Juli 2004: Thomas Mann - Königliche Hoheit

  • Kindlers neues Literaturlexikon:


    Roman von Thomas Mann, erschienen 1909. - Nur scheinbar verläßt der Autor mit seinem zweiten Roman die sein Frühwerk beherrschende Thematik des Gegensatzes von Kunst und Leben. In der allegorischen Figur eines Fürsten gestaltet Mann erneut die Problematik des Künstlers, seine Einsamkeit, seine Verpflichtung auf die Form, sein Ausgegrenztsein vom Leben. Klaus Heinrich, die Titelfigur, wird mit einer »Hemmung« geboren; sein linker Arm ist verkümmert. Der Großherzog Johann Albrecht befürchtet eine schlimme Beeinträchtigung bei den Repräsentationspflichten des späteren Fürstenberufs. Staatsminister von Knobelsdorff jedoch erinnert an die Weissagung einer Zigeunerin, ein Fürst mit einer Hand werde dem Land »das größte Glück« bringen. Kindheit und Jugendjahre Klaus Heinrichs dienen vornehmlich der Vorbereitung auf die späteren Repräsentationsaufgaben. Goethezeitliche Motive wie Entsagung, Erziehung und Bildung werden vom Erzähler aus kritischer Distanz eingeführt. Großer Anteil an der Erziehung zum »Hohen Beruf« kommt Dr. Raoul Überbein zu, Klaus Heinrichs Lehrer, dessen erzieherische Ideen unverkennbar an Nietzsches Übermenschentum orientiert sind. Klaus Heinrich spürt bald, wie sehr seine »sinnbildliche Existenz« in Isolierung und Unwahrheit führt. Der Fürst wird reduziert zur »formalen Existenz«. Das Volk sieht sich zwar in der Figur seines Repräsentanten verklärt, aber es bestaunt seine »darstellerischen Übungen«, als wären es die der Soubrette Mizzi Meyer im Singspieltheater. Die Einheit zwischen Repräsentierendem und Repräsentiertem, zwischen Fürst und Volk, ist zerfallen. Schein und theatralische Unwirklichkeit bestimmen das fürstliche Dasein. Diese Scheinwelt wird in der Begegnung mit Imma Spoelmann schonungslos bloßgelegt: Klaus Heinrich sieht sogar die Glaubwürdigkeit seiner Liebe in Zweifel gestellt. Gemeinsam mit Imma studiert er Wirtschaftswissenschaften. Mit diesen »wirklichen Studien über die öffentliche Wohlfahrt« gewinnt er ihr Vertrauen. Das Attrappendasein weicht der Wirklichkeit. Das Volk, für das Imma eine »Prinzessin in des Wortes sonderbarster Bedeutung« ist, nimmt regen Anteil an der »Annäherung zwischen den Häusern Grimmburg und Spoelmann«. Durch die Heirat Klaus Heinrichs mit Imma wird aus »zwei Sonderfällen so etwas wie ein Allerweltsfall«. Die Einheit zwischen Volk und Fürst stellt sich wieder her - und den Staatsfinanzen kommt der Reichtum von Immas Vater zugute. Die Weissagung der Zigeunerin hat sich erfüllt. Märchenhafte und komödienhafte Elemente verbinden sich in diesem Roman mit autobiographischem Hintergrund. Thomas Manns Heirat mit Katja Pringsheim (1905) fällt in die Entstehungszeit dieses »Lustspiels in Romanform«. Züge und Requisiten des Wilhelminischen Zeitalters prägen das Ambiente, das seinen Charakter einer Theaterwirklichkeit nie verliert. Es sei, so vermerkt Thomas Mann gegenüber K. Martens, sicherlich »mißverständlich«, in dem Roman ein »sozialkritisches Buch zu sehen«, und an E. Bertram schreibt der Autor über den Schluß des Romans: »Ein bißchen demagogisch, ein bißchen populär verlogen« (Brief vom 28. 10. 1910). Dies gilt weniger deshalb, weil das Volk auf die Rolle von »Statisten« beschränkt bleibt (Heinrich Mann in seinem Briefentwurf vom 5. 1. 191 und die aristokratische wie die ökonomische Sphäre lediglich als schöne Fassaden erscheinen; vielmehr ist der Versuch des Fürsten, sich aus seiner isolierten Existenz ins Leben zu flüchten und den Zwang zur repräsentativen Haltung, zur Form, mit individuellem Glück und einem unverfälschten, authentischen Gefühl verbinden zu können, für den Autor selbst offensichtlich wenig überzeugend. Die von Nietzsche (in seiner Kritik an Richard Wagner) konstatierte Entfremdungssituation des modernen Künstlers, dem die von ihm gestalteten Lebensäußerungen und -schicksale nur noch zum Material für Effekte und dramaturgische Kunstgriffe werden und der allein an der Wirkung, nicht an den Inhalten interessiert ist, umreißt zugleich die Grundproblematik des Mannschen Frühwerks; so wenig seine Helden zurück ins Leben finden, so wenig kommt er selbst über die Befangenheiten und Grenzen dieser Künstlerrolle hinaus. Erst das Ereignis des Ersten Weltkriegs führt letztlich zur Überwindung dieses, Ästhetizismus und Décadence prägenden Themenkomplexes. Prof. Dr. Gunter Reiss/KLL

  • das sollte man in der tat mal lesen. aber ich bin bei meiner erstlektüre nicht über die geburt groß hinausgekommen. wenn sich weitere leute finden würden. ich wär dabei...

  • Hallo zusammen,


    heute Abend, Samstag, 24. April 2004, Bayern-Fernsehen: „Königliche Hoheit“, Literaturverfilmung nach Thomas Manns Roman mit Ruth Leuwerik und Dieter Borsche:
    http://www.br-online.de/kultur…tv/0404/02883/index.shtml


    und gleich anschliessend: „Unordnung und frühes Leid“ Literaturverfilmung mit Ruth Leuwerik und Martin Held, ebenfalls nach Thomas Mann:
    http://www.br-online.de/kultur-szene/film/tv/0404/02884/


    Schönes Wochenende wünscht Hubert

  • Hallo Hubert


    danke, dass du auch an die TV-Tipps denkst. Leider war ich zu müde um auf die späte Ausstrahlung zu warten und aufnehmen lohnt sich bei mir nicht, weil ich zum Video ansehen selten Zeit finde.


    Hat sich jemand die Verfilmungen angeschaut und kann berichten wie es war?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Danke an Hubert für den tollen Tipp!
    Ich habe mir den Film angeschaut. Der Film war amüsant und unterhaltsam, aber der wird nicht mein Lieblingsfilm. Er war für mich zu sehr klischeehaft. Man wusste ganz genau WAS passieren würde und auch WANN! Die Geschichte ..hm naja...die war mir zu sehr nach Gebrüder Grimms Märchen! Es gab nichts neues in der Geschichte selbst. Mich hat nichts an der Geschichte beeindruckt, nachdenklich gemacht oder neugierig.Der Ausschnitt aus nimues Literaturlexikon könnte sich (abgesehen von ein paar kleinen Dingen) auch sehr wohl auf Aschenputtel gut beziehen. Vielleicht kommt ja in dem Buch viel mehr rüber, als in dem Film.Verfilmungen kommen eh nicht gegen die Bücher an. Wäre aber interessant zu schauen, ob das Buch wirklich so märchenhaft langweilig ist oder nicht. Hoffentlich ist "Der Zauberberg" nicht auch so. Das Buch wartet nämlich darauf von mir gelesen zu werden.
    Ich hoffe ich werde nicht jetzt schon aus dem Forum verbannt wegen dem Kommentar :elch:

  • Hallo zusammen


    Ich habe mir beide Sendungen aufgezeichnet. Anschauen werde ich sie mir aber erst, nachdem ich die Bücher gelesen habe. Umgekehrt hat es keinen Sinn.


    @summer: :blume: Herzlich willkommen im Forum :blume:
    Die Bücher Thomas Manns sind eigentlich gar nicht zu verfilmen. Dazu leben sie viel zu sehr von der Sprache, was im Film nie so "rüberkommen" kann. Von Thomas-Mann-Verfilmungen ist man immer enttäuscht. Ich schaue mir die Verfilmungen auch nur interessehalber an, weil mich interessiert, wie der Regisseur mit dem Stoff zurechtgekommen ist. Und sich am Scheitern zu delektieren kann ja auch Spaß machen :smile:


    Zitat

    Wäre aber interessant zu schauen, ob das Buch wirklich so märchenhaft langweilig ist oder nicht.


    Warum machen wir es dann nicht einfach? Etwas von Thomas Mann zu lesen ist bei mir schon lange überfällig. Noch bin ich zwar mit Grimmelshausen beschäftigt und danach werde ich erstmal in Urlaub sein, aber nach Pfingsten könnten wir loslegen. (Und ich kenne mindestens eine hier im Forum, die bestimmt auch mitlesen würde :winken: ) Na, wie wärs?


    Zitat

    Hoffentlich ist "Der Zauberberg" nicht auch so.


    Keine Angst vor dem "Zauberberg". Der ist nicht "so". Sondern viiiel besser :smile:



    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Zitat von "ikarus"

    . (Und ich kenne mindestens eine hier im Forum, die bestimmt auch mitlesen würde :winken: ) Na, wie wärs?


    Hallo Ikarus
    da fühl ich mich doch gleich angesprochen. :breitgrins:

    Ich bin dabei, keine Frage. Ich wollte schon immer wissen wie Thomas Mann und Komödie zusammenpaßt.


    Das machen wir *freu_freu*


    schönen Urlaub wünsch ich dir. Es geht in den Schwarzwald, nicht wahr? Wirst du auch die Landesgartenschau Kehl/Straßburg anschauen?


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Also ich wäre eigentlich auch interessiert, aber ich weiss nicht, ob ich dann Zeit habe....aber ich schau mal. Würde mir bestimmt spass machen, denn ich habe noch nie mit jemandem zusammen ein Buch gelesen (ausser in der Schule natürlich).

  • Hallo zusammen,
    hallo summer,


    Zitat

    Der Film war amüsant und unterhaltsam


    Ja, kann ich nur zustimmen, und was will man eigentlich von einem Film mehr


    Zitat

    Mich hat nichts an der Geschichte beeindruckt, nachdenklich gemacht


    Mich hat beeindruckt, wie Mann seine Heirat mit Katja Pringsheim die während der Entstehungszeit des Romans stattfand, künstlerisch umgesetzt hat.


    Mich hat nachdenklich gemacht, die große Bedeutung, die Mann sich als Künstler, oder allen Künstlern in dieser Allegorie zusprach.


    Mich hat verzaubert: Die bezaubernde Ruth Leuwerik


    Zitat

    Ich hoffe ich werde nicht jetzt schon aus dem Forum verbannt wegen dem Kommentar


    Wie kommst Du auf die Idee, dass hier Kommentare zensiert werden?


    Gruß von Hubert

  • Hallo !


    Bei Thomas Mann bin ich auch immer mit dabei :zwinker: Auch wenn ich mir erst am Wochenende den ersten Band der Josephs-Tetralogie zugelegt habe, interessiert mich alles andere von Thomas Mann natürlich auch !


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Hubert"


    Mich hat beeindruckt, wie Mann seine Heirat mit Katja Pringsheim die während der Entstehungszeit des Romans stattfand, künstlerisch umgesetzt hat.


    Mich hat nachdenklich gemacht, die große Bedeutung, die Mann sich als Künstler, oder allen Künstlern in dieser Allegorie zusprach.


    Mich hat verzaubert: Die bezaubernde Ruth Leuwerik


    mmh - nun bereue ich doch, dass ich den Video nicht programmiert habe.


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Thomas


    die Leserunde beginnt nach dem 20. Juni 04. Am besten gleich vormerken :winken:


    Hallo Aisha
    zu deiner Frage nach dem Video. Ich kann dir nur empfehlen, öfters bei Amazon vorbei zuschauen ob es gebraucht angeboten wird. Braucht ein bißchen Geduld.


    Dann habe ich im Netz einen TV-Ausstrahlungstermin gefunden und zwar für den 21. Mai 04 : http://www.prisma-online.de/tv…d=1953_koenigliche_hoheit


    Leider ist in meiner TV-Zeitung nichts davon zu finden. Man müßte diesen Termin beobachten, was nun stimmt.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "summer00"

    Hoffentlich ist "Der Zauberberg" nicht auch so. Das Buch wartet nämlich darauf von mir gelesen zu werden.
    Ich hoffe ich werde nicht jetzt schon aus dem Forum verbannt wegen dem Kommentar :elch:


    Hi summer :zwinker:


    Da ich Zauberberg-Fan bin, käme mir eine 2.Zauberberg-Leserunde ganz gelegen. Sag's mir, sobald Du den Zauberberg in Angriff nehmen willst, ich wäre auf jeden Fall dabei!


    Bye, Ivy

  • Hallo zusammen
    hallo JMaria


    Zitat

    die Leserunde beginnt nach dem 20. Juni 04. Am besten gleich vormerken


    Lieb von euch, daß ihr mit dem Lesen so lange auf mich wartet. Ich glaube nach meinem Wagner-Projekt werde ich einen Thomas Mann gut gebrauchen können. Zur Erholung! [Blockierte Grafik: http://www.gifs-paradies.de/gifs321/urlaub/00009640.gif]


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)


  • hallo Ikarus
    klar warten wir, dein Vorschlag zur Leserunde war super.


    Schöne Wanderung (zum Glück gibt es dort keine Kokusnüsse *bg*) wünscht dir
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)