Die Industrialisierung im Spiegel zeitgenössischer Literatur

  • Pfisters Mühle gibt es in verschiedenen digitalen Versionen:


    PDF, für EBook-Reader optimiert
    http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=84309


    Als ePub im Rahmen einer digitalen Gesamtausgabe, hier: Band V (Romane 1884-1889). Neben Pfisters Mühle gibt's hier dann noch Villa Schönow, Unruhige Gäste, Im alten Eisen, Das Odfeld und Der Lar. An Villa Schönow kann ich mich jetzt so auf Anhieb nicht erinnern (gelesen habe ich das alles), aber Unruhige Gäste und Das Odfeld sind Meisterwerke, die muss man kennen. Der Lar ist ein ziemlich doppelbödiges Stück, das unter einer amüsanten Oberfläche komplexe erzähltheoretische Fragen diskutiert.
    http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=214696


    Bei Gutenberg als Webseite
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/548/1

  • finsbury - Ich weiß nicht, ob das Thema bei Dir noch aktuell ist, aber im Wikipedia-Artikel zu Elizabeth Gaskell heißt es:
    "Elizabeth Gaskells erster Roman Mary Barton, a Tale of Manchester Life erschien 1848 anonym. Es handelt sich um einen der ersten englischen Industrieromane, in dem in melodramatischer Form das Leiden des Proletariats vor dem Hintergrund des Chartisten-Aufstands dargestellt wird. Durch diesen Roman kam Gaskell in Kontakt zu Charles Dickens, in dessen Zeitschrift Household Words sie in der Folge veröffentlichte."


    Ob es von "Mary Barton" eine Übersetzung gibt, weiß ich nicht, aber bei gutenberg.org gibt es zumindest das englische Ebook.


    Gruß, Gina


  • finsbury - Ich weiß nicht, ob das Thema bei Dir noch aktuell ist, aber im Wikipedia-Artikel zu Elizabeth Gaskell heißt es:
    "Elizabeth Gaskells erster Roman Mary Barton, a Tale of Manchester Life erschien 1848 anonym. Es handelt sich um einen der ersten englischen Industrieromane, in dem in melodramatischer Form das Leiden des Proletariats vor dem Hintergrund des Chartisten-Aufstands dargestellt wird. Durch diesen Roman kam Gaskell in Kontakt zu Charles Dickens, in dessen Zeitschrift Household Words sie in der Folge veröffentlichte."


    Ob es von "Mary Barton" eine Übersetzung gibt, weiß ich nicht, aber bei gutenberg.org gibt es zumindest das englische Ebook.


    Gruß, Gina


    Herzlichen Dank, @Gina, ich werde nach Gaskell forschen, die Autorin scheint mir sehr interessant zu sein.
    Gerade habe ich bei amazon einiges bestellt, "Mary Barton" und "North and South" scheinen aber nicht übersetzt worden zu sein. Erstmal lese ich die anderen und entscheide dann, ob ich mir die Mühe der Fremdsprachenlektüre mache.

  • Hallo,


    eine neue Entdeckung für mich, obwohl der Autor für das Thema dieses Threads prädestiniert ist und ich auch schon viel von ihm gelesen habe:


    Jules Verne: Die 500 Millionen der Begum


    In dem Roman geht es um zwei Männer, die auf Umwegen den Nachlass einer indischen Fürstin erben, die titelgebenden 500 Millionen:
    Doktor Sarrazin, ein französischer Arzt und Menschenfreund, nimmt sein Erbe, um im amerikanischen Oregon eine Modellstadt (France-Ville) zu errichten, die nach den neuesten hygienischen und medizinischen Erkenntnissen gestaltet ist, das Zusammenleben der Menschen harmonisch gestaltet und jedem sein Bestes abverlangt. Mir kam das nach der Wanderjahre-Lektüre wie ein 50 Jahre später geschriebenes Sequel zu diesen vor: die patriarchalisch-wohlwollenden Projektleiter, die Stadtbewohner, sehr sorgfältig nach ihren Möglichkeiten ausgesucht (20 000 chinesische Kulis dürfen die Stadt aufbauen, erhalten aber wegen möglicher sozialer Konflikte kein Wohnrecht!).
    Der andere Erbe ist ein deutscher Professor Schultze, der von Hass auf die Franzosen und insbesondere das Projekt Sarrazins getrieben, eine Stahlstadt, ca. 100 km von France-Ville entfernt, gründet, in der mit "deutscher" Gründlichkeit und hohem technischen Verständnis in einer autoritärst geleiteten Fabrikstadt Bomben und Munition produziert. Zur Zerstörung von France-Ville baut er zwei Geheimwaffen, die aber beide versagen, wobei er stirbt. Die Franzosen mit ihrer Modellstadt und einem tapferen Elsässer Industriespion obsiegen und übernehmen Stahlstadt für eine humane Zukunft.


    Warum ich den sehr tendenziösen Roman so spannend finde, ist gerade seine Tendenz. 1879 erschienen ist er ein Spiegel seiner Zeit. Frankreich hatte zuvor, durch eine von Bismarck eingefädelte politische Intrige (die sogenannte Emser Depesche) 1870 Preußen den Krieg erklärt und diesen dann 1871 verloren. Es musste Elsass und Lothringen an das neu gegründete Kaiserreich Deutschland abtreten und hohe Reparationszahlungen leisten.


    Diese waren mit eine Hauptursache für die sogenannten Gründerjahre in Deutschland von 1871 bis 1873, die dann allerdings in einem Börsen-Crash endeten. Dennoch: In den drei Jahren explodierte insbesondere die deutsche Stahlindustrie, Eisenbahnschienen wurden in einem dichten Netz verlegt und das bisher eher rückständige Deutschland wurde zum Wirtschaftsgiganten in Mitteleuropa.


    Gleichzeitig machte sich ein unreflektierter Nationalismus, ja schon damals rassistisch getönter Chauvinismus in Deutschland breit (z.B. Geibel: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.").


    Wie diese Entwicklung bei den unterlegenen und gedemütigten Franzosen ankam, das kann man genau an diesem Roman ablesen! Ein wirklich spannendes Zeitdokument! Und ein Mahnmal, wie unreflektierte Hybris bei anderen ankommt.

  • Gleichzeitig machte sich ein unreflektierter Nationalismus, ja schon damals rassistisch getönter Chauvinismus in Deutschland breit (z.B. Geibel: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.").


    Wie diese Entwicklung bei den unterlegenen und gedemütigten Franzosen ankam, das kann man genau an diesem Roman ablesen! Ein wirklich spannendes Zeitdokument! Und ein Mahnmal, wie unreflektierte Hybris bei anderen ankommt.


    Allerdings waren die Franzosen kein Haar besser. Die Tagebücher der Goncourts aus der Zeit (also: eigentlich nur noch von Edmond, Jules war bereits gestorben) triefen ebenfalls von Chauvinismus und Deutschenhass. Der Judenhass trat auch bei Goncourt reflexartig hinzu. Und dass die Franzosen den nächsten Krieg gewannen und sich genau so deppert verhielten wie 1870ff die Deutschen, hat Europa einen weitern Krieg beschert ....

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo, finsbury,


    Du wirst am besten wissen, wohin Dich die Recherchen zu Deinem Projekt treiben. Was ich mich die ganze Zeit über frage, ist die Abgrenzung der "industriellen Revolution" bei Deinem Thema von der "Industrialisierung" allgemein, die in Mitteleuropa insgesamt vor allem mit dem 19. Jahrhundert verbunden ist.


    Wir hatten früher gelernt: industrielle Revolution, das ist vor allem der Zeitraum zwischen 1760 und 1830. James Watts Dampfmaschine findet ihren Einsatz im Bergbau, später auch bei der Personen- und der Güterbeförderung auf Schienen sowie in der Landwirtschaft.


    Diese chronologischen Erwägungen mögen Dir vielleicht als chronologische Abgrenzungsversuche profaner Historiker erscheinen, die mit Literatur nicht viel am Hut haben.


    Bei unserer Leserunde zu Goethes "Wanderjahren"" (bei der ich weiter machen will) kam mir vor allem in den Sinn die um 1980 ausgearbeitete "Protoindustrialisierungs"-These von Schlumbohm, Kriedte, Medick: In Gebirgsgegenden, die für die Landwirtschaft nicht so gut geeignet sind, kann das zunächst für die Region bestimmte Gewerbe so ausgebaut werden, dass Exportgewerbelandschaften entstehen. Das wäre dann die für die deutschen Territorien geltende Entsprechung für in England eher einsetzende Entwicklungen.


    Wo willst Du chronologisch bei Deinem Projekt den vorläufigen Schluss setzen? Das mag jetzt für Literaturliebhaber alles ziemlich nüchtern-unpoetisch daherkommen.


  • Tja, wohin treibt mich dieses Projekt? Ich betreibe es nur aus Spaß an der Freud, insofern lasse ich mich gerne treiben.


    Du hast natürlich vollkommen Recht mit deiner historischen Anmerkung. Deshalb benenne ich das Thread-Thema jetzt einfach in “Industrialisierung im Spiegel der Literatur“ um. Bezüglich der Geschichte bin ich ein immer mehr interessierter Laie und im Moment bin ich eben mit meinen laienhaften Studien in der Gründerzeit angelangt.
    Wie auch immer, das Motiv oder besser die Themenwelt der Industrie/alisierung interessiert mich weiterhin.


    sandhofer, vielen Dank auch für deinen Hinweis. Natürlich zeigt die Karikatur des Professors Schutze und seiner Stahlstadt als das personifizierte Böse und die Idealisierung Dr. Sarrasins und France-Villes auch den nationalen Chauvinismus Vernes. Da ich aber gerade über Bismarck und die Gründerzeit lese, fand ich es sehr erfrischend, als ich zufällig - auf der Suche nach einer unterhaltsamen Zwischenlektüre - ausgerechnet auf dieses weiß der Himmel nicht beste Werk Vernes stieß. Und dass Frankreichs Reparationsforderungen nach dem 1. Weltkrieg kontraproduktiv waren, wissen wir alle. Interessant aber, sich wieder klarzumachen, dass eben auch diese eine Reaktion auf die deutschen Forderungen nach dem 70/71er Krieg waren. Es ist ein ständiges Hin und Her und wir lernen nur wenig dazu.


    Und, sandhofer,
    da Karamzin völlig Recht hat mit seinem begrifflichen Einwand, ich aber nur die Betreffzeile im Beitrag ändern kann, könntest du den Titel des Themas bitte entsprechend (s.o.) ändern?

  • Und, sandhofer,
    da Karamzin völlig Recht hat mit seinem begrifflichen Einwand, ich aber nur die Betreffzeile im Beitrag ändern kann, könntest du den Titel des Themas bitte entsprechend (s.o.) ändern?


    Wenn ich das Verhalten von SMF jetzt richtig im Kopf habe, genügt es, wenn Du als Thread-Starter Deinen ersten Beitrag editierst, und SMF wird alle künftigen Beiträge, sofern nicht der "Zitieren"-Knopf zum Antworten verwendet wird, automatisch nach dem neuen Titel benennen.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich bin jetzt ein bißchen verlegen, denn ich hätte selbst erkennen können, dass es sich hier um einen Fall von "Liebhaberei" handelt, die neue Leseerlebnisse beschert, :smile: und nicht etwa um ein "Auftragswerk". Die Freude an neuen Entdeckungen sollte durch meine chronologische Beckmesserei nicht geschmälert werden.


    Indes sei auch angemerkt, dass ich ungefähr mit dem Revolutions-Jahr 1830, dem Ende der "klassischen Periode", die Goethe erlebte, und der Zeit der Handlung der "Epigonen" Immermanns, auch die Zeit in der Entwicklung der Literatur im 19. Jahrhundert verlasse, zu der ich hier in Leserunden und Diskussionen noch etwas beisteuern könnte (vielleicht mit Ausnahme Fontanes oder der russischen Literatur).

  • Wenn ich das Verhalten von SMF jetzt richtig im Kopf habe, genügt es, wenn Du als Thread-Starter Deinen ersten Beitrag editierst, und SMF wird alle künftigen Beiträge, sofern nicht der "Zitieren"-Knopf zum Antworten verwendet wird, automatisch nach dem neuen Titel benennen.


    Joy, jetzt hat's geklappt. Allerdings ist jetzt bei den Beitragstiteln ein lustiges Durcheinander entstanden. Aber egal, der Themenbereich ist jetzt historisch einigermaßen korrekt benannt.


    Karamzin, das ist schon okay, dass du auch auf Irrtümer hinweist: Auch als Laie möchte ich mich einigermaßen korrekt ausdrücken und bin dir da für Korrekturen sehr dankbar. Ich habe einfach nicht darauf geachtet, dass ich mich mit meinen Beschäftigungen vom Kernraum der Industriellen Revolution inzwischen weit entfernt habe.


  • Danke für die Hinweise, @Portugruaro und herzlich willkommen hier im Forum. Die von dir vorgeschlagenenen Werke wurden schon weiter oben erwähnt, aber es schadet nichts, sie noch einmal in den Blickpunkt zu bringen.


  • Danke für die Hinweise, @Portugruaro und herzlich willkommen hier im Forum. Die von dir vorgeschlagenenen Werke wurden schon weiter oben erwähnt, aber es schadet nichts, sie noch einmal in den Blickpunkt zu bringen.


    Danke, hatte ich offenbar übersehen.


    Ein weiterer Tipp wäre sicherlich 'Ragged Trousered Philanthropists' von Robert Tressell. Außerdem wären von Zola 'L'Assomoir' Charlotte Brontes 'Jane Eyre' hinzuzufügen, die näher am Phänomen der frühen Industrialisierung sind. Auswirkungen der Industrialisierung im frühen 20. Jh. wurden, abgesehen von Tressells vorgenanntem Buch, auch in Steinbecks 'Früchte des Zorn', Jack Londons dystopischem Roman 'The Iron Heel', in den Romanen 'The Jungle' und 'Oil' von Upton Sinclair sowie in Robert Cantwells 'The Land of Plenty' und Ignazio Silones 'Fontamara' thematisiert, wobei wir uns hier schon im weiter gesteckten Thema des sozialen Romans befinden, da bei Silone die spezifische Agrargesellschaft des ländlichen Italiens im Mittelpunkt steht.

  • Viele interessante Hinweise, @Portugruao. Danke. Allerdings will ich das Thema vom 20. Jahrhundert abkoppeln, denn da war die Industrialisierung ja so ziemlich abgeschlossen. Sonst wird es wirklich ein weites Thema mit Industrieliteratur, Arbeiterroman und eben Sozialroman.

  • Ein weiterer Tipp wäre sicherlich 'Ragged Trousered Philanthropists' von Robert Tressell. Außerdem wären von Zola 'L'Assomoir' Charlotte Brontes 'Jane Eyre' hinzuzufügen, die näher am Phänomen der frühen Industrialisierung sind.


    Wo siehst du denn Elemente der frühen Industrialisierung bei Jane Eyre? Ich habe das Buch erst vor kurzem mal wieder gelesen und weiß jetzt nicht, welche Szenen du meinst.


    Viele Grüße
    thopas