Was lest ihr gerade?

  • Fischer Taschenbücher aus den Siebziger Jahren. Die gehen im wahrsten Sinne des Wortes alle aus dem leim, wenn man sie jetzt noch mal anfasst.

    1970er? Da wurde es doch langsam besser? Die 1950er und 1960er waren schlimm. Da war die Qualität der gelieferten Ware wirklich schlimm. Nachkriegsqualität halt. Danach besserte es sich, m.M.n.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • In den Siebzigern habe ich mir sämtliche Werke von Agatha Christie gekauft, alle als Taschenbuch. Die sind noch prima. Desgleichen Bücher von Wilkie Collins, den ich damals sehr gern las, und einiges an Fantasy (zum Beispiel die Wüstenplanet-Serie). Die Bücher sind alle noch gut.


    Bei dem geerbten Fundus meiner Eltern sind allerdings etliche dabei gewesen, die schon beim genauen Angucken auseinandergefallen sind, und zwar alle aus den 60ern oder noch älter.

  • Ja, die Taschenbücher, die aus den 50ern und 60ern stammen, sind natürlich bar jeder Diskussion, wobei ich einige Rowohlts aus der ersten Hälfte der 50er habe - Sinclair Lewis z.B. -, die sich erstaunlich gut halten.


    In den Endsiebzigern habe ich angefangen, Literatur zu sammeln, mit den begrenzten Mitteln des Jugend- und jungen Erwachsenenalters im Wesentlichen Taschenbücher. EIniges in meinen Regalen von Thomas Mann und Günter Grass stammt aus dieser Zeit und eben von Fischer. Ich denke, der Grund, warum die Leimung der Fischer-Tb so schnell kaputtging, war auch, dass der innere und äußere Rand sehr knapp war, so dass man den Buchrücken brechen musste, um einigermaßen bequem lesen zu können. Dadurch hielten die Blätter schlecht.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Die Fischer-TBs von Thomas Mann hab ich irgendwann mal angeekelt weggeworfen ;-). Selbst, wenn sie sich nicht aufgelöst habe, war das Papier derart schwiemelig geworden, dass ich es nicht mehr anfassen wollte. Ein wenig bedauere ich es, dass ich die Jules Verne-Ausgabe von Fischer ebenfalls entsorgt habe. Das waren zwar eine radikal bearbeitet und sehr stark gekürzte Versionen, aber "Die Propellerinsel" wurde von Wondratschek bearbeitet, der dort eine Arno-Schmidt-Referenz einschmuggelte (Schmidt übernahm zentrale Motive von Verne für seine "Gelehrtenrepublik"). Den Band hätte ich aufheben sollen …

  • Wenn wir gerade über die editorischen Qualitäten von Fischer-Taschenbüchern - früherer Jahrgänge - barmen, zitiere ich mal aus einer Amazon-Besprechung ("Rezensionen" nenne ich meine Anmerkungen nicht), zu der ich mich veranlasst sah:


    Zitat


    Ein Buch, das mit den legitimen Erwartungen des Lesers auf ein leicht zu rezipierendes Schriftbild so indolent umgeht, wie dieses hier, das muss man lange suchen. Wer es aufschlägt, betritt eine Buchstabenwüste. 388 Seiten Text (außerhalb des Anmerkungsapparates), das klingt zunächst verdaulich, aber das täuscht. Vielleicht sagen die nackten Zahlen, was sich zwischen den Buchdeckeln abspielt: das Buchformat beträgt 18x10,5 cm, davon sind 16x9 cm beschrieben; einen Rand gibt es praktisch nicht, und die Seiten sind von oben bis unten angefüllt, kaum dass noch die Seitenzahl darunter passt. Bei dem gewählten Schriftgrad lassen sich ziemlich genau 2500 Zeichen auf einer Seite unterbringen, verteilt auf nicht ganz 50 Zeilen mit je etwas mehr als 50 Zeichen, und das ist hier keine graue Theorie, sondern bittere Realität. In den längeren zusammenhängenden Erzählungen (zum Beispiel in den "Forschungen eines Hundes", ca. 30 Seiten) bestehen die Absätze nur daraus, dass eine Zeile nicht bis zum Ende beschrieben wird, und so tauchen immer wieder Textpassagen auf, bei denen auf mehreren aufeinanderfolgenden Seiten(!) diese 2500 möglichen Zeichen nahezu vollständig aufgebraucht werden. Man stelle sich einen mündlichen Vortrag vor, der als monotone Suada heruntergeleiert wird - das wäre die perfekte akustische Entsprechung dieses Satzbildes. Der Interessent mache sich dazu klar, dass er ein Buch erwirbt, das ein Äquivalent von mindestens 800 Seiten einer herkömmlichen (und bekömmlichen) Ausgabe darstellt. Es ist eine Mühsal, das zu lesen! Und, darauf lege ich Wert, es ist der einzige Grund für die Versagung des fünften Sterns.

  • Dann hast du, Diaz Grey, wahrscheinlich die gleiche Ausgabe der Mannschen Erzählungen gelesen, die ich auch heute noch als mehr oder weniger Lose-Blatt-Sammlung im Regal habe. Aber ich mag mich von Büchern, deren Inhalt ich gelesen habe und schätze, nicht trennen und lese eher nochmal die alte Loseblattsammlung als ein noch steriles neues Buch.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Jetzt muss ich mal blöd fragen - ich dachte, "Forschungen eines Hundes" ist von Kafka?


    Ich bin ziemlich sicher, dass ich das Buch habe, das Diaz Grey meint. "Franz Kafka - Sämtliche Erzählungen", herausgegeben von Paul Raabe, Fischer Verlag 1970 (mein Exemplar ist schon aus der vierten Auflage). Das Buch ist hässlich braun, das Druckbild eine Katastrophe, der reinste Leselustkiller, und obendrein zeigt es Tendenz zur Auflösung. Da könnte ich eigentlich auch mal nach einer vernünftigen Ausgabe Ausschau halten ...


    ps. Diaz Grey , ich habe Dir eine PN geschickt, ist nur eine Frage zu Deiner Kritik.

  • Zu den zwei letzten Posts von Finsbury und Zefira:


    Meine Bemerkung betraf die Paperback-Ausgabe von Franz Kafka beim FTB, und nur diese. Inzwischen habe ich festgestellt, dass sich Amazon die Freiheit genommen hat, meine Kritik an dieser Ausgabe auch an eine Werksammlung anzuhängen, die bei einem anderen Verlag als Hardcover erschienen ist. Diese kenne ich nicht.


    Und ja, Finsbury, auch die Mannschen Erzählungen stehen bei mir in der gleichen Ausgabe, sind aber etwas besser zu lesen, auch wenn es nur daran liegt, dass das Format etwas größer ist. Und bei behutsamem Umgang hält es sogar zusammen.

  • Inzwischen habe ich festgestellt, dass sich Amazon die Freiheit genommen hat, meine Kritik an dieser Ausgabe auch an eine Werksammlung anzuhängen, die bei einem anderen Verlag als Hardcover erschienen ist.

    Das ist da Standard. Wahrscheinlich arbeitet da im Hintergrund einfach ein Algorithmus, der auf ein paar Schlüsselbegriffe achtet und bei dessen Programmierung man davon gegangen ist, dass immer nur Autoren und nie spezielle Ausgaben besprochen werden. Wenn man Infos zu einer spezifischen Ausgabe sucht, kann man Amazon in die Tonne hauen.

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  • Gerade ausgelesen: Helga Schubert, Vom Aufstehen.


    Die Erzählungen der Bachmannpreisträgerin des letzten Jahres. Ganz ganz wundervoll.

    Und für mich fast unvorstellbar, dass diese Erzählerin seit vielen Jahren so unter dem Radar geblieben ist. Insa Wilke hat sie bei einer Veranstaltung zum 40. Jubiläum des Bachmannpreises getroffen, dort las sie einen Text, der Insa Wilke beeindruckte - und dann ging es weiter. Insa Wilke lud sie zum Bachmannpreis ein, den Helga Schubert mit 80 Jahren gewann. Mit einem Text, der so tief, echt, ehrlich und zugleich tröstlich ist, dass er nicht nur die Jury, sondern auch viele Menschen außerhalb begeistert hat.

    Nun gibt es endlich wieder einen Band mit Erzählungen von ihr, der Klagenfurter Text bildet darin den Abschluss. Weitere Bücher sind jetzt in Vorbereitung.

    Das ist ein großer Gewinn.

  • Wilhelm Friedrich Meyern, ›Dya-Na-Sore oder die Wanderer‹. Das war Ende des 18. Jahrhunderts sehr einflussreich und wichtig (etwa für Jean Paul) und eröffnete

    Zitat von Nachwort Günter de Bruyn

    die Reihe der deutschen Romane …, in denen Geheimbünde eines Rolle spielen: Goethes 'Wilhelm Meister', Schillers 'Geisterseher', Grosses 'Genius', Tiecks 'William Lovell', Jean Pauls 'Unsichtbare Loge', 'Hesperus' und 'Titan'.

    Das Buch aus der 2001-Reihe der Haidnischen Alterthümer steht jetzt seit 40 Jahren im Regal und ist jetzt endlich mal dran. Aber ob ich das durchhalte, weiß ich noch nicht. Das sind gut 900 Seiten und nach den ersten 120 Seiten möchte ich sagen: das sind ziemlich wirre Seiten. Im Anhang sind einige Rezensionen abgedruckt, da kann ich einem gewissen Walch von Schleusigen bislang nur zustimmen:

    Zitat

    Eigentliche Geschichte ist nicht viel in dem Buch; und was darin einer Geschichte ähnlich sieht, ist so räthselhaft und abgebrochen erzählt und in so geflissentliches Dunkel verhüllt, daß es nicht sehr zum Lesen reizt. Das meiste hingegen besteht aus Declamationen und Dialog […].

    Schiller machte sich in seiner Rezension lustig:

    Zitat

    Die Reise wird, wie man leicht denken kann, den armen Wanderern höchst sauer gemacht. Bald hilft ihnen eine kaum leserliche Inschrift, die sie von ungefähr finden, bald ein Eremit, der sich ihnen in den Weg stellt; ein Greis schickt sie zum andern (weil das Herumschicken einmal Gebrauch ist), und so treten in dem Buch vier oder fünf solche Greise auf, die alle einander wie aus den Augen geschnitten sind und auch so ziemlich das nämliche sagen.

    Nachtrag: Ach ja, der Titel – Dya ist der Name eines von vier Brüdern, eben den titelgebenden Wanderern.

  • Wilhelm Friedrich Meyern, ›Dya-Na-Sore oder die Wanderer‹. Das war Ende des 18. Jahrhunderts sehr einflussreich und wichtig (etwa für Jean Paul) und eröffnete

    Das Buch aus der 2001-Reihe der Haidnischen Alterthümer steht jetzt seit 40 Jahren im Regal und ist jetzt endlich mal dran. Aber ob ich das durchhalte, weiß ich noch nicht. Das sind gut 900 Seiten und nach den ersten 120 Seiten möchte ich sagen: das sind ziemlich wirre Seiten. Im Anhang sind einige Rezensionen abgedruckt, da kann ich einem gewissen Walch von Schleusigen bislang nur zustimmen:

    Schiller machte sich in seiner Rezension lustig:

    Nachtrag: Ach ja, der Titel – Dya ist der Name eines von vier Brüdern, eben den titelgebenden Wanderern.

    Erst 120? Die ärgsten Lesewüsten liegen noch vor Dir. Meine Eindrücke hatte ich unter einem früheren Alter Ego hier schon einmal dargelegt:


  • Manchmal habe ich Anfälle von Vervollständigungssucht und habe mir zwei Bände aus DuMonts Bibliothek des Phantastischen nachgekauft - die bekommt man antiquarisch für sehr kleines Geld. Zwölf Bände sind es insgesamt, jetzt habe ich sie alle. Einen davon, "Medusa" von Edward H. Visiak, habe ich in den letzten zwei Tagen gelesen. Die DuMont-Phantastika sind hübsche Bändchen mit ansprechenden kleinen Vignetten, die Richtung klassisch-phantastisch. "Medusa" ist angelehnt an Stevensons Schatzinsel - der Ich-Erzähler fährt als Schiffsjunge bei einer obskuren Mission mit -, aber weit weniger souverän gekonnt aufgebaut. Der Erzähler lässt über mehr als die erste Hälfte des Buches die Leserin am ausgestreckten Arm verhungern, es passiert kaum etwas, entsprechend gespannter wird man, denn es soll ja noch ein Ungeheuer auftreten. Richtig interessant wird es aber erst im letzten Viertel und wenn dann der Höhepunkt da ist, mit Auftritt des Monsters, ist das Buch auch schon gleich zu Ende. Visiak schwurbelt viel vom verlorenen Paradies und vom Ätherleib, und am Ende weiß die Leserin auch warum - ich zitiere der Einfachheit halber aus einer englischsprachigen Seite mit Namen thebedlamfiles.com, die sich mit Phantastik und Horror in Buch und Film befasst:


    A strange fish-like creature (...) is part of an ancient race of super-intelligent humans who created a transmitting machine that transformed them into scaly creatures and caused their land to sink into the sea (...). Now it seems the critters subside by luring unsuspecting seamen to their lair, where a vast tentacled entity assails the men with ecstatic visions, thus making it easier for them to be devoured by the “medusa” (which Colon Wilson opines represents the destructive power of sexuality and, by extension, femininity). Such a fate does indeed befall Huxtable’s crew, and only those of high spiritual constitution survive the melee.
    Ich brech zamm ... :D


    Aber ich will mich nicht lustig machen. Das Buch hat ein paar sehr poetische Stellen und originelle Charakterschilderungen.

    Ich werde mir die zwei, drei Bände aus dieser Reihe noch vornehmen, die ich noch nicht gelesen habe - es ist einer von Lernet-Holenia dabei -, aber es muss noch etwas warten, im April bin ich wieder in zwei Leserunden.

  • Vo der DuMont-Reihe hab ich fünf oder sechs Bände, die sind mir mal antiquarisch für wenig Geld zugelaufen, und ich ab sie gekauft, weil ich ich die Bände hübsch fand ;-). Gelesen hab ich davon aber noch keines … Seufz.


    Vielleicht greif ich mal zu einem der Bücher, wenn ich den unsäglichen Meyern für mich abgeschlossen habe. Also nach Theil 1. Das Buch hat, in kleinen Dosen, durchaus seine Reize, allerdings nur aus, so auf die Schnelle: literatur-historischen Gründen. Das war ja seinerzeit wohl ein ziemlicher Bestseller, und man fragt sich dann doch: warum? Dieses ganze präpotent pubertäre Geplärre, all diese (behaupteten) großen Gesten, (behaupteten) großen Gefühle und (behaupteten) großen & tiefen Gedanken, dieses unsägliche Geraune & Gewese, die Beschwörung von Nation & Vaterland, gern mit "heilig" kombiniert: All das scheint eine bestimmte nunja Seelenlage um 1790 anzusprechen. Man kann da eigentlich blind reinpiecksen und findet sofort eher seltsam anmutende Passagen, etwa:


    Thränend schlossen alle Hand in Hand rings um das Grab und sprachen ja! Sie standen still und fühlten tief. In ihrer Seele war das Drängen eines grosen Augenbliks.


    So, so. Man kann das auch einfach als unfreiwillig komisch lesen, aber das funktioniert nur kurz, danach nervt es einfach nur. Dass, wie Diaz Grey treffend anmerkt, zwar dauernd "große" Taten beschworen werden, aber überwiegend nur geredet wird, scheint mir auch typisch; nicht nur für Dya-Na-Sore, sondern für einen bestimmten psychischen Zustand, der, wenn er dann von der Reflexion in die Aktion übergeht, praktisch sofort zu fanatisiertem Mord & Totschlag führt. Arno Schmidt hatte wohl schon sehr recht, als er das Buch als genuin faschistisch beurteilte.

  • Zitat
    Thränend schlossen alle Hand in Hand rings um das Grab und sprachen ja! Sie standen still und fühlten tief. In ihrer Seele war das Drängen eines grosen Augenbliks.

    Danke für den ersten schallenden Lacher am Vormittag!
    Ich habe versucht, online eine Leseprobe zu finden; es gibt auch Download-Seiten, aber nur mit Registrierung ...
    Na ja, wer weiß wozu's gut ist. :D

  • O je! Ich hab mal reingelesen. Da tust du dir ja wirklich was an! Erinnert mich an unsere Sue-Leserunde vor einigen Jahren, das war auch nur schwer durchzuhalten.


    Aber auch ich quäle mich, allerdings durch einen ungleich besseren Roman, immer noch "Die Memoiren des Barry Lyndon". Die Hauptfigur ist ja der Ich-Erzähler, und dadurch fällt es mir öfters schwer, die ironische Distanz zu erinnern, wenn ich sehe, wie Barry Lyndon eine/n nach dem anderen über den Tisch zieht und sich dabei auf die Schultern klopft. Auch wenn Thackeray es immer wieder versteht, durch scheinbar entschlüpfte Nebenbemerkungen des Ich-Erzählers dessen hohle Lebenseinstellung - und die der Gesellschaft, in der er sich bewegt - zu entlarven, muss ich an mich halten, Barrys weitere Abenteuer literarisch zu genießen. Als Lustleser fehlt mir die Distanz, um diesen bösen sarkastischen Roman so recht zu würdigen.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Am besten an "Dya-Na-Sore" ist das kenntnisreiche und ironische Nachwort von Günter de Bruyn. Der versucht zwar das Buch im historischen Kontext zumindest ein klein wenig zu retten und attestiert dem Autor Meyern durchaus politische Weitsicht, da er die zeitgenössischen Entwicklungen vorausschauend beschreibt, bevor sie realiter statt gefunden haben, aber das hilft alles nichts: Der Roman ist wohl auch für de Bruyn ein militaristisches, misogynes Machwerk und sein Nachwort liest sich ein wenig so, als würde sich de Bruyn an Meyeren dafür rächen wollen, dass er, für den Vergleich zwischen 1. und 2. Auflage, gleich zwei Fassungen dieses unsäglichen Romans durcharbeiten musste


    Ich hab ja ein wenig gezögert, ob ich nicht vielleicht doch nach dem ersten Teil weiterlesen sollte (zumal das, was an Handlung vorhanden ist, sich wohl erst in Teil 2 und Teil 3 entfaltet), aber diese Idee nach der Lektüre des Nachworts aufgegeben. Eine kleine Blütenlese aus dem Nachwort:


    … die Einsicht des Verfasser, daß so kein dauerhafter Staat zu machen ist – schon deshalb nicht, weil seine Berufsrevolutionäre aus Frauenverachtung ihre Fortpflanzung versäumen.

    Die Helden-Verehrung in 'Dya-Na-Sore' ist Männer-Verehrung, die immer verbunden wird mit Schmähung der Frauen. Wie Ausbruch von Rassenhaß könnte einen dieser revolutionär maskierte, durch Homoerotisches verstärkte Männlichkeitswahn erschrecken, wenn er in seiner Unkontrolliertheit nicht so schrecklich komisch wäre

    [zur 2. Auflage] … Besser hat er mit dieser Umarbeitung den Roman nicht gemacht, nur länger. Aus drei wurden fünf Bände, aus 1500 Seiten 2400. … nur eben um 900 langweilige Seiten vermehrt …

    Da die alte … Mischform von Autor-Erzählung, pseudo-dramatischem Dialog und eingestreuten Ich-Berichten anderer Personen beibehalten wird, vergrößern sich mit dem erzählenden Ich nur die Lese-Schwierigkeiten. Denn der Ich-Erzähler läßt doch sieben andere Ich-Erzähler auftreten, die wiederum ich-sagende Personen agieren lassen. Die schon in der ersten Fassung oft nicht klaren Perspektiven werden so noch mehr verwirrt.

    Daß Meyern seine Personen nun besser ordnet, wichtige eher auftreten läßt, hilft wenig, da ihre Charakterisierung genau so primitiv oder nicht vorhanden ist wie vorher.

    Die sprachliche Heroen-Geste wird nicht gemildert, die Unerträglichkeit der Dialoge noch verlängert.


    Vielleicht noch kurz etwas zu den "oft nicht klaren Perspektiven", die de Bruyn anspricht: Das ist auch so ein Punkt, der die Lektüre nicht gerade erleichtert, ich hab ca. 40 Seiten gebraucht, um da reinzufinden. Aus Meyern scheint der Roman gewissermaßen "hervorgebrochen" zu sein, das schwallt und quillt über die Seiten und nur gelegentlich streut der Autor ein, wer da eigentlich gerade zu wem redet oder was da überhaupt los ist. Dass etwa vier Brüder gemeinsam aufbrechen muss man sich erschließen (warum sie das überhaupt tun, wird im ersten Band nicht erklärt), und die Titelfigur Dya taucht völlig unvermittelt als redende Person auf. Das Zitat hab ich gerade gesucht und bin dann prompt wieder über eine Stilblüte gestolpert:


    Der Becher ging feierlich herum. Sie hielten sich bei den Händen und ieder warf eine Rose hinein, indem er trank, aus denen der Kranz geflochten ward, der zum Andenken der Trennung am Altar hängen sollte.


    Ah ja.


    Da der Einfluss von Meyern auf Jean Paul lt. de Bruyn bei weitem nicht so groß oder gar entscheiden ist, wie manchmal behauptet wird, gibt es, außer literaturhistorischem Interesse, wirklich keinen Grund, das Zeug zu lesen. Man sollte ihn wohl mal zur Kenntnis nehmen, den Roman. Aber das reicht wirklich.