• Danke Maria für das Gespräch.


    Beim Lesen hab ich mir nur gedacht: ist Kafka wirklich so gut? Ich lese ihn auch gern aber diese Beweihräucherung war mir dann doch zu viel des Guten. Oder sehe ich das falsch?

  • Kafka war einer von vier Autoren, die auf Canettis Hausaltar standen. Canetti wiederum steht auf meinem Hausaltar. Aber mir geht es dennoch wie Dir, Jaqui: Ich lese ihn gern, finde aber, dass es noch Bessere, Interessantere gibt. (Musil, z.B.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Jaqui,


    Wenn Werk und Leben eines Autors viel hergibt, meist sich auch berühren, dann gibt es vermehrt Stoff für Interpretationen und Biographien. Es gibt Autoren, da kann man sich als Leser (immer wieder) 'verbeissen' und neu aufrollen, neu lesen, wiederholt lesen und es wird nicht langweilig. Ich kenn das von meinen Lieblingsautoren, da könnte ich mich in Werk und Sekundärliteratur verlieren und stürze mich auf neues, auch wenn es vielleicht nichts neues zu berichten gibt, dennoch auf einen anderen Blickwinkel und frische Anregungen hoffend. Ein Schriftsteller der viele weitere Schriftsteller beeinflusst hat wird wohl immer gerne analysiert. Ob man das braucht, ist wohl ein persönliches Empfinden und wie man zum Werk selbst steht.


    Ich bin spät bei Kafka landet, seine Themen und seine kurze Art zu schreiben, sind nicht gerade das was ich sonst gerne habe (bin nun mal ein Freund des langen ausschweifenden Textes), doch wie Kafka in mir Beklemmung beim Lesen hervorruft, finde ich erstaunlich, deswegen bin ich auch bei der Biographie von Reiner Stach gelandet. Kafkas Stil und sein Leben erweckt meine Neugierde.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Dass man einen Autor gut findet, ihn gerne liest und auch Interpretationen und Biographien dazu schreibt finde ich ja voll okay. Dass man ihn aber in den Himmel hebt, so als wären alle anderen Autoren Dilettanten verstehe ich einfach nicht.


  • Dass man einen Autor gut findet, ihn gerne liest und auch Interpretationen und Biographien dazu schreibt finde ich ja voll okay. Dass man ihn aber in den Himmel hebt, so als wären alle anderen Autoren Dilettanten verstehe ich einfach nicht.


    Der wirkliche Boulevardintelektuelle zweifelt vielleicht an Gott, oder daran, dass es keinen gibt aber doch nicht daran, dass Kafka über Allem steht.

  • Hallo ihr!


    Ich finde Kafka gut, aber NUR Kafka wär mir auch zu wenig. Ich finde diese unentwegten Idealisierungen und die Abwertung anderer auch nicht sinnvoll. Aber so weit ich die Sekundärliteratur dazu einschätze, wird Kafka psychologisch doch sehr stark pathologisiert. Er soll übrigens eine depressiv anankastische Persönlichkeit gewesen sein nach Einschätzung eines Psychiaters (Manfred M. Fichter, Frank Kafkas Magersucht, 1988, Georg Thieme Verlag). Würde das düstere Weltbild des "kafkaesken" Gerichts erklären (abgesehen von der Traumarbeit, die Kafka wichtig war) und auch Kafkas selbstkasteiende, asketische Haltung in vielem. Es muss nämlich nicht immer eine unterdrückte Pädophilie sein. Das wird ja mittlerweile jedem (Single-) Autor aus dieser Zeit unterstellt.

  • Kafkas Werke habe ich als junger Mensch geliebt. Heute genieße ich immer noch die karge Sprache und die Magie seiner Bilder, aber gleichzeitig schüttle ich immer den Kopf und würde am liebsten auch den Helden K. schütteln, weil der alles so mit sich geschehen lässt. Ihr braucht mir jetzt nichts über den Unterschied von Inhalt und Gehalt zu erzählen, aber so geht's mir nun mal mit den Romanen, bei den Erzählungen ist es anders.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Zitat

    aber gleichzeitig schüttle ich immer den Kopf und würde am liebsten auch den Helden K. schütteln, weil der alles so mit sich geschehen lässt.


    Mir ging es ganz genauso. Vorrangig allerdings in den Roman "Amerika" und "Das Schloss". Beim Prozess hingegen hatte ich eher das Gefühl, als sei K. irgendwelchen finsteren Mächten hilflos ausgesetzt, denen trotz aller Bemühungen einfach nicht zu entkommen ist.


    Gruß
    Meier

    "Es gibt andere Geschichten auf einem andern Blatt Papier, doch jede ist mit der ersten verwandt" * Keimzeit

  • Einen schönen Abend wünsche ich in die Runde.


    Gestern habe ich erfahren, daß das wöchentliche Nachrichtenmagazin aus dem Hohen Norden Franz Kafka, bzw. die Kafkabiographie von R. Stach zum Titelthema erkoren hat.


    Hat jemand den Artikel gelesen? Falls ja, ist er lesenswert? Sollte er es sein, kaufe ich mir die iPad-Ausgabe des aktuellen "Spiegel", ansonsten lese ich ihn ja nicht (mehr).

  • Kleine Anekdote am Rande:


    Wir besprachen gestern in unserem Lesekreis Kafkas Roman 'Der Proceß'. Dabei sprachen wir auch über die schlackenlose, schlanke und unglaublich moderne Sprache Kafkas, die sich sehr von der Prosa der meisten seiner Zeitgenossen abhebt. Eine Mitleserin erzählte verschämt, sie habe sich das Buch in der Ausgabe einer Schullektüre (Klett-Verlag) besorgt und zu lesen begonnen. Nach einigen Seiten sei sie davon überzeugt gewesen, einen für Schüler bearbeiteten Text vor sich zu haben. So glasklar könne Kafka damals nicht geschrieben haben. Also besorgte sie sich eine andere Ausgabe, nur um dann festzustellen, dass auch die Schülerausgabe den Originaltext enthielt. :breitgrins: