März 2003: James Joyce - Ulysses

  • Hallo JMaria


    Zu diesem Irrfelsen-Kapitel ist vielleicht deshalb so wenig geschrieben worden, weil es vor allem nach dem schwierigen Skylla-und-Charybdis-Kapitel, doch sehr einfach zu lesen und zu verstehen ist. Mir hat es auch überaus gut gefallen. Man bekommt ein sehr lebendiges Bild des Dublin um 1904 vermittelt.
    Joyce sagte einmal: "Ich will ein so vollständiges Bild von Dublin vermitteln, daß die Stadt, wenn sie eines Tages plötzlich vom Erdboden verschwände, nach meinem Buch wieder aufgebaut werden könnte."
    Das ist ihm wohl gelungen und ich kann mir gut vorstellen, daß schon viele literarische Stadtbummler mit dem "Ulysses" in der Hand durch Dublin gestreift sind.

    Zitat

    Nicht zu vergessen, unseren Schnösel (so nenn ich ihn in Gedanken, seit ich das Kapitel gelesen habe) Blazes Boylan. Wie er sich den Korb mit Früchten von der jungen Verkäuferin füllen ließ.


    Besonders gut haben mir da die "schamgesichtigen Pfirsiche" gefallen :smile:


    Zitat

    War J.J. kein Amerika-Freund? Eine Aussage war ja ziemlich hart: S. 322


    Amerika? .... Was ist das denn auch? Der Abschaum aller Länder, einschließlich unseres eigenen. Stimmts etwas nicht? Ist doch Tatsache


    Ich glaube das war damals in allen europäischen Ländern die vorherrschende Meinung unter den Daheimgebliebenen; daß nämlich nur diejenigen nach Amerika gehen, die es zu Hause zu nichts gebracht haben und somit nur Nichtsnutze und Faulpelze auswandern um die es nicht schade ist wenn sie gehen. So daß Amerika nur ein Schmelztigel sämtlicher verkrachten Existensen Europas sei.


    Zum Untergang der "General Slocum" in New York enthält dieser Link noch mehr Informationen:


    http://www.volksstimme.at/arch/woche/2003/08-16-02.html


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen !


    Danke, ikarus, für den General-Slocum-link - eine sehr große Tragödie. Es hat mich gleich an Fontanes "John Maynard" erinnert !



    JMaria schrieb:

    Zitat

    Für mich stand im Mittelpunkt, der fahrende Händler mit seinen Büchern.


    Das "Wandering-Rock"-Kapitel schien mir ein Sammelsurium verschiedenster Themen - die Bücher als Oberbegriff und verbindendes Element :smile: , endlich habe ich den roten Faden gefunden, danke !



    Das Sirenen-Kapitel habe ich heute morgen beendet. Ich fand es stellenweise sehr schwierig, die Übersicht zu behalten, so viele Anspielungen, die abgehackten Silben (eben der Musik nachempfunden) usw. Ich glaube, vor lauter "hören" habe ich die eigentliche Handlung gar nicht "gesehen" ... Man merkt auf jeden Fall, dass Joyce ein sehr großer Musikliebhaber war und Musik für ihn offensichtlich sehr erotisch war.

    ikarus schrieb:

    Zitat

    Ob man den Stift mit dem Bloom den Antwortbrief an Martha schreibt als den Mastbaum an den sich Odysseus fesseln lies interpretieren kann?


    Genial, ikarus - wie du die Parallelen zu Homer ziehst. Mit deinen Gedanken sehe ich das Kapitel nun in einem völlig anderen Licht, es ist wirklich richtig gut !!!


    Überhaupt finde ich das Gemeinsame Lesen diesmal besonders interessant und anregend - jeder hat andere Gedanken dazu und insgesamt ergibt sich ein großes facettenreiches Bild !


    Ich freue mich nun auf das Cyklops-Kapitel. Eigentlich komisch, obwohl Ulysses so schwierig zu lesen ist und sehr viel Nachdenken erfordert, hat es mich richtig gefesselt und ich bin immer schon gespannt auf das nächste Kapitel. Ich lese nur im Schneckentempo und kann es einfach nicht weglegen. Wie geht es euch ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo Leute


    Steffi fragt, wie´s uns beim Lesen geht. Also ich lese immer noch mit einem gewissen Vergnügen, nicht schnell, aber immerhin.
    "Scylla und Charybdis" und "Sirenen" stellten für mich einige Knackpunkte dar. Besonders "Scylla und Charybdis" wegen der ständigen Anwesenheit Shakespeares. Ich mag Shakespeare! Und dieses Kapitel kam mir wie ein Puzzel oder Kreuzworträtsel vor, das ich aber leider nicht lösen konnte.
    Anhand meiner "zahlreichen" Beiträge ist zu erkennen, dass ich meine Gedanken zu diesem Buch bisher nicht so recht in die Reihe bekomme.
    Ist so was wie ein Gedanke vorhanden, wird er beim lesen so flüchtig und verwischt, dass ich oft meine liebe Müh´ hab.
    Nebenbei: Ob akademisch-literarisch "Vorbelastete" weniger mühe haben mit diesem Buch?


    Schöne Grüße
    Rainer

  • Hallo zusammen


    ich habe nun das Sirenen-Kapitel beendet und bin schwer beeindruckt. Wenn man in einen gewissen Rhythmus liest, dann konnte ich ab und zu Musik spüren. Ein seltsames Gefühl Musik zu lesen. Es war nicht immer so, aber je mehr ich mich in das Kapitel rein las, desto einfacher war es.


    Ich bin aber auch kein Musikexperte, ich gehe da rein nach meinem Gefühl.


    Ikarus, dein Gedanke, daß die Sirenen die männlichen Sänger: Simon Dedalus, Ben Dollard und Ben Cowley, darstellen war genau richtig. In der "Analysis" wird das ebenfalls erwähnt. Aber auch die beiden Bardamen
    "Gold und Bronze" oder auch "Mina und Lydia" genannt sind die Sirenen.
    Ein Beispiel ist das Strumpfbandknallen, das besonders Blazes Boylan erregte (oder wie J.J. schreibt errekte). Er ging dann auch sehr schnell, da er ja eine Verabredung mit Molly hatte.


    In dem Kapitel unterhalten sich die Dubliner wieder über Marion (Molly) Tweedy. Ziemlich frivol sogar, wie schon in einem Kapitel vorher.


    Leopold Bloom hat es nicht einfach. Er weiß auch, daß Blazes Boylan auf dem Weg zu Molly ist und hier benutzt J.J. die Musik um die Rivalität zwischen den beiden zu verdeutlichen.


    Gegen Ende gibt sich Bloom sogar dem Gedanken hin, daß es evtl. noch nicht zu spät ist.


    In der Zwischenzeit setzt Bloom einen Antwortbrief auf für Martha.


    Übrigens hat Bloom zu diesem Zeitpunkt Boylan zum 3.mal getroffen. Das erste Mal im Kapitel Hades, dann vor dem Museum als sich Bloom dann versteckte am Ende des Lestrygonians-Kapitel und nun in der Sirenen-Episode.


    Es ist zu diesem Zeitpunkt 4.00 Uhr. Bemerkenswert, da um 4.00 Uhr auch die Verabredung mit Molly ist. Fazit: Boylan kommt zu spät.
    Dazu Bloom:

    Die Tasche von Goulding, Collis, Ward führte Bloom vorüber an kornbloomgeblümten Tischen. Ziellos erwählte mit aufgewühltem Ziel er, von kahlem Pat bedienstet, einen Tisch nah der Tür. Nah sein. Um vier. Hat er's vergessen? Vielleicht ein Trick. Nicht kommen: wetzt den Appetit. Ich könnte's nicht. Warten, warten. Pat, Aufwartung, wartete auf


    Traurig, nicht wahr?


    durch die Verführung durch die Musik erinnert sich Bloom wieder an die Vergangenheit.


    Bloom geht, der Apfelwein - oder wars der Burgunder - rumort und mit einem Furz endet das Kapitel. Soviel zu "Verführung", besser hätte Bloom den "Sirenen" nicht antworten können. Genial.


    Rainer:

    Zitat


    Steffi fragt, wie´s uns beim Lesen geht. Also ich lese immer noch mit einem gewissen Vergnügen, nicht schnell, aber immerhin.


    geht mir genauso. Langsam aber stetig. Ich muß nach einem Kapitel auch immer ein zwei Tage Pause machen um darüber nachzudenken, die Analysis zu lesen. Manchmal mach ich das vor und nach einem Kapitel. Das hilft mir sehr, und natürlich auch eure tollen Beiträge.


    Zitat

    Anhand meiner "zahlreichen" Beiträge ist zu erkennen, dass ich meine Gedanken zu diesem Buch bisher nicht so recht in die Reihe bekomme.
    Ist so was wie ein Gedanke vorhanden, wird er beim lesen so flüchtig und verwischt, dass ich oft meine liebe Müh´ hab.


    Mach dir darüber keine Gedanken, Rainer. Wenn ich mir keine Notizen machen würde, dann wäre ich hilflos verloren. Aber Notizen machen liegt auch nicht jedem. Ich bin der Ansicht, daß auch das Lesegefühl nicht vergessen werden darf und ich bin überzeugt, das hast du: Ein Gefühl für J.J. Das ist doch das Wichtigste, oder?


    Zitat

    Nebenbei: Ob akademisch-literarisch "Vorbelastete" weniger mühe haben mit diesem Buch?


    Keine Ahnung, bin jungfräulich an die Sache rangegangen ohne große Vorkenntnisse (außer dass ich mit euch Homer gelesen habe) und genieße Ulysses sehr. Sicherlich gibt es schlauere Köpfe die mehr aus der Geschichte ziehen, aber das ist mir nicht so wichtig. :)


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    Steffi:


    Zitat

    Eigentlich komisch, obwohl Ulysses so schwierig zu lesen ist und sehr viel Nachdenken erfordert, hat es mich richtig gefesselt und ich bin immer schon gespannt auf das nächste Kapitel. Ich lese nur im Schneckentempo und kann es einfach nicht weglegen. Wie geht es euch ?


    Das hast Du gut beschrieben. Genau so geht´s mir auch. Ich lese auch sehr langsam und daß man auf´s nächste Kapitel immer so gespannt ist liegt meiner Meinung nach daran, daß man sich in dem Buch wie in einem Labyrinth vorkommt. Es ist voller überraschender Wendungen. Sowohl im Stil als auch in der Geschichte. Man weiß nie was einen hinter der nächsten Ecke erwartet und wo einen der Weg überhaupt hinführt. Eine wahre Lese-Odyssee. Ich finde auch, daß das gemeinsame Lesen bei diesem Buch besonders viel bringt.


    Rainer: Mach´Dich nicht verrückt. Ich habe nach manchem Kapitel auch schon zwei Tage gebraucht um meine Gedanken einigermaßen auf die Reihe zu kriegen. Ich habe auch gemerkt, daß man sich viel an Lesespaß vergibt, wenn man sich ständig fragt: "Wie ist das nun schon wieder gemeint?" Gerade beim Sirenen-Kapitel habe ich manchmal einfach abgeschaltet und nur auf den Rhythmus und die Melodie der Sprache "gehört". Unmöglich in diesem Buch alles verstehen zu wollen. Das werden, denke ich, nicht mal "akademisch-literarisch Vorbelastete" schaffen.


    JMaria:


    Zitat

    Aber auch die beiden Bardamen
    "Gold und Bronze" oder auch "Mina und Lydia" genannt sind die Sirenen


    Das hat mich anfangs sehr verwirrt. Ich bin davon ausgegangen, daß die Bardamen die Sirenen sind. Plötzlich fangen aber die Gäste an Musik zu machen. Also müssen die die Sirenen sein. Aber Du hast recht. Bei Burgess habe ich jetzt gelesen: "Beide tragen musikalische Namen - Mina (ein Wortspiel mit >minor<, also "Moll") und Lydia (eine Anspielung auf die Lydische Tonleiter - F-Dur mit H statt B)" (was immer das heißen mag, bin auch kein Musik-Experte.)


    Zitat

    Bloom geht, der Apfelwein - oder wars der Burgunder - rumort und mit einem Furz endet das Kapitel. Soviel zu "Verführung", besser hätte Bloom den "Sirenen" nicht antworten können. Genial.


    Toller Aspekt! Super! Diese ganze Singerei ging Bloom sowieso am A**** vorbei. Er war vor allem mit seinem Brief und seinem Essen beschäftigt.


    Zum Cyklopen-Kapitel:
    Joyce wollte mit dem Ulysses eine moderne Parodie auf Homers Odyssee schreiben. Das wird in diesem Kapitel besonders deutlich. In keinem anderen bisher waren für mich die Anspielungen und Symbole so deutlich zu erkennen. Immer wieder Hinweise auf das eine Auge. Gleich zu Anfang, als ein Schornsteinfeger dem Erzähler beinahe seine Gerätschaften ins Auge rammt. Der "Bürger" (Polyphem) reibt sich mit der Hand "das Auge", einem Boxer ist ein Auge zugeschwollen und zum Schluß tritt jemand mit einem Pflaster über einem Auge auf. Blooms "Mordszigarre" ist als Odysseus´ glühender Holzpflock anzusehen, der "Wein des Landes", das irische Bier, fließt in Strömen und setzt den "Cyklopen" auch teilweise schwer zu.
    Der kurze Dialog einige Kapitel vorher zwischen Bloom und Bantam Lyons über das Pferderennen in Ascot hat ungeahnte Folgen und führt zur Eskalation der ohnehin sehr aggressiven Stimmung, als Bloom von seinem vermeintlichen Gewinn keine Runde ausgeben will. Das Hinterherwerfen der Keksdose nach Blooms Kutsche durch den Bürger löst sogar ein Erdbeben aus :entsetzt: . Aber wie Polyphem verfehlt auch der betrunkene Bürger unseren "Helden". :smile:
    Ein furioses Kapitel, das mir großen Spaß gemacht hat.


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen !


    ikarus:

    Zitat

    Ich habe auch gemerkt, daß man sich viel an Lesespaß vergibt, wenn man sich ständig fragt: "Wie ist das nun schon wieder gemeint?"


    Du hast es genau getroffen, sonst macht man sich nur verrückt ! Also, Rainer, einfach Augen zu und durch :zwinker:


    Nachdem ikarus das Zyklopen-Kapitel sehr schön beschrieben hat, hätte ich nur noch 2 Anmerkungen:


    Ist euch aufgefallen, dass es hier einen Ich-Erzähler gibt ? Warum ? Sollte das ein Hinweis sein, dass dieses Kapitel Joyce besonders nahesteht ? Oder im Gegenteil, dass die Sicht des Bürgers zu Ich-bezogen ist ?


    Beim Bürger würde ich noch etwas weiter gehen: ich empfinde ihn als Metapher für die Eire, also die irische Nation, die unter den Einflüssen der Briten/Juden/Protestanten usw. leidet. Selbst die Sprache, gälisch, wird verboten, es wird von einem Parlamentsbeschluß erzählt (erinnert ihr euch, dass auch Odysseus über die Sprache Polyphemos ausgetrickst hatte ?). Der Bürger bedauert, dass die Landwirtschaft allein nicht ausreicht, um autarkt zu bleiben und wie bei Homer wird die "Gastfreundschaft" so arg strapaziert, dass am Ende nur noch ein rudimentäres Irland übrig bleibt. Auch der Hund (= Gewalt/Agression?) kann nichts ausrichten, die Politiker machen sich aus dem Staub und die Andersglaübigen zocken vermeintlich ab.


    Übrigens, der "running gag" mit dem Auge hat mich sehr belustigt.


    Zum Nausikaa-Kapitel:


    Hier kommt überwiegend die Liebe in allen Spielarten vor: romantische Liebe, Geschwisterliebe, körperliche Liebe, Liebe zu den eigenen Kindern und natürlich Ehebruch. Die romantischen Gedanken Gertys haben mich schon wieder an Fontane erinnert, aber sie waren sehr schön zu lesen und für mich eigentlich nie kitschig - dann der Höhepunkt, wie Gerty sich zur Schau stellt und Bloom masturbiert, und plötzlich ist die ganze Romantik weg und Blooms Gedanken machen sich breit ...wie gut, dass er morgens noch nicht masturbiert hatte ... wie alles klebt ... jetzt wäre ein Schläfchen nett ... und mit Gertys hinkendem Abgang hinkt auch die Romantik davon, übrig bleibt Realität, die in den Gedanken an den wahrscheinlich begangenen Ehebruch endet. Und das alles an dem Tag, als Joyce seine Frau kennenlernte !


    Gruß von Steffi

  • Hallo liebe MitstreiterInnen,
    nach einer längeren Pause werde ich mir heute das "Cyclopen"-Kapitel vornehmen und versuchen aufzuholen. Ich bin gespannt, ob mir das "Nausikaa"-Kapitel genau so gut gefällt wie die über den Tod und das Essen. Damit wären dann wohl die zentralen Momente menschlichen Daseins komplett.
    Noch zum Thema akademische Bildung: Ich glaube nicht, dass es akademisch gebildete LeserInnen von vornherein leichter haben (wer hat schon noch solche Universalbildung?), manche von ihnen tun sich bestimmt eher schwer. :smile: Die kleben genau wie ich zu sehr an der Sek.lit, statt auf ihre eigenen Empfindungen zu hören, weil sie es nicht ertragen können, etwas nicht zu verstehen.
    Wenn es sich nicht gerade um Anglisten handelt, habe ich immer Zweifel, ob der "Ulysses" in den Regalen tatsächlich gelesen wurde oder eher eine intelektuelle Zutat sein soll, weil dem Roman ein entsprechender Ruf vorauseilt. Seit wir mit dem Lesen angefangen haben, haben sich die Zweifel verstärkt. Wenn man sich nur ein wenig damit beschäftigt, dann kann man doch einiges erzählen, über die wechselnden Erzähltechniken, über Leopold Blooms Tag in Dublin etc. Das kann aber kaum jemand. Viele derjenigen, die sich mir gegenüber als Ulysses-Leser ausgegeben haben, konnten noch nicht mal die Bezüge zu Homer erklären. Habt Ihr auch solche Erfahrungen gemacht?
    Gruß, Fevvers

  • Hallo zusammen


    Steffi
    Die Form der Ich-Erzählung habe ich nur als eine weitere Erzähltechnik angesehen. Das hatten wir bisher noch nicht. Nichts weiter.


    Zitat

    Beim Bürger würde ich noch etwas weiter gehen: ich empfinde ihn als Metapher für die Eire, also die irische Nation, die unter den Einflüssen der Briten/Juden/Protestanten usw. leidet...


    Genial! Deshalb hat ihm Joyce wohl auch keinen Namen gegeben. Er steht für alle Bürger Irlands. Sehr gut, Steffi!


    Zum Nausikaa-Kapitel:
    Ist ja auch Zeit geworden,daß nach dem aggresiven Cyklopen-Kapitel wieder etwas Frieden und Liebe einkehrt. Aber ist es wirklich Liebe zwischen Gertie und Bloom? Sie hängt ihren romantischen Illusionen nach und für Bloom ist es reine Begierde.
    Der anfangs an einen kitschigen Liebesroman erinnernde Stil paßt gut zu den Mädchen und bringt die Abendstimmung am Strand gut zur Geltung. Einfach großartig wie Joyce es dann schafft die anschwellende Begierde in Bloom mit Hilfe der Beschreibung des Feuerwerks zu schildern. Tolle Allegorie! Wahrscheinlich werde ich nie mehr ein Feuerwerk betrachten können, ohne an diese Masturbations-Szene zu denken :-) Mit Bloom, der sich in einer wohligen Schlaffheit weidet, schlafft auch die Sprache ab, wird schläfrig und einlullend. :schnarch: "Fühl mich müd´ jetzt. Soll ich aufstehn? Wart noch. Hat doch die ganze Männlichkeit aus mir gesogen, die kleine Hexe." Ab da wird´s recht zäh. Gedankenfetzen von den Ereignissen des bisherigen Tages jagen kunterbunt durch Blooms Hirn und vermischen sich mit Gedanken aus seinem bisherigen Leben. Manchmal dachte ich: "Entweder schläft Bloom gleich ein, oder ich." Burgess bezeichnet dieses Kapitel als "ein Wunder der Verdichtung". Und das ist es ganz sicher.


    Die Wissensdisziplin des Kapitels soll die Malerei sein? Das hat sich mir nun überhaupt nicht erschlossen.


    Was symbolisiert eigentlich die Fledermaus?


    Ich habe schon das nächste Kapitel in Angriff genommen. Bis jetzt fällt es mir schwer in diesem Kauderwelsch (was für eine Sprache soll das eigentlich sein?) einen Handlungsfaden zu erkennen. Mal sehen, ob das mit der Zeit besser wird, wenn ich mich an die Sprache gewöhnt habe. Bin gespannt wie´s euch damit geht.


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ikarus !


    Beim Beginn des Helios-Kapitel habe ich geschluckt - und nicht nur einmal ! Also, Joyce mutet seinen Lesern ja einiges zu ! Ich denke, es ist althochdeutsch, mittelhochdeutsch oder so was - auf jeden Fall verschiedene Stile, von alt zu neu, oder ? Wenn man es laut liest, dann ist es auch gar nicht so schlimm, manchmal richtig zum schmunzeln z.B. als der Drache (=Biene) Bloom sticht oder die Beschreibung der "tavel". Sehr weit bin ich noch nicht gekommen. Schriftsprache als Indiz für die Weiterentwicklung der Menschheit ? Das zu übersetzten - einfach genial !


    Zitat

    Die Wissensdisziplin des Kapitels soll die Malerei sein? Das hat sich mir nun überhaupt nicht erschlossen.


    Da erschließt sich so manches bei mir nicht :smile: - macht mir aber nichts aus, solange ich den Überblick behalte (dank eurer Hilfe).


    fevvers schrieb:

    Zitat


    Viele derjenigen, die sich mir gegenüber als Ulysses-Leser ausgegeben haben, konnten noch nicht mal die Bezüge zu Homer erklären.


    Nein, ich kenne nämlich niemand, der Ulysses gelesen hat :breitgrins:


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen


    Fevvers: in meinem Bekanntenkreis ist auch niemand der "Ulysses" gelesen hat. Ich würde aber zugern mal einen Treffen :teufel:


    Ich bin nun mit dem Cyclopen-Kapitel durch. Wie immer habe ich die Befürchtung ich kriege die Gedanken, die mich während des Lesens "verfolgten" nicht mehr auf die Reihe, sobald ich darüber schreiben möchte :rollen:


    Zum ersten Mal konnte ich sofort die Odyssee-Parallele ziehen. Die Kneipenbesucher waren "Polyphemos" und Bloom "Odysseus". Mit jedem Pint nahm die Stimmung zu, wurde lauter, agressiver, frivoler und auch für Bloom gefährlicher. Am Höhepunkt rief Bloom dann noch "Israel soll leben, dreimal hoch!". Auch Odysseus reizte den Kyklopen zum Schluß, als er bereits auf dem Meer war.


    Wenn ich rückblickend das Kapitel betrachte, so fasse ich es auf 3 Stichpunkte zusammen: Religion, Politik und Namen. Sehr viele Namen.


    und die Geschichten bleiben mir in Erinnerung. So stell ich mir einen irischen Erzähler vor, diese Vermischung von Wahrheit und Erfundenem, mit einem Schuß Tragik.


    Wie erklärt ihr euch, daß Alf Paddy Dignam, der ja an diesem Tag begraben wurde, gesehen hat?


    Mit Steffis Gedanken, dass der "Bürger" das Volk der Iren darstellen soll, hat mir sehr geholfen, die richtige Sicht zu finden :)


    Zitat von "Steffi"

    Auch der Hund (= Gewalt/Agression?) kann nichts ausrichten, die Politiker machen sich aus dem Staub und die Andersglaübigen zocken vermeintlich ab.


    und als der Hund einem der Männer nachtrottete um vielleicht etwas von dem Inhalt der Keksdose zu bekommen, hatte er auch Pech: Leer


    Zitat von "Ikarus"


    Gleich zu Anfang, als ein Schornsteinfeger dem Erzähler beinahe seine Gerätschaften ins Auge rammt. Der "Bürger" (Polyphem) reibt sich mit der Hand "das Auge", einem Boxer ist ein Auge zugeschwollen und zum Schluß tritt jemand mit einem Pflaster über einem Auge auf. Blooms "Mordszigarre" ist als Odysseus´ glühender Holzpflock anzusehen, der "Wein des Landes", das irische Bier, fließt in Strömen und setzt den "Cyklopen" auch teilweise schwer zu.


    wenn du das Auge nicht erwähnt hättest, wäre mir das garnicht sofort aufgefallen, mir fiel als erstes dieses übermäßige Trinken auf.


    Zitat von "Ikarus"

    . Aber wie Polyphem verfehlt auch der betrunkene Bürger unseren "Helden".
    Ein furioses Kapitel, das mir großen Spaß gemacht hat.


    weil sie sportlich schnell waren. Der Sport war ja zu anfangs in dem Kapitel auch hervor gehoben. In der Form, als ob nur die Iren richtigen Sport vorführen können. Sind halt richtige Kerle.
    Denn die Engländer "spielen" Tennis und das ist gut fürs Auge (ca. S. 430)


    Was mir auch gefällt ist, daß jede kleinste Szene, die in einem vorherigen Kapitel beschrieben wurde, bestimmt irgendwann wieder auftaucht.
    Stichworte wie: Maul- und Klauenseuche, u.p., Elias, Mr. Been usw.


    James Joyce verliert nichts aus dem Auge und jongliert damit, findet die Handlungsstränge, wirbelt sie, fängt sie wieder auf, verknüpft sie und hält den Leser in Spannung.


    Mir hat das Kapitel auch großen Spaß gemacht und habe heute "Nausicaa" begonnen.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Ikarus


    Zitat

    Was symbolisiert eigentlich die Fledermaus?


    ich habe mal im Netz nachgeforscht und da wird die Fledermaus symbolisiert als Schutz gegen bösen Zauber, sie verleiht die Kraft um Dämonen zu kontrollieren.


    bei den Chinesen allerdings ist sie ein Symbol für Glück und langes Leben.


    Ich habe die Szene gestern noch gelesen, sie drückt für mich auch den Beginn der Dämmerung aus, immerhin ist es bereits 20 Uhr.


    Wenn man bedenkt, was Bloom noch erlebt (Feuerwerk), dann könnte er entweder glücklich oder von Dämonen verfolgt sein.


    Zu der Feuerwerks-Szene komme ich aber erst noch.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    Ich habe endlich das Helios-Kapitel geschafft.
    Wer bitte soll das verstehen? Ich jedenfalls nicht! Ich bin mir vorgekommen wie in einer lärmenden Kneipe. [Blockierte Grafik: http://www.handykult.de/plaudersmilies.de/argue.gif] War ich froh, als Mrs. Purefoy endlich ihr Kind geboren hatte. Gepaßt hat, daß zum Schluß alle besoffen sind. Dieses Kapitel hat nämlich auch bei mir einen Mords-Kater hinterlassen [Blockierte Grafik: http://img.gulli.com/smilies/mad/015.gif]


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo !
    ikarus: du beschreibst das Kapitel ganz gut, diesen Eindruck hatte ich auch. Und ein schönes Zitat habe ich gefunden:
    "Der Augenblick begünstigte nur allzu sehr die Entfaltung jener Redelust, welche das einzige Band zwischen den so verschiedenartigen Temperamenten zu sein schien."




    Das Helios-Kapitel habe ich endlich auch geschafft. Das erste Kapitel, bei dem ich mir wirklich Notizen machen musste ... :grmpf:


    Im wesentlichen, soweit ich es verstanden habe, geht es um die Entwicklung des Menschen/der irischen Menschen/derMenschheit/Blooms. Von der Zeugung/Vaterschaft zur Geburt, wobei als Zeugung auch Stephens Dichtkunst angesehen wird "Ich Bous Stephanoumenos, ochsenfreundlichr Barde, bin Herr und Spender ihres Lebens."


    Die irische Geschichte bzw. die Eroberung Irlands durch diesen "Vetter Harry" wird in der Bullengeschichte dargestellt, gleichzeitig die Parallele zur Odyssee. Der Bulle wird mit der Kirche(Papst) gleichgesetzt, er betört die Frauen und an der Straße entstehen viele Futterplätze bzw. Kirchen. Vetter Harry ,der englische König, verbündet sich mit ihm, um Irland regieren zu können. Ein interessanter link zur irischen Geschichte


    Blooms Charakter wird ebenfalls dargestellt, bisher haben wir ja noch nicht allzuviel über ihn erfahren, eben nur seine innersten Gedanken oder unkommentierte Handlungen. Jetzt läßt sich Joyce herab, etwas näher auf ihn einzugehen, in eher konventioneller Weise: er fühlt sich alt und abgeklärt gegenüber der "jungen Spunte", die über ihn spotten, er ist duldsam und achtet die Frauen, er wird als der "Herr Fürsichtige Besenfftiger" bezeichnet. Dann ein Rückblick auf den jungen Leopold, er betrachtet sich selbst, der erste Schultag in der Oberschule, der erste Auftrag, der erste Sex.


    Die Errungenschaften der Menschheit werden durch die Hygiene, Wissenschaft und Mathematik "daß nämlich sowohl Natalität als auch Mortalität, ...einer Zahlengesetzmäßigkeit unterworfen sei ..." begründet. Nachdem am Schluß alle betrunken von dannen ziehen, kann es allerdings mit der Weiterentwicklung der Menschheit doch nicht so weit her sein



    Diese Stilwechsel würde mich allerdings noch näher interessieren - im Original sind es ja wohl Imitationen verschiedener Schriftsteller. Ob das in der Übersetzung auch so ist ? Auf jeden Fall habe ich durch den Stilwechsel besonders deutlich die Willkür des Dichters gespürt, der uns Lesern bewußt über den Stil bestimmte Emotionen aufzwingen kann. Zuerst einmal erstaunlich, wie Joyce verschiedene Stile imitiert, jeder Abschnitt "sprach" mit einer anderen Stimme. Aber der "Zauber der Dichtung" wurde für mich nun etwas zerstört. Benutzen manche Schriftsteller bewußt einen bestimmten Stil ? Darüber habe ich bisher nie nachgedacht.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen


    mich gibts auch noch ;-)


    Ich war so verrückt und habe "Dubliners" reingeschoben, weil im Klappentext steht, daß man dieses Buch lesen soll um J.J. zu verstehen.


    Naja. Selbst wenn man nach "Dubliners" J.J. besser versteht, wirft einen "Ulysses" wieder um. Kein Vergleich. Ich war nur so erstaunt über den Unterschied. "Dubliners" wirkt im Erzählstil m.E. wie Hemingway. Gute Beobachtungsgabe, wie wir es von J.J. gewohnt sind, aber keine Wortspiele oder Stiländerungen. Man bemerkt seine Haßliebe zu Dublin.


    Interessant war das Kapitel "Gnade", da erscheinen einige Namen aus "Ulyssses".


    z.B. Martin Cunningham wird beschrieben, daß er wie Shakespeare aussähe. Kearnan wurde durch seine Freunde zu einem besseren Leben bekehrt.


    Ich kann "Dubliners" nur empfehlen.


    So, nun mache ich mich an diesem Wochenende ans Kapitel "Helios", sonst komm ich euch garnicht mehr hinterher :sonne:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    durch eure Postings war ich ja schon etwas vorgewarnt, aber das Kapitel übertrifft ja meine Erwartungen. Ich bin zwar noch nicht durch, aber ich mußte so schmunzeln über diesen alten Dialekt, daß ich mich einfach an den PC setzen mußte um euch zu schreiben.


    Zitat

    Ich habe schon das nächste Kapitel in Angriff genommen. Bis jetzt fällt es mir schwer in diesem Kauderwelsch (was für eine Sprache soll das eigentlich sein?) einen Handlungsfaden zu erkennen. Mal sehen, ob das mit der Zeit besser wird, wenn ich mich an die Sprache gewöhnt habe. Bin gespannt wie´s euch damit geht.


    in der Analysis steht, daß es im Original eine Mischung von Latein und moderner Sprachform ist. Der Beginn dieser verwirrenden Absätze ist in einer alten Englischen Sprache.


    Da wir uns in einem Krankenhaus in der Holles Street befinden, frage ich mich, warum sich dort einige lärmende, betrunkene Studenten befinden.
    Kennen diese alle Mrs. Purefoy? Ich dachte nur Bloom sei mit dieser Frau bekannt.


    In diesem konfusen Text geht es ja um wieder um die Rolle der Frau, die Mutter Gottes und die männliche Geburt. Bloom sinnt wieder darüber, daß ihm dies verwehrt war und daß sein Sohn 11 Tage nach der Geburt starb.


    viele Bibeltexte wurde miteinbezogen oder und auf die Nation Erin umgeändert.


    Helios hatte ja heilige Kühe auf seiner Insel. Der Doktor in diesem Hospitel heißt Dr. Horn, das paßt!


    Jetzt gehts weiter. Irgendwie freu ich mich diesen verrückten Text weiterzulesen.


    CU Maria :sonne:

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Steffi hat geschrieben:


    Beim Beginn des Helios-Kapitel habe ich geschluckt - und nicht nur einmal ! Also, Joyce mutet seinen Lesern ja einiges zu ! Ich denke, es ist althochdeutsch, mittelhochdeutsch oder so was -?


    Hallo Steffi,


    die Helios-Episode wird in der Sekundärliteratur manchmal das Kapitel der Parodien genannt, weil sie den Stil vieler Dichter nachzuahmen scheint. Beim genauen Vergleich stellt man aber fest, dass Joyce hier keinerlei satirische Absicht hegt, denn nirgens übertreibt er die Eigenheiten des jeweiligen Originals. Vielmehr stellt er in diesem Kapitel analog zur embryonalen Entwicklung des Menschen, die Entwicklung der englischen Sprache da, d.h. die Stilarten sind vom altenglischen (bis 1066) über das Mittelenglische (1066 – 1500) zum Neuenglischen (ab 1500) historisch geordnet. Es beginnt im ersten Abschnit (Auf der ganzen welt wird ....auf ewig unwiderruflich anbefohlen hat?) mit dem Historiker Tacitus (55-120 n. Chr.) und endet „im Unstil schlechthin, dem Slang des angetrunkenen menschlichen Gestammels“ (Joyce an Frank Budgen). Dazwischen findet man u.a. den Stil von Defoe (Robinson) und Swift (Gullivers Reisen) in der Unterhaltung über Maul- und Klauenseuche, über Bullen, irische, päpstliche und andere (Abschnitt: Jetzo stand Lenehan auff gegen das Fußende des Tisches ......Denn Mann bleibt Mann, ahoi!) sowie Charles Dickens (Abschnitt: Mittlerweile hatten Geschicklichkeit und Geduld des Arztes ..... Ei du frommer und getreuer Knecht!).


    Dem ganzen Kapitel als Ouvertüre vorangestellt sind 3 Anrufungen in der Art der Fratres Arvales (römische Priester die religiöse Feiern mit Gesänge begleiteten) und jede dieser Anrufungen wird dreimal wiederholt:


    „Deshil Holles Eamus“ bedeutet: „Laßt uns nach Süden gehen in die Holles Street“.


    „Schick uns, du Heller, du Lichter, Horhorn, Leben und Leibesfrucht“ ist eine Anrufung des Sonnengottes Helios, welcher durch Andrew Horne, den Leiter der Entbindungsanstalt (Haus des Horne) personifiziert ist.


    „Hopsa, ein Jungeinjung, hopsa!“ ist der Freudenruf der Hebamme die den neugeborenen Jungen hochhebt.


    Diese 3 Anrufungen geben damit in Stil (vom lateinischen zum modernen) und Inhalt einen Vorausblick auf das ganze Kapitel.


    Diese Stilwechsel würden mich allerdings noch näher interessieren - im Original sind es ja wohl Imitationen verschiedener Schriftsteller. Ob das in der Übersetzung auch so ist ?


    Dazu Hans Wollschläger: „Ich habe zwar zur eigenen Einstimmung jeweils Textstücke der betreffenden Stilepochen vors Auge genommen, aber im übrigen keine genauen Parallelen hergestellt, einfach weil dann der Modellzwang so stark gewesen wäre, dass die Originalnähe im Syntaktischen hätte aufgegeben werden müssen.“



    By the way: Vielen Dank für Deinen Link zur irischen Geschichte!


    Gruß


    Hubert

  • Hallo,
    ich wollte mich mal wieder kurz melden. Ich hinke noch hinter Euch her, aber nach einer Pause macht mir der Text wieder viel Spaß. Z.B. das "Cyclops"-Kapitel.


    Das typische Kneipengeschwätz ist Joyce gut gelungen. Bob "Wer ist tot?" Doran ist eine herrliche Karikatur in dieser für einen Säufer natürlichen Umgebung, Bloom macht sich ständig lächerlich. Der Ich-Erzähler war anfangs gewöhnungsbedürftig, aber ich habe mir dann vorgestellt, dass der nach dem Aufruhr sofort in einen anderen Pub rennt, um dort die unerhörten Vorkommisse zu verbreiten. Da war's dann wieder stimmig.


    Den "Bürger" habe ich aufgrund seiner nationalistischen Äußerungen, seiner Sprache etc. genau wie ihr mit Irland gleichgesetzt. Ansonsten war für mich die Erzähltechnik das weitaus interessante. Die vielen Parodien von irischen Legenden, Mittelalterromanen oder solchen aus dem 19. Jdhtd., die die mittelalterlichen imitierten, Zeitungsartikeln (Gesellschafts-, Sportberichte usw.) ein Vergnügen. Ich fand sie ganz großartig gelungen, vor allem weil sie inhaltlich auf das eingingen, das vorher passierte oder erzählt wurde. Die satirische Beschreibung der auf einer Kieselsteinkette eingravierten Portraits erinnerte mich an die Schildbeschreibung Achills. Besonders gelacht habe ich bei den Berichten über die spiritistische Sitzung, die Försterstochterhochzeit oder zum Schluß über das Keksdosen-Erdbeben.


    Vom "Nausikaa"-Kapitel habe ich etwa die Hälfte gelesen, ich habe das Buch gestern Abend beiseite gelegt, weil ich ebenfalls sehr ernüchtert war. Darüber, dass Gertys Träumereien wohl unerfüllt bleiben werden, da sicherlich viele Blooms Ansicht teilen, dass ein körperlicher Makel bei einer Frau schwerer wiegt. Und über Blooms abfällige Bemerkungen über Frauen. Er ist mir endgültig unsympathisch geworden.
    Es wurde in diesem Kapitel nochmals der Hund "Garryowen" erwähnt, der schrecklich Köter aus dem Pub - habe ich das richtig verstanden: Gerty ist des Bürgers Enkelin?


    Eure letzten Beiträge habe ich überflogen und werde sie genauer nachlesen, wenn ich mit "Nausikaa" und "Rinder des Helios" durch bin.
    Liebe Grüße, Fevvers


    Zitat von "JMaria"


    In meinem Bekanntenkreis ist auch niemand der "Ulysses" gelesen hat. Ich würde aber zugern mal einen Treffen :teufel:


    Au weia! In dessen Haut möchte ich nicht stecken... :wink:

  • Maria schrieb:


    „Ich war so verrückt und habe "Dubliners" reingeschoben, weil im Klappentext steht, daß man dieses Buch lesen soll um J.J. zu verstehen.“


    Hallo Maria,


    „Dubliners“ vor „Ulysses“ zu lesen ist sicher keine verrückte sondern eine gute Idee. Ich hatte es zuerst umgekehrt versucht: ohne Erfolg – und heute bin ich Joyce-Fan. Der Tip auf dem Klappentext stammt übrigens von T.S.Eliot. Dieser empfahl all jenen, die sich mit dem Werk von James Joyce vertraut machen wollten: „Und zuerst lese man die „Dubliner“. Es ist die einzige Möglichkeit, das Werk eines der größten Schriftsteller zu verstehen.“


    Genauso sinnvoll ist es „Ein Porträt des Künstlers als junger Mann“ vor „Ulysses“ zu lesen; hier geht es ja um die Vorgeschichte von Stephen Dedalus.


    „Selbst wenn man nach "Dubliners" J.J. besser versteht, wirft einen "Ulysses" wieder um. Kein Vergleich. Ich war nur so erstaunt über den Unterschied. "Dubliners" wirkt im Erzählstil m.E. wie Hemingway. Gute Beobachtungsgabe, wie wir es von J.J. gewohnt sind, aber keine Wortspiele oder Stiländerungen.“


    Ich bin mir nicht sicher, ob der Unterschied zwischen den „Dubliner“ und „Ulysses“ wirklich so groß ist: schließlich war „Ulysses“ zunächst als eine Erzählung zu den „Dubliner“ geplant und ist dann nur ausgeufert, so dass es für Joyce ein eigener Roman wurde. Aber wer würde z.B. die ganzen Beziehungen zur „Odyssee“ entdecken, wenn der Roman nicht „Ulysses“ hieße sondern z.B. „Ein Tag in Dublin“ und wenn nicht die (von Joyce angeregte) Sekundärliteratur zur Verfügung stehen würde – und was könnte man in den „Dubliner“ mit Hilfe von Sekundärliteratur nicht alles entdecken?


    Ich würde mich noch gerne über die „Dubliner“ mit Dir austauschen, da dies aber nichts mit Ulysses direkt zu tun hat, habe ich einen eigenen Thread in Allgemeines Diskussionsforum eröffnet. Wenn Du Lust und Zeit hast, würde ich mich freuen.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo ihr lieben Leute


    "So betreten wir ein Kapitel stilistischer Parallaxe, in dem sich der Bloom, den der junge Dr. Dixon am 23. Mai 1904 wegen eines Bienenstichs behandelte, gesehen durch den Schleier der Sprache des 14. Jahrhunderts, verändert hat."
    (Hugh Kenner, Ulysses)


    Also, liebe Mitleser, ich für mein Teil betrat ein Kapitel (Rinder des Sonnengottes), in dem meine Leidensfähigkeit als Leser bis aufs äußerste strapaziert wurde!
    Bin gespannt, was J.J. noch so alles "in petto" hat, um mir das Lesen seiner Bücher zu vermiesen! :zwinker:


    Schöne Grüße
    Rainer

  • Zitat von "Rainer"

    Also, liebe Mitleser, ich für mein Teil betrat ein Kapitel (Rinder des Sonnengottes), in dem meine Leidensfähigkeit als Leser bis aufs äußerste strapaziert wurde!


    Oh je! Ich scheine die letzte zu sein, die dieses Kapitel noch lesen muss (ab morgen). Mir persönlich graut aber vor "Circe", sowohl wegen des Inhalts auch auch wegen der Länge.
    Gruß, Fevvers