Was lest ihr gerade?

  • Außer, meines Wissens, zigtausend Seiten Angria und Gondal

    Davon gab's mal eine kleine Auswahl (hg. v. Elsemarie Maletzke, Frankfurt/Main 1987, knapp 400 Seiten). Ich hab da mal so 200 Seiten gelesen, hat mich nicht unbedingt vom Hocker gehauen (Arno Schmidt hin oder her ;-))


    Ich lese derzeit, mit eher gemischten Gefühlen, die jüngst erschienen Briefe von Hans Wollschläger. Die sind praktisch unkommentiert und es sind nur die Briefe von HW, keine Antworten oder Reaktionen der Briefpartner. Was insofern bedauerlich ist, da man zum einen relativ viel Vorwissen benötigt, um die Briefe überhaupt in ihrem Kontext zu verstehen und zum anderen, weil HW mitunter ziemlich austeilt und schimpft – da hätte man gern auch die andere Seite gehört/gelesen …. Für Leute, die sagenwirmal "mit der Materie vertraut" (Wollschläger, Karl May/KMG/KMV, Arno Schmidt/Stiftung und die verschiedenen Fraktionen & Grabenkämpfe der Fans) sind, ist das eine durchaus reizvolle Lektüre. Für alle anderen eher nicht.

  • Für Leute, die sagenwirmal "mit der Materie vertraut" (Wollschläger, Karl May/KMG/KMV, Arno Schmidt/Stiftung und die verschiedenen Fraktionen & Grabenkämpfe der Fans) sind, ist das eine durchaus reizvolle Lektüre. Für alle anderen eher nicht.

    Hatte ich befürchtet. Je nun, ein Buch weniger, das ich lesen "müsste". :)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hatte ich befürchtet. Je nun, ein Buch weniger, das ich lesen "müsste".

    Es gibt schon hier & da Briefe, die allgemeiner gehalten sind und sich zu kleinen Essays mit vielerlei Andeutungen auswachsen - aber das sind Ausnahmen und besonders da hätte man gern mehr Kontext. Es gibt da z.B. einen Brief zu Fragen der Textedition. Da bezieht sich HW auf einen Brief, den man leider nicht lesen kann. Und auf eine Ausgabe, über die man nichts erfährt. Das wäre mit mehr Kontext sicherlich interessant, aber so hat man nur Fäden in der Hand, deren Ursprung man nicht kennt und bei denen man nicht weiß, wo sie hinführen, man platzt da gewissermaßen in eine Diskussion, der man gern folgen würde, der man aber nicht folgen kann. Und auch wenn sich die Ausgabe vor allem auf Briefe konzentriert, in denen es um sagenwirmal "das Werk" geht - es gibt ein paar private Briefe, deren Lektüre zumindest für mich eher peinlich war (das dort Verhandelte geht außer den Betroffenen nun wirklich niemanden etwas an), und die ich nicht veröffentlich hätte (jedenfalls nicht mit so kurzem zeitlichem Abstand).

  • Ich lese gerade "Die geheimste Erinnerung des Menschen" von Mohamed Mbougar Sarr, einem jungen Autoren aus dem Senegal, der in Französisch schreibt. Es ist ein Buch über ein Buch, über den Literaturbetrieb allgemein und über die Situation eines immigrantischen dunkelhäutigen Autoren in Frankreich, und es ist mit sehr viel Witz und Ironie geschrieben. Vieles darin kann man nicht so recht ernst nehmen, zum Beispiel wenn Sarr über ein "sehr erfolgreiches Buch" schreibt, das in vierzig Sprachen übersetzt wurde, zum Beispiel "in Silbo" (Silbo ist die vom Spanischen abgeleitete Pfeifsprache der Hirten auf den Kanaren - also keine Sprache, in die man ein Buch übersetzen könnte!). Eine gewisse Schwurbeligkeit ist dem Buch nicht abzusprechen, die Erzähl- und Zeitebenen laufen wie ein Gewirr von Fäden gleichwertig nebeneinander, aber noch lese ich es sehr gerne (bin noch im ersten Drittel).


    Gestern abend nun nahm ich mir "Das Ereignis" von Annie Ernaux vor, ein ganz kurzes Buch, weil ich das Bedürfnis nach einer Dosis schlicht und gerade erzählter Realität hatte. Das Buch ist bitterböse, es geht um eine (damals natürlich illegale) Abtreibung in den Sechzigerjahren. Annie Ernaux beschreibt alles, woran die Erzählerin (sie selbst?) sich erinnert, sehr genau, sie beschreibt auch den Prozess des Erinnerns selbst, was das Buch umso authentischer macht. Obwohl ich siebzehn Jahre jünger bin (und zum Glück nie in einer solchen Zwangslage war), habe ich vieles wiedererkannt.

  • Ein japanisches Buch lese ich momentan, "Geständnisse" vo Kanae Minato. Nur oberflächlich ein Krimi, eigentlich eine schneidende Analyse vom Leben in einer Leistungsgesellschaft.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Leibgeber, die Romane der Brontes habe ich in den Neunzigern alle gelesen. "Villette" fand ich von der Thematik un dem Setting her recht spannend.

    Ich finde ihn, nach knapp der Hälfte, wesentlich besser als die doch berühmtere "Jane Eyre".

    Manchmal scheint sogar Humor durchzublitzen ...

    Thematik, naja, sind beides Gouvernantenromane, oder ? ;)

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Davon gab's mal eine kleine Auswahl (hg. v. Elsemarie Maletzke, Frankfurt/Main 1987, knapp 400 Seiten). Ich hab da mal so 200 Seiten gelesen, hat mich nicht unbedingt vom Hocker gehauen (Arno Schmidt hin oder her ;-))

    Ich nehme an, dass davon auch niemand mehr wüsste, wäre es nicht von den Brontës.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich habe mit meinem diesjährigen Projekt, den Komödien des Aristophanes, begonnen.

    Mein erstes Werk sind "Die Wolken", die die Sophisten und auch Sokrates auf die Schippe nehmen.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich habe mir "Der Baron Bagge" von Alexander Lernet-Holenia vorgenommen, eine Novelle, die von Michael Maar in "Die Schlange im Wolfspelz - Das Geheimnis guter Literatur" als Meisterwerk gerühmt wird. Der Ich-Erzähler bleibt vorerst gesichtslos, der Baron Bagge erzählt ihm - in einer Binnenerzählung, die schon auf der zweiten Seite beginnt - ein Kriegserlebnis, einen Aufklärungsfeldzug in Ungarn, bei dem es zu einem Scharmützel mit feindlichen Russen kommt. Ich habe erst knapp die Hälfte gelesen, aber die Erzählung ist unsagbar gruselig, obwohl bisher noch gar nichts passiert ist: Die Sprache Bagges ist eigentümlich gewunden und verschachtelt, man hat das Gefühl, als schrecke er zurück vor dem, was er eigentlich erzählen möchte, und immer wieder kommen fotografisch genaue Menschen- und Wetterschilderungen, die sich zu einer Art Nebel des Grauens verdichten.

  • Momentan lese ich Thomas Manns "Buddenbrooks".

    Zuvor habe ich von Patrick Hamilton "Sklaven der Einsamkeit" gelesen, das ich mal nach der Lektüre von "Hangover Square" gekauft hatte. Es spielt zur Zeit des 2. Weltkriegs in einer Pension nahe London, in die sich die Menschen vor den Bombenangriffen auf London zurückgezogen haben. Das Leben dieser Gäste um die Hauptfigur Enid und das Miteinander, geprägt durch Bosheiten und Intrigen, stehen im Mittelpunkt dieses kleinen Romans. Gefiel mir ganz gut, "Hangover Square" hatte ich als besser in Erinnerung, aber das muss nichts heißen, denn die Lektüre liegt schon sehr lange zurück.

  • Ich finde ihn, nach knapp der Hälfte, wesentlich besser als die doch berühmtere "Jane Eyre".

    Manchmal scheint sogar Humor durchzublitzen ...

    Thematik, naja, sind beides Gouvernantenromane, oder ? ;)

    Also, "Villette" könnte für alle, die, wie ich, die Erzählliteratur des Langen Neunzehnten Jahrhunderts lieben, eine gute Wahl sein.

    Ein großer Roman, dem, anders als "Jane Eyre", das Transzendieren in große Lebensfragen, vor allem das Thema Einsamkeit, gelingt.

    Nicht ganz ohne Mängel, meine ich - Mrs Brontë muss auch hier eine Dachbodenspukerei einführen, die ich nicht schlüssig finde, aber das sind Kleinigkeiten.

    Die Hauptpersonen sind psychologisch schlüssig, ich fand das alles wirklich bewegend.

    Die Manesse-Ausgabe (Übersetzung Ilse Leisi) übersetzt übrigens die recht häufigen französische Dialogabschnitte, und zwar als Fußnoten, nicht im Anhang.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich bin nun wieder in "Pelle der Eroberer" von Martin Andersen Nexö eingestiegen. Schon 2018 habe ich einen Anlauf damit gemacht, jedenfalls entdecke ich in einem Forum, das ich damals oft besucht habe, ein Zitat aus dem Buch, das im letzten Drittel des ersten Bandes zu finden ist. Aber ich tue mich schwer damit, und vermutlich ist auch der Abbruch 2018 kein Zufall. Ich habe "Ditte Menschenkind" so sehr genossen, weil Nexö ein so unglaubliches Einfühlungsvermögen in die Psyche eines kleinen Mädchens zeigte. Im Pelle geht es nun mal um einen kleinen Jungen. Und diese Jungsperspektive, die Allmachtsphantasien, in denen schon im Alter von acht Jahren die zukünftige unverschämte Männlichkeit durchscheint, die kann ich im Moment ganz schlecht vertragen.

    Mit den Jahren werde ich in dieser Hinsicht immer empfindlicher.
    Ein wenig werde ich sicher noch weiterlesen, aber ich bin nicht sicher, wie lange ich dranbleibe. Einen dritten Anlauf werde ich nicht machen. Wenn es mir diesmal nichts taugt, dann wandert Pelle von hinnen.

  • Nach den geschilderten Anlaufschwierigkeiten hatte ich zum Glück die gute Idee, mir mal den Film von Bille August anzusehen "Pelle der Eroberer" mit Max von Sydow.
    Das führte dazu, dass der Knoten platzte und ich nun einen besseren Zugang zu dem Buch habe. Zumindest vorläufig kann ich gut dranbleiben. Die Ähnlichkeiten mit "Ditte Menschenkind" sind nach wie vor augenfällig - mit dem Unterschied, dass es diesmal halt nicht um ein heranwachsendes Mädchen, sondern einen Jungen geht.
    Nach Ansehen des Films sagte ich zu meinem Mann: "Den ganzen Film über hat der Junge Stück um Stück gelernt, dass mit den Erwachsenen nichts los ist - das ist das Hauptthema."

    Mehr oder weniger kann man das bisher von dem Buch auch sagen.

  • Derzeit habe ich eine sehr langsame Lesephase. Keine Flaute, aber ich finde irgendwie nicht die Ruhe, um ausgiebig zu lesen.

    Nachdem die iberische Halbinsel vom restlichen Europa abgebröckelt ist in "Das steinerne Floß" von Saramago habe ich ein isländisches Buch gelesen - Sjon - Moonstone. The boy who never was. Ein sehr schräges kleines Büchlein. Beim Lesen fühlte ich mich wie in einem Björk Song gefangen.


    Derzeit lese ich von Michela Murgia - Accabadora, es handelt im Nachkriegs-Sardinien von Kindern armer Familien, die an andere Familien abgegeben werden und einer Accabadora - einer Frau, die Sterbehilfe durchführt. Sowohl das Abgeben/ Verkaufen der Kinder als auch die Sterbehilfe haben eine weit zurückreichende Tradition auf Sardinien. Bis jetzt liest sich das Buch sehr gut. Ich bin positiv überrascht vom Roman.

  • Ich bin bei den Komödien geblieben und habe von Carl Zuckmayer "Der fröhliche Weinberg" gelesen, seinen ersten Bühnehit, uraufgeführt 1925.

    Es ist eine Art Burleske um den Winzer Gunderloch, der sich zur Ruhe setzen will, daher seinen Besitz zur Hälfte verkaufen und zur Hälfte seiner Tochter vererben will, die ihn mit dem hochnäsigen Kandidaten Knuzius bewirtschaften soll. Klärchen aber liebt in Wirklichkeit den Rheinschiffer Jochen, dessen ältere Schwester Annemarie wiederum, angestellt beim Winzer, diesen liebt. Und so weiter und so weiter. Dies ordnet sich nun alles bei dem Zusammentreffen zum Verkauf des Anwesens. Interessant wird das Ganze durch das Aufeinanderprallen zweier jüdischer Handlungsreisender und einiger deutschnationaler Rassisten, die alle öffentliche Ämter bekleiden oder darauf zustreben. Hier packt Zuckmayer ganz gut die Stimmung in den Zwanzigern bei der Wurzel und zeigt auch den latenten Antisemitismus der einfachen Angestellten.
    Heute mag man diese Sprüche noch nicht mal mehr im satirischen Zusammenhang lesen, und insgesamt kommt die Komödie doch nun recht zopfig rüber, was auch der rheinhessische oder -pfälzische Dialekt nicht verhindern kann.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Die „Buddenbrooks“ habe ich mittlerweile ausgelesen und werde demnächst noch ein paar Sätze in den „Thomas Mann“- Faden dazu schreiben. Es war jedenfalls ein Lesevergnügen.


    Neulich habe ich „Die Puppe“ von Boleslaw Prus endlich antiquarisch zu einem vernünftigen Preis ergattern können, da lese ich gerade zufällig im Programm von Kampa, dass der Roman am 25. Mai dieses Jahres in einer Neuübersetzung erscheinen wird.


    https://kampaverlag.ch/wp-cont…a_Vorschau_23-1_klein.pdf


    Nach etwas über 200 Seiten kann ich sagen, dass mir der Roman bisher sehr gut gefällt, also somit auch die alte Übersetzung. So gut, dass ich mir dann wohl irgendwann auch die neue Übersetzung noch einmal zulegen werde.

    In der Ausgabe aus dem Aufbau-Verlag aus dem Jahr 1954 ist die Schriftgröße sehr klein. Ich habe mich zwar dran gewöhnt, empfinde es als Kurzsichtiger trotzdem grenzwertig. Kleiner sollte es nicht mehr werden.

  • Ich bin nun wieder in "Pelle der Eroberer" von Martin Andersen Nexö eingestiegen. Schon 2018 habe ich einen Anlauf damit gemacht, jedenfalls entdecke ich in einem Forum, das ich damals oft besucht habe, ein Zitat aus dem Buch, das im letzten Drittel des ersten Bandes zu finden ist. Aber ich tue mich schwer damit, und vermutlich ist auch der Abbruch 2018 kein Zufall. Ich habe "Ditte Menschenkind" so sehr genossen, weil Nexö ein so unglaubliches Einfühlungsvermögen in die Psyche eines kleinen Mädchens zeigte. Im Pelle geht es nun mal um einen kleinen Jungen. Und diese Jungsperspektive, die Allmachtsphantasien, in denen schon im Alter von acht Jahren die zukünftige unverschämte Männlichkeit durchscheint, die kann ich im Moment ganz schlecht vertragen.

    Mit den Jahren werde ich in dieser Hinsicht immer empfindlicher.
    Ein wenig werde ich sicher noch weiterlesen, aber ich bin nicht sicher, wie lange ich dranbleibe. Einen dritten Anlauf werde ich nicht machen. Wenn es mir diesmal nichts taugt, dann wandert Pelle von hinnen.

    Auf was du mich bringst ... gerade in Lernet-Holenia investiert, und jetzt Ditte ... das allerdings hab ich seit über drei Jahrzehnten. Ich hatte damals noch die Unart, oder Art, vorne das Kaufdatum reinzuschreiben. (Aber mit Bleistift.) 21.3.1991, muss wohl ein Kölner Antiquariat gewesen sein, und das hatte fünf Deutschmark gekostet. Dietz Verlag.

    Nur Zeit hab ich jetzt nicht dafür.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich habe mir "Der Baron Bagge" von Alexander Lernet-Holenia vorgenommen, eine Novelle, die von Michael Maar in "Die Schlange im Wolfspelz - Das Geheimnis guter Literatur" als Meisterwerk gerühmt wird.

    Ich krieg schon wieder Lust. Ist das sowas wie "Kitsch Konvention und Kunst", erweiterte Ausgabe? ;) Den berühmten Klassiker von Deschner hatte ich vor zig Jahren mal gelesen.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich hatte mir für dieses Jahr, gewitzt durch die Erfahrungen der letzten Monate, eigentlich vorgenommen, erstmal nur kürzere Texte, so bis 100 Seiten, zu lesen. Und was mache ich? Ich fang aus einer Laune heraus Bulwers 1200-Seiten-Schmöker "Was wird er damit machen?" in der Übersetzung von Arno Schmidt an (die dritte Lektüre, btw). Ein wahres Lesefest,wenn, tja: wenn ich dazu Zeit hätte. Ich lese da im Schneckentempo, bin aber ziemlich begeistert. Schmidt erlaubt sich in den opulent ausholenden Romanen, die er im Alter übersetzt hat – neben "Was wird er damit machen" noch Bulwers "Dein Roman" (nóch dicker, aber den kenne ich noch nicht) und Coopers Littlepage-Trilogie (jeweils rd. 600 Seiten: die drei Brocken hab ich seinerzeit quasi im Rausch gelesen) – einen Tonfall, den er sich sonst versagt. Schmidts Übersetzungen sind ein Thema für sich, aber eines scheint mir klar: Die dt. Fassungen von ihm sind wohl besser als die Originale, also: schlechte Übersetzungen. Aber unglaublich gute, sehr eigene deutsche Texte. Er hat Bulwer in ein flüssiges, ja: süffiges Deutsch übersetzt, mit gelegentlich absichtlich platzierten Stolperern und meinethalben auch Manierismen. Er produziert da gewissermaßen einen Sprachstrom, in dem der Erzählfluss breit und gemächlich dahinfließt, um unversehens über Steine und Klippen zu springen. Ziemlich toll (auch wenn seine Übersetzungen eher mehr über das Welt- und Literaturverständnis des Übersetzers als über das Original sagen – ich denke, AS sehnte nach der Literaturwelt des 18./19. Jahrhunderts, aber die war Paradise Lost, das er über den Umweg der Übersetzung wiederzubewohnen versucht hat. Oder so ähnlich ;-)).


    Und da mich Bulwer selbst eher weniger, AS dagegen sehr interesssiert: passt das so ;-).

  • Schmidts Übersetzungen sind ein Thema für sich, aber eines scheint mir klar: Die dt. Fassungen von ihm sind wohl besser als die Originale, also: schlechte Übersetzungen. Aber unglaublich gute, sehr eigene deutsche Texte. Er hat Bulwer in ein flüssiges, ja: süffiges Deutsch übersetzt, mit gelegentlich absichtlich platzierten Stolperern und meinethalben auch Manierismen. Er produziert da gewissermaßen einen Sprachstrom, in dem der Erzählfluss breit und gemächlich dahinfließt, um unversehens über Steine und Klippen zu springen. Ziemlich toll (auch wenn seine Übersetzungen eher mehr über das Welt- und Literaturverständnis des Übersetzers als über das Original sagen – ich denke, AS sehnte nach der Literaturwelt des 18./19. Jahrhunderts, aber die war Paradise Lost, das er über den Umweg der Übersetzung wiederzubewohnen versucht hat. Oder so ähnlich ;-)).


    Und da mich Bulwer selbst eher weniger, AS dagegen sehr interesssiert: passt das so ;-).

    Mir ging es ganz ähnlich mit Schmidts Übersetzung von Wilkie Collins, "Die Frau in Weiß". Unvergessen ist mir (nur ein Beispiel unter Hunderten) der Halbsatz, nachdem der Erzähler eine Tasse kaputt geschlagen hatte - seine Gesprächspartnerin stand "trübe trauernd über den Trümmern der Teetasse". Herrlich! Collins ist in behaglicher Erzähler, aber kein glänzender Stilist, und das Besondere dieses Buches ist Schmidt zu verdanken, nicht Collins.