Was lest ihr gerade?

  • Moin, Moin!


    Da der Grimmelshausen-Thread geschlossen ist, schreibe ich hier hinein. Was mich erstaunt, ist die Tatsache, daß sich im Simplicissimus immer wieder Menschen kaum oder erst nach einer Weile wiedererkennen. Haben die sich damals durch die kürzere Lebenserwartung und die Kriegsschäden oder was so rasant verändert? Oder ist das einfach nur 'ne literarische Finte?

  • Da der Grimmelshausen-Thread geschlossen ist, [...]

    Meinst Du die alte Leserunde? Leserunden schliessen wir immer, damit der "Event-Charakter" (um es mal schön neudeutsch zu sagen ...) erhalten bleibt. Es ist Dir aber unbenommen, einen neuen Thread zu Grimmelshausen zu starten :zwinker: .

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Beim Lesen merke ich, wie ich alte und ungewohnte Begriffe oft automatisch gegen moderne Äquivalente austausche und dann den Satz innerlich wiederhole bzw. nicht selten laut lese.


    Hach !! Was ist den "kotzen" gegen "einen Fuchs schießen".
    Das Kapitel bspw., diese Fressorgie, ist so gut, dass ich es zweimal gelesen hab. Magenumdrehend gut.


    Was das "Wiedererkennen" betrifft -
    ich denk mal, das ist als ein literarischer Kunstgriff zu betrachten. Schnelleres Altern aufgrund von Kriegsschäden mal unbenommen. :wink:

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo Allerseits!


    Eine Leserunde zu Grimmelshausen, "Simplicissimus" wäre sehr interessant!
    Ich habe in meinem Regal eine dtv Dünndruckausgabe aus dem Jahre 1978 stehen. Es handelt sich um eine vollständige Ausgabe basierend auf dem 1. Druck von 1669. Bislang habe ich mich nicht daran getraut.


    Also, Dostoevskij, ich wäre dabei; muß allerdings zuerst noch Manes Sperber beenden.


    Gruß


    josmar

  • Ich lese gerade von Cormac McCarthy: Die Straße.


    Es ist bisher das beste und zugleich das erschreckendste was ich jemals gelesen habe. McCarthy schafft es mit ganz einfach Worten eine unglaubliche Angst bei mir zu erzeugen.


    Katrin

  • Lektüre aktuell: Wiederlektüre von Wilhelm Raabe, Stopfkuchen.


    M.M.n. einer der genialsten Romane der Weltliteratur ...


    Nachdem ich längere Zeit um Sokrates herum gelesen habe, aktuell: Karl May - Ardistan und Dschinnistan I (die historisch-kritische Ausgabe des Karl-May-Verlags, immer in der Hoffung, Band II werde auch irgendwann erscheinen ... :sauer: )

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Neben dem Simplicissimus lohnt sich sicher auch die Lektüre der "zugehörigen" Schriften. Grimmelshausen hat ja für einige Personen aus dem Simplicissimus eigene Erzählungen aus deren Perspektive geschrieben. Die Landstörzerin Courage bietet die weibliche Perspektive und ist eine erstaunlich emanzipierte Beschreibung für die damalige Zeit. Springinsfeld steht mit als nächstes bei mir auf der Liste.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Moin, Moin!


    Das Kapitel bspw., diese Fressorgie, ist so gut, dass ich es zweimal gelesen hab. Magenumdrehend gut.


    Höchst amüsant, wie Grimmelshausens Simplicissimus in der Mummelsee-Episode dem König der Sylphiden die Hucke volllügt, was den Zustand des menschlichen Gemeinwesens betrifft: " Keiner erzürnt sich über den andern, weil sie wissen, daß Christus für alle gelitten und gestorben: Man höret von keiner Unkeuschheit oder unordentlichen fleischlichen Begierden, sondern was so vorgehet, das geschieht aus Begierd und Liebe zur Kinderzucht: Da findet man keine Trunkenbold oder Vollsäufer, sondern wenn einer den andern mit einem Trunk ehret, so lassen sich beide nur mit einem christlichen Räuschlein begnügen." (S. 455)


    Das erinnerte mich kurioserweise an die Stelle in Loriots "Pappa ante portas", wo während der Zugfahrt zur Geburtstagsfeier das pentrante Ehepaar sich zusäuselt. "Du bist so guuut zu mir" "Über das Missgeschick anderer Menschen spottet man nicht. Wir sind humorvolle Menschen. Wenn es einen Anlass zu scherzen gibt, dann schmunzle ich auch gern einmal."


  • Das erinnerte mich kurioserweise an die Stelle in Loriots "Pappa ante portas",


    Ja, diesen Quantengedankensprung finde ich auch kurios. :wink:
    Ich bin noch nicht so weit wie du. Las heut im Zweiten Buch ein wenig weiter als das XX. Kapitel, das wirklich großartige übers Würfelspiel.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Nüchterne, allerdings sehr bewegende Analyse der Ideologien Faschismus/Stalinismus. Die Sprache überzeugt mich, ist trotz des moralischen Anspruchs des Buches sehr gut lesbar.
    Manes Sperber ist für mich eine absolute Entdeckung!


    Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Sperbers Essays ("Die Achillesferse" - Baron v. Stetten spricht im Roman von seinem gleich benannten Werk), die sein prekäres Verhältnis zum Kommunismus beleuchten. Eine Art theoretischer Unterfütterung der stetten-faberschen Erkenntnisse im Roman.


    Grüße


    s.


    Sprachlich hat sich m. E. Sperber manche Nachlässigkeit zuschulden kommen lassen, achte mal darauf, wie oft jemand "dessen gewahr" wird. Für ein über 1000 Seiten umfassendes Werk aber sicher entschuldbar, allerdings kein Stilmittel ;-).

  • Hallo scheichsbeutel,


    vielen Dank für den Tip! Ich werde darauf achten! Es ist mir bislang so noch nicht aufgefallen!


    Was mich stört hat bzw. was mir aufgefallen ist, ist der Wechsel der Schauplätze. Ich muß zugeben, daß ich an einigen Stellen des Buches nicht mehr wußte, wo in Europa sich die Charaktere befanden. Nun lese ich zu 60 % bis 70 % in Zügen, sodaß manchmal wohl doch die Konzentration nachläßt!


    Nach dem Essay werde ich schauen! Soweit ich es weiß, hat sich Sperber nie vom Kommunismus gelöst.
    Nichtsdestotrotz halte ich das Buch aus historischer Sicht und auch in der Zeichnung der handelnden Personen für sehr lesenswert.
    Dies besonders, wenn ich bedenke, daß in NRW nun in Zukunft in der Oberstufe als Lektüre Bernhard Schlink "Der Vorleser" vorgeschrieben ist; aber dies ist wohl ein anderes Thema....


    Gruß
    josmar

  • Hallo Josmar,

    Soweit ich es weiß, hat sich Sperber nie vom Kommunismus gelöst.


    Im Buch Manès Sperber als Europäer - Eine Ethik des Widerstands schreibt Hans-Rudolf Schießer:


    Sperber wurde kein Konvertit, er blieb ein Linker. Ein treuer Ketzer, der von Marx viel bewahrte, vom Leninismus nichts, vom Stalinismus einzig, dass er die Negation des Sozialismus ist.


    liebe Grüße
    donna

  • Letztes Wochenende, während zwei längerer Zugfahrten:
    Juan Carlos Onetti, Das kurze Leben.
    Wenn ich es richtig mitgekriegt hab, ist Onetti einer der Begründer der modernen lateinamerikanischen Literatur.
    Von der ich, abgesehen von zwei Romanen von Marquez, fast nichts kenne.
    Infolgedessen ging ich da recht unbefangen ran -
    und es hat mir gut gefallen.
    Alternder mit seinem Leben unzufriedener Bürger beginnt, Phantasiewelten zu erfinden, und die schlagen wieder auf sein ganz reales Leben zurück, und beides, Realität und Phantasie, vermischt sich zusehends.
    Sowas muss mir ja liegen. :wink:
    Keine leichte Lektüre, aber es lohnt sich.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich hänge jetzt in der "Continuatio" des "Simplicissimus", die ziemlich symbolbefrachtet, mythologisch, und was auch immer sonst noch so ist.
    Und sprachlich trockener, finde ich.
    Trotzdem mach ich das natürlich durch.


    Nebenbei ein wenig "Reiselektüre".
    Ich kenne wenig von den klassischen Reiseberichten.
    Schulz, Joachim Christoph Friedrich: Reise nach Warschau ist in schön sparsam klassischen Deutsch geschrieben und wirklich interessant. Die Kürzungen sind im Anhang nachgewiesen, was den Philologen zufriedenstellt.
    :wink:
    Erschien erstmals in der Polnischen Bibliothek.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Lese gerade den "Goldenen Spiegel" von Christoph Martin Wieland. Ist dem Genre des Staatsromans zuzuordnen. Wieland schrieb ihn ursprünglich für Joseph II., bekam aber dank des Romans eine Anstellung als Erzieher bei der Herzogin Anna Amalia in Weimar und begründete damit letzen Endes auch das "Klassische Weimar". Ein wirkungstechnisch interessanter Roman also. Sehr dialogreich und verschachtelt konzipiert, also Geschichte in einer Geschichte etc., ähnlich "1001 Nacht". Empfehlenswert, wenn man mit den späten aufklärerischen Romanen Wieland etwas anfangen kann ;-)


    Imrahil

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen


  • Lese gerade den "Goldenen Spiegel" von Christoph Martin Wieland. Ist dem Genre des Staatsromans zuzuordnen. Wieland schrieb ihn ursprünglich für Joseph II., bekam aber dank des Romans eine Anstellung als Erzieher bei der Herzogin Anna Amalia in Weimar und begründete damit letzen Endes auch das "Klassische Weimar". Ein wirkungstechnisch interessanter Roman also. Sehr dialogreich und verschachtelt konzipiert, also Geschichte in einer Geschichte etc., ähnlich "1001 Nacht". Empfehlenswert, wenn man mit den späten aufklärerischen Romanen Wieland etwas anfangen kann ;-)


    Imrahil


    Danke für den Tipp! Der interessiert mich schon.


    Ich lese noch immer Wilhelm Meisters Wanderjahre von Goethe, bin aber schon in den letzten fünfzig Seiten angelangt. Das Lesen ging sehr müßig, die Lektüre war aber wirklich wunderbar, wenn auch manchmal fad, und wenn mir auch der Stil nicht so gefällt, vor allem, da Goethe darin übermäßig viel Partizipia und Superlative verwendet.
    Aber die Gedanken zum Christentum, und andere derartige Sachen, das Wandern, die Naturbeschreibungen, die politischen Idealen, waren alle erstklassig.
    Lieben Gruß.

  • Ich lese immer mehrere Bücher parallel. Zur Zeit sind das:
    Die Göttliche Komödie von Dante,
    Psychopath von Keith Ablow,
    Die Gottesmacher von Michael Baigent und
    Big Bang von Simon Singh.