Beiträge von Portogruaro


    Danke für die Hinweise, @Portugruaro und herzlich willkommen hier im Forum. Die von dir vorgeschlagenenen Werke wurden schon weiter oben erwähnt, aber es schadet nichts, sie noch einmal in den Blickpunkt zu bringen.


    Danke, hatte ich offenbar übersehen.


    Ein weiterer Tipp wäre sicherlich 'Ragged Trousered Philanthropists' von Robert Tressell. Außerdem wären von Zola 'L'Assomoir' Charlotte Brontes 'Jane Eyre' hinzuzufügen, die näher am Phänomen der frühen Industrialisierung sind. Auswirkungen der Industrialisierung im frühen 20. Jh. wurden, abgesehen von Tressells vorgenanntem Buch, auch in Steinbecks 'Früchte des Zorn', Jack Londons dystopischem Roman 'The Iron Heel', in den Romanen 'The Jungle' und 'Oil' von Upton Sinclair sowie in Robert Cantwells 'The Land of Plenty' und Ignazio Silones 'Fontamara' thematisiert, wobei wir uns hier schon im weiter gesteckten Thema des sozialen Romans befinden, da bei Silone die spezifische Agrargesellschaft des ländlichen Italiens im Mittelpunkt steht.


    Jane Austen ist sicherlich literarisch insofern bedeutsamer, als dass sie eine stärkere Nachwirkung hat als die Brontes. Allerdings scheint mir die inhaltliche Tiefe bzw. der Themenreichtum bei den Brontess, insb. bezüglich 'Sturmhöhe' und 'Jane Eyre', weitergehend und sozialgeschichtlich komplexer. Bei Austen ist es das immergleiche Thema, das aber für das Verständnis der Epoche bzw. als Zeitzeugnis gleichwohl von zentraler Bedeutung ist und daher wäre zumindest ein Werk von Austen zu berücksichtigen, ob man dann 'Sturmhöhe' opfert, wage ich nicht zu beurteilen.

    In jedem Fall sollte, wie schon vordem erwähnt wurde, die Romanhandlung eine enge Beziehung zum Topos 'Heimat' eingehen. Heimatbezug in einem Roman ist demnach weniger ein bestimmter Ort, denn ein bestimmtes Gefühl, das die Protagonisten zu diesem Ort haben bzw. an diesen Ort bindet. Natürlich wurde in der Vergangenheit insbesondere durch die Filmgattung des 'Heimatfilms' der Stereotyp eines ländlichen Idylls als Heimatbezug gepflegt, doch spiegelt sich darin eher eine Sehnsucht nach einer Heimat oder 'Welt' die vergangen oder entrückt, in jedem Fall aber irgendwie besser erscheint oder zumindest als besser konnotiert wird. Der Heimatroman sollte das Gefühl Heimat im Mittelpunkt haben, als durchgängiges Thema, - eben wie in Edgar Reitz' Heimat-Filmserie.

    Ein Klassiker ist sicherlich ein Buch, dessen Inhalt man glaubt zu kennen, obwohl man es nicht gelesen hat.


    (Die trifft übrigens auch auf andere Kunstgattungen zu)

    Den Roman habe ich in der langen Version vor etwa 2 Jahren gelesen.


    Ich halte ihn literarisch für schwach, was ich generell über die Romane die ich von Solschenizyn gelesen habe, sage. S. versucht aus meiner Sicht Tolstoi nachzuahmen, indem er Massen an Figuren, die so ziemlich alle Schichten des russsischen Volkes repräsentieren sollen, einführt, die Fäden aber öfters verliert. In August1914 kommt noch hinzu, dass der Autor seiner russische Seele und seiner Liebe zu Russland die Zügel schießen lässt und die Kriegsgeschehnisse im August 1914 verklärt. Da ich eine deutsche Übersetzung gelesen habe, kann ich wenig über den originalen Stil schreiben. Sollte er dem der Übersetzung entsprechen, ist er ziemlich platt.


    Opwohl ist nicht zur Frage gehört, möchte ich hinzufügen, dass es mir gegenwärtig genauso mit dem Rom "Der Zusammenbruch" von Emile Zola geht.


    Ja, dem kann ich, nachdem ich nun mit dem Roman 'August Vierzehn' angefangen habe, zustimmen. Die Intention, etwas ähnliches wie ein modernes 'Krieg und Frieden' zu schreiben, lässt sich erkennen, verflüchtigt sich jedoch rasch in den allzu vielen Strängen, die der Autor verfolgt. Was besonders schade ist, ist dass das gesellschaftliche Panorama, das Solschenizyn in den ersten Kapiteln anreißt, nicht mehr weitergeführt wird. Personen aus den unterschiedlichen Schichten, die in den Anfangskapiteln eine wichtige Rolle einzunehmen scheinen, tauchen dann gar nicht mehr auf, so dass man keineswegs mehr von einem Gesellschaftsroman sprechen kann. Vielmehr gleicht das Werk einer militärgeschichtlichen Chronik. Schade, dass Solschenizyn das Potenzial seiner Idee nicht ausgeschöft hat, es hätte ein Werk von einzigartiger Güte werden können, so ist es tatsächlich literarisch viel zu schwach und das Narrativ ermüdend.

    Die Fernsehserie 'Downton Abbey' ist aufgrund ihrer authentischen Darstellungsweise des Epochenwechsels vom langen 19. Jahrhundert zur Epoche der Moderne einschließlich der zäsierenden Wirkung des Ersten Weltkriegs überaus bemerkenswert. Mir ist jedoch aufgefallen (vielleicht ist es aber auch nur eine Kenntnislücke), dass es kaum bis keine klassischen Romane gibt, die diesen gesellschaftlichen und kulturellen Umbruch im Zusammenhang zum Gegenstand haben. Sicher, man könnte 'Parade's End' von Ford Madox Ford anführen, aber darüber hinaus?


    Daher meine Frage, kenn jemand Romane von Autoren, die die Zeit von 1900/1910 bis 1950 selbst erlebt haben und - egal in welcher Sprache und welchem kulturellen Milieu - die Facetten des Übergangs, wie sie so trefflich in der Familiensaga der Fernsehserie 'Downton Abbey' wiedergegeben werden, einfängt?

    Besten Dank schon mal für den Auftakt. Hat derweil jemand Erfahrungen zu Solschenizyns 'August Vierzehn', das ja zunächst 1971 in einer kürzeren, dann 1989 in einer über eintausend Seiten umfassenden Version veröffentlicht worden ist. Hat es jemand gelesen und kann dazu etwas sagen?

    Hallo Forum,
    inzwischen hat sich herumgesprochen, dass sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum hundersten Mal jährt. Begleitet wird dieser Umstand von einer interessanten Reihe fachlicher Publikationen, etwas vernachlässigt wird indes der Bereich der Romanklassiker zum Themenfeld Erster Weltkrieg. Hier ist zunächst zu unterscheiden, zwischen Romanen, die, wie etwa Manns 'Der Zauberberg', das Thema gesellschaftlich fokussieren, und Romanen, die den Schwerpunkt auf die Kriegserfahrung legen. Ich möchte hier das Thema in beiderlei Richtung lancieren und nach Erfahrungsberichten mit klasssichen Romanen zum Ersten Weltkrieg, sowohl deutscher als auch ausländischer Autoren, fragen und zur Diksussion anregen. Vielleicht gelingt es dabei Romane aufzustöbern, die kaum noch bekannt sind und auf Neuerscheinungen bzw. Neuauflagen hinzuweisen. Dabei wäre es gut, dass etwaige Literturhinweise mit Angaben zum Typ bzw. der Romangattung versehen werden. Als Klassiker verstehe ich in diesem Fall vor allem Romane, die zeitnah am Geschehen (z.B. Remarques 'Im Westen nichts Neues') oder zumindest aus direkter oder indirekter Erinnerung entstanden sind (z.B. Solschenizyn 'August Vierzehn'). Ich gebe zu, dass dieser Post noch etwas vage ist, aber ich denke, dass sich daraus eine Präzisierung entwickeln könnte, an deren Ende nicht nur eine Bücherliste, sondern auch eine Diskussion über Inhalte, Themenstellungen und Qualitäten stehen könnte.


    Portogruaro