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  • Die "vortrefflichen Frauen" sind schon ein besonders gute Werk von Pym. Hier ist die Ironie schon nicht mehr nur freundlich, sondern die ausbeuterische Haltung der mittelständischen Intellektuellen-Ehe wird hier sehr schön herausgearbeitet. Gut und richtig, dass offenbleibt, ob die Heldin auf ein Angebot eingeht. Wohl eher nicht ... .

    Das hat mir übrigens auch in 'Crampton Hodnet' gut gefallen: die Hauptfigur Miss Morrow ist eine Gesellschafterin einer älteren, herrschsüchtigen Lady, die eigentlich die Hoffnung auf eine Ehe schon aufgegeben hat, als ein noch recht junger und gut aussehender Pfarrer ins Haus als Untermieter einzieht. Zwischen Miss Morrow und dem Pfarrer entsteht eine freundschaftliche Beziehung, der Pfarrer versteigt sich irgendwann zu einem Heiratsantrag, und dann kommt's: Statt glücklich auf diesen Antrag einzugehen und in Dankbarkeit zu zerfließen, weist Miss Morrow den Antrag zurück. Darin zeigt sie sich klug, souverän und überhaupt nicht bedürftig, sondern selbstbewusst.

  • Am 13. Oktober erscheint ein weiterer Roman von Barbara Pym in deutscher Übersetzung: In feiner Gesellschaft

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    Im Original "No Fond Return of Love" von 1961

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Mittlerweile habe ich mit dem Glas voll Segen begonnen. Während mir immer noch nicht ganz klar ist, was mich bei den vortrefflichen Frauen ohne Unterbrechung bei der Stange gehalten hat, "spricht mich dieses Buch richtig an". Eine Schwiegermutter mal so ganz anders als das Klichee und der gemeinsame Besuch mit ihr im Schmuddelrestaurant, herrlich; auch die zwei Ministerialbeamten...Bin gespannt, wie es weiterdeht und bedanke mich herzlich bei finsbury für den Tipp zu dieser Lekrüre.

    if all you have is a hammer, all you see looks like a nail.

  • Hab oben den Link zu der neuen Pym-Veröffentlichung korrigiert. Erscheint übermorgen!

    "Ein Glas voll Segen" fand ich aus den gleichen Gründen auch besonders schön, Volker. Willet ist nicht so ein Engel, und in die Schwiegermutter habe ich mich sofort ein bisschen verguckt.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Allein schon die Idee, mal solch eine Schwiegermutter zu "präsentieren" ist schon was wert. Wenn ich mich recht erinnere, war die Schwiegermutter von Thomas Mann auch so ein ausgefallenes Exemplar, anders als die Sybil, aber auch anders als man Schwiegermütter sonst beschrieben findet.

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  • hab grad nochmal im allwissenden Netz nachgeguckt. Schwiegermutter von Th. Mann stimmt auch. Wen ich aber eigentich meinte, war die Mutter der Schwiegermutter: Hedwig Dohm.

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  • Die kenn ich gar nicht.

    Aber passend zu dem Frauenthema habe ich mich jetzt an eine riesige Herausforderung gemacht: "Das andere Geschlecht" von Simone de Beauvoir. Das ist meine erste richtige - nicht belletristische - Lektüre zum Feminismus - shame on me :schulterzuck:. Schon die Einleitung ist sehr tiefgründig und lässt das Beste für die kommenden weit über 1000 Seiten erwarten. Wird wohl lange dauern .. .

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Die kenn ich gar nicht.

    Aber passend zu dem Frauenthema habe ich mich jetzt an eine riesige Herausforderung gemacht: "Das andere Geschlecht" von Simone de Beauvoir. Das ist meine erste richtige - nicht belletristische - Lektüre zum Feminismus - shame on me :schulterzuck:. Schon die Einleitung ist sehr tiefgründig und lässt das Beste für die kommenden weit über 1000 Seiten erwarten. Wird wohl lange dauern .. .

    tut miir leid, ich wollte nur die Zeile, "die kenne ich gar nicht" zitieren. In Wikipedia wirst Du aufgeklärt, passend zu Deiner jetzigen Lektüre. In irgendeinem Text von Th. Mann - wäre dankbar, wenn mir jemand von Euch sagen könnte, wo - schreibt er, wie diese Großmutter seiner Frau, die er wohl sehr mochte, sehr besorgt ist, weil eine Glühbirñe herausgeschaubt und "vergessen" wurde, die Fassung zuzustöpseln "jetzt läuft ja der ganze Strom aus..."

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  • Hab den Text von Thomäs Mann gefunden, in dem er der Großmutter seiner Frau ein würdiges Denkmal setzt. (leider unter den Würdigungen in Wikipedia nicht aufgeführt.

    Überschrift:

    "Lttle GrLitlandma"

    "Ĺittle Grandma war nicht meine little Grandma, aber sie wurde es gewissermaßen, da ich ihre Enkelin heiratete............Es war eine der denkwürdigstn Bekanntschaften meines Lebens, vielleicht die denkwürdigste. Der Zauber von Little Grandmas Erscheinung und Persönlichkeit war unbescheiblich......Ihre Enkelin und ich erwarteten damals unser erstes Kind und ich hatte dem Wunsche Ausdruck gegeben, es möchte ein Knabe sein......es sei mit einem Mädchen doch keine rechte ernsthafte Angelegenheit. Diese schreiend unreife Äußerung war Little Grandma leider hinterbracht worden........." Er musste sich"rechttfertigen". "Es war keine Kleinigkeit. Ich habe nie einen schwereren Stand gehabt. Von Rechtfertigung konnte natürlich keine Rede sein, sondern nur von reuiger Zurücknahme und Deprekation."

    Diese Schwieger-Großmutter ist bekanntlich eine große Vorkämpferin der Gleichberechtigung gewesen.

    Sie versprach sich sehr viel vom technischen Fortschritt; von der Befreiung von der Sklavenarbeit bis zum Weltfrieden. Das führt Thomas Mann sehr schön aus. Sie verstand aber nichts von der Technik, auch das bescheibt Th. Mann und jetzt folgt die herrliche Stelle, an die ich mich erinnerte: "und schraubte jemand eine Glühbirne ab, so konnte sie zur Erheiterung der Jugend warnen: Was tust du? Du lässt ja die gute Elektrizität ausströmen!"

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  • Für den Spruch, das zu erwartende Kind betreffend, gehörte Herr Mann wirklich mit einem nassen Handtuch erschlagen.
    (Ich habe Verständnis für Menschen, die sich zur damaligen Zeit einen männlichen Nachkommen zur Übernahme des Betriebs oder Hofs wünschen; das war wohl damals nachvollziehbar. Aber nicht ein derart doofes Argument.)

  • Für den Spruch, das zu erwartende Kind betreffend, gehörte Herr Mann wirklich mit einem nassen Handtuch erschlagen.
    (Ich habe Verständnis für Menschen, die sich zur damaligen Zeit einen männlichen Nachkommen zur Übernahme des Betriebs oder Hofs wünschen; das war wohl damals nachvollziehbar. Aber nicht ein derart doofes Argument.)

    Und wenn man sich überlegt, dass Mann hier für sich und seine Frau spricht, die auch ... , falls nicht Thomas Mann seine Ansicht auf seine Frau projiziert hat. Aber über die Frau Schwiegeroma muss ich tatsächlich mal nachforschen. Danke für den Tipp, Volker.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Es gibt bei Jeremias Gotthelf eine Szene, als ein junger Bauer das erste Mal Vater wird und seinem Nachbarn oder Verwandten davon erzählt. Es sei aber "nur ein Mädchen".

    Ich hatte einen Halbsatz noch wörtlich im Kopf, deshalb ist es mir gelungen, die Stelle zu googeln:


    »Warte nur, du wirst noch Buben genug kriegen, darum hat dir Gott das Kindermädchen vorausgesandt,« sagte die Base. »Mit den Buben ist es halt nichts, als daß sie in allem sind und man ganze Tage ihnen abwehren muß. Mädchen hangen der Mutter an der Schürze, und wie sie auf den Füßchen stehen können, hat man Hülfe von ihnen; sie heben was auf, sie tragen was nach, sie sehen zur Milch auf dem Feuer, daß sie nicht überläuft, zum Kraut im Hafen, daß es nicht anbrennt.«


    Soviel zum Thema "keine ernsthafte Angelegenheit" ...

    Die Szene steht in "Uli der Pächter", ein Buch, das zur Volksbelehrung geschrieben wurde.

  • Bei meinen Eltern lag der ganze Gotthelf. Ich habe die Uli-Bücher mal gelesen, weil mich interessiert hat, womit die Landleute in der damaligen Zeit so umgingen.

    Einige Redensarten sind mir nachhaltig im Gedächtnis. Als ich in einem anderen Forum in eine Diskussion über regionalen Sprachgebrauch verwickelt wurde, zitierte ich aus "Uli der Knecht": "Er sei mit keiner Schleipfe desumetrolet". In diesem Fall ergab sich aus dem Zusammenhang, was das bedeutet, aber eine Schweizer Teilnehmerin bemerkte, dass Gotthelf heute nicht mal mehr von Schweizern verstanden würde.

    (Ich finde es aber trotzdem schön, wenn man noch weiß, was ein Wort wie "Sichelten" bedeutet. Kam neulich mal in einem Fernsehquiz und ich war die einzige, der das Wort was sagte.)


    Edit wegen Tippchaos.

  • edit wg. Tippfehlern müsste ich auch machen. Habs aber nicht hingekriegt: SIBYL UND DIE ÜBERSCHRIFT LITTLE GRANDMA UND ANDERE.

    Kleine Ergänzung zur Little Grandma:

    Zefira, ER war ja immerhin lernfähig, hat sich sehr beknirscht, aber ganz konnte er die Scharte nicht auswetzen. Alle vier Schwiegersöhne hatten einen schweren Stand, wie aus dem Text hervorgeht, schon weil sie die Töchter daran hinderten, zu dem zu werden, was sie ohne sie hätten werden können.

    Im Netz lese ich, dass "Manfred Flügge in seinem Buch, das Jahrhundert der Manns, meint:

    Thomas Mann schrieb Jahre später (ca. 20J. Einfügung von mir) ein etwas herablassendes Portrait über die Ur-Feministin, nannte sie Little Grandma und nahm sie als Autorin nicht sonderlich ernst." Letzteres ist zutreffend, aber, dass das Portrait herablassend wäre, ist ganz und gar nicht der Fall. Mich wundert sehr, wie ein namhafter Schriftsteller so am Kern der Sache vorbeilesen konnte: Der gesamte Text zeugt von Hochachtung vor der Persönlichkeit und Zuneigung, ja Liebe. Dass dabei ironisch über kleine Eigenheiten und Schwächen geschmunzelt wird, hat mit Herablassung nichts, aber auch gar nichts zu tun.

    Es lohnt sich sehr, den Text (Little Grandma) zu lesen, auch wg. des gesamten kulturellen und gesellschaftlichen Umfelds

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  • Ich hab @finsburys Rat befolgt und zu einem Fontane gegriffen. Zum Stechlin.

    Liest sich sehr gut und angenehm. Fontane schafft es immer wieder mich zu begeistern. Jetzt fehlt mir nur mehr vor dem Sturm. Dann habe ich alles von Fontane gelesen was ich mir einmal vorgenommen habe.

    Natürlich nicht sein gesamtes Werk, sondern einzelne Romane die ich lesen wollte.

  • Jaqui, ja, Fontane wunderbar. Stechlin ganz herrlich. Wenn Du noch was Schönes außerhalb seiner berühmten Romane lesen willst, dann versuchs mal mit meine Kinderjahre und von 30 bis 40 (Titel aus der Erinnerung). Was Besseres kann man sich nicht antun.

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