Eine Frage Sandhofers aus einem frühen Post, deren Beantwortung ich mir eigentlich bis zum Schluss aufheben wollte, werde ich jetzt schon beantworten:
Ja.
Dieses Kapitel, das gut separat zu lesen ist , gehört ins Lesebuch als auch ein Beispiel für deutsche Literatur der Nachkriegszeit, neben die Texte von Borchert, Böll, Grass, Lenz und Co.
Thelens Text gehört zu den Versäumten Lektionen .
Nun nennst Du Namen ... Wenn Du "Nachkriegszeit" als Epoche meinst, so wie "Romantik" eine ist, würde ich mal behaupten: Da gehört er nicht hin. Altersmässig: Ihn trennt fast eine Generation von diesen (damals) jungen Wilden. Thematisch: Denn er schildert nicht das Deutschland zur Nazi-Zeit oder kurz nach dem Krieg. Hans Werner Richter (neckischerweise dieselbe Generation wie Thelen ;)) hat das wohl gespürt, und mit seiner Kritik am "Emigrantendeutsch" festzumachen versucht. Thelen war ein Emigrant, sein Werk in der deutschen Nachkriegsliteratur fehl am Platz, selbst wenn oder gerade weil der Nationalsozialismus eine zentrale Rolle darin spielt. Thelens Werk ist m.M.n. genausowenig "Nachkriegsliteratur" wie Thomas Manns Doktor Faustus: Mann zwar nochmals eine Generation älter, aber beide Autoren ähnlich sprachmächtig, die aber als Emigranten die volle Härte der Vor-, Nach- und Kriegszeit nicht unbedingt zu spüren bekommen haben, und nun quasi "von aussen" sich dem Phänomen des Nationalsozialismus anzunähern suchen. Was für mich allerdings gerade dafür spräche, Thelens Insel in den Kanon aufzunehmen. (Während ich auf Borchert, Böll und Lenz gerne verzichte ... :breitgrins: .)
Mein Problem mit der Insel sind die "privaten" Passagen: Wie weit kann Nur-Privates Anspruch erheben auf Kanonisierung? Casanova ist kanonisiert, weil er mit seinem Ausbruch aus den Bleikammern etwas schaffte, das vor und nach ihm keiner zu Stande brachte, und weil er mit den Frauen offenbar auch Dinge schaffte, die ungewöhnlich genug waren, um interessant zu werden, und dies über Jahrhunderte. Und da habe ich bei Thelen immer noch meine Zweifel: Er trennt für mich seinen Vigoleis zu wenig von sich selber ... Mag sein, das war Programm, aber mich irritiert es trotzdem und trotz aller sprachlichen Schönheiten.