Juli 2009 - Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts

  • Ich bin unterdessen in Buch 4, Kapitel I. Beatrice und Vigoleis sind einmal mehr umgezogen; dieses Mal allerdings, versichert uns der Autor, ist's für die nächsten fünf Jahre gut. Einige der Figuren der ersten drei Bücher tut Thelen nun summarisch ab, die verreisen, verlassen die Insel und sterben oder sie ziehen sich von Palma ins Innere zurück. Interessant, wie der Autor hier richtiges Leben und literarische Technik verknüpft; und der Leser weiss wirklich nicht, sind nun diese Personen "wirklich" abgereist oder hat der Autor ganz einfach keine Verwendung mehr für sie, auch wenn er damals "in Wirklichkeit" die Schauspielerin noch jeden Abend gesehen hat.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich habe inzwischen bis Seite 130 gelesen und frage mich, wo Sandhofer seine Buch- und Kapiteleinteilungen her nimmt. Ich bin bisher nur auf Kapitel mit römischen Buchstaben gestoßen unterbrochen mit in "*" unterteilten Abschnitten. Vermutlich stecke ich noch im ersten Buch ;-)


    Die große Stärke macht meines Erachtens die Sprache aus. Ich habe schon lange nicht mehr so gute Beschreibungen gelesen. Er verwendet im besten Sinn originelle Metaphern, Vergleiche und Wortschöpfungen. Szenen wie die Fliegenflut beim Metzger sind sehr einprägsam.


    Die Anleihen bei der Bibel etc. wirken für mich sehr organisch und nicht künstlich aufgepropft wie bei anderen. Auch die diversen Bildungseinsprengsel finde ich meist interessant und "passend".


    Was den Inhalt angeht, frage ich mich ab und zu, ob da nicht stilistische Perlen für Säue geworfen werden, obwohl natürlich die Schilderungen des Rotlichtmilieus in Palma nicht unamüsant sind.

  • Ich habe inzwischen bis Seite 130 gelesen und frage mich, wo Sandhofer seine Buch- und Kapiteleinteilungen her nimmt. Ich bin bisher nur auf Kapitel mit römischen Buchstaben gestoßen unterbrochen mit in "*" unterteilten Abschnitten. Vermutlich stecke ich noch im ersten Buch ;-)


    Wird so sein. Wenn Du die Claasen-Ausgabe von 2003 liest, müsste auf S. 15 ein "Erstes Buch" stehen. (Ich habe es selber auch erst gefunden, als da plötzlich die Überschrift "Zweites Buch" stand ... :redface: )


    Im übrigen bin ich jetzt in Buch 4 weiter vorgedrungen. Thelen beschreibt in aberwitziger Weise Vigoleis' erste Erfahrung als Führer. (Nicht A.H. ist gemeint natürlich, Vigoleis und Beatrice amten als Fremdenführer.) Bisher eine der besten Passagen dieses an guten Passagen reichen Buchs.

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  • Hallo zusammen,


    ich bin auch schon seit einiger Zeit an der Thelen-Lektüre und sehr davon angetan. Thelens sprachliches Feuerwerk (das ja grösstenteils nicht blosses Brimborium ist, sondern durchaus adäquat eingesetzt ist, d.h. die Sprache ist meines Erachtens dem Inhalt angemessen) und das originelle Konzept, das dieser Autobiographie zu Grunde liegt (ich denke an die "angewandten Erinnerungen" und den "doppelten Vigoleis") machen das Buch nicht nur lesenswert; eine Kanonisierung wäre für mein Dafürhalten gerechtfertigt. Es wird zwar immer von einem "Geheimtipp" gesprochen und es gibt ja auch so eine Art verschworene Thelenverehrer-Gemeinde, aber ich habe mal die Probe aufs Exempel gemacht: sowohl in Reclams Roman Lexikon (anfang der 90er) als auch im Harenberg (Buch der 1000 Bücher) wird Thelen aufgeführt. Dagegen habe ich von ihm während meines gesamten, bald abgeschlossenen Germanistikstudiums zugegebenermassen nie gehört...


    sandhofer: warum findest Du den Helden nicht sympathisch? Das geht mir vollkommen anders: Vigoleis ist ja im Grunde ein Pikaro, der gerade durch sein Anderssein und aufgrund der Einräumung von Schwächen des Lesers Sympathie gewinnt, zumindest meine. Wenn man an die Pilar-Episode denkt, kann man sicherlich anderer Meinung sein, aber im Ganzen betrachtet?


    Imrahil

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Lohnenswert die Thelenseite: http://www.vigoleis.de


    Dort finden sich auch Karten von Mallorca, wo die verschiedenen Stationen Vigoleis' verzeichnet sind. Zudem informiert die Seite über Neuigkeiten zu Thelen. Auch kann man antiquarisch Bücher beziehen.

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  • sandhofer: warum findest Du den Helden nicht sympathisch?


    Sym-Pathie heisst ja Mit-Leiden. Mit Vigoleis leide ich nicht. Dazu ist er zu sehr Tölpel in z.B. der Geschichte mit und um Pilar. Zu sehr radomontierender Held und Alleskönner im Kapitel seiner ersten Inselführung. In gewissem Sinn zu menschlich. Ich hätte Vigoleis nicht unbedingt kennenlernen wollen. Sein persönliches Schicksal finde ich uninteressant, selbst dann, wenn das Pärchen Selbstmord begehen will. (Was wohl mit der Technik des Romans zusammenhängt, seinen ständigen Vor- und Rückschauen.) Nun muss ich einen Protagonisten ja nicht sympathisch finden, um das Buch dennoch zu goutieren. :zwinker: Die meisten Picaros der Literaturgeschichte finde ich übrigens unsympathisch, was damit zusammenhängt, dass sie weniger als Personen und mehr als Weltspiegel des Autors funktionieren müssen / dürfen. Insofern ist Vigoleis der vielleicht perfekteste Picaro seit Tristram Shandy. In beiden Werken geht es kaum um den Protagonisten, in beiden Werken sind die grossen Momente die, in denen der Protagnist mehr oder weniger abwesend ist.

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  • Natürlich hast Du Recht Sandhofer: man muss keineswegs den Helden sympathisch finden oder sich gar mit ihm "identifizieren" können, um ein Buch gut zu finden. "Die Insel des zweiten Gesichts" ist ein äusserst humorvolles Buch, und das färbt auf den Ich-Erzähler ab, der ja auch Vigoleis ist. Vielleicht kommt auf diese Weise meine Sympathie für Vigoleis zustande. Daneben ist er ein gegen den Strom schwimmender Aussenseiter mit menschlichen Schwächen, auch (übertriebenen) Stärken, Künstler und ein begnadeter Erzähler. Denn Ich-Erzähler und Vigoleis lassen sich ja schwer voneinander scheiden. Es handelt sich um keine strikt trennbare Ich-Spaltung. Das wäre auch ein interessanter Diskussionsansatz: wann finden die Wechsel von Ich- zu Er-Perspektive statt? Gibt es ein Muster? etc.


    Imrahil

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  • Buch 4 fertig. Aktueller Stand von Vigoleis' Dingen: 1933 - Hitler hat in Deutschland die Macht übernommen. Vigoleis profiliert sich als Anti-Faschist. Se non è vero, è ben trovato. Wenn man Thelen so liest, hat man den Eindruck, Mallorca habe da kurz nach Hitlers Machtergreifung eine zentrale Rolle im nationalsozialistischen Hegemoniestreben gespielt. Da bin ich nun in Geschichte zu wenig firm. Das müsste doch bedeuten, dass einige Schwergewichte vor den Nazis nach Mallorca geflohen wären? Vigoleis-Thelen kann ja so eines nicht gewesen sein. Eher so ein kleiner Unruhewurm, den man bei Gelegenheit dann nebenbei zertritt. Ich nehme Buch 4 fürs erste so zur Kenntnis.


    Daneben ist er ein gegen den Strom schwimmender Aussenseiter


    Er lässt sich eher einfach treiben, finde ich. Schwimmen, also Aktion, findet, wenn schon, dann eher im falschen Moment statt. Wenn er in einen prospektiven Job angeboten kriegt (um den er sich ja nicht aktiv beworben hat!), mit prospektiver dazugehörender Wohnung, und nun det Janze hinschmeisst, weil in der prospektiven Wohnung kein Kleiderschrank steht. Und zurückgeht in seinen Hurenturm, wo er auch keinen Kleiderschrank, ja im wörtlichen Sinn nicht einmal ein Dach überm Kopf hat. Das ist so deppert, dass ich nicht glauben kann, dass das erfunden ist.


    ein begnadeter Erzähler.


    Ist er, ja.


    Denn Ich-Erzähler und Vigoleis lassen sich ja schwer voneinander scheiden. Es handelt sich um keine strikt trennbare Ich-Spaltung. Das wäre auch ein interessanter Diskussionsansatz: wann finden die Wechsel von Ich- zu Er-Perspektive statt? Gibt es ein Muster? etc.


    Gute Frage ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Wird so sein. Wenn Du die Claasen-Ausgabe von 2003 liest, müsste auf S. 15 ein "Erstes Buch" stehen. (Ich habe es selber auch erst gefunden, als da plötzlich die Überschrift "Zweites Buch" stand ... :redface: )


    Schuld bin ich, offenbar lese ich zu langsam. Bin eben auch das zweite Buch gestoßen. Angesichts der Sprachdichte legst Du ja ein ordentliches Tempo vor. Ich werde es gemächlicher angehen lassen und zwischen den Büchern auch mal Lesepausen einlegen.


    CK


  • Wenn man Thelen so liest, hat man den Eindruck, Mallorca habe da kurz nach Hitlers Machtergreifung eine zentrale Rolle im nationalsozialistischen Hegemoniestreben gespielt.

    :breitgrins:
    Genau das war auch mein Eindruck bei der Lektüre des 4. Buches, das ich im übrigen noch lange nicht beendet habe! Deshalb hatte ich schon mal ein wenig recherchiert.
    Was ich bestätigt gefunden habe:
    - starke Nazi-Präsenz auf der Insel
    - seit 32 gab es eine Ortsgruppe der NSDAP
    - Wählen auf Urlaubschiffen hat stattgefunden
    - Gestapo-Spitzel seit 33
    - aktive Unterstützung der Falange durch die Nazis von Mallorca aus
    seit 33 ist der SS-Obersturmbannführer Johannes Bernhard in Denia ansässig, der Hitlers Hilfe für
    Franco eingefädelt hatte


    Natürlich darf man in den "angewandten Erinnnerungen " nicht alles für bare Münze nehmen. Es ist eben kein historisches Dokument... Besonders den strammen Anti-Faschisten nehme ich Vigoleis/Thelen nicht ganz ab.

  • Angesichts der Sprachdichte legst Du ja ein ordentliches Tempo vor.


    Vielleicht ist es gerade diese Sprachdichte, die sich als Sog auswirkt ... Jedenfalls lese ich das Buch wirklich gerne. Es ist wie ein alter Burgunder. Geht 'runter wie nix ... (auch wenn ich weiss, dass man den langsam angehen sollte ... :redface: ).


    Besonders den strammen Anti-Faschisten nehme ich Vigoleis/Thelen nicht ganz ab.


    Den Anti-Faschisten schon. Aber diese Dezidiertheit, mit der er Abgesandte des neuen Deutschland vor die Tür stellt? Andererseits: Das ist angesichts seines Verhaltens in andern Situationen so unwahrscheinlich, dass es schon wieder wahr sein könnte. Es gibt diese Leute: In gewissen Dingen absolut weich, nachgiebig ("feige", wie Thelen seinen Vigoleis nennt) - in andern, für sie wichtigen: knallhart und ohne Rücksicht auf Verluste, vor allem nicht auf eigene.

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  • Den Anti-Faschisten schon. Aber diese Dezidiertheit, mit der er Abgesandte des neuen Deutschland vor die Tür stellt?


    Ja, das meinte ich mit "stramm". Dieses dezidierte, geradlinige, konfrontative Verhalten passt irgendwie nicht zu Thelen, wie wir ihn bislang kennengelernt haben und es passt erst recht nicht zu seiner Kunstfigur Vigoleis. Es sieht mir irgendwie nach Klitterung aus.



    Wenn er in einen prospektiven Job angeboten kriegt (um den er sich ja nicht aktiv beworben hat!), mit prospektiver dazugehörender Wohnung, und nun det Janze hinschmeisst, weil in der prospektiven Wohnung kein Kleiderschrank steht. Und zurückgeht in seinen Hurenturm, wo er auch keinen Kleiderschrank, ja im wörtlichen Sinn nicht einmal ein Dach überm Kopf hat.


    Das hast Du in einem vorangegangenen Post schon einmal geschrieben. Durch Wiederholen wird's nicht richtiger :zwinker: Es ist ja nicht so, dass Vigoleis und Beatrice Job und Zimmer nur wegen eines fehlenden Kleiderschranks sausen lassen. Es geht um mehr als nur den Schrank , es geht um "Ehre". Als den beiden nämlich klar wird, dass es keinen Schrank in dem Zimmer gibt, spitzt Beatrice ihren Vigoleis an, sich nun endlich mal durchzusetzen. Vigoleis will beweisen, dass er auch anders kann, legt sich bei seinem künftigen Chef mächtig ins Zeug, die Situation eskaliert, nun gibt es kein Zurück mehr - weder von seinem Chef noch von ihm aus, aus Prinzip nicht. Das ist dann zwar auch dumm gelaufen und "deppert", aber anders, auf eine donquichoteske Art.



    Das ist so deppert, dass ich nicht glauben kann, dass das erfunden ist.


    Interessante Theorie. Ich glaube, es ist eher umgekehrt. Thelen stilisiert Vigoleis zum Don Quichote und lässt ihn bei dem Versuch, seiner Dulcinea zu imponieren, in etwas hineinreiten, was sich in Wirklichkeit wahrscheinlich viel weniger absurd und deppert abgespielt hat. Stilisierung und Pointierung des Geschehens, das ist wohl das "Angewandte" an den Erinnerungen des Albert Vigoleis Thelen.

  • Buch 4 fertig.


    Ich habe gestern Abend festgestellt, dass das gar nicht stimmt. Ich bin jetzt in 4/X, war also mit 4/IX fertig, und habe gestern noch Vigoleis' Ein-Stuhl-im-Raum-Lehrmethode kennengelernt.


    Gontscharow: Wir sind uns im Prinzip wohl einig. Das Angewandte in/auf dieser Insel des zweiten Gesichts? Wird sich wohl (leider?) nicht mehr feststellen lassen. Gerade diese Übertreibungen, die aus Vigoleis einen andern Don Quijote machen, finde ich so übertrieben, dass sie ein guter Autor selbst dann weglassen müsste, wenn er seinen Protagonisten als eben andern Don Quijote schildern will. Wenn Thelen das nicht weglässt, dürfte es eigentlich nur sein, weil's halt der Wahrheit, dem Thelen'schen Sein, nicht nur dem Vigoleis'schen entspricht.


    Ich frage mich übrigens, wie weit Thelen jenen andern Schelm im Krieg kannte: Charles de Costers Ulenspiegel (Die Geschichte von Ulenspiegel: Und Lamme Goedzak und ihren heldenmäßigen, fröhlichen und glorreichen Abenteuern im Lande Flandern und anderwärts). Ist zwar auf Französisch geschrieben, handelt aber vom Flamen Ulenspiegel, und wäre somit geografisch-linguistisch in der Nähe von Thelens geliebten Niederlanden anzusiedeln. Und vom Charakter her (ist zwar eine Zeit, dass ich's gelesen habe) könnten die zwei Helden de Costers auch auf Thelens Protagonisten übertragen werden.

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  • Ich bin im 2. Buch angekommen. Wunderbar ist am Ende des ersten Buches die Ansprache an den Leser, sich die Sache doch noch Mal zu überlegen und noch rechtzeitig aus der Lektüre auszusteigen. Das erinnerte sehr an Sterne.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Ja, Sterne, Jean Paul kann man sich als literarische "Vorbilder" sehen, vielleicht auch Wilhelm Raabe (den er an einer Stelle zitiert). Hippel würde wohl auch in diese Reihe passen, den kenne ich aber noch nicht.

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen


  • Hippel würde wohl auch in diese Reihe passen, den kenne ich aber noch nicht.


    Von dem habe ich bisher noch nie gehört. Aber eine kurze Recherche zeigte mir, das ich da wohl noch was nachzuholen habe. Danke für den Tip!

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • So, ich bin mit 4/XI fertig. Immer dann, wenn Thelen über andere als den Vigoleis erzählt, wird es richtig spannend und mitreissend. So auch jetzt wieder diesen Clan verarmter Adliger, der noch im Besitz der Kartause von Valldemossa ist, wo Chopin und Sand eine Zeitlang hausten. Denen allerdings widmet Thelen kaum ein Wort.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ein Hinweis: Deutschlandradio, So 30. August, 0.05 Uhr - »Der Tod im Inselgarten«. Deutschsprachige Schriftsteller im Exil auf Mallorca. Von Christian Buckard und Daniel Guthmann, SWR 2007. Neben Thelen und Kessler hatten auch Franz Blei oder Karl Otten (sagt mir nichts) auf der Insel Zuflucht gesucht.

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen


  • So, ich bin mit 4/XI fertig.


    Und ich mit 4/XII, das ich hiermit zu meinem (bisherigen) Lieblingskapitel erkläre! Es enthält alles, was die Insel lesens-und liebenswert macht:
    - Kabinettstückchen der Beschreibung wie die des Kramladens der Frau Carmen
    Thelen ist ein Meister der Akkumulation!
    - Wortwitz und hohe Sprachkunst
    Man achte nur mal auf die Synonyme für Nachttopf: Geschirr, Gescherbe, Gral, Urinal,
    Urne, Brunzscherbe ... oder auf Inliterationen wie ..räumten die frömmelnden
    Schachteln das Feld
    - virtuose Erzählkunst
    Hier ist sie wieder, die Tölpelhaftigkeit des Protagonisten (Dichtung oder Wahrheit?)
    - köstliche Schilderung der mallorquinischen Lebensart
    - originelle philosophische, theologische und ethnologische Überlegungen
    - Einbeziehung der Zeitgeschichte, wobei sogar noch deren literarische Verarbeitung durch
    Bernanos berücksichtigt wird.


    Eine Frage Sandhofers aus einem frühen Post, deren Beantwortung ich mir eigentlich bis zum Schluss aufheben wollte, werde ich jetzt schon beantworten:


    Zitat

    Sollte sein Buch "von Rechtes wegen" zum Kanon gehören ...?


    Ja.
    Dieses Kapitel, das gut separat zu lesen ist , gehört ins Lesebuch als auch ein Beispiel für deutsche Literatur der Nachkriegszeit, neben die Texte von Borchert, Böll, Grass, Lenz und Co.
    Thelens Text gehört zu den Versäumten Lektionen .