Das Lesejahr 2022

  • Es ist vielleicht etwas früh für ein Jahresresümee, aber zumindest ich kann absehen, dass bei mir nicht mehr viel passieren wird, also fang ich einfach mal an ;-).


    Ende 2021 hab ich ja Marcel Proust für mich entdeckt und hatte mir vorgenommen, "Auf der Suche nach verlorenen Zeit" weiterzulesen. Das ging schon mal schief, ich bin immer noch auf dem "Weg nach Guermantes", also bei Band 3. Ich hab einfach nicht die Zeit und Muße gefunden, dort weiterzumachen, wo ich 2021 aufgehört habe. Stattdessen habe ich Niebelschütz’ "Blauen Kammerherr" noch einmal gelesen, wg. eines Projekts sehr viel Karl May, zwischendrin ein wenig ETA Hoffmann (Murr, Nussknacker, Sandmann etc), Hanuscheks Schmidt-Biographie (in dem Rahmen dann noch dies & das von Schmidt selbst), Ror Wolfs Tagebuch und diverse Kleinigkeiten. Mitte Oktober hab ich dann auf einer längeren Bahnfahrt Tergits "Effingers" angefangen, kam da auch gut voran, musste dann aber aus privaten Gründen die Lektüre ziemlich genau in der Mitte unterbrechen und lese seither immer mal wieder 20, 30 Seiten, aber nie wirklich mal längere Zeit am Stück. Naja. Das werd ich in diesem Jahr noch beenden, wenn dann noch etwas Zeit bleibt, widme ich mich in der Weihnachtszeit wohl wieder einmal Adairs Evadne-Mount-Trilogie, ein amüsantes und leicht lesbares Agatha-Christie-Pastiche. Zu mehr langt's aktuell einfach nicht.


    Insgesamt ein eher trübes Lektürejahr mit sehr überschaubarer Ausbeute. Aber mei – es ist, wie es ist. Fürs nächste Jahr hab ich mir vorgenommen, bei meinen Lesevorhaben realistisch zu bleiben und zu akzeptieren, dass ich mit 61 einfach anders und vor allem langsamer lese als mit 20. Die Zeiten, in denen ich locker so um die 150 Seiten am Tag gelesen habe, sind einfach vorbei. Und an Leseräusche wie Coopers "Satanstoe", Jean Pauls "Flegeljahre" oder Wollschlägers "Herzgewächse" an einem Tag ist überhaupt nicht mehr zu denken.

  • Hallo Giesbert


    Du hast uns, glaube ich, alle ein bisschen überfordert.


    Ich jedenfalls kann zu meinem Lesejahr 2022 noch wenig sagen. Neben der "Suche nach der verlorenen Zeit", die ich in der zweiten Jahreshälfte angefangen habe (Zweitlektüre), und wo ich wahrscheinlich ungefähr dort bin, wo Du bist, war 2022 für mich geprägt von Johann Jakob Sprengs "Allgemeinem deutschen Glossarium" und Friedrich Glauser. Ror Wolf habe ich angelesen, aber noch nicht weiter verfolgt; die "Effingers" habe ich als im Moment unpassend bis auf weiteres verworfen. Mehr zufällig und ungeplant ange- und verlaufen ist ein Lektüreschwerpunkt zur Philosophie der Antike. Ein paar alte SF-Texte (u.a. Wells) und einiges an Lyrik rund um Surrealismus und Symbolismus, meist auf Französisch. So in etwa.


    Qualitativ alles befriedigende bis hochwertige Ware. :)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • giesbert

    Ging mir ähnlich, zum Lesejahr schreibe ich demnächst noch ein paar Zeilen.

    Von Ror Wolf habe ich erst hier durch Dich erfahren, wollte da auch schon mal was lesen, aber wenn man ab und an bei medimops und Konsorten einkauft, dann hat man bestimmt schon Erfahrungen mit der teils eigenwilligen Auslegung der Bestellliste, eine Überraschungskiste, wenn man das mal von der positiven Seite betrachten mag. Statt Ror Wolf hatte ich einen etwa 2kg schweren Katalog von George Grosz in der Lieferung, den ich behalten habe. Ror Wolf muss also noch etwas warten...


    sandhofer

    "[Lesejahr,] Du hast uns, glaube ich, alle ein bisschen überfordert."

    Ich kann ja nur für mich sprechen, aber so trifft das in etwa zu. Einige tolle Bücher habe ich schon gelesen, aber nicht so viel wie erhofft. Dafür auch keine Enttäuschungen.

  • Mein Lesejahr 2022 war mal wieder durchwachsen, viel zu wenig gelesen. Das beste Buch des Jahres war wohl zweifellos "Dunkelblum" von Eva Menasse, sprachlich als auch inhaltlich. Das Buch, welches ich auch sehr beeindruckend fand, war "Dschinns" von Fatma Aydemir. Zuende gelesen habe ich die Trilogie von Monika Helfer und endlich etwas von V.S.Naipaul.


    Gruß, Lauterbach

  • Ich hatte viele schöne Bücher. Literarisch waren die besten "Die Räuberbraut" von Margaret Atwood und "Der menschliche Makel" von Philip Roth, dicht gefolgt von "Die Auferstehung des Maltravers" von Lernet-Holenia. Meine persönliche Lieblings-Neuentdeckung war Susanne Röckel mit "Der Vogelgott" und "Rotula". Das schönste Buch zum Angucken war Go Tanabes Manga-Adaptation von "Cthulhus Ruf" von Lovecraft. Der Sieger in der Kategorie "Lies es und du fühlst dich besser" war der wunderschöne Roman "Zweckfreie Kuchenanwendungen" von Yeoh Jo-Ann. Insgesamt ein tolles Lesejahr, und das musste es auch sein, denn abgesehen vom Lesen war das Jahr eher besch...eiden.

  • Ich hatte viele schöne Bücher.

    Das kann ich genauso unterschreiben.

    EIniges aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, darunter, wie von mir hier auch ausführlich dargestellt, herausragend Gabriele Tergits "Effingers" und die Autobiografie des auch aus dem Rhein-Main-Gebiet stammenden Carl Zuckmayer "Als w#r's ein Stück von mir".

    Die drei Nestroy-Komödien haben Spaß gemacht und viel WIener Lokalkolorit vermittelt. An zeitgenössischer Literatur fand ich wie Lauterbach "Dunkelblum" von Eva Menasse am eindrucksvollsten, dagegen weniger ansprechend "Es geht uns gut" von Arno Geiger, das zum Teil den gleichen Zeitraum umfasst. Ach ja, Michail Bulgakows "DIe weiße Garde" im Frühling 2022 fand ich besonders berührend vor dem Hintegrund des gerade ausgebrochenen Ukraine-Krieges. DIe zweite Leserunde hier zu Laxness' "Das wiedergefundene Paradies" hat bei uns Teilnehmern nicht so die ganz große Begeisterung widergespiegelt. Da gibt es Besseres vom isländischen Meister. Ach ja, und ganz viel Spaß hat mir der zweite Band der Barchester-Chronicles von Anthony Trollope gemacht "DIe Türme von Barchester". Außerdem bin ich froh, dass ich endlich mein "Ahnen"-Projekt (Gustav Freytag) vollendet habe. Es war zwar insgesamt gesehen recht zopfig, aber ich habe einiges über Zeitenläufte an Orten gehört, über die ich nicht so viel oder gar nichts wusste.

    Dazu kamen zwei tolle Sachbücher und einige gute Krimis. Der Rest war Entspannungskonsumkost.

  • Zum Thema Ukrainekrieg möchte ich noch anmerken, dass "Hundepark" von Sofi Oksanen, vor dem Krieg erschienen, eine (vermutlich) gute Milieustudie über die Umgebung von Dnipro und die Situation junger Ukrainerinnen darstellt - nebenbei ein sehr spannendes Buch mit Thrillerelementen, auch eines meiner besten in diesem Jahr. Und die Leserunde mit "Doktor Faustus" von Thomas Mann, an der ich gleich im Januar teilgenommen habe, hat mir sehr gefallen. Auch dieses Buch werde ich mit Sicherheit noch einmal lesen - es ist mir inzwischen auch gelungen, eine schöne Hardcover-Ausgabe zu finden, nachdem meine beim Trödler gekaufte alte Ausgabe sich buchstäblich während des Lesens zerlegte.

  • Lauterbach,


    ob andere die toll finden, weiß ich nicht. SIe sind aber beide sehr bekannt und zumindest oft gekauft worden:

    Yuval Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit

    beeindruckte mich nicht aufgrund der aufgeführten Fakten, de allgemein bekannt sind, sondern wegen der interessanten Zusammenschau und Interpretation.

    Florian Illies: 1913: Der Sommer des Jahrhunderts ist im deutschen Sprachraum ungefähr genauso bekannt. Auch hier ist es die Zusammenschau, diesmal nicht im menschheitsgeschichtlichen Zusammenhang, sondern im Detail, die die Lektüre so interessant macht

  • Nochmal kurz zum vergangenen Lesejahr, wo ich nicht jede Lektüre beendet habe, weil andere Dinge dazwischen kamen. So hatte ich Seumes kurze Autobiographie "Mein Leben" mit großem Interesse gelesen und auch den "Spaziergang nach Syrakus" im Anschluss begonnen, aber nicht abgeschlossen, weil mir die Ruhe fehlte. Vielleicht gelingt es mir heuer. Die Art, in der Seume über sich schrieb, hat mir sehr imponiert und der Einblick in die damalige Zeit war faszinierend und lehrreich. Ich denke da beispielsweise an die Verschleppung (eigentlich Versklavung) in Hessen und das Geschacher mit anschließender Überfahrt in Richtung Amerika um dort im Unabhängigkeitskrieg zu kämpfen. Es kam etwas anders, aber dennoch eine ungeheuerliche, wahre Begebenheit.


    Am besten gefiel mir Thomas Manns "Der Zauberberg", zu dem ich mir mittlerweile dann doch noch den Kommentarband gekauft habe (und weitere Romane lesen werde). Jean Pauls "Unsichtbare Loge" hat viel Licht (sprachlich) aber auch Schatten, was zugegebenermaßen mit an fehlendem, historischen Hintergrund liegt, der einfach Voraussetzung ist. Die Biographie von Beatrix Langner, die ich in Teilen gelesen habe, brachte da Licht ins Dunkel. Von Jean Paul möchte ich in jedem Fall noch mehr lesen.


    Die schriftstellerischen Anfänge Nabokovs habe ich letztes Jahr gelesen und auch da wird bei Lust & Gelegenheit angeschlossen.


    Perutz & Simenon zwischendurch, Lyrisches entdeckt von Wordsworth, Celan, Gwerder und Bierbaum (kuriose Aufzählung, ich weiß); an ein paar antiquarischen Funden konnte ich schon rein aus bibliophiler Sicht nicht vorbei gehen, z.B. die ledergebundenen Dickens-Bände aus dem Insel Verlag.

    Mehr fällt mir spontan nicht ein.