Grammatikalische Frage

  • In meinem gestrigen Seminar "Reflexion über Sprache", wurde ich von meinem Dozenten doch ordentlich verblüfft. Es ging um die Existenzberechtigung von Grammatik(unterricht). Nachdem einige Pros und Contras besprochen wurden, u.a. auch anhand von Zitaten von Grimm, Jean Paul, etc., machte uns der Dozent darauf aufmerksam, daß es auch bei uns Fragen gibt, bei denen unsere 'interne' Grammatik sich automatisch für die 'normmäßig' falsche Variante entscheidet. Es machte sich natürlich sofort ein Rumoren breit, immerhin ist es ein Didaktik-Seminar und die anwesenden Damen und die vereinzelten Herren wollen ja allesamt Deutschlehrer werden.
    Er schrieb dann den Beispielsatz: Die Regierung besteht auf der Landebahn. an die Tafel. Gemeint ist mit diesem Satz, dass die Regierung darauf besteht, daß diese Landebahn gebaut, erhalten, etc. werden soll.
    Der gesamte Kurs sprach sich dafür aus, daß es korrekt 'besteht auf die Landebahn' lauten müsse. Einige verstanden diesen Satz auch nicht in seiner eigentlichen Bedeutung, da das 'der' sie dazu verleitete, anzunehmen, dass die Regierung lokal gesehen, sich auf der Landebahn konstituiert, da sie der festen Überzeugung waren, ansonsten müsse es natürlich 'die' lauten. Dies ist laut Duden allerdings nicht richtig, da bestehen in diesem Zusammenhang wohl stets mit dem Dativ gebraucht wird.
    Um jetzt mal langsam auf den Punkt meiner Frage zu kommen: Unser Dozent meinte, daß diese falsche Benutzung typisch für Nord-West-Deutschland sei. Da hier ja auch Mitglieder aus anderen Regionen mitlesen, würde mich interessieren, ob bei Euch dieser Gebrauch auch typisch ist, oder ob ihr Euch im normalen Sprachgebrauch für die richtige Variante entscheiden würdet.
    Gruß
    Berch

  • Hallo zusammen!
    Hallo Berch!


    Als - allerdings durch Lektüre von Klassikern und Auslandaufenthalte verbildeter - Alemanne würde ich durchaus darauf bestehen, dass bestehen auf dem Dativ bestehen sollte. :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallöchen, Berch!


    Um eine österreichische Meinung einzubringen: Ich hätte genause die Landebahn gesagt und jeder andere Mensch, den ich kenne, ebenso.


    Ich war jetzt auch ziemlich schockiert, als ich gelesen hab, dass das falsch ist :redface: *gehtsicheinenDudenholen*


    Liebe Grüße,
    Wendy

    "All children, except one, grow up."

  • Hallo zusammen,
    es kann ja durchaus sein, daß Schwaben einige Dinge etwas anders sehen/sagen (sehr interessante Seite übrigens), aber Du wärest ja prinzipiell schon mit in der Wertungsgruppe, denn Schwaben ist ja nun nichtmehr Norddeutschland.
    Wendy: So langsam glaube ich, daß mein Dozent sich da regional etwas verzettelt haben muß. Südlicher als nach Österreich kann man im deutschen Sprachraum ja fast garnicht mehr kommen. Vielleicht meint er ja Südtiroler?!?
    Den größten Bock hat sich der Dozent dann aber geschossen, als er meinte: Naja, hier im Münsterland (ich studiere in Münster) geht es ja noch, aber wenn sie dann ins Ruhrgebiet kommen, da nimmt die Sprachqualität doch schon sehr stark ab." Mein Studienkollege (Gelsenkirchen) und ich (Nähe Dortmund) sahen uns dann doch spontan gezwungen zu protestieren. Meine Studiekollege meinte nur: Hömma, wat is mit unsere Sprachqualität? :zwinker:
    Gruß
    Berch

  • Zitat von "Berch"

    Er schrieb dann den Beispielsatz: Die Regierung besteht auf der Landebahn. an die Tafel. Gemeint ist mit diesem Satz, dass die Regierung darauf besteht, daß diese Landebahn gebaut, erhalten, etc. werden soll.
    Der gesamte Kurs sprach sich dafür aus, daß es korrekt 'besteht auf die Landebahn' lauten müsse.


    Hallo zusammen,


    ich bin entsetzt, :entsetzt: und ich meine das wirklich nicht ironisch. Das angehende Deutsch-Lehrer einen Satz "Die Regierung besteht auf der Landebahn", nicht als richtig erkennen, ist m.M. nach ein Skandal. Ich halte mich für kein großes Grammatik-Talent, aber bei "Die Regierung besteht auf die Landebahn", da sträuben sich mir die Nackenhaare. :entsetzt:


    Traurige Grüße von Hubert

  • Hallo Berch,


    eine weitere Meinung südlich des Weißwurstäquators: eindeutig Dativ.


    Auf eine andere Idee würde ich nie kommen :rollen: :breitgrins:


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,
    tja, dann scheint es tatsächlich so zu sein, daß dies eine Form von eingebürgertem Sprachgebrauch hier in Westfalen ist.
    Mir und dem restlichen Kurs ging es bei dem richtigen Satz so wie Dir Hubert bei der Variante mit 'die'... Pfui, bah, Rotstift raus...
    Einerseits muß ich Dir natürlich zustimmen, daß es schon ein trauriges Bild abgibt, wenn man es als Sprecher einer anderen Region betrachtet, aber ich habe heute beim Kegeln meine Bekannten gefragt und allesamt waren sie der festen Überzeugung, daß 'die' die richtige Variante wäre, ohne, daß jemand lange überlegen mußte. Es scheint also wirklich so zu sein, daß dies bei uns in der 'intuitiven' Grammatik so verankert ist...
    Gruß
    Berch

  • Noch ein Kommentar aus der Alpenrepublik: rein gefühlsmäßig würde ich genau wie Wendy "die" Landebahn sagen. Ich hab aber irgendwann mal gelernt, dass bestehen einen Dativ verlangt ...


    Aber sobald wir hier in unserer Gegend so richtig im Dialekt loslegen, haben wir's eh nimmer so mit der Grammatik. Da kann's dann schon vorkommen, dass meine Oma erst den Butter und dann das "Marmlad" (Marmelade) auf die Semmel streicht, letztere dann auf das Teller legt und fragt, ob sie heute noch eine Apfelstrudel backen soll! :elch:

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo Berch,


    Wieso sollte man sagen "besteht auf die"


    Man besteht auf einer Lösung, man besteht auf ein Ding.
    Man besteht auf einer Landebahn. Man besteht auf der Landebahn. Also, ganz einfacher Substitutionstest: und - ich sage - DER.


    Wieso die? Da würd ich nicht schlau draus.


    Was ist das für ein Seminar? Germanisten? Ich mein, solche abgründigen stundenlangen Diskussionen über den zu wählenden Fall habe ich nur bei Germanisten erlebt. Wochenlang konnte ein Syntaxkurs bei uns über dussligen Sätzen erbittert streiten. Und zum Schluß stand der Prof., der die Satzbaupläne mitentwickelt hatte, auch nur vor uns: "Hm. Könnte also auch anders sein..."


    Also. Der.


    Man besteht auf [die] [SUBSTITUTIONSGLIED]
    Probier mal: man besteht auf die Lösung.
    Da ruf ich dir zurück: ey Murat, mach ich konkret krass sofort, auf die Lösung bestehen. ;)

  • HALLO allerseits
    Hallo Holger


    Zitat

    Man besteht auf einer Lösung, man besteht auf ein Ding

    .


    Da werde ich nun wieder nichts schlau draus!!! man besteht auf
    ein Ding? Oder nur einfach ein Schreibfehler? :breitgrins:


    Zitat

    bei uns über dussligen Sätzen erbittert streiten


    Das verlangt meiner Meinung nach keinen Dativ :zwinker:


    Was die Frage allgemein angeht, so fällt mir jetzt ein, dass ein Kollege von mir manchmal eigentümliche Wort- und Satzkombinationen gebraucht und da er gebürtig aus der Nähe von Dortmund ist, denke ich mir jetzt, dass er vielleicht einfach die falsche Grammatik "im Bauch" hat :smile:


    liebe Grüße


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo zusammen,
    hallo Berch,


    Du hast geschrieben:
    dann scheint es tatsächlich so zu sein, daß dies eine Form von eingebürgertem Sprachgebrauch hier in Westfalen ist.


    Das gilt aber dann sicher nur für Westfalen und nicht für ganz Nordrhein-Westfalen. Zumindest erinnere ich mich an den ersten Techno-Song der Musikgeschichte. „Autobahn“, der Düsseldorfer Band „Kraftwerk“ (übrigens der Beweis, das es Techno auch schon in den 70ern gab) und da lautete der Refrain: „fahr'n fahr'n fahr'n auf der Autobahn“ (Obwohl hier auch „die“ möglich wäre, hätte dann aber einen anderen Sinn)



    Es scheint also wirklich so zu sein, daß dies bei uns in der 'intuitiven' Grammatik so verankert ist...


    Ich kann/will es einfach nicht glauben. Was würde den Deine intuitive Grammatik bei folgendem Satz ergänzen: „Das Flugzeug landete sicher auf ...... Landebahn (der/die)“? Auch die? :entsetzt:


    Holger & Daniela
    Da habt ihr ja gerade noch die grammatikalische Ehre von Deutschlands Osten und Norden gerettet!


    Gruß von Hubert (gerade beim Hören von Dylan Thomas Hörspiel auf Deutschlandfunk)

  • Zitat von "Steffi"

    bei uns kommt das alles auf den Semmel :breitgrins:


    *LOL* Also ich spreche normalerweise zwar schon unseren einheimischen Dialekt, aber in "grammatikalisch korrigierter" Form. :breitgrins: Nur wenn ich (so wie in den letzten Tagen) überdurchschnittlich viel Zeit mit Oma & Co. verbringe, ertappe ich mich selbst bei der einen oder anderen Verwurschtelung.


    Also darauf sollten wir anstoßen, wir ehrloses südliches Gesocks! :elch:
    *blinzelt zu Hubert :zwinker:*


    Ciao,
    Bluebell

    "Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of books she wants to read, who has had a library card since she was twelve."

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "elahub"

    .
    Da werde ich nun wieder nichts schlau draus!!! man besteht auf
    ein Ding? Oder nur einfach ein Schreibfehler? :breitgrins:


    Das verlangt meiner Meinung nach keinen Dativ :zwinker:


    Irgendjemand in diesem Thread hat mal geschrieben, er oder sie werde jetzt den Duden konsultieren. Ich hab's in der Zwischenzeit mal getan. Ganz interessant, ich kann jedem nur empfehlen, das ebenfalls zu tun. Dann wird auch Daniela Antworten auf ihre Fragen finden :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,
    hallo Hubert,


    ich kann Dich beruhigen, das gewählte Beispiel scheint ein sehr spezielles zu sein. Natürlich würde ich niemals auf 'die' Autobahn fahren, es sei denn, ich benutze gerade die Auffahrt, aber sobald ich 'drauf' bin, fahre ich auf der Autobahn und auch Flugzeuge landen bei mir auf der Landebahn. Genausowenig gebe ich meine Mutter ein Geschenk, ich beschwere mich auch nur selten bei die Verwaltung und selbst wenn Du noch weitere Beispiele suchst, haue ich Dir nicht mit die Luftpumpe auf den Kopf :zwinker:
    Diese falsche Intuition scheint also tatsächlich nur bei beschweren zu greifen.
    Allerdings sind mir, als ich mir im Netz mal eine 'Ruhrpott-Grammatik' angesehen habe noch einige Dinge aufgefallen, die ich zwar niemals so schreiben würde, die aber in meinem mündlichen Sprachgebrauch durchaus vorkommen. So sind Sätze wie 'Da kann ich nichts für.' oder 'Da hab ich nichts gegen.' hier recht oft zu hören. Ganz abgesehen davon, daß man hier stets 'am arbeiten/lesen/fernseh gucken (dran) ist', 'als' niemals Vergleiche einleitet, sondern stets 'wie' oder 'als wie' ('Paul ist größer als wie Siggi') und der Genitiv niemals gebraucht wird ('Paul seine Olle ihr Vatta seine Karre ist kaputt.'). Das erklärt vielleicht auch die Stilblüten Deines Kollegen elahub.
    Und Holger: Dein Substitutionstest funktioniert nur dann, wenn das Bauchgefühl sich für die richtige Variante entscheidet. Das macht es aber in diesem Fall bei mir und meinen Mitbürgern tückischerweise nicht.
    Gruß
    Berch

  • Kleiner Nachtrag zum Vermeiden des Genitivs im Ruhrgebiet. Ich wohne selber in Ostwestfalen, das ist kein Widerspruch in sich; die Gegend heißt hier so!


    Johannes Rau wurde gefragt, warum denn kein Fußballstadion nach einer Frau benannt sei. Seine Antwort: Das müsste dann Ernst Kuzorra sein Frau ihr Stadion heißen.


    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo Erika,
    diese Antwort halte ich immer noch für die vielleicht größte Leistung in Raus langjähriger politischer Karriere :zwinker:
    Gruß
    Berch

  • Hallo Berch,


    Du hast gepostet:
    ich kann Dich beruhigen, ...
    Diese falsche Intuition scheint also tatsächlich nur bei beschweren zu greifen.


    Na, da bin ich jetzt wirklich beruhigt, - vorausgesetzt Du hast jetzt „bestehen“ und nicht „beschweren“ gemeint?


    Im übrigen spricht das ja für den Dozenten, wenn er so zielsicher den Finger in die Wunde legt.


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert,
    ja genau, das meinte ich :zwinker:
    Und ja, es spricht schon für den Dozenten, denn über den Schock, den er mir damit versetzt und die Diskussionen, die ich seitdem geführt habe, hat er erreicht, daß ich es sicherlich nicht mehr vergessen werde. Den Satz 'Die Regierung besteht auf der Landebahn' werde ich wohl nicht mehr aus meinem Kopf bekommen.
    Gruß
    Berch


    EDIT: Memo an mich: Keine Beiträge mehr direkt nach dem Aufstehen schreiben. Dieser Beitrag war ja fehlerbehafteter als die ganze Diskussion :zwinker:

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