Was lest ihr gerade?

  • Den Stechlin will ich mir nächstes Jahr gönnen. Ich muss mir ne Liste schreiben ... =O

    So eine Liste hatte ich jedes Jahr. Und kaum ein Buch wurde gelesen.

    Mittlerweile hab ich nur mehr eine Liste von Büchern die ich irgendwann mal lesen will. Und da sind schon einige jetzt weg. Auf die Art funktioniert es eigenartigerweise besser als wenn eine Jahreszahl drauf steht.

  • Kleine Kostprobe aus "meine Ķinderjahre" (zugegeben, eine BESONDERS schöne Stelle):

    Vater und Sohn spielen eine Szene aus den napoleonischen Kriegen nach:

    "Kennst Du Latour d'Auvergne?"...

    "Gewiss, er war le premier grenadier de France".

    "Gut, Und weißt Du auch, wie man ihn ehrte, als er schon tot war?"

    "Gewiss".

    "Dann sage mir, wie es war."

    "Ja, dann musst Du aber erst aufstehen, Papa, und Flügelmann sein; sonst geht es nicht."

    Und nun stand er auch wirklich von seinem Sofaplatz auf und stellte sich als Flügelmann der alten Garde militärisch vor mich hin, während ich selbst, Knirps, der ich war, die Rolle des appellabnehmenden Offiziers spielte. Und nun, aufrufend begann ich:

    " Latour d'Auvergne!"

    "Il n'est pas ici.", antwortete mein Vater in tiefstem Bass.

    "Ou est-il donc?"

    "Il est mort sur le champ d'honneur".

    Es kam vor, dass meine Mutter diesen eigenartigen Unterrichtsstunden beiwohnte - nur das mit Latour d'Auvergne wagten wir nicht in ihrer Gegenwart - und bei der Gelegenheit durch ihr Mienenspiel zu verstehen gab, dass sie diese ganze Form des Unterrichts, die mein Vater mit einem unnachahmlichen Gesichtsausdruck seine "Sokratische Methode" nannte, höchst zweifelhaft finde.

    if all you have is a hammer, all you see looks like a nail.

  • Den Stechlin will ich mir nächstes Jahr gönnen. Ich muss mir ne Liste schreiben ... =O

    Stechlin habe ich am Anfang des Jahres gelesen. Den hätte man in der Schule lesen sollen. Und nicht die doofe Effi. Da hätte ich ein viel positiveres Fontane-Bild entwickelt. Es gibt übrigens auch eine tolle Verfilmung des Stechlin. Sehr werkgetreu.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Bei mir hat es dieses Jahr gut geklappt mit der Liste.
    Ich habe es schon mal hier erwähnt: Da ich seit sechs Jahren eine Leseliste (Liste gelesener Bücher) führe, erkenne ich ein Muster. Das sieht so aus, dass ich aus dem Regal der Bücher, die ich lesen möchte, immer erst mal ein leichtes nehme und die Klötze nach hinten schiebe. Irgendwann mal, ja, ja ...

    Mit dem Jahresstapel, der eisern abgedient wird, habe ich mir das weitgehend abgewöhnen können.

  • "Alles ist aus Holz. Aus den dasigen Bäumen. Hier im Waldtal sind die Bohlen geschnitten worden ...."
    (Zitat aus der Strudlhofstiege).

    Aus dem Zusammenhang meine ich herauszulesen, dass die "dasigen Bäume" die an Ort und Stelle vorzufindenden Bäume sind, also die Bäume, die "da sind".

    Ist dieses Wort allgemein gebräuchlich? Für mich klingt das so wie der abbe Fuß, die wegge Katze und das lang genuge Stück Schnur.


    Ich habe den ersten Teil übrigens tatsächlich nochmals gelesen (nur wenige Absätze überflogen) und vorhin den zweiten Teil begonnen. Gleich die ersten paar Seiten über den Waldspaziergang René Stangelers, der sich im Übergang zum Erwachsenenalter befindet, seine Empfindungen beim Anblick eines Krebses, einer Natter, eines Bachbetts sind so hinreißend schön, dass ich wieder mindestens zwei Seiten gleich nochmal gelesen habe. Für dieses Buch werde ich lange brauchen.

  • Zefira bei dasig musste ich gerade lachen. Das ist hier in Österreich eigentlich ein Begriff wenn man verwirrt oder benommen ist. So ein Zustand gleich nach dem Aufstehen. Da ist man noch dasig.


    Im Internet hab ich aber auch gefunden dass es "hier befindlich" oder "da sein" bedeuten kann. Diese Bedeutung des Wortes kannte ich gar nicht.

  • Ah danke, jetzt verstehe ich. Das Wort hiesig hat ja nun, um es mit den Schwaben zu sagen, ein Gschmäckle, man traut sich kaum noch, es unbefangen zu verwenden. Weiß nicht, ob es zu Doderers Zeiten schon so war.
    Wer zb nicht aus Schwabenländle stammt, ist noch in dritter Generation ein Neigschmeckter.

    Oder wie heißt es bei Asterix: "Ich habe ja nichts gegen Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier!"

    Das Wort dasig ist demgegenüber frisch und unverbraucht, ohne jeden unerwünschten Beiklang.

  • Treibt die Hiesige eigentlich auch in Österreich ihr (Un?)wesen? Schön zu erfahren, dass der dösige Deutsche einen dasigen Bruder dort hat.

    Zefira, hat(te) hiesig auch in Hessen ein Geschmäckle? In meiner Kindheit im Westerwald hat man das nach meiner Erinnerung nicht geschmeckt. Wenn ich aber nachdenke: Ob ich es in 10 Jahren im Oberbergischen, in 10 Jahren in Berlin und in über 50 Jahren in der Pfalz nochmal gehört habe, kann ich nicht sicher sagen.

    if all you have is a hammer, all you see looks like a nail.

  • Volker : Ich kann mich erinnern, in meiner Jugend noch Sätze wie "naja, die sind nicht von hier" in leicht aabfälligem Ton gesprochen gehört zu haben, aber diese Zeiten sind vorbei. Es kommt natürlich darauf an, wo man genau wohnt.

    Ich lebe inzwischen nicht mehr am Ort meiner Kindheit (der nahe an Gießen lag), sondern um einiges ländlicher zwischen Rhön und Vogelsberg, und hier gibt es in den höheren Lagen Ortschaften, die nur aus wenigen Bauernhöfen bestehen und wo man eine Baugenehmigung für ein neues Wohnhaus nur bekommt, wenn man nachweisen kann, einen persönlichen Bezug zum Ort zu haben. Wer in einem dieser Orte neu dazukommt, hat möglicherweise immer noch einen schweren Stand.

  • Ich habe bisher in "hiesig" noch nie ein Gschmäckle bemerkt. Das bezieht sich doch ganz einfach und neutral auf die Dinge und Personen vor Ort. Wenn ich hier im Ruhrgebiet von den Hiesigen spreche, dann meine ich ganz automatisch unsere ganze bunte Vielfalt mit. Und hiesig sind auch Bäcker in meinem Vorort im Unterschied zu denen zum Beispiel in der City. Es kommt immer auf den Kontext an, der Wörter verdächtig macht.

    Ich hatte mal eine Auseinandersetzung mit einer Museumsdirektorin, die bekrittelte, dass man das Wort "Mädels" benutzt, weil es wohl im Nationalsozialismus (fast) immer statt Mädchen benutzt wurde. Aber deswegen kann man doch ein an sich neutrales Wort nicht aus unserem Wortschatz verbannen, nur weil andere es missbraucht haben, jedenfalls nicht für immer. Ich finde Mädels besser als Mädchen, weil es die Verniedlichungsform etwas abmildert und umgangssprachlich gut zu Jungs passt. Das jetzt aber off topic.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich benutze das Wort hiesig überhaupt nicht, egal in welchem Sinn. Ich habe keine Einwände dagegen, aber es gehört einfach nicht zu meinem aktiven Wortschatz.
    Was Du zu "Mädel" schreibst, finsbury , ist allerdings interessant. Auch das ist ein Wort, das ich normal nie benutze (nicht dass ich es für politisch unkorrekt oder was auch immer halte - bei uns ist es einfach nicht üblich). Meine ältere Tochter sagt dagegen immer "Mädel". Ich werde sie mal fragen warum. Schließlich hat sie das Sprechen hauptsächlich von mir gelernt :)


    Ich habe aus irgendeinem Grund mal in einer Unterhaltung "Bub" gesagt - auch das ist bei uns eher unüblich - und erntete erstauntes Gelächter bei meinen Gesprächspartnern.

  • Ich sag immer Mädels. Wobei ich mich mit einbeziehe. Ich geh mit meinen Mädels zum Beispiel morgen was essen.

    Obwohl ich mit 41 sicher kein Mädel mehr bin. Ich lasse es mir aber nicht gefallen von fremden Menschen als Mädel bezeichnet zu werden.

    Ausnahme: es geht um jemand der über 80 ist. Da würde ich es nicht als schlimm empfinden.

  • Dann könnte ICH ja beruhigt sein, aber, sei unbesorgt, ich werde Dich nicht Mädel nennen, dafür hab ich viel zu viel Respekt vor Dir. Jetzt nochmal nachgehakt: Ist das Wort hiesig in Österreich noch in "normalem" Gebrauch?

    if all you have is a hammer, all you see looks like a nail.

  • Die Strudlhofstiege ist ein sehr großer Roman, habe ich mehrfach gelesen (Doderer war eines meiner Prüfungsthemen). Unglaublich reich und opulent. Mit einem wunderschönen Widmungsgedicht. Und ja, damit kann man sehr viel Zeit verbringen, aber man wird belohnt. Die Dämonen sind auch großartig. Doderer war auch ein Meister der kleinen Form, die Wutanfälle sind sehr komisch und abgründig, und bei „Bischof, toll geworden“ muss ich jedes Mal lachen. Ich hab noch ein paar Aufnahmen, Doderer liest Doderer. Fügt dem ganzen noch eine reizvolle Ebene hinzu.