit "Locust" in Verbindung gebracht - einer Gruppe Insekten, zu der z.B. die Heuschrecke gehört. Die Nüsse im Lokum könnte man wohl für Chitin-Panzer halten ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat

    Cave: Oben wurde (von Kafka) die meinung vertreten, daß es einen sündenfall gegeben habe. Hubert hat in einem aktuellen post im bibel-thread klargestellt, daß eine solche meinung "einem Stören gleichkomme", und man solchen "unsinn" nicht mehr lesen wolle.
    gruß hafis


    Hallo zusammen,


    zwar würde ich nicht so weit gehen wie Thomas Mann, der Kafka als einen religiösen Humoristen bezeichnet hat, aber auch m.M.n. ist Kafka nicht unbedingt eine religiöse Autorität.


    Wenn Kafka aber sagt es gibt Sünde und Sündenfall, dann hat er natürlich Recht, das ist auch meine Meinung. Das einzige was ich im Bibelthread geschrieben habe: in 1 Mose 3 kommt das Wort Sünde und Sündenfall nicht vor. Das hat aber auch Kafka m.W. nie behauptet.


    Ich habe jetzt den Bibelthread und das restliche Klassikerforum durchsucht, ob ich versehentlich irgendwo Sünde oder Sündenfall als Unsinn bezeichnet hätte, aber nein, im ganzen Klassikerforum gibt es keinen Satz von mir, der die Worte "Sündenfall" und "Unsinn" gleichzeitig enthält.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Jacky"

    Ist Euch eigentlich aufgefallen, daß es einen direkten Bezug zur Parabel" Vor dem Gesetz" gibt?
    Im Kapitel "erste Verhandlung" wird die Tür genau nach K geschlossen mit den Worten:
    " Nach Ihnen muß ich schließen, es darf niemand mehr hinein."



    Hallo Jacky,


    m.M.n. gibt es nicht nur einen direkten Bezug zur Türhüterparabel, sondern diese Parabel ist der Schlüssel, zum „Prozeß“


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "hafis50"

    Der Kohlhaas dagegen ist, -entsprechend formuliert!-, nicht mehr als die finale dekompensation eines rechtsquerulanten, eine episode im leben eines einzelnen,


    Hallo zusammen,


    so kann man den Kohlhaas möglicherweise auch lesen, aber wie die Kohlhaas-Leserunde gezeigt hat geht es auch anders:


    Meinungen zum "Kohlhaas" aus der Leserunde im Klassikerforum:


    Was ich ausdrücken wollte war eher, dass dies ein generelles Dilemma ist.
    .....
    Das ist ein recht modernes Problem oder?

    (Michael)




    Solange auf dieser Welt noch Menschen im Zustand der Rechtlosigkeit mit eingeschränkten Rechten leben müssen, wird der Fall des märkischen Roßhändlers Michael Kohlhaas immer unabgegolten bleiben. Als Warnung an die Herrschenden!
    (Fuu)



    Würde Kleists Kohlhaas heute tatsächlich noch gelesen werden, wenn es darin um die Episode eines Einzelnen ging und nicht um ein generelles, modernes Problem?



    Gruß von Hubert

  • Zitat von "WannaBe"

    - die Schuldfrage
    Am Anfang war mir völlig schleierhaft, warum K. verhaftet worden war. Er selbst ist sich ja auch keiner Schuld bewußt. Im Laufe der Erzählung wird aber immer häufiger betont, wie groß der Unterschied zw. "gewöhnlichen Rechtssachen und diesen Rechtssachen" ist, so daß mir der Gedanke kam, ob K. nicht vielleicht von einem göttlichen Gericht der Prozess gemacht wird und nicht von einem weltlichen? Dass er sich also eher seinem eigenen Gewissen gegenüber verantworten muss als vor echten Richtern aus Fleisch und Blut? Im Kapitel Der Maler erklärt Titorelli z.B. dass K's Prozess noch gar nicht bis zu den höheren Gerichten gekommen ist und der Angeklagte dieses Gericht niemals zu Gesicht bekommen wird. Und als er bei seinem Anwalt den Kaufmann Block trifft, erzählt ihm dieser von den höheren Advokaten, die auch noch niemals jemand gesehen hat. Auch das Kapitel Im Dom und das darin enthaltene Türstehergleichnis haben einen eindeutigen Bezug auf eine höhere Macht.


    Hallo WannaBe,
    hallo zusammen,


    am Wochenende habe ich den Prozeß auch fertig gelesen.


    Deinen Gedanken, dass sich K. vor einem göttlichen Gericht verantworten muss, kann man m.M.n. durchaus vertreten und es werden dadurch sicher auch einige Fragen beantwortet, andererseits werden aber durch diese Annahme auch wieder neue Fragen aufgeworfen: z.B. wieso vertritt der Avokat Huld den Kaufmann Block in seinen Geschäftsprozessen und vor dem „göttlichen Gericht“?


    Gruß von Hubert.

  • Hallo zusammen,
    hallo Hubert,


    der Gedanke des göttlichen Gerichts kam mir beim Lesen auch. Allerdings würde ich die göttliche Instanz nur den höheren Gerichten zuordnen, die niederen Gerichtsinstanzen wären aber durchaus weltlich. Im Prinzip also die weltlichen Vertretungen der göttlichen Gerichte.
    Dafür spräche, daß beispielsweise ein endgültiger Freispruch nur durch ein höheres Gericht erfolgen kann und die niederen Gerichte nur eine Verschleppung der Rechtssache oder einen vorrübergehenden Freispruch herbeiführen können. Eine Verschleppung der Rechtssache könnte dann möglicherweise als bewußte Nicht-Auseinandersetzung mit der Schuld, ein vorrübergehender Freispruch als Verdrängung der Schuld gesehen werden.
    Das letzlich endgültige Urteil fällen jedoch die höheren Gerichte. Die Verdrängung, die den Angeklagten im weltlichen Bereich vielleicht noch davor bewahrt hat, sich der Schuld stellen zu müssen, greift nicht mehr. Diese hat jedoch noch niemand gesehen und ein endgültiger Freispruch ist im weltlichen Raum quasi nicht zu erlangen, was für göttliche/ überirdische Gerichte durchaus logisch wäre.
    Wenn die niederen Advokaten sich aber auch nur mit den niederen, nach dieser Theorie also weltlichen, Gerichten auseinandersetzen können, wäre es auch durchaus plausibel, daß sie neben diesen weltlichen Fragen ihre Klienten auch in anderen weltlichen (z.B. geschäftlichen) Belangen beraten.


    Gruß
    Berch

  • Zitat von "Berch"

    Wenn die niederen Advokaten sich aber auch nur mit den niederen, nach dieser Theorie also weltlichen, Gerichten auseinandersetzen können, wäre es auch durchaus plausibel, daß sie neben diesen weltlichen Fragen ihre Klienten auch in anderen weltlichen (z.B. geschäftlichen) Belangen beraten.


    Hallo Berch,


    Deine Argumentation ist für mich im großen und ganzen durchaus nachvollziehbar. Wenn die niederen Advokaten, sich aber nur mit den weltlichen Gerichten auseinandersetzen, wessen weltlichen Vergehens wäre K. dann angeklagt und warum wundert sich K., dass der niedere Advokat Huld den Kaufmann Block auch in dessen geschäftlichen Prozeßen vertritt. Zumindest für K. scheint das also nicht plausibel?


    Gruß von Hubert