November 2009: Eugène Sue - Die Geheimnisse von Paris

  • So, ich melde mich auch mal. Ich habe inzwischen ebenfalls die Insel-Ausgabe vorliegen, muss aber zu meiner Schande gestehen, noch nicht damit begonnen zu haben, nehme es mir aber für die nächsten Tage fest vor! Ob ich mit Eurem Tempo mithalten kann, weiß ich nicht, ich wechsele gerne mal zwischen verschiedenen Lektüren und parallel lese ich derzeit (immer noch) an Karl Mays Waldröschen, an Goethes "Italienischer Reise", an Eckermanns "Gesprächen mit Goethe" und ab und zu schiebe ich noch ein Drama von Schiller dazwischen. Schau'n mer mal!

  • Interessant wie konkret Sue bei den wirtschaftlichen Einzelheiten ist.
    Vertrauen wir ihm, dann kommt ein Arbeiter mit 3 Franc (60Sous) am Tag aus, eine Näherin schafft mit Mühe 2 Franc, wogegen unser Held ein Tageseinkommen von ca. 5500 Francs hat. Kein Wunder, wenn er seine Schützlinge aus ihrer materiellen Not, die für ihn Kleingeldmangel bedeutet, so leicht erlösen kann. Hat er sich das von Dumas abgeschaut?
    Ich finde es erstaunlich, wie sich so ein Getümmel von Figuren, mit dieser leichten Hand und über diese Fülle von Zusammenhängen, so lebendig im Griff halten lässt, schließlich ist die Sterberate auf den ersten 300 Seiten recht gering, ganz anders wie bei Karl May. :zwinker:


    Jaqui: Ich dachte, du magst Frauen, die sich aufgelehnt haben und gewinnen. Da müsste dir doch "die Eule" recht gut liegen :breitgrins:

  • Übrigens, die Illustrationen in der Insel Ausgabe sind sehr schön. Sind die anderen Ausgaben auch illustriert?

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • das Buch liest sich wirklich sehr locker und flockig.


    Findest Du? Ich habe gestern abend noch die vier ersten Kapitel gelesen - und ich bin alles andere als entzückt. Das (vermutlich: Pseudo-)Argot ärgert mich, da viel zu dick aufgetragen. Die Handlung kommt nicht in die Gänge, da sich Sue damit amüsiert, irgendwelche Gestalten, die noch viel zu frisch sind, um mich wirklich zu interessieren, gleich irgendwelche Jugendgeschichten erzählen zu lassen, wie sie Victor Hugo 20 Jahre später viel besser (und larmoyanter! :zwinker: )erzählen sollte.



    Übrigens, die Illustrationen in der Insel Ausgabe sind sehr schön. Sind die anderen Ausgaben auch illustriert?


    Ich glaube, ja. Jedenfalls habe ich schon ein paar Bildchen gefunden. Ob das durchgehend ist, habe ich nun nicht kontrolliert ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Findest Du? Ich habe gestern abend noch die vier ersten Kapitel gelesen - und ich bin alles andere als entzückt. Das (vermutlich: Pseudo-)Argot ärgert mich, da viel zu dick aufgetragen. Die Handlung kommt nicht in die Gänge, da sich Sue damit amüsiert, irgendwelche Gestalten, die noch viel zu frisch sind, um mich wirklich zu interessieren, gleich irgendwelche Jugendgeschichten erzählen zu lassen, wie sie Victor Hugo 20 Jahre später viel besser (und larmoyanter! :zwinker: )erzählen sollte.


    Am Anfang, bei der Vorstellung der zentralen Figuren, ist der Roman tatsächlich Schablone, doch je mehr Figuren auftauchen, um so vielfältiger geht Sue vor. Es gibt allerdings weiter Passagen, in der er seine Figuren erklären und nicht handeln lässt. Ich nehme an, das muss er für die Leser tun, die über den langen Zeitraum des Erscheinens den Faden verlieren (so vie bei Fernsehserien jeder Folge gerne Zusammenfassungen voran gestellt werden), und es erinnert mich an Romane und Filme, die sich mit naturwissenschaftlichen und technischen Problemen befassen. Da gibt es auch häuftig ausufernde Vorlesungen darüber, wie man einen Nippel durch die Lasche zieht.


    Schrieben wir die Geschichte in unsere Zeit um, würden wir Trivialliteratur lesen, was einen Philosophen bestimmt auch auf den nächsten 1900 Seiten nicht entzücken sollte.


    Vergleiche mit der Gutzkow- Lektüre würden mich interessieren.

  • Am Anfang, bei der Vorstellung der zentralen Figuren, ist der Roman tatsächlich Schablone,


    Er ist nicht nur Schablone - er ist einfach schlecht. Zwecks Spannung beginnt Sue mit einer Schlägerei, dann gehen drei einander praktisch Unbekannte, in und aus einem Milieu, das dem Einzelnen eigentlich äusserste Zurückhaltung beibringen sollte, nicht nur zusammen einen saufen - sie erzählen einander noch gegenseitig ihre Geschichte, weil Sue gemerkt hat, dass er seinen Figuren doch noch einen Hintergrund geben sollte und er sich - weiss der Henker, warum - scheut, dies in einer auktorialen Erzählung zu tun, die hier die einzig angemessene Form gewesen wäre.


    Es gibt allerdings weiter Passagen, in der er seine Figuren erklären und nicht handeln lässt.


    Dagegen habe ich im Prinzip nichts. Hugo ist in Les Misérables dort am besten, wo er abschweift.


    Schrieben wir die Geschichte in unsere Zeit um, würden wir Trivialliteratur lesen,


    Wir lesen auch so Trivialliteratur ... :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • [
    Er ist nicht nur Schablone - er ist einfach schlecht. Zwecks Spannung beginnt Sue mit einer Schlägerei, dann gehen drei einander praktisch Unbekannte, in und aus einem Milieu, das dem Einzelnen eigentlich äusserste Zurückhaltung beibringen sollte, nicht nur zusammen einen saufen - sie erzählen einander noch gegenseitig ihre Geschichte, ...


    Damit führt uns Sue aber mit dieser Technik in eine Kultur, die ihre eigene Wertvorstellung und Ehrbegriffe hat. Gewalt und Stärke ist da halt so wichtig, wie in unserer Kultur einen Rechtsanwalt zum Freund zu haben, und entsprechend werden diese Aspekte gewürdigt.


    "äusserste Zurückhaltung" dürfte in diesem Umfeld eher ein exotisches Verhalten sein.


    Vor der Fußball Weltmeisterschaft 2006 gab es in Arte einen Bericht über Hoollians in Sheffield. Dort wird ein vergleichbares Mileu sichtbar, in dem man sich trifft, um sich zu verprügeln und um hinterher gemeinsam seine Wunden zu lecken. Die Trivialität des Romans ist also nur bedingt gültig, weil wir nicht merken wollen, wie unsere Klischees in Subkulturen zu komplexen Strukturen entwickelt sind.



    Wir lesen auch so Trivialliteratur ... :breitgrins:


    Da hast du wohl bedauerlicherweise Recht, auch wenn sich für mich die Trivialitäten in den Geheiminssen, historisch bedingt, in Grenzen halten (s.o.).

  • Da hast du wohl bedauerlicherweise Recht, auch wenn sich für mich die Trivialitäten in den Geheiminssen, historisch bedingt, in Grenzen halten (s.o.).


    Ich nehme das zurück. Sue hat keinen Trivialroman geschrieben. Sue ist hier kein Wiederkäuer, denn erst das wiederkäuen ist trivial; Literaturwissenschaft hin oder her.


    Betrachten wir ruhig den Anfang, die Einführung unserer drei Musketiere.


    Da ist die liebliche, im Elend gefangene Marienblume, die vergewaltigt werden soll. Da ist der blutrünstige Messerstecher, der Knab, der sich sein Röslein von der Heiden pflücken will und dann ist da noch unser deutscher Held, der ihm eine auf den Hut haut. Wie wir wissen: hast du ihn auf den Hut gehaut, dann wird er wieder gut. Und genau das passiert.
    Was ist daran trivial? Gerade Mal 33,33.. Prozent, nämlich Rudolf der edle Recke, der, wie sich später zeigt, alle Kampfsportarten, die das 19. Jahrhundert zu bieten hat, glänzend beherrscht, der fast jeder Situation gewachsen ist, und der sich das „Spiel“ amüsiert betrachten kann, also eine reine Kunstfigur a la James Bond ist. Die beiden anderen sind so real, wie es verrohte Soldaten oder missbrauchte Kinder sind.
    Sue hat nicht die Klischees bedient, er hat mit literarischen Mitteln den Zeitungslesern eine widerwärtige Seite der Industrialisierung vor Augen geführt. Er hat gezeigt, dass das verbreitete Klischee, der Charakter hängt von der Herkunft ab, nicht zutrifft. Über seine Sicht, seine romantische Moralität lässt sich streiten, er hat aber, wenigstens in den ersten beiden Abschnitten, nicht mehr Triviales über die Zustände geschrieben, als es Triviales in der Wirklichkeit gibt.


  • Ich habe in eher zwielichtigen Kneipen häufiger erlebt, dass sich die Kombattanten anschließend gegenseitig ein Bier ausgegeben haben.


    Aus eigener Erfahrung kann ich solch ein Beispiel nicht bezeugen, die soziologische Literatur dürfte aber voll von entsprechenden Beispielen der Kooperationen sein: zwischen feindlichen Soldaten im Krieg, organisiertes Verbrechen, Kartellbildung, Profisport....
    Man denke nur an den Spruch: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

  • Hallo,


    ein sozialkritischer Roman mit vielen Kolportageelementen, das trifft den Charakter dieses Romans sicherlich ganz gut. Die Zeichnung der Figuren ist mir auch zum Teil zu plakativ, und "Herr Rudolf" geht mir mit seiner Selbstgerechtigkeit und Selbstjustiz gewaltig auf den Wecker!
    Wenn Sue die Lösung des sozialen Problems sich allein auf diese patriarchalische Weise vorstellte, hat er sicher bei der 48er Revolution mit den Ohren geschlackert. Soweit ich mich an die Literaturgeschichte zu diesem Thema erinnere, hat er sich da auch ganz schnell zurückgezogen.
    Ich bin jetzt mit I,18 fertig und denke mit Schrecken an Rudolfs weitere eigenmächtigen Entscheidungen. Er führt sich hier wie ein Gott auf, der aufgrund seines Geldes und seiner Verbindungen über das Leben anderer, sozial schwächer eingestellter Menschen entscheiden darf. Vergleiche dazu sein Handeln gegenüber Mariefleur und dem Schulmeister. Ich bin gespannt, ob Sue ihn als statische Person durchführt oder ob der Mann doch noch eine Entwicklung zu einem im tieferen Sinne sozialkompetenten Geschöpf durchmacht.


    Ein wenig schlampig arbeitet Sue auch, wie schon unten erwähnt wurde. In dem 13. Kapitel behauptet die Eule, in Toms Brieftasche Unterlagen zu Mariefleurs Eltern gefunden zu haben. In einem früheren Kapitel erwähnt sie aber schon bei der Begegnung mit der Schallerin, dass sie einiges zu ihrer Mutter wisse. Das kann sie zu dem Zeitpunkt aber nicht aus Toms Brieftasche wissen, weil sie den letzten da noch gar nicht bestohlen hatten.


    Lost: Tja, Vergleiche zu Gutzkow kommen bestimmt noch: Bis hierher: Sue schreibt spannender, Gutzkow weniger trivial, dafür geschwätzig.



    Grüße


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Findest Du? Ich habe gestern abend noch die vier ersten Kapitel gelesen - und ich bin alles andere als entzückt. Das (vermutlich: Pseudo-)Argot ärgert mich, da viel zu dick aufgetragen. Die Handlung kommt nicht in die Gänge, da sich Sue damit amüsiert, irgendwelche Gestalten, die noch viel zu frisch sind, um mich wirklich zu interessieren, gleich irgendwelche Jugendgeschichten erzählen zu lassen


    Ja, ich finde der Roman liest sich gut. Über trivial, schlecht gemacht und uninteressant kann man natürlich streiten, aber ich habe vom Roman etwas ganz anderes erwartet. Vielleicht ein wenig anspruchsvoller, philosophischer und schwerer zu lesen. Aber hier wird das Triviale auf dem Tablett serviert und das finde ich angenehm - ein Klassiker der etwas anderen Art. :zwinker:


    Katrin


  • Hallo,


    ein sozialkritischer Roman mit vielen Kolportageelementen, das trifft den Charakter dieses Romans sicherlich ganz gut. Die Zeichnung der Figuren ist mir auch zum Teil zu plakativ, und "Herr Rudolf" geht mir mit seiner Selbstgerechtigkeit und Selbstjustiz gewaltig auf den Wecker!
    Wenn Sue die Lösung des sozialen Problems sich allein auf diese patriarchalische Weise vorstellte, hat er sicher bei der 48er Revolution mit den Ohren geschlackert. Soweit ich mich an die Literaturgeschichte zu diesem Thema erinnere, hat er sich da auch ganz schnell zurückgezogen.
    Ich bin jetzt mit I,18 fertig und denke mit Schrecken an Rudolfs weitere eigenmächtigen Entscheidungen. Er führt sich hier wie ein Gott auf, der aufgrund seines Geldes und seiner Verbindungen über das Leben anderer, sozial schwächer eingestellter Menschen entscheiden darf. Vergleiche dazu sein Handeln gegenüber Mariefleur und dem Schulmeister. Ich bin gespannt, ob Sue ihn als statische Person durchführt oder ob der Mann doch noch eine Entwicklung zu einem im tieferen Sinne sozialkompetenten Geschöpf durchmacht.


    Auf der Seite mit der Blendung des Schulmeisters habe ich das Wort "Scharia" notiert. Gewiss war man damals näher am "Wilden Westen" und der Selbstjustiz und Verstümmlung als Strafe war noch nicht lange außer Gebrauch, doch stimme ich dir zu, unser Fürst schwingt sich in die Rolle des Racheengels auf, in die ein aufgeklärter Mensch nicht passt, wobei wir ihm schon auch eine gewisse impulsive Wut zugestehen sollten. Er war ja selbst vom Tode bedroht. Ich befürchte nur, hier spricht Sue für sich selbst.


    Sue bringt es tatsächlich fertig, ohne Not, viel zu früh und eher beiläufig die Identität der Marienblume zu enthüllen. Er schreibt Passagen, bei denen ich mir vorstelle, so schreibt jemand, der seine Hausaufgaben für eine Schreibwerkstatt erledigt, in der Art: "Beschreiben sie eine viktorianischen Wintergarten". Vielleicht hat er sich auch als Redakteur für die Klatschspalte beworben. Manches klingt danach. Die Zufälle häufen sich so, dass man denken könnte mit Glücksspiel kann man sicher ein Vermögen machen. Doch er schafft es weiter die Fäden so spannen, dass ich ihnen folgen möchte. Es ist eben Kriminiveau.

  • Hallo zusammen,


    ich bin erst auf etwa Seite 70 und überrascht von dem anspruchslosen Stil. Die Geschichte liest sich fast schon zu einfach; die Art, wie die Lebensgeschichten der Personen erzählt werden, kommt mir zu beiläufig vor. Auch die Dialoge sind bisher recht banal, aber gemessen am Milieu wohl authentisch. Dass ein Klassiker mit so vielen Spannungselementen auf so wenigen Seiten aufwartet, ist für mich eher ungewohnt. Vielleicht geht die Handlung aufgrund der Spannung bisher noch wenig in die Tiefe, aber das ändert sich möglicherweise mit der Entwicklung der Charaktere und dem weiteren Geschehen.


    Grüße
    Doris


  • Auch die Dialoge sind bisher recht banal, aber gemessen am Milieu wohl authentisch.


    Vorsicht! Ich kenne nun die Dialoge bei Sue leider (noch) nicht, aber die Idee, dass man "im Millieu" besonders banal, simpel oder einfach spricht, ist definitiv falsch. Das ist mitunter extrem kompliziert und die Sprecher bemerken sofort einen falschen Tonfall. Da gibt es eine eigene Grammatik und eigene Semantik. Und die Sprachgemeinschaft kann das sehr genau unterscheiden. Simpel: ist das nicht, nur: anders. Also jedenfalls nicht unter grammatischen Gesichtspunkten 8-).

  • Vorsicht! Ich kenne nun die Dialoge bei Sue leider (noch) nicht, aber die Idee, dass man "im Millieu" besonders banal, simpel oder einfach spricht, ist definitiv falsch. Das ist mitunter extrem kompliziert und die Sprecher bemerken sofort einen falschen Tonfall. Da gibt es eine eigene Grammatik und eigene Semantik. Und die Sprachgemeinschaft kann das sehr genau unterscheiden. Simpel: ist das nicht, nur: anders. Also jedenfalls nicht unter grammatischen Gesichtspunkten 8-).


    Ist man auf eine Übersetzung angewiesen, resultieren daraus noch weitere Schwierigkeiten. :sauer:

  • Nach einem langen Arbeitstag bin ich erst ein Kapitel weiter, nun bei Kapitel 5. Ich bin wieder einmal froh, dass ich auf Französisch lesen kann, "die Schallerin" würde ich wohl nicht lange aushalten. Auch der sogenannte "Tschurimann" (Chourineur) hört sich ganz anders an, nachdem in seiner Lebenserzählung das Verb chouriner x-mal vorkam und richtiggehend zu klingen begann.


    Zitat von "Doris"

    Dass ein Klassiker mit so vielen Spannungselementen auf so wenigen Seiten aufwartet, ist für mich eher ungewohnt.


    Nicht vergessen, dass der Roman als Fortsetzungsroman in der Zeitung entstand! In dieser Hinsicht erstaunt mich die Länge der Kapitel. Wenn die heutigen Kapitel die Portionen beim Erscheinen waren, so sind das recht grosse Happen für den Zeitungsleser.
    Am Ende von Kapitel 4 und 5 wird zum ersten Mal die Spannung auf das nächste Kapitel geweckt wird: Ein tragischer Zwischenfall wird angekündigt bzw. zwei fremde englischsprechende Personen tauchen auf.


    Die Banalität der Dialoge ist mir bis jetzt nicht aufgefallen, das liegt vielleicht an der Übersetzung. Dagegen hatte es in der Lebensbeschreibung des Chourineurs witzige Stellen und Formulierungen, besonders gefallen hat mir die Auskunft über seine Eltern:Mes parents? Logés au même numéro que ceux de la Goualeuse..." (Kapitel 4)
    Oder Schlagfertigkeit (Kapitel 5, Polizist und Rodolphe):
    -Tiens! je ne le connais pas, celui-là, dit l'agent, en examinant Rodolphe.
    -Et nous ne ferons pas connaissance, mon camarade, répondit celui-ci.
    -Je le désire pour vous, dit l'agent.


  • Ich bin wieder einmal froh, dass ich auf Französisch lesen kann, "die Schallerin" würde ich wohl nicht lange aushalten. Auch der sogenannte "Tschurimann" (Chourineur) hört sich ganz anders an ...


    Ja, Maja, neben der absoluten Trivialität der gesamten Erzählung sind es diese Übersetzungen, die das Buch für mich ungenießbar machen. Ich staune, dass selbst in einer neuen Ausgabe dieser Quatsch immer noch vorzukommen scheint.


    Es grüßt


    Tom

  • Ohne jetzt das Buch zu kennen: "Schallerin" und "Tschurimann" mögen zwar seltsam aussehen, aber "schallen" (singen) und "Tschuri" (Messer) sind tatsächlich echte Rotwelsch-Wörter. Rotwelsch klingt nun einmal einigermaßen bekloppt und nervtötend. ;-)


    Von Günter Puchner gibt es ein nettes Büchlein mit Übersetzungen ins Rotwelsch ("Kundenschall. Das Gekasper der Kirschenpflücker im Winter"). Darin übersetzt er ausschnittsweise einige bekannte und unbekannte Texte ins Rotwelsche. Hier mal ein Zitat aus Puchners Oblomow-Übersetzung nebst hochdeutscher Entsprechung:


    Zitat


    Oblomow hob an zu klären.
    Doch schäfte er im Frost, was er tifteln tarrte: ob ein Flitt des Tofelsten, ob an die blanke Kasematte, zi ob er sich dazu rudeln tarrte, die Nollfiesel durchzuspannen? Er verrieb sich in der Au der Scheinsauren und heftete fest boppen, wobei er sich von der ecken Halben auf die wawre trillte.


    Zitat


    Oblomow begann zu denken.
    Doch war er in Verlegenheit, woran er denken sollte: ob an den Brief des Ältesten, ob an die neue Wohnung, oder ob sich daran machen sollte, die Rechnungen durchzugehen? Er verlor sich in der Flut Alltagssorgen und blieb immer noch liegen, wobei er sich von einer Seite auf die andere kehrte.


    Bei Google-Books findet man auch Rotwelsch-Wörterbücher, beispielsweise: http://books.google.de/books?id=tV0VAAAAYAAJ&jtp=102


    Schöne Grüße,
    Wolf